Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.713/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_713/2019

Urteil vom 17. Oktober 2019

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Herrmann, Präsident,

Bundesrichter Marazzi, Schöbi,

Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte

1. A.________,

2. B.________,

beide vertreten durch Rechtsanwalt

Dr. Hans-Ulrich Zürcher,

Beschwerdeführer,

gegen

Friedensgericht des Seebezirks.

Gegenstand

Erwachsenenschutz,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Kindes- und
Erwachsenenschutzhof,

vom 20. August 2019 (106 2019 32, 106 2019 33).

Sachverhalt:

A.

A.________ (geb. 1979) leidet an autistischen Einschränkungen. Er steht unter
einer Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung. Als Beistand fungiert
B.________, welcher zum Freundeskreis der Familie gehört. A.________ lebt in
der Stiftung C.________ in U.________.

B.

Mit Schreiben vom 15. März 2019 beantragte B.________ beim Friedensgericht des
Seebezirks in dessen Funktion als KESB, die Zustimmung zur Kündigung des
Vertrages mit der Stiftung C.________ und zum Umzug von A.________ in seine
Institution "D.________" in V.________ zu erteilen und als Folge die
Beistandschaft an die KESB Emmental zu übertragen.

Mit Entscheid vom 13. Mai 2019 wies das Friedensgericht nach Anhörung von
A.________ den Antrag ab und bestätigte dessen Aufenthalt in der Stiftung
C.________.

Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Freiburg in seiner
Funktion als Kindes- und Erwachsenenschutzhof mit Urteil vom 20. August 2019
ab.

C.

Gegen dieses Urteil wurde am 16. September 2019 beim Bundesgericht eine
Beschwerde erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Bewilligung, dass
A.________ die Stiftung C.________ in U.________ verlassen und seinen
Aufenthaltsort in die Institution "D.________" in V.________ verlegen kann,
unter Übertragung der Zuständigkeit für die Beistandschaft an die KESB
Emmental. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt, aber die kantonalen Akten
beigezogen.

Erwägungen:

1.

Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid betreffend
Aufenthaltsverlegung im Rahmen des Erwachsenenschutzrechts; die Beschwerde in
Zivilsachen steht offen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6, Art. 75 Abs. 1 und Art.
90 BGG).

Anders als im kantonalen Verfahren, wo der Beistand als Vertreter von
A.________, aber auch in eigenem Namen Beschwerde führte, wird die Beschwerde
vor Bundesgericht durch den Rechtsanwalt gleichermassen im Namen von A.________
und von B.________ eingereicht. Ob jedoch A.________ einen Beschwerdewillen, ja
ob er überhaupt von der Beschwerdeeinreichung Kenntnis hat, scheint aufgrund
der noch zu schildernden Umstände zweifelhaft, kann aber im Zusammenhang mit
der Eintretensfrage offen bleiben. Indes wird bei der Kostenregelung zu
berücksichtigen sein, dass der Beistand die treibende Kraft hinter der
beabsichtigten Aufenthaltsverlegung ist und er diese, wie aus den Akten klar
hervorgeht, auch eigenmächtig eingeleitet hat.

2.

Das Kantonsgericht ging von einem Interessenkonflikt aus, weil der Beistand den
Verbeiständeten in seiner eigenen Institution unterbringen will. Dass der
Interessenkonflikt zumindest abstrakt besteht, was rechtsprechungsgemäss
genügt, ist augenfällig, wobei zur Begründung im Einzelnen auf die Erwägungen
im angefochtenen Urteil ver-wiesen werden kann; daran ändert die
beschwerdeweise Beteuerung des Beistandes nichts, er wolle nur das Beste für
A.________.

