Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.287/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_287/2019

Urteil vom 22. Juli 2019

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Herrmann, Präsident,

Bundesrichterin Escher,

Bundesrichter von Werdt,

Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

gegen

1. Schweizerische Eidgenossenschaft,

2. Kanton Bern,

3. Einwohnergemeinde Lauterbrunnen und deren Kirchgemeinde,

alle drei vertreten durch die Steuerverwaltung des Kantons Bern, Region
Oberland, Bereich Inkasso,

Beschwerdegegner,

Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland Ost.

Gegenstand

Pfändungsankündigung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 27. März 2019 (ABS 19
77).

Sachverhalt:

A.

A.a. Die Schweizerische Eidgenossenschaft, der Kanton Bern sowie die
Einwohnergemeinde Lauterbrunnen und deren Kirchgemeinde leiteten gegen
A.________ beim Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland Ost, sechs
Betreibungen auf Zahlung (Nr. uuu, vvv, www, xxx, yyy, zzz; Zahlungsbefehle vom
27. Juni 2017) ein, um Steuerausstände aus den Jahren 2011-2013 geltend zu
machen. Die Forderungen beruhen alle auf rechtskräftigen Steuerveranlagungen.
A.________ erhob in allen Betreibungen Rechtsvorschlag.

A.b. Im Verfahren um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung machte A.________
im Wesentlichen die Tilgung durch Verrechnung geltend. Seiner Ansicht nach hat
er die Steuerforderung des Bundes, des Kantons sowie der Einwohnergemeinde und
deren Kirchgemeinde für das Steuerjahr 1996 doppelt bezahlt. Erstmals habe er
die Steuerforderungen zwischen dem 8. August 1996 und dem 23. Juni 1997 und ein
weiteres Mal am 31. Mai 2012 unter dem Druck einer Pfändungsankündigung
beglichen (Totalbetrag Fr. 49'753.65). Mit Entscheiden vom 18. und 19. Januar
2018 erteilte das Regionalgericht Oberland den Gläubigern in allen sechs
Betreibungen die definitive Rechtsöffnung im beantragten Umfang.

A.c. Das Obergericht des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vereinigte die von
A.________ gegen die Rechtsöffnungsentscheide erhobenen Beschwerden zu einem
Verfahren und wies sie mit Entscheid vom 27. April 2018 ab.

A.d. Mit Eingabe vom 1. Juni 2018 ersuchte A.________ die Steuerverwaltung des
Kantons Bern als Vertreterin des Bundes, des Kantons sowie der
Einwohnergemeinde und deren Kirchgemeinde um die Rückerstattung der seiner
Ansicht nach doppelt bezahlten Steuern. Am 13. Juni 2018 teilte die
Steuerverwaltung A.________ mit, dass sie auf das Inkasso der Steuerforderungen
verzichte, bis über sein Rückerstattungsgesuch entschieden sei. Mit Schreiben
vom 23. Januar 2019 teilte ihm die Steuerverwaltung mit, dass keine
Doppelzahlung der Steuern habe festgestellt werden können, weshalb das Inkasso
für die Ausstände nun umgehend fortgesetzt werde.

B.

Am 22. Februar 2019 kündigte das Betreibungsamt A.________ in allen sechs
Betreibungen die Pfändung auf den 1. März 2019 an. Dagegen wandte sich
A.________ an das Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen. Er beantragte die Aufhebung der
Pfändungsankündigung und der Fortsetzungsbegehren. Die kantonale
Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Entscheid vom 27. März 2019 ab.

C.

A.________ ist mit einer als "Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG und subsidiärer
Verfassungsbeschwerde" bezeichneten Eingabe vom 4. April 2019 an das
Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des
obergerichtlichen Entscheides vom 27. März 2019. Zudem seien die bisherigen und
allfällige weitere Fortsetzungsbegehren, Pfändungsvollzugsverfügungen und die
Sicherungsmassnahmen i.S. von Art. 98 SchKG als nichtig, eventuell als zur Zeit
ungesetzlich festzustellen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Behandlung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter beantragt der Beschwerdeführer die
aufschiebende Wirkung.

Der Beschwerde ist die teilweise aufschiebende Wirkung im Sinne der Erwägungen
gewährt worden.

Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, indes keine
Vernehmlassungen in der Sache eingeholt.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist der Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde, die über
die Pfändungsankündigung befunden hat. Die Eingabe ist ungeachtet ihrer
Bezeichnung als Beschwerde in Zivilsachen entgegen zu nehmen (Art. 19 SchKG
i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).

1.2. Der Beschwerdeführer ist als Schuldner vom angefochtenen Entscheid
besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b
BGG).

1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von
Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in
gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt
(Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 142 III 363 E. 2.4).

1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und
Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2
BGG).

2.

2.1. Nach Auffassung der Vorinstanz waren im konkreten Fall alle
Voraussetzungen für eine Pfändungsankündigung gegeben. Sie verneinte einen
Zusammenhang zwischen der Pfändungsankündigung und dem Rückerstattungsgesuch,
das der Beschwerdeführer für angeblich bereits bezahlte Steuerschulden an die
Steuerverwaltung gerichtet hatte.

2.2. Der Beschwerdeführer betont demgegenüber, dass die Steuerverwaltung seine
Ausstände gestundet und das Inkasso sistiert habe, um vorerst das
Rückerstattungsgesuch für die von ihm schon bezahlten Steuern zu prüfen. Daher
verhalte sich die Steuerverwaltung nun widersprüchlich und das Betreibungsamt
hätte ihrem Fortsetzungsbegehren keine Folge geben dürfen.

3.

Anlass zur Beschwerde gibt die vom Betreibungsamt gegenüber dem
Beschwerdeführer für ausstehende Steuern angekündigte Pfändung.

3.1. Der Gläubiger kann die Fortsetzung der Betreibung verlangen, sofern ein
rechtskräftiger Zahlungsbefehl vorliegt, die gesetzlichen Fristen eingehalten
und die Betreibung nicht eingestellt wurde (Art. 88 Abs. 1 und 2 SchKG). Die
Betreibung ohne neuen Zahlungsbefehl ist nur bei Vorliegen eines
Pfändungsverlustscheines (Art. 149 Abs. 3 SchKG) oder eines Pfandausfallscheins
(Art. 158 Abs. 2 SchKG) möglich. Das Betreibungsamt prüft von Amtes wegen, ob
ein rechtskräftiger Zahlungsbefehl vorliegt (BGE 128 III 380 E. 1.2). Dies ist
der Fall, sofern der Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben
wurde, einen rechtskräftigen Entscheid erwirkt hat, der den Rechtsvorschlag
beseitigt (Art. 79 ff. SchKG; BGE 130 III 396 E. 1.2.3; LEBRECHT, in: Basler
Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 8
ff. zu Art. 88; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 3. Aufl. 2016, § 5 Rz. 4
ff.). Ebenso prüft das Betreibungsamt, ob der Fortsetzung der Betreibung
allfällige Hindernisse entgegenstehen, die sich aus dem
Zwangsvollstreckungsrecht ergeben (vgl. AMONN/WALTHER, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 22 Rz. 1 ff., 8 ff.).
Dies gilt beispielsweise für die Einstellung der Betreibung auf richterliche
Anordnung (Art. 85, Art. 85a Abs. 2 und Abs. 3 SchKG; GILLIÉRON, Commentaire de
la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000, N.
16 zu Art. 88).

3.2. Die im vorliegenden Fall von der kantonalen Steuerverwaltung in ihrer
Eigenschaft als Vertreterin des Bundes, des Kantons und der Wohnsitz- sowie der
Kirchgemeinde in Betreibung gesetzten Steuern betreffen die Jahre 2011-2013.
Das Regionalgericht Oberland beseitigte den vom Beschwerdeführer erhobenen
Rechtsvorschlag und erteilte den Gläubigern die definitive Rechtsöffnung im
beantragten Umfang. Das Obergericht wies die dagegen erhobene Beschwerde ab.
Daraufhin gelangte der Beschwerdeführer am 1. Juni 2018 an die kantonale
Steuerverwaltung. Er brachte vor, die für das Steuerjahr 1996 geschuldeten
Steuern zweimal bezahlt zu haben. Zwischen dem 8. August 1996 und dem 23. Juni
1997 habe er die näher bezeichneten Beträge überweisen. Alsdann habe er am 31.
Mai 2012 für dieselben Steuerforderungen eine Überweisung von total Fr.
49'753.85 vorgenommen. Demzufolge habe er nicht geschuldete Steuern bezahlt und
es stehe ihm in diesem Umfang nun ein Rückerstattungsanspruch zu. Er beantrage
daher den Erlass eines anfechtbaren Entscheides darüber sowie die Sistierung
der Inkassomassnahmen bis über seinen Rückerstattungsantrag rechtskräftig
entschieden sei. Mit Schreiben vom 13. Juni 2018 antwortete ihm die kantonale
Steuerverwaltung, dass die in Betreibung gesetzten Steuerforderungen
(Steuerjahre 2011 und 2013) gestundet werden, bis über das Gesuch um
Rückerstattung entschieden sei. Am 23. Januar 2019 teilte die kantonale
Steuerverwaltung dem Beschwerdeführer mit, dass die von ihm genannten Zahlungen
eingegangen seien. Allerdings habe man den am 31. Mai 2012 überwiesenen Betrag
nicht für das Steuerjahr 1996 angerechnet, sondern für die damaligen Ausstände
des Steuerjahres 1995. Falls er diese Ansicht nicht teile, werde der
Beschwerdeführer um die Zustellung der nötigen Belege ersucht und nach deren
Erhalt eine anfechtbare Verfügung erlassen. Die ihm am 13. Juni 2018 gewährte
Stundung werde aufgehoben und das Inkassoverfahren (durch entsprechendes
Begehren) weitergeführt.

