Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1058/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

6B_1058/2019

Urteil vom 15. Januar 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Denys, Präsident,

Bundesrichter Muschietti,

Bundesrichterin Koch,

Gerichtsschreiber Matt.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwältin Victoria Huber,

Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons

Aargau,

2. B.________,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Raub, Landesverweisung; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 9. Juli 2019 (SST.2018.309).

Sachverhalt:

A. 

Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach wirft A.________ mehrfachen Raub sowie
Beschimpfung vor. Er soll in der Nacht des 18. November 2017 zusammen mit zwei
Mitbeschuldigten am Bahnhof Brugg von Landsleuten die Herausgabe mehrerer
Bierflaschen verlangt haben. Als sich jene weigerten, sollen die Beschuldigten
die Opfer mehrfach auf den Kopf bzw. ins Gesicht geschlagen und drei Flaschen
Bier entwendet haben. Zudem hätten sie einem Opfer eine silberne Halskette im
Wert von Fr. 300.-- entwendet. In der Folge sollen die Beschuldigten einem
Opfer gefolgt sein und soll A.________ dieses unter Drohung mit einem Messer
zur Herausgabe des Mobiltelefons aufgefordert haben. Da sich das Opfer
geweigert habe, hätten es die Mitbeschuldigten festgehalten, während A.________
das Mobiltelefon aus dessen Hosentasche gezogen und das Opfer beschimpft habe.

Das Bezirksgericht Brugg sprach A.________ am 14. August 2018 mit Bezug auf den
ersten Sachverhalt (Bier und Halskette) vom Vorwurf des Raubes sowie der
Beschimpfung frei. Hingegen sprach es ihn des geringfügigen Diebstahls
(betreffend Bier) sowie des Raubes (betreffend Mobiltelefon) schuldig und
verurteilte ihn zu 300 Tagessätzen à Fr. 40.-- Geldstrafe bedingt und Fr.
100.-- Busse. Ferner ordnete das Bezirksgericht eine Landesverweisung von 5
Jahren an. Auf Berufung von A.________ sowie Anschlussberufung der
Staatsanwaltschaft hin sprach das Obergericht des Kantons Aargau den
Beschuldigten am 9. Juli 2019 auch vom Vorwurf des geringfügigen Diebstahls
betreffend Bierflaschen frei. Es bestrafte ihn wegen Raubes des Mobiltelefons
mit 295 Tagessätzen à Fr. 50.-- Geldstrafe bedingt und Fr. 3'000.-- Busse.
Ausserdem verwies es den Beschuldigten für 7 Jahre des Landes.

B. 

Mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht beantragt A.________, er sei
(auch) vom Vorwurf des Raubes betreffend das Mobiltelefon freizusprechen;
eventualiter sei von einer Landesverweisung abzusehen; auf die Rückforderung
der Kosten für die amtliche Verteidigung sei zu verzichten; er sei für die zu
Unrecht erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen. Eventualiter sei die Sache
zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. A.________ ersucht um
unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1. 

Der Beschwerdeführer kritisiert die vorinstanzliche Beweiswürdigung, namentlich
das Abstellen auf die Aussagen des Beschwerdegegners 2.

1.1. Das Bundesgericht prüft die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und
Beweiswürdigung nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür nach Art. 9 BV (Art. 97
Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1.; 143 IV 241 E. 2.3.1; je
mit Hinweisen). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die
vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die
Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler
beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich oder gar zutreffender
erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der
Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit
Hinweisen). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substantiiert
begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG), andernfalls das Bundesgericht darauf
nicht eintritt (BGE 144 V 50 E. 4.2; 143 IV 500 E. 1.1; je mit Hinweisen).