Weil demzufolge nicht B.________ als Beistand über die Aufenthaltsverlegung
entscheiden konnte (vgl. Art. 403 Abs. 2 ZGB), hat sich das Kantonsgericht die
Frage gestellt, ob die Erwachsenenschutzbehörde allenfalls einen Ersatzbeistand
zu ernennen hätte oder ob sie die Sache selbst regeln könne (vgl. Art. 403 Abs.
1 ZGB). Wie bereits das Friedensgericht ist das Kantonsgericht zum Schluss
gekommen, dass angesichts der klaren Situation die Errichtung einer
Ersatzbeistandschaft unverhältnismässig wäre.

Soweit in diesem Zusammenhang beschwerdeweise eine Verletzung von Bundesrecht
geltend gemacht wird, ist diese nicht zu erkennen. Art. 403 Abs. 1 ZGB eröffnet
der Behörde ein Ermessen. Angesichts des klaren Sachverhaltes (dazu
nachfolgend) war es naheliegend und zweckmässig, wenn das Friedensgericht
direkt über die Frage der Aufenthaltsverlegung entschieden hat. Insofern wurde
das Ermessen sachgerecht ausgeübt und ist keine Verletzung von Bundesrecht
auszumachen.

Was den Umstand anbelangt, dass die Auflösung des Haushaltes bzw. die Kündigung
der Wohnräumlichkeiten sowie der Dauervertrag für die neue Unterbringung, wie
er erforderlich würde, der Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde bedarf (Art.
416 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 ZGB), ist Folgendes zu bemerken: Die Zustimmung setzt
ein vom Beistand für den Verbeiständeten gültig abgeschlossenes Rechtsgeschäft
voraus, weil sie das Handeln des Beistandes nicht ersetzt (vgl. Urteil 5A_980/
2014 vom 27. August 2015 E. 5.2). Dies macht aber nicht zwingend die Errichtung
einer Ersatzbeistandschaft erforderlich, weil Art. 403 Abs. 1 ZGB der
Erwachsenenschutzbehörde die Wahl lässt, ermessensweise an der Stelle des
Beistandes zu handeln; diesfalls übernimmt sie selbst die gesamte Verantwortung
für das Geschäft und enthält ihr Handeln gleichzeitig die Zustimmung im Sinn
von Art. 416 ZGB (MEIER, in: FamKomm Erwachsenenschutz, 2013, N. 15 zu Art. 392
ZGB; BIDERBOST/HENKEL, in: Basler Kommentar, 6. Aufl. 2018, N. 21 zu Art. 392
ZGB; HÄFELI, in: Kurzkommentar ZGB, 2. Aufl. 2018, N. 3 zu Art. 403 ZGB).

Die gegenteilige Behauptung in der Beschwerde, wonach im Bereich von Art. 416
ZGB die Errichtung einer Ersatzbeistandschaft zwingend sei, ist nach dem
Gesagten nicht nur unzutreffend, sondern ihr haftet überdies etwas Treuwidriges
an, weil sie in offensichtlichem Widerspruch zu den beschwerdeweise gestellten
Rechtsbegehren steht, mit welchen nicht die Ernennung eines Ersatzbeistandes,
sondern einzig die Zustimmung zur Aufenthaltsverlegung verlangt wird. Der
Beistand und sein Rechtsanwalt gehen mithin selbst davon aus, dass das
Bundesgericht die Frage der Aufenthaltsverlegung direkt regeln kann. Dies
trifft zu, weil es sich bei der Beschwerde in Zivilsachen um ein
reformatorisches Rechtsmittel handelt (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG). Das
entsprechende Vorgehen war nach dem Gesagten aber bereits den kantonalen
Instanzen möglich, umso mehr als sich die Kompetenzen im Rahmen des
Rechtsmittelzuges nicht ausweiten lassen.

3.

In der Sache haben das Friedensgericht und sodann das Kantonsgericht auf
folgenden Sachverhalt abgestellt:

Bei der Anhörung durch die Friedensrichterin hatte A.________ auf die Frage,
wie er zum Umzug stehe, geantwortet: "Der Beistand möchte, dass ich zu ihm
gehe. Aber ich bin mir nicht sicher. Seine Frau erledigt auch vieles. Ich habe
Angst, weil ich nicht weiss, wie es sein würde" und sodann "Ich weiss nicht, ob
ich zu ihm wohnen gehen soll oder nicht. Ich wäre lieber in U.________.
Vielleicht ist der Beistand dann sauer, weil er mich nicht versteht." Auf die
Frage, ob es ihm wichtig sei, dass B.________ Beistand bleibe, antwortete er:
"Meine Mutter möchte das schon." Im Übrigen ergab die Anhörung, dass es
A.________ in der C.________ gut gefällt und er auch gerne dort arbeitet.
Aktenkundig sind sodann die beiden Schreiben des vormaligen Psychiaters von
A.________ vom 7. Februar 2017 im Zusammenhang mit einem früheren Versuch des
Beistandes, A.________ in seiner eigenen Institution unterzubringen, und vom 1.
April 2019 im Zusammenhang mit dem vorliegend zu beurteilenden Versuch. Im
Schreiben vom 7. Februar 2017 gab er seiner Besorgnis Ausdruck, dass A.________
durch das Ansinnen des Beistandes aus dem Gleichgewicht gekommen sei und
Wutanfälle habe und dass der Beistand wie auch die Eltern von A.________ einer
Glaubensgemeinschaft angehörten, die als recht fordernd empfunden werden könne,
weshalb die Prüfung einer Amtsbeistandschaft angezeigt wäre. Im Schreiben vom
1. April 2019 teilte er mit, dass er seine Tätigkeit per 31. März 2019
aufgegeben habe, dass aber offenbar der Aufenthaltswechsel wieder Thema sei und
er deshalb erneut die Überprüfung einer Amtsbeistandschaft anregen möchte. Im
Zusammenhang mit der vorliegend zu beurteilenden Aufenthaltsverlegung hatte
sodann die Stiftung C.________ dem Friedensgericht mit Schreiben vom 9. April
2019 mitgeteilt, dass A.________ wegen der vom Beistand verfügten Kündigung des
Wohn- und Arbeitsvertrages aufgewühlt sei, täglich darüber spreche und nicht
sicher sei, ob dies der richtige Weg sei; er wolle aber niemanden verletzen.
Sodann habe er sich darüber beklagt, dass er beim Beistand jeweils beten müsse.

Vor diesem Hintergrund gingen das Friedens- wie auch das Kantonsgericht davon
aus, dass A.________ es allen recht machen und niemanden verletzen möchte, dass
es ihm aber im Rahmen der aktuellen Unterbringung gut geht und er sich wohl
fühlt. Das Kantonsgericht verwies ferner auf die Feststellung des
Friedensgerichtes, dass sich die Stabilität des gewohnten Umfeldes positiv auf
das Wohlbefinden von A.________ auswirke.

Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht
grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine
willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge
Rügeprinzip gilt; auf ungenügend begründete Rügen und appellatorische Kritik
kann das Bundesgericht hingegen nicht eintreten (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266).

In der Beschwerde werden keine solchen Rügen erhoben, sondern es wird in rein
appellatorischer Weise ein gegenteiliger Wille von A.________ unterstellt und
behauptet, dieser habe bei der Anhörung nicht das gesagt, was er wirklich
wolle, weil er leicht zu beeinflussen sei und sich einerseits durch die
Autorität der Friedensrichterin und andererseits durch die Anwesenheit eines
Mitarbeiters der C.________ habe beeindrucken lassen.

Diese Darstellung kann bereits aus formellen Gründen nicht gehört werden, weil
wie gesagt keine Willkürrügen erhoben werden, aber sie hätte ohnehin auch von
der Sache her nicht Bestand, weil die Äusserungen von A.________ mit den
Wahrnehmungen des Psychiaters und verschiedener Mitarbeiter der C.________
übereinstimmen und deshalb kein Anlass besteht, sie ins Gegenteil zu verkehren.
Dabei hilft auch die Behauptung nichts, die C.________ generiere Einnahmen mit
dem Aufenthalt von A.________, denn dies trifft umso mehr auf die Absichten des
Beistandes zu, welcher nicht nur Mitarbeiter, sondern Inhaber der Institution
ist, in welcher er A.________ unterbringen möchte.