3.3. Zu Recht stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage, dass für die in
Betreibung gesetzten Steuerforderungen die definitive Rechtsöffnung bereits
erteilt worden ist und die entsprechenden Entscheide rechtskräftig geworden
sind. Hingegen wirft er der Vorinstanz vor, die mit der Steuerverwaltung
anschliessend getroffene "Stundungs- und Sistierungsvereinbarung" willkürlich
ausgelegt zu haben. Erst bei Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides der
Steuerverwaltung über das Begehren um Rückerstattung der bereits bezahlten
Steuern falle diese Vereinbarung dahin. Im jetzigen Zeitpunkt fehle es noch an
einem derartigen Entscheid. Damit stelle das Verhalten der Steuerverwaltung
einen einseitigen Widerruf der Vereinbarung dar. Da während der Stundung eine
Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfe, hätte das
Betreibungsamt das Fortsetzungsbegehren zurückweisen müssen.

3.4. Mit dieser Sichtweise verkennt der Beschwerdeführer die Bedeutung seines
Gesuchs um Rückerstattung von Steuern und die ihm von der kantonalen
Steuerverwaltung gewährte Stundung auf die hängigen Betreibungsverfahren.

3.4.1. Zwar können Zusagen einer Verwaltungsbehörde und Vereinbarungen mit ihr
die Grundlage für spätere Einwendungen begründen, die jedoch im Rahmen des
Rechtsöffnungsverfahrens geltend zu machen sind (Art. 81 Abs. 1 SchKG). Dem
Inhalt und der Dauer einer mit den Verwaltungsbehörden getroffenen Abmachung
kann auch darüber hinaus Bedeutung zukommen. Hat ein Schuldner vom Gläubiger
die Stundung erhalten, kann er (sofern der Gläubiger das Fortsetzungsbegehren
nicht zurückzieht) vom Richter die Aufhebung oder die Einstellung der
Betreibung verlangen (Art. 85, Art. 85a SchKG), um die Pfändung zu vermeiden
(AMONN/WALTHER, a.a.O., § 22 Rz. 38).

3.4.2. Der Fortgang des Betreibungsverfahrens richtet sich nach den -
dargelegten - Regeln des Zwangsvollstreckungsrechts (E. 3.1). Im konkreten Fall
waren die Voraussetzungen für die Pfändungsankündigung gegeben. Insbesondere
lag in allen Betreibungen ein rechtskräftiger Zahlungsbefehl vor und das
Fortsetzungsbegehren war innert der gesetzlichen Fristen gestellt worden.
Darüber hinaus hatte das Betreibungsamt nicht zu prüfen, ob das gültige
Fortsetzungsbegehren der kantonalen Steuerverwaltung im Widerspruch zu einer
"Stundungs- und Sistierungsvereinbarung" mit dem Beschwerdeführer steht. In
diesem Stadium kann das Betreibungsamt die Begründetheit des
Vollstreckungsanspruchs nicht prüfen (AMONN/WALTHER, a.a.O., § 22 Rz. 38).
Damit geht der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe die von ihm
erwähnte Vereinbarung willkürlich ausgelegt, an der Sache vorbei.

3.5. Der Beschwerdeführer beruft sich zudem auf die Einrede der Stundung gemäss
Art. 81 Abs. 1 SchKG. Diese Bestimmung führt einzig die im
Rechtsöffnungsverfahren zulässigen Einwendungen auf. Ein Zusammenhang zu den
Voraussetzungen der im konkreten Fall strittigen Pfändungsankündigungen ist
nicht erkennbar. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz kein Bundesrecht
verletzt, indem sie die Pfändungsankündigungen des Betreibungsamtes geschützt
hat. Insoweit ist die Beschwerde abzuweisen. Nicht einzutreten ist auf den
Antrag des Beschwerdeführers, die bisherigen und allfällige weitere
Fortsetzungsbegehren und die Sicherungsmassnahmen als nichtig evt. als zur Zeit
ungesetzlich festzustellen. Dieses Begehren erweist sich ohnehin als
unzulässig, da es erstmals vor Bundesgericht gestellt und zudem nicht begründet
wird (E. 1.3, 1.4).

4.

Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt der
Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Oberland, Dienststelle
Oberland Ost, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Juli 2019

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Herrmann

Der Gerichtsschreiber: Levante