Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.14/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

5A_14/2019

Urteil vom 9. April 2019

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Herrmann, Präsident,

Bundesrichter Marazzi, von Werdt, Schöbi, Bovey,

Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Werner Wunderlin,

Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Vorsorgliche Massnahmen (Ehescheidung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 5. Kammer, vom 20. November 2018 (ZSU.2018.233).

Sachverhalt:

A. 

A.________ und B.________ heirateten 2004. Sie haben die Töchter C.________
(geb. 2004) und D.________ (geb. 2006). Seit Juli 2013 leben sie getrennt. Beim
Bezirksgericht Baden ist das Ehescheidungsverfahren hängig.

B. 

Mit Gesuch vom 10. November 2017 um vorsorgliche Massnahmen im Rahmen des
Ehescheidungsverfahrens beantragte A.________ Unterhaltsbeiträge von je Fr.
5'000.-- für die Töchter und Fr. 9'500.-- für sich selbst.

Mit Entscheid vom 4. Juli 2018 regelte das Bezirksgericht Baden u.a. den
Kindes- und den Ehegattenunterhalt.

Beschränkt auf den Ehegattenunterhalt erhoben beide Parteien die Berufung. Mit
Entscheid vom 20. November 2018 setzte das Obergericht des Kantons Aargau
diesen auf Fr. 8'502.-- von Oktober 2017 bis Juni 2018, auf Art. 7'714.-- vom
Juli 2018 bis Dezember 2018, auf Fr. 6'965.-- vom Januar 2019 bis Mai 2019 und
auf Fr. 6'616.-- ab Juni 2019 fest.

C. 

In Bezug auf die Zeit ab Juli 2018 hat A.________ am 4. Januar 2019 beim
Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht, mit welcher sie Unterhaltsbeiträge
von Fr. 8'465.-- von Juli 2018 bis Dezember 2018, von Fr. 8'765.-- von Januar
2019 bis Mai 2019 und von Fr. 8'116.-- ab Juni 2019 verlangt. Es wurden keine
Vernehmlassungen eingeholt, aber die kantonalen Akten beigezogen.

Erwägungen:

1. 

Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über vorsorgliche
Massnahmen während des Scheidungsverfahrens. Es kann einzig die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Die Beschwerdeführerin
rügt eine willkürliche Anwendung der einschlägigen Normen des ZGB und eine
Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.

2. 

Mit der auf den 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Vorsorgerevision wurde u.a.
Art. 122 ZGB geändert und der für die Teilung der beruflichen Vorsorge
massgebliche Stichtag von der Rechtskraft des Scheidungsurteiles auf die
Einleitung der Scheidungsklage vorverlegt. "Teilungsmasse" bilden nicht mehr
die während der Ehe bis zum Zeitpunkt des Scheidungsurteils, sondern nur noch
die bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen
Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge.

Streitfrage der vorliegenden Beschwerde ist, ob dadurch eine rechtlich
relevante Vorsorgelücke entsteht, welche durch Zuspruch von Vorsorgeunterhalt
während des Scheidungsverfahrens im Rahmen vorsorglicher Massnahmen
auszugleichen ist. Die Vorinstanzen haben diese Möglichkeit verneint.

Das Obergericht hat zur Begründung in erster Linie auf diejenige des
Kantonsgerichts Basel-Stadt im Entscheid 400 17 270 vom 7. November 2017
(veröffentlicht in: FamPra.ch 2018 S. 858 ff.) verwiesen und festgehalten, dass
dem Parlament die Möglichkeit einer Beitragslücke bewusst gewesen sei, weshalb
es an einem Verfügungsanspruch fehle, wie er für den Erlass vorsorglicher
Massnahmen nötig sei, und dass sodann auch dogmatische Überlegungen gegen den
Zuspruch von Vorsorgeunterhalt während des Scheidungsverfahrens sprechen würden
insofern, als es beim Trennungsunterhalt um die Alimentierung der laufenden
Ausgaben gehe, während der Scheidungsunterhalt auch Sparcharakter habe und
einen Sparbeitrag für den Aufbau einer angemessenen beruflichen Altersvorsorge
enthalten könne.

Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die Lehre, welche die Möglichkeit
bejahe, Vorsorgeunterhalt im Rahmen vorsorglicher Massnahmen zuzusprechen, und
macht geltend, die Gesetzesänderung habe Kurzehen und Verfahrensverschleppung
im Auge gehabt. Indes habe plötzlich die ausgleichspflichtige Partei ein
Interesse an Verschleppung, wenn das Entstehen einer Beitragslücke akzeptiert
werde. Im Übrigen überzeuge auch die Behauptung nicht, dass es sich um einen
bewussten Entscheid des Gesetzgebers handle; dieser habe eine einfache Lösung,
aber keine Schlechterstellung des ausgleichsberechtigten Ehegatten angestrebt.
Zumal auch keine überhälftige Teilung nach Art. 124b ZGB zur Deckung der
entstehenden Lücke zu Gebote stehe und nachehelicher Unterhalt nicht für vor
dem Scheidungszeitpunkt liegende Perioden zugesprochen werden könne, würde
insgesamt ein stossender und nicht wieder gutzumachender Nachteil entstehen,
welcher dem Gleichbehandlungsbedanken und dem Grundsatz des Ausgleichs
ehebedingter Nachteile diametral entgegenstehe und nicht dem Willen des
Gesetzgebers entsprechen könne. Als gesetzliche Grundlage für die Festsetzung
des vorsorglichen Vorsorgeunterhaltes kämen Art. 159 Abs. 3 und Art. 164 Abs. 2
ZGB in Betracht. Schliesslich möge die Berechnung des Vorsorgeunterhaltes nicht
ganz einfach sein; sie könne aber von einem Gericht ohne weiteres und ohne
Gutachten durchgeführt werden.

3. 

Beschwerdegegenstand bildet die Frage, ob für die Zeit des Scheidungsverfahrens
im Rahmen vorsorglicher Massnahmen Vorsorgeunterhalt zugesprochen werden kann
bzw. ob dies im angefochtenen Entscheid in willkürlicher Weise verweigert
wurde.

3.1. Gemäss der bis Ende 2016 gültigen Fassung von Art. 122 ZGB waren bei der
Scheidung die nach dem Freizügigkeitsgesetz für die Ehedauer zu ermittelnden
Austrittsleistungen der Ehegatten hälftig zu teilen. Berechnungsbasis bildeten
mithin die zwischen dem Eheschluss und dem rechtskräftigen Scheidungsurteil
geäufneten Austrittsleistungen.

Mit der auf den 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Gesetzesrevision wurde Art.
122 ZGB dahingehend geändert, dass die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der
Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche der beruflichen
Vorsorge auszugleichen sind (vgl. AS 2016 2313), wobei mit der Einleitung des
Scheidungsverfahrens der Zeitpunkt gemeint ist, in dem ein gemeinsames
Scheidungsbegehren oder eine Scheidungsklage eingereicht wird (Art. 274 ZPO),
also prozessual gesprochen der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit im Sinne von
Artikel 62 ZPO (vgl. Botschaft, BBl 2013 4906). Zu teilen sind mithin die
Vorsorgeleistungen, welche zwischen dem Eheschluss und der Einleitung des
Scheidungsverfahrens akkumuliert worden sind; die während des
Scheidungsverfahrens entstandenen zusätzlichen Leistungen verbleiben hingegen
neu demjenigen Ehegatten, welcher im betreffenden Arbeitsverhältnis steht.

3.2. Die Gesetzesänderung hat zur Folge, dass der Endtermin für die Teilung der
Austrittsleistungen und der Zeitpunkt, ab welchem zur Deckung künftiger
Vorsorgelücken im Rahmen des nachehelichen Unterhaltes sog. Vorsorgeunterhalt
zugesprochen werden kann, auseinanderfallen, indem während der Dauer des
Scheidungsverfahrens nunmehr dem anspruchsverpflichteten Teil das
Vorsorgekapital (bzw. bei beidseitiger Erwerbstätigkeit: die Differenz zwischen
den Austrittsleistungen) alleine anwächst, er jedoch für diese Zeit nicht zur
Leistung von Vorsorgeunterhalt verpflichtet ist.