Wenn der Beistand schliesslich Schreiben von Personen aus seinem Umfeld und dem
Umfeld der Familie von A.________ einreicht und diese auch als Zeugen anruft,
damit sie den angeblich wirklichen Willen von A.________ bezeugen können, ist
darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht keine Beweismittel abnimmt (Urteile
5A_151/2018 vom 11. Juli 2018 E. 1.4; 5A_75/2018 vom 18. Dezember 2018 E. 1.4).
In Zusammenhang mit der Kritik, bereits die Vorinstanz habe es abgelehnt, die
entsprechenden Personen anzuhören, geht es um antizipierte Beweiswürdigung,
welche Willkürrügen erfordern würde (BGE 138 III 374 E. 4.3.2 S. 376). Hierfür
reichen bloss appellatorische Ausführungen nicht (siehe vorstehend).

Soweit schliesslich eine fehlende fachärztliche Beurteilung gerügt wird,
erfolgt keine Darlegung, inwiefern ein entsprechender Beweisantrag bereits im
kantonalen Verfahren gestellt worden wäre, womit das Anliegen als neu und damit
unzulässig zu gelten hat (Art. 99 Abs. 1 BGG). Aber auch wenn über diesen
prozessualen Mangel hinweggesehen würde, wäre weder eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes gemäss Art. 446 Abs. 2 ZGB noch eine Gehörsverletzung
im Sinn von Art. 29 Abs. 2 BV zu erkennen, da nicht ersichtlich ist, was ein
Facharzt in Bezug auf die Feststellung des Willens von A.________, umzuziehen
oder eben nicht, beitragen könnte. Im Übrigen treten das Unbehagen und die
Unruhe, welche die Umzugspläne des Beistandes bei A.________ hervorrufen, klar
zutage. Vor diesem Hintergrund ist eine "Begutachtung" des wirklichen Willens
von A.________, soweit sie überhaupt möglich wäre, nicht nur überflüssig,
sondern sie dürfte ihn auch in einen belastenden Loyalitätskonflikt bringen,
weil er es allen recht machen und niemanden verletzen möchte.

4.

Ausgehend von der erörterten Sachverhaltsfeststellung gingen das Friedens- wie
auch das Kantonsgericht davon aus, dass keine Aufenthaltsveränderung angezeigt,
sondern es im Interesse und zum Wohl von A.________ ist, wenn er in seinem
vertrauten Umfeld bleiben kann. Eine Verletzung von Bundesrecht ist in diesem
Zusammenhang nicht erkennbar.

5.

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde offensichtlich unbegründet
ist, soweit überhaupt auf sie eingetreten werden kann, weshalb im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG zu entscheiden ist.

6.

Bei der Kostenauflage ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren durch das
eigenmächtige Handeln des Beistandes ausgelöst wurde und nicht im Interesse von
A.________ ist. Die Gerichtskosten sind deshalb nicht den Beschwerdeführern
unter solidarischer Haftung, sondern ausschliesslich dem Beistand aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 und 3 BGG). Das Familiengericht wird bei der periodischen
Prüfung und Genehmigung der Rechnung (Art. 415 Abs. 1 ZGB) oder im Rahmen der
Prüfung der Schlussrechnung bei Errichtung einer Amtsbeistandschaft darauf zu
achten haben, dass A.________ im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren
keinerlei Gerichts- oder Anwaltskosten belastet worden sind.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer 2 auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Friedensgericht des Seebezirks
und dem Kantonsgericht Freiburg, Kindes- und Erwachsenenschutzhof, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 17. Oktober 2019

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Herrmann

Der Gerichtsschreiber: Möckli