Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.526/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_526/2019

Urteil vom 4. März 2020

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Herrmann, Präsident,

Bundesrichter Marazzi, von Werdt, Schöbi, nebenamtlicher Bundesrichter Th.
Geiser,

Gerichtsschreiberin Scheiwiller.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Marco Albrecht,

Beschwerdeführerin,

gegen

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde U.________.

Gegenstand

Vorsorgeauftrag; Errichtung einer Beistandschaft,

Beschwerde nach Art. 72 ff. BGG gegen das Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 6. März 2019
(810 18 331).

Sachverhalt:

A.

Am 20. Dezember 2017 gelangte eine Sozialarbeiterin der Pro Senectute
V.________, welche A.________ seit Ende Oktober 2017 bei administrativen
Angelegenheiten unterstützte, an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
U.________ (KESB) mit der Bitte, die Errichtung einer Beistandschaft für
A.________, insbesondere im Bereich Finanzen, zu prüfen. Am 27. Dezember 2017
musste A.________ nach einem Sturz in ihrem Haus zum wiederholten Mal
hospitalisiert werden. Darauf wendete sich am 29. Dezember 2017 die Spitex mit
einer Gefährdungsmeldung an die KESB.

B.

Am 4. Januar 2018 hörte die KESB A.________ im Spital an. Diese bezeichnete als
ihre Vertrauenspersonen ihren Bruder, der in Deutschland lebe, und eine
Bekannte, B.________. B.________ übermittelte sodann der KESB einen Scan eines
Vorsorgeauftrages, den A.________ am 17. Dezember 2017 errichtet hatte. Darin
hatte A.________ B.________ als Vorsorgebeauftragte für die Bereiche
Personensorge, Vermögenssorge und Rechtsverkehr ernannt.

Am 18. Januar 2018 wurde B.________ durch die KESB angehört. Am 8. März 2018
orientierte die KESB B.________ darüber, dass der Vorsorgeauftrag von
A.________ nicht validiert werden könne, weil es A.________ im Zeitpunkt der
Errichtung an der Urteilsfähigkeit gemangelt habe. Die KESB beabsichtige
deshalb eine Beistandschaft zu errichten und B.________ als Beiständin
einzusetzen. Mit Bericht vom 28. September 2018 diagnostizierte die Klinik
C.________ des Spitals D.________ bei A.________ ein mittelschweres
dementielles Syndrom bei wahrscheinlicher Lewy-Body-Krankheit.

Am 29. Oktober 2018 teilte B.________ der KESB mit, dass sie das Amt der
Beiständin für A.________ nicht übernehmen wolle.

Mit Entscheid vom 15. November 2018 stellte die KESB fest, dass der
Vorsorgeauftrag von A.________ nicht validiert werden könne, und errichtete
eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung nach
Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB. Als Beistandsperson wurde
E.________, Beratungsstelle F.________, ernannt. Einer allfälligen Beschwerde
wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.

In teilweiser Gutheissung der Beschwerde von A.________ bestätigte das
Kantonsgericht Basel-Landschaft zwar die Nichtvalidierung des Vorsorgeauftrages
und die Errichtung der Beistandschaft, wies aber die Sache an die Vorinstanz
zurück, damit diese kläre, ob nicht doch B.________ das Amt der Beistandsperson
übernehme.

C.

A.________ gelangt am 27. Juni 2019 mit Beschwerde nach Art. 72 ff. BGG an das
Bundesgericht und verlangt, wie schon vor den kantonalen Instanzen, dass der
Vorsorgeauftrag validiert werde und keine Vertretungsbeistandschaft zu
errichten sei.

Das Bundesgericht hat keine Vernehmlassungen eingeholt, aber die kantonalen
Akten beigezogen.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob auf
eine Beschwerde eingetreten werden kann (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 143 III 140 E.
1 mit Hinweisen).

1.2. Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens bildete die Gültigkeit eines
Vorsorgeauftrages (Art. 360 ff. ZGB) und die Anordnung von Massnahmen des
Erwachsenenschutzes (Art. 388 ff. ZGB). Dabei handelt es sich um einen
öffentlich-rechtlichen Entscheid ohne Streitwert, der in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 Ziff. 6 BGG). Das
Kantonsgericht hat als letzte kantonale Instanz auf Rechtsmittel hin
entschieden (Art. 75 BGG). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen
Verfahren teilgenommen und ist an der Aufhebung bzw. Änderung des
vorinstanzlichen Urteils interessiert (Art. 76 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdefrist
ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Zu prüfen bleibt, inwiefern der
angefochtene Entscheid ein beschwerdefähiges Anfechtungsobjekt ist.

1.3. Nach der Rechtsprechung liegt bei der Abweisung des Hauptbegehrens und
gleichzeitiger Rückweisung der Sache zur Beurteilung des Eventualbegehrens ein
Teilentscheid i.S.v. Art. 91 BGG vor (BGE 135 III 212 E. 1.2.3). In der
vorliegenden Konstellation stellt das Begehren um Inkraftsetzung des
Vorsorgeauftrages gewissermassen ein Hauptbegehren und dasjenige um Verzicht
auf Anordnung einer Erwachsenenschutzmassnahme (Errichtung
Vertretungsbeistandschaft bzw. Ernennung Beistandsperson) ein Eventualbegehren
dar. Die Vorinstanz hat das Hauptbegehren abgewiesen, das Eventualbegehren
dagegen (teilweise) gutgeheissen und die Sache an die Erstinstanz
zurückgewiesen. Mithin enthält der angefochtene Entscheid sowohl einen
materiellen Entscheid über einen Teil des Streitgegenstandes als auch einen
Rückweisungsentscheid. Beim Entscheid, den Vorsorgeauftrag nicht in Kraft zu
setzen, handelt es sich somit um einen beschwerdefähigen Teilentscheid gemäss
Art. 91 lit. a BGG. Daher kann auf die Beschwerde, soweit die
Beschwerdeführerin die Validierung des Vorsorgeauftrages beantragt, eingetreten
werden.

1.4. Demgegenüber weist die Vorinstanz die Sache zur weiteren Behandlung an die
Erstinstanz zurück. Es handelt sich damit um einen Zwischenentscheid, der nur
unter den Voraussetzungen von Art. 93 BGG direkt beim Bundesgericht angefochten
werden kann. Die Beschwerdeführerin verkennt diese Eintretensfrage und äussert
sich nicht zu den Beschwerdevoraussetzungen nach Art. 93 BGG, und es liegt im
Übrigen auch nicht auf der Hand, dass ein Fall von Art. 93 Abs. 1 BGG gegeben
ist. Daher kann auf die Beschwerde, soweit es um die Anordnung
erwachsenenschutzrechtlicher Massnahmen geht, nicht eingetreten werden.

1.5. Mit Beschwerde in Zivilsachen kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und
Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen
an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist daher weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann die
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder sie mit
einer vom angefochtenen Entscheid abweichenden Begründung abweisen
(Motivsubstitution; BGE 144 III 462 E. 3.2.3).

2.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei
verletzt worden, weil das Kantonsgericht auf ihren Beweisantrag, eine
Angestellte des Kantonsspitals als Zeugin einzuvernehmen, welche ihr das Wesen
des Vorsorgeauftrages erklärt habe, nicht einmal eingegangen sei. Sie
unterlässt es aber, auch nur in irgendeiner Weise darauf hinzuweisen, wann und
in welchem Aktenstück sie diesen Antrag gestellt habe. Damit genügt das
Vorbringen den Anforderungen an eine Rüge einer Verletzung eines
verfassungsmässigen Rechts nicht. Sie hätte das genaue Aktenstück erwähnen
müssen. Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, in den Akten nach den
entsprechenden Anträgen zu suchen (vgl. Urteile 5A_380/2018 vom 16. August 2018
E. 1.2; 5A_1033/2017 vom 21. Juni 2018 E. 4.3; 5A_724/2017 vom 15. Mai 2018 E.
6.5). Auf die Rüge ist folglich nicht einzutreten.

3.

Vor Bundesgericht beantragt die Beschwerdeführerin: "Es sei festzustellen, dass
der Vorsorgeauftrag vom 17.12.2017 zu validieren und keine
Vertretungsbeistandschaft für die Beschwerdeführerin zu errichten ist. "

3.1. Nach Art. 360 Abs. 1 ZGB kann eine handlungsfähige Person eine natürliche
oder juristische Person beauftragen, im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die
Personensorge oder die Vermögenssorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr
zu vertreten. Erfährt die KESB, dass eine Person urteilsunfähig geworden ist,
klärt sie ab, ob ein Vorsorgeauftrag vorliegt (Art. 363 Abs. 1 ZGB). Liegt ein
Vorsorgeauftrag vor, prüft die KESB u.a., ob die Voraussetzungen für seine
Wirksamkeit, hauptsächlich die Urteilsunfähigkeit der auftraggebenden Person,
eingetreten sind (Art. 363 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB).

3.2. In ihrer Beschwerdebegründung bestreitet die Beschwerdeführerin das
Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung von Massnahmen des
Erwachsenenschutzes. So leide sie unter einem nur mittelschweren dementiellen
Syndrom, das aber nicht zu einer Urteilsunfähigkeit führe. Ausserdem habe sich
die Zusammenarbeit mit B.________ bestens bewährt. Schliesslich gehe auch die
Klinik C.________ lediglich davon aus, dass eine hausärztliche Betreuung
gewährleistet sein müsse. Ansonsten habe diese zwar eine 24-Stunden-Betreuung
empfohlen, aber letztlich eine mehrmalige tägliche Unterstützung durch die
Spitex-Dienste und einen Mahlzeitendienst als genügend erachtet. Aus diesen
Ausführungen folgt ohne Weiteres, dass sich die Beschwerdeführerin nicht für
urteilsunfähig hält. Ausserdem begründet auch die KESB die angeordnete
Massnahme nicht mit der Urteilsunfähigkeit der Beschwerdeführerin. Damit kommt
die Validierung des Vorsorgeauftrages nicht in Betracht.

4.

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang wird die
Beschwerdeführerin grundsätzlich kostenpflichtig. Die konkreten Umstände
rechtfertigen es indes, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art.
66 Abs. 1 BGG). Insoweit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gegenstandslos. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung der
Beschwerdeführerin ist demgegenüber gutzuheissen. Die Beschwerde kann nicht als
geradezu aussichtslos bezeichnet werden, und die Prozessarmut der
Beschwerdeführerin ist aktenkundig. Der Beschwerdeführerin ist ihr Anwalt als
unentgeltlicher Rechtsvertreter beizuordnen (Art. 64 Abs. 2 BGG). Die
Beschwerdeführerin wird darauf hingewiesen, dass sie der Bundesgerichtskasse
Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2. 

Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Verbeiständung wird
gutgeheissen. Rechtsanwalt Marco Albrecht wird als Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin bestellt und aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.--
entschädigt.

3. 

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 

Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörde U.________ und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. März 2020

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Herrmann

Die Gerichtsschreiberin: Scheiwiller