1.2. Die Vorinstanz begründet ausführlich und überzeugend, weshalb sie den
strittigen Sachverhalt als erstellt erachtet und dabei wesentlich auf die
insoweit als widerspruchsfrei beurteilten Aussagen des Beschwerdegegners 2
abstellt. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, genügt zum Nachweis von
Willkür nicht. Namentlich verwirft die Vorinstanz dessen Behauptung, wonach er
das Mobiltelefon nach der Auseinandersetzung auf dem Boden gefunden habe,
nachvollziehbar und gestützt auf die Aussagen des Beschwerdeführers selbst.
Demnach hat er wiederholt angegeben, das Telefon an sich genommen und behalten
zu haben, um es gegen eine ihm angeblich vom zweiten Opfer entwendete Halskette
zu tauschen. Dass der Beschwerdeführer das Mobiltelefon als Druckmittel benutzt
habe, habe auch der Beschwerdegegner 2 bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist es
nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz annimmt, dass der Beschwerdeführer,
nicht einer der Mitbeschuldigten, das Mobiltelefon im Laufe der
Auseinandersetzung und damit gegen den Willen des Beschwerdegegners 2 an sich
nahm. Dies gilt umso mehr, als gemäss Darstellung der Vorinstanz primär die
Mitbeschuldigten Gewalt ausübten und den Beschwerdegegner 2 festhielten, was im
Übrigen auch das Fehlen von DNA-Spuren des Beschwerdeführers am Hals des Opfers
erklären würde. Mit Blick auf die rechtliche Würdigung des Sachverhalts ist
zudem nicht entscheidend, ob die Wegnahme unter Drohung mit einem Messer oder
bloss mit Gewalt im Sinne von Schlägen, Würgen und Festhalten geschah, wovon
die Vorinstanz im Zweifel ausgeht. Mit seinem Einwand, wonach der
Beschwerdegegner 2 den mutmasslichen Täter anhand seiner Körpergrösse
identifiziert und sich diesbezüglich widersprochen habe, scheint der
Beschwerdeführer ferner zu verkennen, dass die Identifikation des Täters gemäss
Darstellung der Vorinstanz anhand des Gesichtsausdrucks sowie der Haare
erfolgte. Demnach hat der Geschädigte den Beschwerdeführer anlässlich einer
Fotodokumentation auf Anhieb und eindeutig als diejenige Person wiedererkannt,
die sein Mobiltelefon gestohlen hat. Er hat dies in der Hauptverhandlung
bestätigt.

Sodann ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner 2 den Beschwerdeführer
insoweit entlastete, als er ihm zugute hielt, die Mitbeschuldigten nach der
Wegnahme des Mobiltelefons davon abgehalten haben, ihn weiter zu traktieren.
Die Vorinstanz wertet diesen Umstand zu Recht als Indiz für die Glaubhaftigkeit
der diesbezüglichen Aussagen. In diesem Zusammenhang ist ferner irrelevant, ob
und inwieweit sich der Beschwerdegegner 2 mit Bezug auf den ersten Teil der
Auseinandersetzung widersprochen hat. Dies gilt ebenso für etwaige Widersprüche
betreffend den Vorwurf der Beschimpfung, hinsichtlich welchem denn auch ein
Freispruch erfolgte. An der Schlüssigkeit der vorinstanzlichen Beweiswürdigung
hinsichtlich der Wegnahme des Mobiltelefons durch den Beschwerdeführer ändert
auch nichts, dass sich die - belastende - Behauptung des Beschwerdegegners 2,
wonach er mit einem Messer bedroht worden sei, nicht erhärten liess. Entgegen
der Darstellung des Beschwerdeführers berücksichtigt die Vorinstanz diesen
Umstand sehr wohl. Soweit er einwendet, es sei unklar, was der Beschwerdegegner
2 aufgrund seiner Alkoholisierung überhaupt mitbekommen habe, begründet er
ebenfalls keine Willkür, zumal er keinen erheblichen Alkoholisierungsgrad des
Beschwerdegegners 2 benennt. Nicht zu beanstanden ist schliesslich, dass die
Vorinstanz den Aussagen des einzigen neutralen Zeugen angesichts der Konstanz,
mit welcher der Beschwerdegegner 2 den Beschwerdeführer als Täter der Wegnahme
identifiziert habe, keine entscheidende Bedeutung beimisst.

Im Übrigen lässt der Beschwerdeführer mit diesem Einwand ausser Acht, dass der
Zeuge in seiner tatnächsten Aussage von drei Tätern sprach, was die
vorinstanzliche Beweiswürdigung stützt. Es schadet daher jedenfalls unter
Willkürgesichtspunkten nicht, dass er vor Vorinstanz angab, nur zwei Täter
gesehen zu haben. Auch, dass das zweite Opfer den Strafantrag zurückzog, lässt
keine Schlüsse auf den Tathergang bzw. die (fehlende) Täterschaft des
Beschwerdeführers zu. Da zudem feststeht, dass das Mobiltelefon des
Geschädigten in der Wohnung des Beschwerdeführers sichergestellt wurde und
dieses nicht mehr ausgewertet werden konnte, ist die vorinstanzliche Annahme,
wonach der Beschwerdeführer nie die Absicht gehabt habe, das Gerät
zurückzugeben, gleichfalls nachvollziehbar. Daran ändert entgegen seiner
Auffassung nichts, dass im einschlägigen Bericht lediglich davon die Rede ist,
das Gerät sei eventuell von Dritten zurückgesetzt worden. Der Beschwerdeführer
vermag nicht aufzuzeigen und es ist nicht ersichtlich, wer ausser ihm als
Urheber der Rücksetzung in Frage käme oder die SIM-Karte des Telefons entfernt
haben könnte. Dass dies der Beschwerdegegner 2 selbst gewesen sein soll, wie
der Beschwerdeführer mutmasst, ist jedenfalls nicht plausibel, müsste dies doch
vor der Wegnahme passiert sein. Die Vorinstanz verwirft diese Darstellung daher
nachvollziehbar als Schutzbehauptung.

2. 

Zur rechtlichen Qualifikation der Tat als Raub äussert sich der
Beschwerdeführer nicht. Darauf ist ebenso wenig einzugehen wie auf die von ihm
kritisierte Landesverweisung, soweit er diese mit dem beantragten Freispruch
begründet. Wenn der Beschwerdeführer ferner eventualiter vorbringt, von einer
Landesverweisung sei aufgrund eines Härtefalls abzusehen, so zeigt er nicht
auf, dass ein solcher entgegen der Auffassung der Vorinstanz vorläge oder, dass
deren diesbezügliche Sachverhaltsfeststellungen willkürlich wären. Der
Beschwerdeführer bestreitet insbesondere nicht, dass er gemäss dem
Asylentscheid vom 28. April 2017 nie ein Aufgebot zum Militärdienst in Eritrea
erhalten hat und auch nie in eine Razzia geraten war. Es ist daher plausibel,
wenn die Vorinstanz gestützt darauf zum Schluss gelangt, es sei nicht davon
auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Eritrea Nachteile
drohen würden, die einen Härtefall nahelegen würden. Daran ändert nichts, dass
der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Strafverfahren nunmehr doch die
vorerwähnten Asyl- resp. Härtefallgründe geltend machte. Im Übrigen ist nicht
nachvollziehbar und begründet der Beschwerdeführer nicht, weshalb er diese
nicht bereits im Asylverfahren nannte und sich ausführlich zu den Umständen
seiner Ausreise aus Eritrea äusserte. Indem er vorbringt, er sei im
Asylverfahren nie "formell" zu den Gründen des Asylgesuchs befragt worden,
belegt und begründet er ebenfalls keine Willkür oder Verletzung von
Bundesrecht. Entgegen seiner Auffassung verletzt die Vorinstanz auch nicht sein
rechtliches Gehör, indem sie auf den Beizug der gesamten Asylakten verzichtet
und sich auf den Asylentscheid stützt.

3. 

Die Beschwerde ist abzuweisen. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen, zumal sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege als
aussichtslos erscheint. Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei der
Kostenfestsetzung Rechnung zu tragen (Art. 64 Abs. 1 und 2, Art. 65 Abs. 2 und
Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 

Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 1'200.--.

4. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Januar 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Matt