Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.358/2019
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2019
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2019


TypeError: undefined is not a function (evaluating '_paq.toString().includes
("trackSiteSearch")') https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/
index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://07-10-2019-5A_358-2019&lang=de&zoom
=&type=show_document:1816 in global code 
 

Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_358/2019

Urteil vom 7. Oktober 2019

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,

Bundesrichter von Werdt, Bovey,

Gerichtsschreiber Buss.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Johannes Michael Helbling,

Beschwerdeführer,

gegen

Betreibungsamt Embrachertal.

Gegenstand

Nichtigkeit einer Betreibung (Rechtsschutzinteresse an der Beschwerde),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs, vom 5. April 2019 (PS190050-O/U).

Sachverhalt:

A. 

A.________ gelangte am 1. Februar 2019 an das Bezirksgericht Bülach als untere
kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen und
verlangte die Aufhebung von vier Betreibungen (Betreibungen Nr. aaa, Nr. bbb,
Nr. ccc und Nr. ddd des Betreibungsamtes Embrachertal) zufolge Nichtigkeit
sowie die Löschung von deren Einträgen in den Registern. Mit Beschluss vom 25.
Februar 2019 wies das Bezirksgericht Bülach das Begehren ab, soweit es darauf
eintrat.

B. 

Hiergegen erhob A.________ mit Eingabe vom 18. März 2019 Beschwerde beim
Obergericht des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Er beantragte die Aufhebung des
erstinstanzlichen Entscheides und die Rückweisung der Sache an die untere
Aufsichtsbehörde mit der Anweisung, auf die Beschwerde einzutreten und ihm die
Gelegenheit einzuräumen, die Nichtigkeit der Betreibungen zufolge
Urteilsunfähigkeit zu begründen und die nötigen Beweismittel vorzulegen. Die
obere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Urteil vom 5. April 2019 ab. Zur
Begründung führte sie aus, dass mit der Erstinstanz das erforderliche
Rechtsschutzinteresse von A.________ am vorliegenden Verfahren zu verneinen sei
und sich vor diesem Hintergrund eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen
der Erstinstanz zur materiellen Rechtslage sowie den diesbezüglichen Rügen in
der Eingabe vom 18. März 2019 erübrige.

C. 

A.________ ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 2. Mai 2019 (Postaufgabe) an
das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die obere
Aufsichtsbehörde zurückzuweisen. Die obere Aufsichtsbehörde sei anzuweisen, bei
der Neubeurteilung der bei ihr erhobenen Beschwerde sämtliche darin
vorgebrachten Rügen zu prüfen.

Die obere Aufsichtsbehörde und das Betreibungsamt haben auf die Einreichung
einer Vernehmlassung zur Beschwerde verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen unterliegen unabhängig eines Streitwertes der Beschwerde in
Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Die Beschwerde
ist fristgerecht erhoben worden (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) und grundsätzlich
zulässig.

1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von
Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in
gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt
(Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 142 III 363 E. 2.4).

2. 

Anlass zur Beschwerde gibt die Frage, ob die Vorinstanz das Bestehen eines
Rechtsschutzinteresses an der Prüfung der Nichtigkeit der Betreibungen zu Recht
verneint hat.

2.1. Die Vorinstanz hat erwogen, die Nichtigkeit einer Betreibung führe nicht
zur Löschung des betreffenden Eintrags, sondern zur Verweigerung der
Kenntnisgabe an Dritte. Da das Einsichtsrecht Dritter gemäss Art. 8a Abs. 4
SchKG fünf Jahre nach Abschluss des Verfahrens erlösche, sei danach in der
Regel von einem fehlenden praktischen Verfahrenszweck bzw.
Rechtsschutzinteresse an einem Gesuch um Nichtbekanntgabe auszugehen. Das habe
auch für die Feststellung der Nichtigkeit einer Betreibung zu gelten. Nachdem
die Verlustscheine in den Jahren 2007 und 2008 ausgestellt worden waren und
daher heute kein Einsichtsrecht Dritter mehr bestehe, mithin die Rechtslage
derjenigen entspreche, wie wenn die Nichtigkeit festgestellt worden wäre, sei
insoweit ein Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers nicht ersichtlich.

