Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.32/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

4A_32/2019

Urteil vom 2. April 2019

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,

Bundesrichterinnen Klett, Niquille,

Gerichtsschreiber Kölz.

Verfahrensbeteiligte

A.________ GmbH,

Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,

vertreten durch Rechtsanwältin Catherine de Sépibus,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Arbeitsrecht, Widerklage,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 3. Dezember 2018 (LA180020).

Sachverhalt:

A.

Am 9. November 2017 erhob B.________ (Beschwerdegegner) vor dem Arbeitsgericht
des Bezirks Meilen Klage gegen die A.________ GmbH (Beschwerdeführerin) auf
Bezahlung von Fr. 23'619.45 "Schadenersatz Lohn von Juli-September 2017" und
Fr. 20'000.-- "Pönalentschädigung" (jeweils zuzüglich Zins), definitive
Rechtsöffnung sowie Ausstellung eines Arbeitszeugnisses.

Die A.________ GmbH erhob Widerklage auf Rückzahlung von "Mitarbeiterdarlehen"
in der Höhe von Fr. 8'431.50 zuzüglich Zins.

Mit Beschluss vom 29. Juni 2018 trat das Arbeitsgericht auf die Widerklage
nicht ein. Die von der A.________ GmbH dagegen erhobene Berufung wies das
Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 3. Dezember 2018 ab.

B.

Die A.________ GmbH verlangt mit Beschwerde an das Bundesgericht, das Urteil
des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei die Sache "an die 1. Instanz zur
Neubeurteilung bzw. Wiederklage[ei]ntritt anzuweisen".

B.________ begehrt, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Vorinstanz hat auf
Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine
bei ihm eingereichte Beschwerde zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 141 III
395 E. 2.1 mit weiteren Hinweisen).

1.2. Das angefochtene Urteil des Obergerichts ist ein Teilentscheid (Art. 91
BGG) einer Vorinstanz im Sinne von Art. 75 BGG. Der Streitwert erreicht die
Grenze von Art. 74 Abs. 1 BGG nicht (siehe Art. 53 Abs. 1 BGG). Unter diesen
Umständen ist die Beschwerde in Zivilsachen dennoch zulässig, wenn sich eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG).

1.3. Der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird restriktiv
ausgelegt (BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4; 134 III 267 E. 1.2 S. 269; 133 III 493 E.
1.1 S. 495). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist diese
Voraussetzung dann erfüllt, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse
besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine
einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit
eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen (BGE 144 III 164 E. 1 S. 165;
141 III 159 E. 1.2 mit weiteren Hinweisen). Die Frage muss von allgemeiner
Tragweite sein (BGE 140 III 501 E. 1.3; 134 III 267 E. 1.2 S. 269 mit weiteren
Hinweisen). Eine neue Rechtsfrage kann vom Bundesgericht beurteilt werden, wenn
dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich, wenn von
unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden (BGE 140
III 501 E. 1.3; 135 III 1 E. 1.3 S. 4 mit Hinweis). Ist eine Beschwerde nur
unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt, so ist auszuführen, warum diese Voraussetzung
erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG).

Das Obergericht legte Art. 224 Abs. 1 ZPO aus und gelangte zum Schluss, diese
Bestimmung stehe der Widerklage entgegen, weil diese aufgrund ihres Streitwerts
gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO nicht in der gleichen Verfahrensart zu beurteilen
sei wie die Hauptklage. Dabei liess es offen, ob dies auch gelte, wenn es sich
bei der Widerklage nicht um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis handle,
sondern um eine "reine Darlehensforderung", da in diesem Fall das
Arbeitsgericht nach kantonalem Recht sachlich nicht zuständig sei.

Die Beschwerdeführerin argumentiert, "im Sinne einer einheitlichen
Rechtsprechung" sei "ein Urteil des Bundesgerichtes in der Rechtsfrage der
Zulässigkeit der W[i]derklage gefordert". Zudem formuliert sie eine Reihe von
Teilaspekten ihrer Beschwerdebegründung, denen sie grundsätzliche Bedeutung
zumisst, in Frageform. Es erscheint zweifelhaft, ob sie ihrer
Begründungsobliegenheit nachkommt, zumal sie sich nicht mit der bisherigen
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 224 ZPO auseinandersetzt und nicht
im Einzelnen aufzeigt, inwiefern die von ihr aufgeworfenen Fragen zur
Beurteilung der Beschwerde zwingend grundsätzlich beantwortet werden müssten.