Verschiedene Stimmen in der Lehre sehen darin eine Lücke, welche zu schliessen
sei, indem nicht erst im Rahmen des nachehelichen Unterhaltes, sondern bereits
während des Scheidungsverfahrens mittels vorsorglicher Massnahmen
Vorsorgeunterhalt zugesprochen werde (JUNGO/GRÜTTER, in: FamKomm Scheidung,
Band I, 3. Aufl. 2017, N. 28 zu Art. 124b ZGB; GLOOR/SPYCHER, in: Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl. 2018, N. 5 und 33 zu Art. 125 ZGB;
GRÜTTER, Der neue Vorsorgeausgleich im Überblick, in: FamPra.ch 2017, S. 152;
JUNGO, Ausnahmen vom Vorsorgeausgleich, in: Elterliche Sorge,
Betreuungsunterhalt, Vorsorgeausgleich und weitere Herausforderungen, 2018, S.
8; SPYCHER, Betreuungs- und Vorsorgeunterhalt: Stand der Diskussion und
Ausblick, in: Elterliche Sorge, Betreuungsunterhalt, Vorsorgeausgleich und
weitere Herausforderungen, 2018, S. 93 f.; SCHWIZER/ DELLA VALLE,
Kindesunterhalt und Vorsorgeausgleich, in: AJP 2016, S. 1600). Als weitere
Kompensationsmöglichkeiten werden eine auf Art. 124b Abs. 3 ZGB gestützte
überhälftige Teilung des Vorsorgeguthabens und gestützt auf Art. 125 f. ZGB
eine retrospektive oder überproportionale Zusprechung von nachehelichem
Unterhalt vorgeschlagen (JUNGO/GRÜTTER, a.a.O., N. 27 f. zu Art. 124b ZGB;
GRÜTTER, a.a.O., S. 142 und 152; JUNGO, a.a.O., S. 8 f.; SPYCHER, a.a.O., S. 94
f.; SCHWIZER/DELLA VALLE, a.a.O., S. 1600).

3.3. Die zitierten Autoren sprechen von einer "Lücke". Dabei bleibt letztlich
unklar, ob bloss eine - durch eine angepasste Interpretation der bestehenden
Normen (dahingehend wohl: SPYCHER, a.a.O., S. 94; JUNGO/GRÜTTER, a.a.O., N. 28
zu Art. 124b ZGB) oder durch Analogien (dahingehend: GRÜTTER, a.a.O., S. 153
oben) zu kompensierende - Beitrags- bzw. Vorsorgelücke gemeint ist oder
(jedenfalls implizit) eine eigentliche Gesetzeslücke angesprochen wird
(dahingehend wohl: SCHWIZER/DELLA VALLE, a.a.O., S. 1600).

Eine Gesetzeslücke besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist,
weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt oder
eine Antwort gibt, die aber als sachlich unhaltbar angesehen werden muss. Hat
der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im
negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum
für richterliche Lückenfüllung. Eine echte Gesetzeslücke liegt vor, wenn der
Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und
dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch
Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann. Von
einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem
Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende, zu entnehmen ist. Echte
Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm
grundsätzlich verwehrt (zuletzt BGE 144 II 281 E. 4.5.1 S. 292 m.w.H.).

Demgegenüber würde eine im Licht einer Gesetzesänderung erfolgende und auf
Harmonisierung mit der neuen Ausgangslage zielende Interpretation bestehender
weiterer Gesetzesnormen keine Lückenfüllung im technischen Sinn bedeuten;
vielmehr ginge es hier um eine gesetzessystematische oder allenfalls um eine
objektiv-zeitgemässe Gesetzesauslegung. Auf diese Problematik wird nach einer
Darstellung des Gesetzgebungsprozesses zurückzukommen sein.

