Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.44/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_44/2019

Urteil vom 30. Juli 2019

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Herrmann, Präsident,

Bundesrichter Marazzi, von Werdt,

Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Fürsprecher Thomas M. Müller,

Beschwerdeführer,

gegen

B.________,

vertreten durch

Rechtsanwältin Christine Nowack-Sommerhalder,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

Vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren (Bestellung eines Beistandes für
das Kind zur Erhebung einer Vaterschaftsklage),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 11. Dezember 2018 (LY180024-O/U).

Sachverhalt:

A.

A.________, Staatsangehöriger von Kamerun, und B.________ sind seit dem 20.
Juli 2011 verheiratet. Im Familienausweis ist ihre im Juli 2016 geborene
Tochter C.________ verzeichnet. Am 29. Januar 2018 reichte B.________ die
Scheidungsklage ein.

B.

Im Rahmen des Scheidungsverfahrens verlangte A.________ mit Gesuch um
vorsorgliche Massnahmen vom 18. April 2018, es sei dem Kind gestützt auf Art.
308 Abs. 2 ZGB ein Beistand zu geben und dieser damit zu beauftragen, im Sinn
von Art. 256 und Art. 256c Abs. 2 ZGB eine Vaterschaftsklage einzureichen
(sinngemäss gemeint: Anfechtungsklage nach Art. 256 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB).

Auf dieses Gesuch trat das Bezirksgericht Zürich nicht ein; gleichzeitig wies
es das hierfür gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab.

Die hiergegen erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Zürich mit
Urteil vom 11. Dezember 2018 dahingehend gut, dass es das Gesuch um Ernennung
eines Beistandes zwecks Klageerhebung abwies (statt Nichteintreten) und im
Übrigen für das erstinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege
erteilte, sie indes für das Rechtsmittelverfahren verweigerte.

C.

Gegen dieses Urteil hat A.________ am 14. Januar 2019 beim Bundesgericht eine
Beschwerde erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Ernennung eines
Beistandes für das Kind und dessen Beauftragung zur Erhebung einer
Vaterschaftsklage, um Auferlegung sämtlicher kantonaler Kosten an die
Beschwerdegegnerin und Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren.

Erwägungen:

1.

Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher, nicht vermögensrechtlicher
Entscheid über eine vorsorgliche Massnahme im Rahmen eines
Scheidungsverfahrens. Die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig (Art. 72 Abs.
1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Gerügt werden kann einzig die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte (Art. 98 BGG). Es gilt somit das strenge Rügeprinzip
im Sinn von Art. 106 Abs. 2 BGG und das Bundesgericht prüft in diesem Fall nur
klar und detailliert erhobene Rügen, während es auf appellatorische Kritik
nicht eintritt (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 140 III 264 E. 2.3 S. 266).

2.

Das Obergericht hat erwogen, es gehe nicht darum, dass der Scheidungsrichter
das Bestehen oder Nichtbestehen der Vaterschaft beurteilen müsste, sondern um
die Prüfung der Bestellung eines Beistandes als Kindesschutzmassnahme; hierfür
sei der Scheidungsrichter und somit auch der Massnahmerichter gemäss Art. 315a
ZGB sehr wohl zuständig. In der Sache ergebe sich, dass die Anfechtungsklage
relativ höchstpersönlicher Natur und bei Kindern, die angesichts ihres Alters
(wie vorliegend) nicht befragt werden könnten, durch einen Beistand zu führen
sei, wobei dessen Bestellung und Mandatierung nur bei eindeutigen und
objektiven Kindesinteressen angebracht sei. Es liege jedoch nicht im
Kindesinteresse, vaterlos zu sein; ein falscher Vater sei in mehrfacher
Hinsicht (Unterhalt; Sozialversicherungen; Erbrecht; evtl. sozialpsychische
Aspekte) immer noch vorteilhafter als gar keiner. Die Anfechtung sei deshalb
höchstens dann in Betracht zu ziehen, wenn die Mutter und der tatsächliche
Vater zum gemeinsamen Kindesverhältnis stünden und dieses nachgewiesen sei.
Zwar verlange im Berufungsverfahren unter Verweis auf das zwischenzeitlich
erstellte DNA-Gutachten auch die Mutter die Bestellung eines Beistandes und sie
beantrage zusätzlich die Feststellung des Kindesverhältnisses zum biologischen
Vater; von diesem liege aber weder eine Stellungnahme noch eine Erklärung vor,
wonach er zur Anerkennung bereit wäre. Angesichts der Ungewissheit, ob ein
neues Kindesverhältnis begründet werden könnte, liege die Anfechtung der
bestehenden Vaterschaft momentan weniger im Interesse von C.________ als der
Fortbestand. Demzufolge bestehe kein Anlass zur Errichtung einer Beistandschaft
im beantragten Sinn.

3.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 9, Art. 14 und Art. 29 Abs.
2 BV.

3.1. Im Zusammenhang mit Art. 14 BV macht der Beschwerdeführer geltend, das
verfassungsmässige Recht auf Familie schütze in negativer Hinsicht auch davor,
vom Staat zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen verpflichtet zu werden; selbst
nach der Scheidung bleibe er zur Leistung von Kindesunterhalt verpflichtet und
gerade im Rahmen des Scheidungsurteils werde er voraussichtlich hierzu
verurteilt.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nicht gegenüber dem Staat, sondern
gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig und insofern kein grundrechtlicher
Abwehranspruch gegenüber dem Staat erkennbar ist, übersieht er, dass er sich im
zivilrechtlichen Bereich nicht einfach abstrakt auf Grundrechte berufen kann,
sondern konkret mit den einschlägigen zivilrechtlichen Normen auseinandersetzen
muss, welche das Verhältnis zwischen den einzelnen Rechtssubjekten regeln (BGE
107 Ia 277 E. 3a S. 280 f.; 143 I 217 E. 5.2 S. 219 m.w.H.).

Demzufolge wäre vorliegend aufzuzeigen, inwiefern das Obergericht im
Zusammenhang mit der Unterhaltspflicht Gesetzesnormen willkürlich angewandt
hätte. Diesbezüglich macht der Beschwerdeführer keine konkreten Ausführungen,
was sich freilich dadurch erklärt, dass die Unterhaltsfestsetzung gar nicht
Gegenstand des angefochtenen Entscheides war. Angesichts des hängigen
Scheidungsverfahrens ist naheliegend, dass es hierzu noch kommen wird, weil die
Eltern gestützt auf Art. 276 ZGB gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig sind
und die Elternschaft nach der Regelung in Art. 252 ZGB entsteht, mithin der
rechtliche Vater Unterhalt leisten muss. In Bezug auf die Unterhaltsfestsetzung
wird aber ein eigener Rechtsmittelweg offenstehen.

Der Ansatzpunkt des Beschwerdeführers ist denn letztlich auch ein anderer: Wie
er selbst festhält, hat er die Frist, binnen welcher er als Ehemann der Mutter
spätestens seine rechtliche Vaterschaft angefochten haben muss (vgl. Art. 252
Abs. 1 und Art. 256 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. Art. 256c Abs. 1 ZGB), verpasst.
Deshalb versucht er nun, die Anfechtung über Art. 256 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB
auszutragen und dies dadurch zu bewerkstelligen, dass dem Kind ein Beistand zu
geben sei mit dem Auftrag, das bestehende Kindesverhältnis zu beseitigen. In
diesem Kontext rügt er eine willkürliche Bewertung der Interessen des Kindes
durch das Obergericht. Darauf wird im Zusammenhang mit den Willkürrügen
zurückzukommen sein (vgl. E. 3.3).

3.2. Eine Gehörsverletzung im Sinn von Art. 29 Abs. 2 BV erblickt der
Beschwerdeführer darin, dass das Obergericht aufgrund der Untersuchungsmaxime
gemäss Art. 296 Abs. 1 ZPO verpflichtet gewesen wäre, nach dem wahren Vater zu
forschen; insbesondere hätte es die Parteien zur Frage der Person des
biologischen Vaters anhören müssen und dessen Identität wäre dann offengelegt
worden.

Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass und an welcher Stelle er - vor
Bundesgericht wird nunmehr der Name und die Adresse eines Mannes geliefert,
welcher der biologische Vater sein soll - im kantona-len Verfahren auf den
mutmasslichen biologischen Vater hingewiesen oder diesbezüglich in
prozesskonformer Weise eine Anhörung der Parteien verlangt hätte, aber
beantragte Beweismittel nicht abgenommen worden wären. Entsprechend fehlt es
der Gehörsrüge an einer Begründung; der abstrakte Verweis auf die
Untersuchungsmaxime in Kinderbelangen geht insofern an der Sache vorbei, als es
offensichtlich nicht die Aufgabe des Scheidungsrichters ist, von Amtes wegen
nach dem biologischen Vater des Kindes von scheidungswilligen Eltern zu suchen.

3.3. Eine Verletzung des in Art. 9 BV statuierten Willkürverbotes sieht der
Beschwerdeführer darin, dass das Obergericht trotz der klaren Kenntnis, dass er
nicht der biologische Vater des Kindes sei, die Errichtung einer Beistandschaft
zur Anfechtung der Registervaterschaft verweigert und dabei den unbestimmten
Rechtsbegriff des Kindesinteresses willkürlich ausgelegt habe. Medizinisch sei
nämlich die Kenntnis der eigenen biologischen Abstammung ausschlaggebend, weil
nur so rechtzeitig Erbkrankheiten erkannt und die notwendigen Therapien
eingeleitet werden könnten wie etwa bei verschiedenen Krebsarten. Sodann könne
der wirkliche Vater das Kind erst anerkennen, wenn die Registervaterschaft
beseitigt sei.

Das erste Argument ist verquer: Der Beschwerdeführer hat die Errichtung einer
Beistandschaft einzig zur Beseitigung des bestehenden Kindesverhältnisses
verlangt (vgl. die expliziten Rechtsbegehren). Die Beseitigung des rechtlichen
Kindesverhältnisses zum Beschwerdeführer hat aber keinerlei medizinische
Auswirkungen auf das Kind; weder bestehen Untersuchungs- oder Therapieabsichten
noch würden solche durch die Beseitigung des Rechtsverhältnisses positiv
beeinflusst.

Auch das zweite Argument beschlägt letztlich das (über die vorliegend verlangte
Beseitigung des Kindesverhältnisses hinausgehende) Thema der Begründung eines
neuen Kindesverhältnisses. Insbesondere überspringt der Beschwerdeführer aber
die entscheidende Aussage des Obergerichtes, es liege keine Erklärung des
biologischen Vaters von C.________ vor, wonach dieser gedächte, das Kind
anzuerkennen, weshalb ungewiss bleibe, ob nach erfolgreicher Beseitigung des
Kindesverhältnisses zum Beschwerdeführer ein Kindesverhältnis zum biologischen
Vater begründet werden könnte.

Ausgehend von diesem entscheidenden gedanklichen Zwischenschritt äussert sich
der Beschwerdeführer nicht substanziiert zu den Überlegungen des Obergerichtes,
wonach es für das Kind besser sei, den Beschwerdeführer zum rechtlichen Vater
als gar keinen Vater zu haben. Er stellt primär die Behauptung auf, das heute
2½-jährige Kind müsse mit dem Widerspruch zwischen Registervaterschaft und
biologischer Vaterschaft aufwachsen, was sich entwicklungspsychologisch negativ
auswirke; mit dieser Spekulation ist keine Willkür in Bezug auf die
obergerichtliche Erwägung darzutun. Mit dem weiteren Vorbringen, nur bei
möglichst rascher Beseitigung des Kindesverhältnisses zum Registervater könne
die Entwicklung einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung zum biologischen Vater
eine Chance haben, wird wiederum der Umstand ausgeblendet, dass dieser - soweit
der vermutete denn auch der tatsächliche biologische Vater wäre - offenbar
nicht daran denkt, das Kind anzuerkennen, so dass dieses nach erfolgreicher
Beseitigung des bestehenden Kindesverhältnisses jedenfalls vorerst vaterlos
wäre. Eben dies war für das Obergericht bei seiner Interessenabwägung
entscheidend.

Keine Willkür ergibt sich schliesslich aus dem Vorwurf, das Obergericht habe
die Kindesinteressen zu seinen Lasten gewichtet. Das Obergericht hat die
Prüfungszuständigkeit des Scheidungsrichters (als Massnahmerichter) gestützt
auf Art. 308 Abs. 2 i.V.m. Art. 315a Abs. 1 ZGB bejaht. Bei
Kindesschutzmassnahmen und ganz allgemein für alle Kinderbelange sind jedoch
die Interessen des Kindes massgebend, hinter welchen allfällig konträre
Elterninteressen zurückzustehen haben (BGE 130 III 585 E. 2.1 S. 588; Urteile
5A_482/2007 vom 17. Dezember 2007 E. 4.1; 5A_376/2011 vom 13. September 2011 E.
2.2; 5A_72/2016 vom 2. November 2016 E. 3.3.1; 5A_241/2018 vom 18. März 2019 E.
4.1).

4.

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde offensichtlich unbegründet und
deshalb im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen
ist, soweit darauf eingetreten werden kann.

5.

Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, konnte der Beschwerde von Anfang an
kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der
unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende
Gesuch abzuweisen ist.

6.

Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Der Gegenseite ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.

Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Juli 2019

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Herrmann

Der Gerichtsschreiber: Möckli