Die Voraussetzung von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist aber ohnehin nicht erfüllt:
Wohl hat das Bundesgericht in BGE 143 III 506 ausdrücklich unbeurteilt
gelassen, ob im ordentlichen Verfahren eine Widerklage erhoben werden kann, für
die aufgrund ihres - Fr. 30'000.-- nicht übersteigenden - Streitwerts gemäss
Art. 243 Abs. 1 ZPO das vereinfachte Verfahren gilt, unter Hinweis auf den
Meinungsstand in der Literatur (E. 3.2.4). An der Beantwortung dieser Frage
durch das Bundesgericht besteht allerdings im heutigen Zeitpunkt kein
allgemeines und dringendes Interesse: Der Bundesrat hat im Rahmen der laufenden
Bestrebungen, die ZPO zu überarbeiten, beim Verhältnis zwischen den Regelungen
der Artikel 94 und 224 "gesetzliche[n] Klärungs- und Anpassungsbedarf"
ausgemacht und schlägt in seiner Revisionsvorlage vor, in Art. 224 Abs. 1 ZPO
"allgemein die Voraussetzung der gleichen Verfahrensart" zu streichen. Art. 224
Abs. 1 ZPO soll neu lauten: "Die beklagte Partei kann in der Klageantwort
Widerklage erheben, wenn der geltend gemachte Anspruch in einem sachlichen
Zusammenhang steht und nicht nur für die Widerklage das summarische oder ein
besonderes familienrechtliches Verfahren anwendbar ist." Nach Auffassung des
Bundesrats soll also "auch eine verfahrensartübergreifende Widerklage"
grundsätzlich zulässig werden (Erläuternder Bericht zur Änderung der
Zivilprozessordnung [Verbesserung der Praxistauglichkeit und der
Rechtsdurchsetzung] vom 2. März 2018 S. 70 f.). Zudem soll ein neuer Art. 224
Abs. 2bis was folgt bestimmen: "Sind einzelne Ansprüche aufgrund ihrer Natur im
vereinfachten Verfahren zu beurteilen, so gilt für diese Artikel 247
sinngemäss, auch wenn Klage und Widerklage im ordentlichen Verfahren beurteilt
werden." Somit steht in Aussicht, dass die umstrittene Rechtslage demnächst
durch den Gesetzgeber geklärt wird. Im Lichte dieser Revisionsbestrebungen
besteht kein Anlass, dass sich das Bundesgericht heute grundsätzlich mit dieser
Frage auseinandersetzt. Sollte der Gesetzgebungsprozess zu keiner
positivrechtlichen Beantwortung der Frage führen, wäre die Situation unter dem
Aspekt von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG neu zu beurteilen.

1.4. Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen nicht zulässig und es steht die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde im Sinne der Art. 113 -119 BGG offen.

2.

Beschwerden an das Bundesgericht sind hinreichend zu begründen, ansonsten
darauf nicht eingetreten werden kann (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 134 II 244
E. 2.1). Dafür muss in der Beschwerdeschrift unter Bezugnahme auf die
Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt werden, inwiefern dieser
Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 140 III 115 E. 2 S. 116, 86 E. 2
S. 89).

Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen
Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Diesbezüglich gilt eine qualifizierte
Rügepflicht. Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten nicht von
Amtes wegen, sondern nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 in Verbindung mit Art. 106 Abs.
2 BGG). Dies bedeutet, dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des
angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte
verletzt worden sein sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2; 134 I 83 E. 3.2; je mit
weiteren Hinweisen).

Die Beschwerde enthält keine hinreichend begründete Verfassungsrüge, soweit die
Beschwerdeführerin darin bloss beiläufig und ohne schlüssige Begründung
behauptet, der angefochtene Entscheid unterliege "der Willkür", da nicht
ersichtlich sei, inwiefern sich ein Sachentscheid von einem
Nichteintretensentscheid unterscheide. Im Übrigen ist nicht erkennbar,
inwiefern die zumindest nachvollziehbare Rechtsauffassung der Vorinstanz,
wonach Art. 224 ZPO der Widerklage entgegensteht, vom Bundesgericht auf ihre
Vereinbarkeit mit Art. 8 BV überprüft werden könnte (siehe Art. 190 BV).

3.

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.

Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. April 2019

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Kölz