Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.282/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_282/2019

Urteil vom 10. Dezember 2019

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,

Bundesrichter Marazzi, Schöbi,

Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roman Baumann Lorant,

Beschwerdeführerin,

gegen

Betreibungsamt Basel-Landschaft, Eichenweg 4, 4410 Liestal.

Gegenstand

Arrestvollzug, Pfändungsverfahren,

Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und
Konkurs Basel-Landschaft vom 19. März 2019 (420 19 28 vo3).

Sachverhalt:

A.

A.a. Im Rahmen der gegen B.________ beim Betreibungsamt Basel-Landschaft
eingeleiteten Betreibung Nr. xxx stellte A.________ am 15. Oktober 2015 das
Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt pfändete bei B.________
Mietzinsforderungen und eine Forderung gegenüber der Basellandschaftlichen
Kantonalbank.

A.b. Die C.________ AG in Liquidation erwirkte am 1. Juni 2016 gegen A.________
einen Arrestbefehl. In der Folge wurde das in der Betreibung Nr. xxx gepfändete
Guthaben von A.________ gegenüber B.________ verarrestiert. A.________ erhob im
Rahmen der zur Arrestprosequierung eingeleiteten Betreibung Nr. yyy
Rechtsvorschlag, welcher durch Erteilung der definitiven Rechtsöffnung
beseitigt wurde.

A.c. Nach Erhalt des Fortsetzungsbegehrens in der Betreibung Nr. yyy zahlte das
Betreibungsamt am 18. Mai 2017 das verarrestierte Guthaben von Fr. 68'843.05,
welches zuvor in der Betreibung Nr. xxx gepfändet worden war, an die C.________
AG in Liquidation aus.

B.

A.________ gelangte am 31. Januar 2019 an die Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung
und Konkurs Basel-Landschaft, nachdem sie sich vorgängig beim Betreibungsamt
nach dem Stand der Betreibung Nr. xxx erkundigt hatte. Mit Entscheid vom 19.
März 2019 trat die Aufsichtsbehörde auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht
ein.

C.

Am 3. April 2019 hat A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen
erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, den Entscheid der kantonalen
Aufsichtsbehörde aufzuheben (Ziff. 1) und festzustellen, dass das
Betreibungsamt in der Betreibung Nr. yyy die Durchführung eines Pfändungs- und
Verwertungsverfahrens unterlassen habe (Ziff. 2). Eventualiter sei die Sache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziff. 3).

Die Beschwerdeführerin stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

Die kantonale Aufsichtsbehörde beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das
Betreibungsamt hat sich nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde über einen
(umstrittenen) Pfändungsvollzug ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art.
19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und 75 Abs. 1
BGG).

1.2. Die im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführerin ist als
Schuldnerin von einer Pfändung ihrer Guthaben besonders berührt und daher zur
Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).

1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt
werden (Art. 95 lit. a BGG). Es ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern
der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E.
1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen,
wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 142 III 364 E. 2.4).

1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und
Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der angefochtene
Entscheid dazu Anlass gibt. Neue Begehren sind nicht zulässig (Art. 99 BGG).

2.

Anlass der Beschwerde bildet die Auszahlung von zwei verarrestierten Guthaben
an den Arrestgläubiger in der Arrestprosequierungsbetreibung. Dabei besteht
Uneinigkeit über den Gegenstand des Verfahrens vor der kantonalen
Aufsichtsbehörde.

2.1. Die Vorinstanz ist der Ansicht, dass sich die bei ihr eingereichte
Beschwerde gegen den Arrestvollzug bzw. die "Arresturkunde vom 15. Juni 2016"
gerichtet habe. Die Frist für die Anfechtung des Arrestvollzugs sei bereits
abgelaufen. Die "erwähnte Pfändungsurkunde" sei nicht nichtig. Selbst wenn die
Beschwerde gegen den Arrestvollzug rechtzeitig erfolgt wäre, erwiesen sich die
Rügen der Beschwerdeführerin als unbegründet. Das Vorgehen des Betreibungsamtes
entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Es habe den Arrestbefehl nach Erhalt
sofort vollstreckt und der Gläubigerin und Schuldnerin umgehend eine Abschrift
der Arresturkunde zugestellt. Eine Prüfung des Arrestbefehls habe es zu Recht
nicht vorgenommen.