2.2. Diese Erwägungen der Vorinstanz halten vor Bundesrecht nicht stand. Nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und herrschenden Lehre kann dann, wenn
eine Betreibung als Ganzes oder die Pfändung nichtig ist, auch der im Rahmen
der Betreibung ausgestellte Pfändungsverlustschein nicht gültig sein (vgl. BGE
105 III 60 E. 3 S. 62; Urteil 5A_768/2014 vom 2. November 2015 E. 4.1;
Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts vom 9.
August 1968, in: BlSchK 1969 S. 149 ff.; JEAN-DANIEL SCHMID, in: Schulthess
Kommentar SchKG, 2017, N. 8 zu Art. 149 SchKG; UELI HUBER, in: Basler
Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 16
zu Art. 149 SchKG; ALBERT REY-MERMET, in: Commentaire romand, Poursuite et
faillite, 2005, N. 12 zu Art. 149 SchKG; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire
de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000,
N. 29 zu Art. 149 SchKG; BEAT AFFOLTER, Der Verlustschein in der Betreibung auf
Pfändung, 1978, S. 31). Die offenen Verlustscheine sind nun aber - wie der
Beschwerdeführer zu Recht vorbringt - von der Beschränkung des Einsichtsrechts
Dritter auf fünf Jahre ausgenommen; diese können bis zur Tilgung oder
Verjährung (20 Jahre) der verurkundeten Forderung eingesehen werden (vgl. Art.
149a SchKG; KARL SPÜHLER, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht I, 7. Aufl. 2016,
§ 14 Rz. 230; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 3. Aufl. 2016, § 2 Rz. 30;
Urteil 5A_679/2018 vom 17. Juni 2019 E. 3 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).
Sollten sich die Betreibungen als nichtig erweisen, könnten die
Aufsichtsbehörden somit eine nachträgliche Korrektur in dem Sinne nicht
ablehnen, als dass die Einträge im Verlustscheinregister über die Erledigung
der Betreibungen durch Verlustschein beseitigt werden müssten (vgl. BGE 80 III
141 E. 3 S. 148). Damit kann dem Beschwerdeführer ein aktuelles und
schützenswertes Interesse an der Beurteilung der geltend gemachten Nichtigkeit
der gegen ihn angehobenen Betreibungen Nr. aaa, Nr. bbb, Nr. ccc und Nr. ddd
des Betreibungsamtes Embrachertal nicht abgesprochen werden.

3. 

Die untere Aufsichtsbehörde hatte in einem Eventualstandpunkt festgehalten,
dass die behauptete Nichtigkeit (Art. 22 SchKG) zufolge fehlender
Urteilsfähigkeit bzw. Betreibungsfähigkeit durch die eingereichten Belege nicht
dargetan sei. Die obere Aufsichtsbehörde hat sich mit den diesbezüglichen
Ausführungen der unteren Aufsichtsbehörde sowie den betreffenden Rügen des
Beschwerdeführers ausdrücklich nicht auseinandergesetzt. Es wird daher Sache
der oberen Aufsichtsbehörde sein (nachstehende E. 4.1), darüber zu befinden.

4.

4.1. Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.
Die Sache ist antragsgemäss zur Beurteilung der weiteren vom Beschwerdeführer
in seiner Beschwerde vom 18. März 2019 vorgetragenen Rügen an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

4.2. Ungeachtet des Verfahrensausgangs sind dem Kanton Zürich keine
Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Jedoch hat dieser den
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs, vom 5. April 2019 aufgehoben. Die Sache wird zu
neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 

Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4. 

Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Embrachertal und
dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als oberer kantonaler
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Oktober 2019

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Buss