3.4. Die Vorverlegung des Endtermines für die Berechnung der "Teilungsmasse"
wurde in der Botschaft des Bundesrates vom 29. Mai 2013 damit begründet, dass
die bisherige Regelung "zum Taktieren verleitet und für den berechtigten
Ehegatten einen Anreiz schafft, das Scheidungsverfahren möglichst in die Länge
zu ziehen" (Botschaft, BBl 2013 4905). "Dass damit die während des
Scheidungsverfahrens geäufnete Austrittsleistung nicht hälftig geteilt wird",
wurde dabei gesehen und "ist im Interesse einer einfachen Lösung in Kauf zu
nehmen" (Botschaft, BBl 2013 4906). Ebenso argumentierte Bundesrätin Sommaruga
im Nationalrat: Die vom Bundesrat vorgeschlagene Vorverlegung des massgeblichen
Zeitpunktes verhindere Verzögerungsmanöver und man könne den Zeitpunkt "einfach
und klar bestimmen"; ausserdem werde mit der Vorverlegung Kongruenz zur
güterrechtlichen Auseinandersetzung erzielt (AB N 2015 764).

Auch im Ständerat lautete die Begründung für die Vorverlegung des Zeitpunktes,
man "verhindert damit Manöver, hinter denen die Absicht steht, das
Scheidungsverfahren in die Länge zu ziehen und den Abschluss hinauszuzögern"
(Votum Engler für die Kommission, AB S 2014 525).

Im Nationalrat hatte die Kommissionsmehrheit die Beibehaltung der bisherigen
Regelung und die Kommissionsminderheit die Zustimmung zum Beschluss des
Ständerates und damit zum Vorschlag des Bundesrates beantragt (AB N 2015 762).
Es fand eine ausführliche Debatte mit zahlreichen Voten statt, bei welcher
insbesondere auch die Nachteile für die schwächere Partei (Votum Huber, AB N
2015 762; Votum Stamm, AB N 2015 763; Votum Vischer, AB N 2015 765; Votum
Kiener Nellen, AB N 2015 765) bzw. die Nachteile für den kinderbetreuenden und
damit erwerbsbehinderten Ehegatten (Votum Schneider Schüttel, AB N 2015 763;
Votum Kiener Nellen, AB N 2015 765) und die Koordination mit der Frage des
nachehelichen Unterhaltes, der auf anderen Grundlagen fusse als der eheliche
Unterhalt (Votum Vischer, AB N 2015 764), thematisiert wurden.