2.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz habe durch ihren
Nichteintretensentscheid Art. 17 Abs. 3 SchKG verletzt. Sie hätte auf ihre
Eingabe eintreten müssen, da wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung
jederzeit Beschwerde geführt werden könne. In der Sache habe sie sich nicht
gegen den Arrestvollzug gewehrt, wie die Vorinstanz behaupte, sondern sie habe
zum Ausdruck gebracht, dass nach der Durchführung des Arrestverfahrens keine
ordentliche Pfändung stattgefunden habe. Ohne ihr das rechtliche Gehör zu
gewähren, habe das Betreibungsamt das verarrestierte Geld ausbezahlt. Dadurch
habe sie ihre Rechte in der Pfändung nicht wahren können.

2.2.1. Im vorliegenden Fall gelangte die (damals nicht anwaltlich vertretene)
Beschwerdeführerin mit einer Eingabe vom 31. Januar 2019 an die kantonale
Aufsichtsbehörde. Sie erklärte, gegen den Pfändungsvollzug in der Betreibung
Nr. yyy Beschwerde zu erheben. Sie beantragte, den Pfändungsvollzug nichtig zu
erklären. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass sie in der
genannten Betreibung nie eine Pfändungsankündigung erhalten habe. Das
Betreibungsamt habe ihr auf die Nachfrage nach dem Stand der Dinge mitgeteilt,
dass das verarrestierte Guthaben eingetroffen und den Gläubigern bereits
ausbezahlt worden sei. Durch dieses Vorgehen sei ihr Mitwirkungsrecht an der
Pfändung missachtet worden.

2.2.2. Aus diesen Darlegungen geht zweifellos hervor, dass sich die
Beschwerdeführerin gegen den Pfändungsvollzug und nicht gegen den Arrestvollzug
gewehrt hat, und auch welche konkreten Vorwürfe sie in Bezug auf das Vorgehen
des Betreibungsamtes erhoben hat. Namentlich rügte die Beschwerdeführerin,
keine Ankündigung der Pfändung erhalten zu haben und darum nicht daran habe
teilnehmen können. Insoweit kann der kantonalen Aufsichtsbehörde nicht gefolgt
werden, wenn sie die Eingabe der Beschwerdeführerin als Anfechtung des
Arrestvollzugs verstanden hat. Ihre - trotz Fristablauf - gemachten
Ausführungen zum Arrestvollzug befassen sich nicht mit den Vorbringen der
Beschwerdeführerin, die sich einzig gegen den Pfändungsvollzug richteten. Zwar
bezog sich die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe an die kantonale
Aufsichtsbehörde nicht ausdrücklich auf die Bestimmung von Art. 17 Abs. 3
SchKG, wonach wegen Rechtsverzögerung und Rechtsverweigerung jederzeit
Beschwerde geführt werden kann. Indes brachte sie klar zum Ausdruck, dass sie
erst auf Anfrage über den Stand ihrer Betreibung Nr. xxx (gegen B.________)
erfahren hatte, dass das zu ihren Gunsten gepfändete Guthaben inzwischen (an
ihre Arrestgläubigerin) ausbezahlt worden sei. Durch die Nichtankündigung der
Pfändung in der gegen sie gerichteten Betreibung Nr. yyy sei ihr das
betreibungsrechtliche Mitwirkungsrecht verwehrt worden (Art. 90 SchKG).

2.2.3. Die Vorinstanz hat sich mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen
den Pfändungsvollzug nicht befasst. Obwohl in der Beschwerde der Hinweis auf
Art. 17 Abs. 3 SchKG fehlt, geht daraus hervor, dass dem Betreibungsamt
Rechtsverweigerung vorgeworfen wird. Soweit die Vorinstanz in ihrer
Vernehmlassung nun betont, sie müsse nicht jedem allgemeinen Hinweis auf einen
Verfahrensfehler des Betreibungsamts nachgehen, trifft dies durchaus zu. Davon
zu unterscheiden sind jedoch konkrete und erhebliche Vorwürfe gegenüber den
Vollstreckungsorganen, wie die Beschwerdeführerin sie in Bezug auf den
Pfändungsvollzug in der Arrestprosequierungsbetreibung (vgl. Urteil 7B.148/2004
vom 6. Oktober 2004 E. 1.3) erhoben hat. Im vorliegenden Fall hat die
Vorinstanz an die Eingabe der Beschwerdeführerin mit Bezug auf den Inhalt der
betreibungsrechtlichen Beschwerde (vgl. LORANDI, Betreibungsrechtliche
Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 39, 43 zu Art. 17; BGE 102 III 129 E. 2)
zu strenge Anforderungen gestellt, lässt sich daraus doch unmissverständlich
entnehmen, dass dem Betreibungsamt im Rahmen des Pfändungsvollzugs
Verfahrensfehler vorgeworfen werden. Insoweit hätte die Vorinstanz sich mit den
Einwendungen gegen den Pfändungsvollzug befassen und die Anträge der
Beschwerdeführerin beurteilen müssen. Im Ergebnis erweist sich die Haltung der
Vorinstanz als überspitzt formalistisch. Diese besondere Form der
Rechtsverweigerung zeichnet sich dadurch aus, dass formelle Vorschriften - wie
die Begründung einer Beschwerde - überspannt werden und dadurch dem Bürger der
Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt wird (vgl. BGE 135 I 6 E. 2.1). Die
Beschwerde ist daher gutzuheissen.

2.3. In der Sache rügt die Beschwerdeführerin, dass das Betreibungsamt in der
Betreibung Nr. yyy nach Abschluss des Arrestverfahrens kein Pfändungsverfahren
durchgeführt habe. Stattdessen seien die verarrestierten Guthaben an ihre
Gläubigerin ausbezahlt worden. Dadurch habe sie ihre Rechte im
Verwertungsverfahren nicht wahren können.

2.3.1. Wie es sich mit den Rügen der Beschwerdeführerin im Einzelnen verhält,
kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden. Da sich die Vorinstanz damit
noch nicht befasst hat, fehlt es auch in tatsächlicher Hinsicht an einer
Grundlage. Die Sache wird daher zur Klärung des Sachverhaltes und Beantwortung
der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen an die Vorinstanz
zurückgewiesen. Dabei wird insbesondere von Bedeutung sein, welche Vorkehren
das Betreibungsamt nach Erhalt des Fortsetzungsbegehren im Einzelnen getroffen
hat.

2.3.2. Aus heutiger Sicht kann der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Anspruchs
auf eine ordnungsgemässe Abwicklung des Betreibungsverfahrens das schutzwürdige
Interesse an der Klärung des weiteren Betreibungsvorgangs nach dem
Arrestvollzug nicht abgesprochen werden. Zudem schliesst selbst der
vollständige Abschluss des Betreibungsverfahrens die Beachtung und Berichtigung
von Verfahrensfehlern nicht ohne weiteres aus (LORANDI, a.a.O., N. 14 zu Art.
17 mit Hinweisen).

3.

Nach dem Gesagten ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Das Eventualbegehren
wird gutgeheissen und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückgewiesen (Ziff. 3). Auf das Feststellungsbegehren (Ziff.
2) kann nicht eingetreten werden. Ungeachtet des Verfahrensausgangs sind dem
Kanton keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat er den
Parteivertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren
angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Damit wird das Gesuch der
Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der
Entscheid der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft
vom 19. März 2019 wird aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Beurteilung im
Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.

Es werden keine Kosten erhoben.

3.

Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird als
gegenstandslos abgeschrieben.

4.

Der Kanton Basel-Landschaft hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. Die
Entschädigung ist direkt ihrem Rechtsvertreter Roman Baumann Lorant
auszurichten.

5.

Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Betreibungsamt Basel-Landschaft
und der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Dezember 2019

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante