Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.228/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_228/2019

Urteil vom 28. März 2019

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Herrmann, Präsident,

Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

gegen

B.________.

Gegenstand

Fürsorgerische Unterbringung,

Beschwerde gegen das Dispositiv und den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 15. März 2019 (KES 19 171).

Sachverhalt:

Am 8. März 2019 wurde A.________ von Dr. med. B.________ in den Universitären
Psychiatrischen Diensten Bern (Klinik C.________) fürsorgerisch untergebracht.

An der Verhandlung vom 15. März 2019 wies das Obergericht des Kantons Bern die
hiergegen erhobene Beschwerde ab und eröffnete den Entscheid im Dispositiv.

Dagegen erhob A.________ am 18. März 2019 beim Bundesgericht eine Beschwerde.
Gleichzeitig verlangte er einen begründeten Entscheid und kündigte an, dass er
diesbezüglich noch eine Beschwerdeergänzung einreichen werde.

Am 20. März 2019 fertigte das Obergericht den begründeten Entscheid aus,
wogegen sich A.________ mit weiterer Eingabe vom 26. März 2019 an das
Bundesgericht wandte.

Erwägungen:

1. 

Art. 112 Abs. 2 BGG eröffnet den Kantonen die Möglichkeit, dass der beim
Bundesgericht anfechtbare Entscheid vorab nur im Dispositiv eröffnet wird und
der Beschwerdeführer einen vollständig ausgefertigten, d.h. begründeten
Entscheid verlangen kann. Erst dieser ist beim Bundesgericht anfechtbar (vgl.
Art. 112 Abs. 1 BGG); m.a.W. ist unter "Entscheid" im Sinn von Art. 72 Abs. 1
und Art. 75 Abs. 1 BGG immer der begründete Entscheid zu verstehen.

Das bedeutet im vorliegenden Fall aber nicht, dass auf die Eingabe vom 18. März
2019 von vornherein nicht einzutreten wäre, denn der Beschwerdeführer wendet
sich darin nicht nur materiell gegen die fürsorgerische Unterbringung, sondern
er stellt in formeller Hinsicht auch die Rechtmässigkeit des obergerichtlichen
Vorgehens in Frage, indem er die genügende gesetzliche Grundlage anzweifelt.
Das Obergericht hat diesbezüglich in seinem Dispositiv (ohne weitere
Ausführungen) auf Art. 84a VRPG/BE verwiesen.

2. 

Aufgrund des zuweisenden Vorbehaltes in Art. 112 Abs. 2 BGG können die Kantone
mit entsprechenden gesetzlichen Grundlagen die Voraussetzung schaffen, dass die
letzte kantonale Instanz ihren Entscheid nur im Dispositiv eröffnen kann und
der anfechtungswillige Beschwerdeführer diesfalls zuerst einen begründeten
Entscheid verlangen muss, um zu einem Anfechtungsgegenstand zu gelangen.

Das bernische Gesetz über den Kindes- und Erwachsenenschutz (KESG) regelt den
Vollzug des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts des ZGB (Art. 1 Abs. 1 KESG)
und dabei namentlich das Verfahren vor der KESB sowie vor dem Obergericht in
seiner Funktion als Kindes- und Erwachsenenschutzgericht (Art. 1 Abs. 1 lit. d
KESG). Die fürsorgerische Unterbringung inkl. die ärztliche Einweisung gehört
von der Systematik her zur dritten Abteilung des Familienrechts und damit ohne
Weiteres zum Erwachsenenschutz.

Die Art. 65 bis 71 KESG regeln das Verfahren vor dem Obergericht, wobei sich
Art. 69 KESB dem Beschwerdeentscheid widmet. Gemäss dieser Bestimmung richtet
sich die Überprüfungsbefugnis nach Art. 450a ZGB, ist das Gericht nicht an die
Begehren der Verfahrensbeteiligten gebunden und urteilt es grundsätzlich in der
Sache selbst, wobei es die Sache ausnahmsweise auch an die KESB zurückweisen
kann. Schliesslich enthält Art. 72 KESG einen subsidiären Generalverweis auf
das Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRPG).

Dieses sieht in Art. 84a vor, dass das Verwaltungsgericht sein Urteil ohne
Begründung oder mit einer Kurzbegründung eröffnen und der Beschwerdeführer
diesfalls innert 30 Tagen eine vollständige Ausfertigung des Urteils verlangen
kann. Allerdings befindet sich Art. 84a VRPG systematisch nicht bei den
allgemeinen Bestimmungen (vgl. dazu Art. 52 Abs. 2 VRPG) und auch nicht bei den
allgemeinen Normen über das Beschwerdeverfahren, sondern spezifisch in Artikeln
über das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (Art. 74 - 84a VRPG). Es stellt
sich die Frage ob mit der explizit für das Verwaltungsgericht aufgestellten
Norm von Art. 84a VRPG aufgrund des subsidiären Generalverweises in Art. 72
KESG für das Obergericht eine genügende gesetzliche Grundlage besteht, auch
wenn zusätzlich Art. 72 Abs. 3VRPG für "kantonal letztinstanzliche
Beschwerdeentscheide" auf Art. 84a VRPG verweist.

Die Frage muss letztlich insofern nicht abschliessend beurteilt werden, als das
Obergericht auf Begehren des Beschwerdeführers hin zwischenzeitlich den
begründeten Entscheid ausgefertigt hat und insofern kein aktuelles Interesse an
der Beurteilung der gestellten Frage besteht. Ferner macht der Beschwerdeführer
auch kein virtuelles Interesse geltend (auf das Erfordernis des fortdauernden
Interesses kann ausnahmsweise verzichtet werden, wenn sich die gerügte
Rechtsverletzung jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige
gerichtliche Überprüfung kaum je möglich wäre; vgl. BGE 139 I 206 E. 1.1 S.
208; 140 III 92 E. 1.1 S. 94).

Vor diesem Hintergrund kann ferner offen bleiben, ob - soweit eine genügende
gesetzliche Grundlage bejaht würde - die Anwendung von Art. 84a VPRG bei den
grundsätzlich eilbedürftigen Entscheidung über die fürsorgerische Unterbringung
adäquat ist. Immerhin ist festzuhalten, dass das Obergericht in der Folge sehr
rasch den begründeten Entscheid ausgefertigt hat.

3. 

In der Sache selbst hat das Obergericht im begründeten Entscheid unter
Bezugnahme auf das erstellte Gutachten den Schwächezustand (akut-polymorph
psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie bzw. eine wahnhafte
Persönlichkeitsstörung mit vorhandenen Wahninhalten) sowie eindrücklich das
selbst- und drittgefährdende Verhalten, sodann die Erforderlichkeit der
Unterbringung und ferner die Eignung der Klinik dargestellt.

Entgegen der Begründungspflicht nach Art. 42 Abs. 2 BGG, wonach in gedrängter
Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art.
42 Abs. 2 BGG), was eine Auseinandersetzung mit der Begründung des
angefochtenen Entscheides erfordert (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116), erfolgen in
der Eingabe vom 26. März 2019keinerlei auf die Erwägungen des angefochtenen
Entscheides Bezug nehmende Ausführungen.

Hingegen finden sich ansatzweise gewisse materielle Äusserungen in der ersten
Eingabe vom 17. März 2019. Aber selbst wenn man über den Umstand hinwegsähe,
dass diese Eingabe allenfalls zu früh erfolgte und deshalb in der Sache nicht
auf sie eingetreten werden kann (vgl. Urteil 5A_209/2019 vom 13. März 2019 E. 3
und 4), würden sie den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG nicht genügen: Der
Beschwerdeführer beschränkt sich auf die abstrakte, d.h. nicht näher
ausgeführte Behauptung, er stelle weder für sich selbst noch für andere in
irgendeiner Weise eine Gefahr dar. Im Übrigen äussert er sich in materieller
Hinsicht einzig zu Dingen (namentlich gewünschte Kontakte zu seinem Sohn), die
Gegenstand anderer Verfahren sind und nicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren
thematisiert werden können.

4. 

Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde im vereinfachten Verfahren nach Art.
108 Abs. 1 lit. b BGG nicht einzutreten, wobei die präsidiale
Einzelrichterzuständigkeit auch in Bezug auf die gegenstandslos gewordene Frage
im Zusammenhang mit Art. 84a VRPG besteht (vgl. Art. 32 Abs. 2 BGG).

5. 

Angesichts der konkreten Umstände wird auf die Erhebung von Gerichtskosten
verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt der Präsident:

1. 

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 

Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, B.________ und dem Obergericht des
Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. März 2019

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Herrmann

Der Gerichtsschreiber: Möckli