3.5. Namentlich in diesen Voten, ferner aber auch in denjenigen im Zusammenhang
mit den beiden Fragen, ob sich ein Taktieren bzw. eine Verfahrensverschleppung
für den anspruchsberechtigten Teil lohne (Votum Amherd, AB N 2015 763; Votum
Schneider Schüttel, AB N 2015 763; Votum Vischer, AB N 2015 764) und ob es sich
tatsächlich, wie vom Bundesrat angeführt, um eine einfache statt komplizierte
Lösung handle (Votum Amherd, AB N 2015 763; Votum Schneider Schüttel, AB N 2015
763; Votum Vischer, AB N 2015 764), zeigt sich, dass dem Parlament die
Konsequenzen der Gesetzesänderung bewusst waren, dass nämlich durch die
Vorverlegung des massgeblichen Endtermins die zu teilenden Austrittsleistungen
kleiner sind und dies konkrete Auswirkungen auf die vorsorgerechtliche
Situation der Ehegatten hat (besonders deutlich hervorgehend aus den Voten
Vischer und Kiener Nellen). Ebenso ergibt sich klar, dass dies von der
Parlamentsmehrheit im Sinn einer "einfachen Lösung" gewollt war. Fakt ist
sodann, dass keinerlei Kompensationen diskutiert und insbesondere keine
weiteren Gesetzesnormen angepasst wurden.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich Folgendes: Soweit bei der neuen Regelung von
einer Unvollständigkeit ausgegangen werden müsste, worauf noch zurückzukommen
sein wird, wäre sie jedenfalls nicht planwidrig. Indem der Gesetzgeber die
Problematik der kleineren Teilungsmasse sowie der finanziellen Auswirkungen
diskutiert und im Wissen darum eine bewusste Entscheidung getroffen hat, ist im
Sinn der in E. 3.2 diskutierten konstanten Rechtsprechung zur Gesetzeslücke
keine Rechtsfrage übersehen, sondern im negativen Sinn mitentschieden worden,
dass die Auswirkungen der Rechtsänderung beim Anspruchsberechtigten
grundsätzlich in Kauf zu nehmen sind, so dass kein Raum für richterliche
Lückenfüllung verbleibt. Es verhält sich mit anderen Worten so, wie wenn früher
(im Sinn eines theoretischen Gedankens) die güterrechtliche Auseinandersetzung
auf den Scheidungszeitpunkt vorzunehmen gewesen wäre und nunmehr (wie es der
effektiven Gesetzeslage entspricht, vgl. Art. 204 Abs. 2 ZGB) auf den Zeitpunkt
der Einleitung des Scheidungsverfahrens zurückzubeziehen ist, dies mit der
analogen Folge, dass ein während des Scheidungsverfahrens entstandener
Vermögenszuwachs bei der Errungenschaft nicht mehr zu teilen ist. Eine solche
(theoretische) Gesetzesänderung würde ebenso wenig zu einer Gesetzeslücke
führen. Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Kontext erwähnt, dass im
Parlament verschiedentlich erwähnt wurde, dass mit der Vorverlegung des
Stichtages für die Teilung der Austrittsleistungen Kongruenz mit der
güterrechtlichen Auseinandersetzung erzielt werde (Votum Engler, AB S 2014 525;
Bundesrätin Sommaruga, AB N 2015 764).

Entsprechend ist im Folgenden einzig noch zu klären, ob im Rahmen der
unveränderten Gesetzesnormen über die Wirkungen der Ehe Anlass und die
Möglichkeit zur Kompensation eines allfälligen Vorsorgedefizites durch
Festsetzung von Vorsorgeunterhalt mittels vorsorglicher Massnahmen während des
Scheidungsverfahrens besteht. Dabei gehtes freilich um allgemeine
Normauslegung, nicht um die Frage der Lückenfüllung (vgl. E. 3.3 a.E.).

3.6. Vorweg ist zu bemerken, dass das Konzept eines "vorsorglichen
Vorsorgeunterhaltes", wie es in der Lehre vorgeschlagen wird, an sich mit dem
Grundsatz der Periodizität der Unterhaltsbeiträge (BGE 132 III 593 E. 7.3 S.
597; 133 III 57 E. 3 S. 61) harmonieren würde, indem eine allfällige
Vorsorgelücke in derjenigen Zeitperiode aufgefangen würde, in welcher sie
entsteht, und es zu keiner "Phasenverschiebung" im Sinn einer Nachfinanzierung
käme, wie dies etwa der Fall wäre, wenn im Rahmen des Scheidungsurteils den pro
futuro zugesprochenen Unterhaltsbeiträgen gewissermassen "entgangener"
Vorsorgeunterhalt aus der Zeit des Scheidungsverfahrens aufaddiert würde. Als
problematisch erweist sich hingegen die Frage der gesetzlichen Grundlage für
die Festsetzung von Vorsorgeunterhalt während des hängigen
Scheidungsverfahrens:

Der Unterhaltsanspruch bleibt auch während des Scheidungsverfahrens ein
ehelicher, welcher materiell - Art. 276 i.V.m. Art. 271 lit. a ZPO schafft
keine materielle Grundlage, sondern begründet prozessual die
Regelungszuständigkeit des Scheidungsgerichtes - auf Art. 163 ZGB fusst (BGE
130 III 537 E. 3.2 S. 541; 137 III 385 E. 3.1 S. 386 f.; 138 III 97 E. 2.2 S.
98 f.; 140 III 337 E. 4.2.1 S. 338), während die ab dem Scheidungszeitpunkt
bzw. ab dem Zeitpunkt der Regelung der Nebenfolgen der Scheidung gegebenenfalls
festzusetzendem Unterhaltsbeiträge nachehelichen Unterhalt darstellen, welcher
materiell auf Art. 125ZGB basiert.

Im alten Scheidungsrecht war der nacheheliche Unterhalt in Art. 151 f. ZGB
geregelt (sog. Schaden- bzw. Unterhaltsersatzrente nach Art. 151ZGB und
Bedürftigkeitsrente nach Art. 152 ZGB). Beiden Rentenarten war die Komponente
eines Vorsorgeunterhaltes fremd. Ein solcher war auch nicht nötig, weil die Ehe
als Versorgerinstitut begriffen wurde und die schuldlose Ehefrau im Rahmen von
Art. 151 ZGB jedenfalls bei langdauernden Ehen im Prinzip einen Anspruch auf
lebenslängliche Fortführung der Versorgung hatte (vgl. BGE 115 II 6 E. 3 S. 8
ff.). Dies änderte sich mit der auf den 1. Januar 2000 in Kraft getretenen
Scheidungsrechtsrevision (AS 1999 1118), welche nicht nur vom
Verschuldensprinzip abrückte, sondern auch die Eigenversorgung und die
konsequente wirtschaftliche Entflechtung der Ehegatten in den Vordergrund
rückte und zur Kompensation für die Abkehr von der lebenslangen rentenmässigen
Ersatzversorgung die Teilung der während der Ehe erworbenen Austrittsleistungen
(Art. 122 ff. ZGB) und für eine gewisse Zeit nach der Scheidung den
Vorsorgeunterhalt einführte. Im Gesetzestext kommt dies darin zum Ausdruck,
dass nach der bewussten Wortwahl in Art. 125 Abs. 1 ZGB der beiden Ehegatten
zustehende gebührende Unterhalt eine angemessene Altersvorsorge einschliesst
(vgl. sodann auch Art. 125 Abs. 2 Ziff. 8 ZGB).

Der gebührende Unterhalt im Sinn von Art. 125 ZGB kann somit über den
Verbrauchsunterhalt hinausgehen, welcher der Bestreitung der laufenden
Lebenshaltungskosten dient und neben den Grundbedürfnissen wie Nahrung,
Kleidung, Wohnung, Körper- und Gesundheitspflege (sowie bei genügend Mitteln
die Steuerlast, vgl. BGE 140 III 337E. 4.2.3 S. 339) entsprechend der
bisherigen Lebensführung auch die Befriedigung kultureller Bedürfnisse wie
Urlaub, Hobbys, etc. umfasst. Neben diesen Verbrauchsunterhalt tritt wie gesagt
als weitere Komponente der Vorsorgeunterhalt, mit welchem ehebedingte
zukünftige Lücken bei der Altersvorsorge ausgeglichen werden, wie sie
insbesondere entstehen können, wenn Kinderbetreuung den betreffenden Elternteil
ganz oder teilweise von eigener Erwerbsarbeit abhält (BGE 135 III 158 E. 4.1 S.
159).

Demgegenüber blieb Art. 163 ZGB (in der Fassung der auf 1. Januar 1988 in Kraft
getretenen Revision der Wirkungen der Ehe, AS 1986 I 122) im Wortlaut
unverändert. Eine Modifikation war im Zeitpunkt der Scheidungsrechtsrevision
auch nicht nötig, weil die während der ganzen Ehedauer bis zum
Scheidungszeitpunkt erworbenen Austrittsleistungen zu teilen waren und insofern
während der gesamten Ehedauer keine rechtsrelevanten Lücken bei der
Altersvorsorge entstehen konnten.

Was die gesetzliche Grundlage für den vorliegend interessierenden
"vorsorglichen Vorsorgeunterhalt" anbelangt, ist entscheidend, dass Art. 163
ZGB auch im Zusammenhang mit der auf den 1. Januar 2017 in Kraft getretenen
Vorsorgerechtsnovelle unverändert belassen wurde, obwohl dem Parlament die
Auswirkungen der Revision bekannt waren. Entsprechend umfasst - auch wenn Art.
163 ZGB den die Familie versorgenden Ehegatten zum Aufbau einer Altersvorsorge
anhält (BGE 129 III 257 E. 3.1 S. 260 m.w.H.) - der sich aus Art. 163 ZGB
ergebende und im Rahmen von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB oder Art. 276 Abs. 1ZPO
klageweise durchsetzbare Unterhaltsanspruch ausschliesslich den
Verbrauchsunterhalt (BGE 134 III 577 E. 3 S. 579; 140 III 337 E. 4.2.1 S. 338;
Urteile 5A_876/2014 vom 3. Juni 2015 E. 3.1; 5A_565/2015 vom 24. November 2015
E. 4.1; 5A_1020/2015 vom 15. November 2016 E. 5.1; 5A_493/2017 vom 7. Februar
2018 E. 3.1). Es würde Lückenfüllung und nicht bloss Normauslegung bedeuten,
wenn in den sich im Wortlaut klar von Art. 125 Abs. 1 ZGB unterscheidenden
Gesetzestext von Art. 163 ZGB hineininterpretiert würde, dass der eheliche
Unterhalt nebst dem Verbrauchsunterhalt neu auch Vorsorgeunterhalt mitumfasse.

Nichts daran ändern die Verweise der Beschwerdeführerin auf Art. 159 Abs. 3 ZGB
und auf Art. 164 Abs. 2 ZGB: Erstere Norm statuiert in allgemeiner Weise eine
gegenseitige Treue- und Beistandspflicht. Darunter kann nicht zuletzt über Art.
163 ZGB hinausgehende finanzielle Unterstützung fallen (Urteil 5A_572/2008 vom
6. Februar 2009 E. 3.2). Nebst der Pflicht zur Unterstützung des anderen
Ehegatten bei der Erfüllung von Unterhaltspflichten gegenüber einem früheren
Ehegatten oder ausserehelichen Kindern (BGE 127 III 68 E. 3 S. 71 f.; Urteile
5A_572/2008 vom 6. Februar 2009 E. 2.2; 5A_241/2010 vom 9. November 2010 E.
5.4.1; 5A_440/2014 vom 20. November 2014 E. 4.3.2.2) ist beispielsweise an
Beistand bei einer von der Krankenkasse nicht übernommenen speziellen
Heilbehandlung oder von Kosten für eine Aus- oder Weiterbildung zu denken. Als
typisches Beispiel wird in der Lehre sodann der Prozesskostenvorschuss für
nicht eheliche Verfahren genannt, wobei das Bundesgericht sich bislang nie in
abschliessender Weise äussern musste, ob es eine solche Unterscheidung gibt
oder ob die Prozesskostenvorschusspflicht generell auf Art. 163 ZGB beruht
(vgl. BGE 142 III 36 E. 2.3 S. 39 m.w.H.). So oder anders bildet Art. 159 Abs.
3 ZGB keine genügende gesetzliche Grundlage für die Zusprechung von
Vorsorgeunterhalt während des Scheidungsprozesses, zumal der Gesetzgeber den
topischen Art. 163 ZGB unverändert gelassen hat. Was sodann Art. 164 Abs. 2 ZGB
anbelangt, geht es um die Festsetzung des Betrages zur freien Verfügung,
welcher den Vorsorgeaufbau nicht über Gebühr strapazieren soll. Daraus lässt
sich keine gesetzliche Grundlage für den Zuspruch von Vorsorgeunterhalt
ableiten.

4. 

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenseite ist kein
entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. April 2019

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Herrmann

Der Gerichtsschreiber: Möckli