Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.409/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_409/2019

Urteil vom 27. Januar 2020

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,

Bundesrichter von Werdt, Schöbi,

Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

gegen

B.________ GmbH,

Beschwerdegegnerin,

Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland Ost. 

Gegenstand

Gültigkeit des Rechtsvorschlags,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 7. Mai 2019 (ABS 19
53).

Sachverhalt:

A.

A.a. Am 5. Dezember 2018 stellte das Betreibungsamt Oberland, Dienststelle
Oberland Ost, in der von A.________ gegen die B.________ GmbH angehobenen
Betreibung Nr. xxx den Zahlungsbefehl über Fr. 4'900'000.-- zuzüglich Zinsen
aus. Die Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgte am 14. Dezember 2018 per
Postbote an C.________, welche umgehend Rechtsvorschlag erhob. A.________
wehrte sich daraufhin beim Betreibungsamt gegen die Zustellung des
Zahlungsbefehls an C.________ und bestritt die Gültigkeit des Rechtsvorschlags.
Nach erfolgter Abklärung hielt das Betreibungsamt in einer Verfügung vom 1.
Februar 2019 fest, dass die Zustellung des Zahlungsbefehls und die Erhebung des
Rechtsvorschlags gültig erfolgt und darum rechtskräftig seien.

A.b. Mit Eingabe vom 13. Februar 2019 gelangte A.________ an das Obergericht
des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen. Er
verlangte die Aufhebung der betreibungsamtlichen Verfügung vom 1. Februar 2019.
In der Sache brachte er im Wesentlichen vor, C.________ sei namens der
B.________ GmbH zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls und zur Erhebung des
Rechtsvorschlags nicht berechtigt gewesen. Zudem stellte er ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege.

B.

B.a. Mit Verfügung vom 15. Februar 2019 wies der Instruktionsrichter das Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege ab. Dagegen erhob A.________ keine Beschwerde an
das Bundesgericht.

B.b. Das Obergericht wies die Beschwerde von A.________ am 7. Mai 2019 ab.

C.

A.________ ist mit einer als "Berufung" bezeichneten Eingabe vom 17. Mai 2019
an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäss die
Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides; er hält an seinen Anträgen im
kantonalen Verfahren fest und verlangt in der Sache die Feststellung, dass kein
wirksam erhobener Rechtsvorschlag der B.________ GmbH (Beschwerdegegnerin)
vorliege.

Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

Es sind die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Entscheid des Obergerichts, das sich als kantonale Aufsichtsbehörde
mit der Zustellung eines Zahlungsbefehls befasst hat, ist der Beschwerde in
Zivilsachen unabhängig eines Streitwertes zugänglich (Art. 19 SchKG i.V.m. Art.
72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 2 BGG). Die
unzutreffende Bezeichnung seiner Eingabe als "Berufung" gereicht dem
Beschwerdeführer nicht zum Nachteil. Der im kantonalen Verfahren unterlegene
Beschwerdeführer ist als Gläubiger von der Zustellung des Zahlungsbefehls
besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b
BGG).

1.2. In seiner Eingabe an das Bundesgericht wehrt sich der Beschwerdeführer
zumindest sinngemäss auch gegen die Abweisung seines Gesuchs um einen
unentgeltlichen Rechtsvertreter. Darüber hat die Vorinstanz bereits während des
laufenden Verfahrens entschieden. Ihre Verfügung vom 15. Februar 2019 war mit
der üblichen Rechtsmittelbelehrung versehen und blieb unangefochten. Ein
solcher Zwischenentscheid, der weder die Zuständigkeit noch den Ausstand
betrifft, kann einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken und ist
daher mit Beschwerde beim Bundesgericht anfechtbar (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG).
Unterbleibt ein solcher Weiterzug, kann der Zwischenentscheid nur dann mit dem
Endentscheid angefochten werden, wenn er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art.
93 Abs. 3 BGG). Dies wird vorliegend nicht behauptet und ist auch nicht der
Fall. Damit wird auf die entsprechenden Vorbringen gegen die Verweigerung des
unentgeltlichen Rechtsvertreters für das kantonale Verfahren nicht eingetreten.

1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von
Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in
gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt
(Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 142 III
364 E. 2.4).

1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel
sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art.
99 Abs. 1 BGG).

2.

2.1. Nach dem angefochtenen Urteil wurde der Zahlungsbefehl am 14. Dezember
2018 an C.________ zugestellt, welche umgehend den Rechtsvorschlag erhob. Seit
dem 27. November 2017 ist sie gemäss Handelsregister nicht mehr
einzelzeichnungsberechtigte Geschäftsführerin der Betreibungsschuldnerin. Im
Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls lag der Schweizerischen Post eine
von D.________, Geschäftsführer der Betreibungsschuldnerin, ausgestellte
Vollmacht zu Gunsten von C.________ vor. Eine Kopie dieser Vollmacht wurde dem
Betreibungsamt per E-Mail zugestellt. Zudem ersuchte das Betreibungsamt den
Geschäftsführer der Betreibungsschuldnerin um Stellungnahme zum
Rechtsvorschlag, welcher umgehend per E-Mail (vom 31. Januar 2019) bestätigt
wurde.

2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Betreibungsamt habe den
Zahlungsbefehl in der von ihm gegen die Beschwerdegegnerin angestrengten
Betreibung einer Person zugestellt, die gemäss Handelsregister nicht
geschäftsführende Gesellschafterin sei und auch sonst keine
Zeichnungsberechtigung aufweise. Die Zustellung des Zahlungsbefehls sei daher
nicht gültig. Zudem sei die Erhebung des Rechtsvorschlags durch eine Person,
die dazu keine ausdrückliche Vollmacht habe, nicht rechtens. Selbst wenn jemand
zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls befugt wäre, schliesse dies noch nicht
die Befugnis zur Erhebung des Rechtsvorschlags ein.

3.

Anlass des vorliegenden Verfahrens gibt die Zustellung eines Zahlungsbefehls an
eine GmbH. Strittig ist insbesondere die Berechtigung zur Entgegennahme des
Zahlungsbefehls und zur Erhebung des Rechtsvorschlags.

3.1. Richtet sich die Betreibung gegen eine juristische Person, so erfolgt die
Zustellung des Zahlungsbefehls an einen Vertreter derselben (Art. 65 Abs. 1
SchKG). Als Vertreter gilt im Falle einer GmbH jeder geschäftsführende
Gesellschafter sowie jeder Direktor oder Prokurist (Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2
SchKG; vgl. BGE 121 III 16 E. 3b; GEHRI, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl.
2014, N. 4 zu Art. 65). Die direkte Zustellung an den Vertreter der
juristischen Person kann auch ausserhalb des Geschäftslokals stattfinden (BGE
134 III 112 E. 3.2). Wird die zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls berechtigte
Person in ihrem Geschäftslokal nicht angetroffen, so kann die Zustellung an
einen Angestellten erfolgen (Art. 65 Abs. 2 SchKG). Diese sogenannte
Ersatzzustellung setzt einen erfolglosen Zustellungsversuch an die berechtigte
Person voraus (BGE 118 III 10 E. 3b).

3.2. Weiter kann der zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls berechtigte
Vertreter der juristischen Person einen vertraglichen Vertreter hierfür
ermächtigen, indem er diesen gegenüber dem Betreibungsamt ausdrücklich zu
diesem Zwecke bezeichnet oder ihm eine Generalvollmacht ausstellt (BGE 43 III
18 E. 3; Urteil 5A_412/2016 vom 14. Oktober 2016 E. 3.1). Wem ein
Zahlungsbefehl zugestellt werden darf, der ist zur Erhebung des
Rechtsvorschlags berechtigt. Bei fehlender Befugnis zum Empfang des
Zahlungsbefehls ist eine nachträgliche Genehmigung hierfür zulässig (u.a.
BESSENICH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 6 zu Art. 74).

3.3. Die gesetzlichen Anforderungen an die korrekte Zustellung des
Zahlungsbefehls richten sich abschliessend nach dem SchKG, womit das Recht der
Stellvertretung nach Art. 32 ff. OR (vgl. Anscheins- und Duldungsvollmacht)
keinen Platz hat. Sie spiegeln die Tragweite der Betreibung für den Schuldner
wieder. Insbesondere sollen sie gewährleisten, dass der Zahlungsbefehl in die
Hände der natürlichen Person gelangt, die für die juristische Person in
Betreibungssachen handelt, insbesondere Rechtsvorschlag erheben kann (BGE 118
III 10 E. 3; GEHRI, a.a.O.; JEANNERET/LEMBO, in: Commentaire romand, Poursuite
et faillite, N. 9 zu Art. 65; ANGST, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 4 zu Art. 65).

4.

Die Einwände des Beschwerdeführers gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde,
welche die Wirksamkeit des Rechtsvorschlages bestätigt hat, gehen aus folgenden
Gründen fehl.

4.1. Vorliegend trifft zu, dass der strittige Zahlungsbefehl an eine Person
ausgehändigt wurde, die nicht (mehr) zeichnungsberechtigte Geschäftsführerin
der Betreibungsschuldnerin ist und auch sonst keine Zeichnungsberechtigung für
diese innehat. Indes kennt das Gesetz - und anerkennt die bundesgerichtliche
Praxis - unter bestimmten Voraussetzungen eine Ersatzzustellung und die
Bezeichnung eines Vertreters zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls. Soweit der
Beschwerdeführer meint, die Zustellung eines Zahlungsbefehls sei nur an eine
Person zulässig, die mit dem Hintergrund der Betreibung vertraut sei, kann ihm
nicht gefolgt werden. Entscheidend ist einzig, dass der an eine Gesellschaft
mit beschränkter Haftung gerichtete Zahlungsbefehl an eine Person gelangt, die
gemäss den betreibungsrechtlichen Anforderungen für die Entgegennahme zuständig
ist.

4.2. Ob die Kopie der bei der Schweizerischen Post zu Gunsten von C.________
hinterlegten Vollmacht mit dem Original identisch ist, stellt eine Tatfrage dar
(E. 1.4). Der Beschwerdeführer bestreitet diesen Umstand, ohne jedoch eine
rechtsgenüglich begründete Rüge gegen die Tatsachenfeststellung zu erheben. Er
begnügt sich mit der Aussage, es fehle an einem Beweis für die Echtheit und
erhebt allgemeine Vorwürfe gegen die Geschäftspraktiken der
Betreibungsschuldnerin. Zudem stellt er die Vertrauenswürdigkeit von C.________
in Frage. Auf die nicht rechtserheblichen Vorbringen ist nicht einzutreten.

4.3. Wie schon im kantonalen Verfahren vertritt der Beschwerdeführer die
Ansicht, dass die Berechtigung zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls von der
Erhebung des Rechtsvorschlags zu trennen sei. Selbst wenn der Zahlungsbefehl
C.________ hätte zugestellt werden dürfen, sei diese nicht zur Erhebung des
Rechtsvorschlags berechtigt. Der Beschwerdeführer bezieht sich in diesem
Zusammenhang einzig auf den Wortlaut der Vollmacht an C.________, der sie "zur
Entgegennahme von Urkunden/gerichtlichen und rechtlichen Dokumenten" für die
Betreibungsschuldnerin bevollmächtigt. Hingegen befasst er sich nicht mit dem
vorinstanzlichen Hinweis auf die einschlägige Lehre, weshalb jede Person, die
zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls berechtigt ist, auch gültig
Rechtsvorschlag erheben kann.

4.4. Schliesslich besteht der Beschwerdeführer darauf, dass eine nachträgliche
Genehmigung des Rechtsvorschlags durch den Vertreter der Betreibungsschuldnerin
nicht gültig sei. Seiner Meinung nach kann nur Rechtsvorschlag erheben, wer im
entsprechenden Zeitpunkt dazu berechtigt ist. Er begnügt sich an dieser Stelle
mit der wörtlichen Wiedergabe der vorinstanzlichen Begründung, um dann
festzuhalten, dass er dieser "Interpretation" nicht zustimme. Darin ist keine
rechtsgenügliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid zu
erkennen. Damit kann offen bleiben, inwieweit dieser Begründungsansatz
entscheidtragend war, zumal die Vorinstanz sich bereits auf das Vorliegen einer
schriftlichen Vollmacht lautend auf C.________ stützen konnte.

4.5. Kein Zusammenhang mit dem Gegenstand des Verfahrens wird aus der
allgemeinen Kritik des Beschwerdeführers gegenüber der Vorinstanz und den
Verfahrensbeteiligten erkennbar. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird
nicht eingegangen. Zudem ist das Bundesgericht nicht zuständig, einen
Insolvenzantrag betreffend die Betreibungsschuldnerin zu prüfen, wie der
Beschwerdeführer am Rande seiner Darlegungen noch anregt.

4.6. Nach dem Gesagten kann der Vorinstanz keine Verletzung von Bundesrecht
vorgeworfen werden, wenn sie die formellen Anforderungen an die Zustellung des
Zahlungsbefehls als erfüllt und die Erhebung des Rechtsvorschlags als wirksam
erachtete.

5.

Der Beschwerde ist, soweit darauf einzutreten ist, kein Erfolg beschieden.
Unter den konkreten Umständen wird ausnahmsweise auf die Erhebung von
Gerichtskosten verzichtet, womit das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos wird.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos
abgeschrieben.

4.

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Oberland, Dienststelle
Oberland Ost, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Januar 2020

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante