Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.301/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

4A_301/2019

Urteil vom 24. September 2019

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,

Bundesrichterinnen Klett, May Canellas,

Gerichtsschreiber Stähle.

Verfahrensbeteiligte

A.________ sarl,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Schramm und Rechtsanwältin Livia
Andermatt,

Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum IGE, Beschwerdegegner.

Gegenstand

Markeneintragung,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II,

vom 8. Mai 2019 (B-227/2018).

Sachverhalt:

A.

Mit Eingabe vom 15. Juli 2016 ersuchte die A.________ sarl (Beschwerdeführerin)
das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) um Eintragung einer
dreidimensionalen Marke für Lippenbalsam in der Klasse 3
(Markeneintragungsgesuch Nr. 58538/2016). Das Zeichen sieht wie folgt aus:

               

Das IGE wies das Markeneintragungsgesuch mit Verfügung vom 22. November 2017
mit der Begründung ab, das Zeichen gehöre zum Gemeingut und sei aus diesem
Grund vom Markenschutz ausgeschlossen.

B.

Diese Verfügung focht die A.________ sarl beim Bundesverwaltungsgericht an.
Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 8. Mai 2019 ab.

C.

Die A.________ sarl verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben. Das IGE sei anzuweisen, das Zeichen
gemäss Markeneintragungsgesuch Nr. 58538/2016 im schweizerischen Markenregister
einzutragen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an das
Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.

Das IGE beantragt unter Verzicht auf Vernehmlassung, die Beschwerde sei
abzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtete auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

In der vorliegenden Registersache ist nach Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG
die Beschwerde in Zivilsachen das zulässige Rechtsmittel. Als Vorinstanz hat
das Bundesverwaltungsgericht entschieden (Art. 75 Abs. 1 BGG). Der Entscheid
erging nicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens (Art. 73 BGG).

Die Beschwerdeführerin ist mit ihren Begehren vor der Vorinstanz unterlegen und
hat den gewünschten Markenschutz für ihr Zeichen nicht erhalten, womit sie zur
Beschwerde berechtigt ist (Art. 76 Abs. 1 lit. a und b BGG). Der angefochtene
Entscheid schliesst das Verfahren betreffend das Markeneintragungsgesuch Nr.
58538/2016 ab und stellt demnach einen Endentscheid dar (Art. 90 BGG). Der für
die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert ist erreicht (Art. 74
Abs. 1 lit. b BGG; vgl. BGE 133 III 490 E. 3). Auf die Beschwerde ist
einzutreten.

2.

Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 2 lit. a MSchG (SR
232.11) verletzt.

2.1. Nach Art. 2 lit. a MSchG sind Zeichen, die zum Gemeingut gehören, vom
Markenschutz ausgeschlossen, es sei denn, sie haben sich als Marke für die
Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt, für die sie beansprucht werden. Nicht
schutzfähig sind demnach unter anderem Zeichen, denen in Bezug auf die konkret
beanspruchten Produkte die Unterscheidungskraft fehlt, indem sie weder von
Anfang an (originär) auf ein bestimmtes - wenn auch dem Publikum nicht
unbedingt namentlich bekanntes - Unternehmen hinweisen, noch (derivativ)
infolge ihrer Durchsetzung im Verkehr. Ob die massgebenden Adressaten ein
Zeichen für die beanspruchten Produkte als Hinweis auf ein Unternehmen
wahrnehmen, ist vor dem Hintergrund der gesamten Umstände zu beurteilen. Die
erforderliche Unterscheidungskraft einer Marke hat ein Zeichen nur, wenn es
sich derart in der Erinnerung einprägt, dass der Adressat die damit
gekennzeichneten Produkte eines bestimmten Unternehmens in der Fülle des
Angebots jederzeit wieder finden kann. Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
als Rechtsfrage frei, wie der massgebende Adressatenkreis für die beanspruchten
Waren oder Dienstleistungen abzugrenzen ist und - bei Gütern des allgemeinen
Bedarfs - wie die Adressaten aufgrund der erwarteten Aufmerksamkeit das Zeichen
wahrnehmen (BGE 137 III 403 E. 3.3.2 mit Hinweisen).

Die Form einer Ware oder Verpackung identifiziert in erster Linie die Ware
selbst und nicht deren betriebliche Herkunft. Damit eine Waren- oder
Verpackungsform als Herkunftshinweis im Sinne des Markenrechts verstanden wird,
muss sie sich von sämtlichen im beanspruchten Warensegment im Zeitpunkt des
Entscheids über die Markeneintragung üblichen Formen auffällig unterscheiden.
Dabei ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu beachten, dass Waren- und
Verpackungsformen primär anderen Funktionen als dem Hinweis auf eine
betriebliche Herkunft dienen. Entsprechend nimmt das Publikum konkrete Formen
von Waren und Verpackungen in der Regel nicht als Hinweis auf ein Unternehmen,
sondern lediglich als besondere Gestaltung wahr. Damit eine Waren- oder
Verpackungsform originär unterscheidungskräftig ist, reicht es nicht aus, dass
sie sich lediglich nach ihrer gefälligen Gestaltung unterscheidet; vielmehr
muss ihre auffällige Eigenart auch als Herkunftshinweis taugen, was nach der
Praxis des Bundesgerichts insbesondere bei grosser Formenvielfalt im
beanspruchten Warensegment regelmässig zu verneinen ist, sofern sich die als
Marke beanspruchte dreidimensionale Form nicht deutlich von den üblicherweise
verwendeten Formen abhebt (BGE 137 III 403 E. 3.3.3 und 3.3.5 mit Hinweisen).

2.2. Die beanspruchte Form wird von der Vorinstanz als ein "an beiden Enden
gestauchter Ellipsoid" beschrieben. Die frontalen Ansichten - so das
Bundesverwaltungsgericht weiter - zeigten eine ovale Form, welche am oberen
Ende flacher gerundet und am unteren Ende abgeschnitten sei. Unterhalb der
Hälfte verlaufe eine horizontale Rille um den Körper. Über und unter der Rille
befinde sich auf einer Seite eine schräg stehende, unregelmässig gerundete
Mulde.

2.3. Das Bundesverwaltungsgericht erwog, im massgeblichen Warensegment
"Lippenpflegeprodukte" seien als Verpackungsformen im Wesentlichen Stifte,
Tuben und Döschen gebräuchlich. Innerhalb dieser drei Kategorien gebe es
zahlreiche Spielarten. Insbesondere kämen Dosendeckel in unterschiedlichen
Höhen und Formen vor. Es sei daher von einer relativ grossen Formenvielfalt
auszugehen. Das hinterlegte Zeichen stelle eine Art Döschen dar. Stehfläche und
Rille höben sich nicht oder kaum von solchen üblicher Dosen ab und vermöchten
den Gesamteindruck nicht zu prägen. Die seitliche Mulde sei teilweise
funktional bedingt und aufgrund ihrer relativ geringen Grösse für den
Gesamteindruck ebenfalls nicht bis kaum prägend. Deckelhöhe und -proportion
hätten zwar eine ästhetische Wirkung, was aber nicht dazu führe, dass sich die
Verpackung wesentlich von geometrischen Grundformen unterscheide. Die
Gestaltung lasse an die Symbolaussage "Ei" denken, was bestätige, dass keine
erhebliche Abweichung von trivialen Formen vorliege. Die Form sei daher nicht
hinreichend unterscheidungskräftig und folglich nicht schutzfähig.

2.4. Die Beschwerdeführerin pflichtet dem Bundesverwaltungsgericht darin bei,
dass für den Formenvergleich auf den Warenbereich "Lippenpflegeprodukte"
abzustellen sei und in diesem Segment üblicherweise drei Formen (Stifte, Tuben
und "in der Regel zylinderförmige" Döschen) existierten. Sie schliesst daraus
indes auf einen "extrem" limitierten Formenschatz, der die von ihr beanspruchte
"Ei-Form" nicht umfasse.

Bei der anschliessenden Beurteilung, ob die beanspruchte Form vom Gewohnten und
Erwarteten abweiche, habe das Bundesverwaltungsgericht in zweifacher Hinsicht
Recht verletzt: Einerseits habe es eine "mosaikartige Betrachtung der
Einzelteile" vorgenommen, statt den Gesamteindruck zu würdigen. Andererseits
müsse das Zeichen mit den üblichen Waren- beziehungsweise Verpackungsformen im
betreffenden Segment und nicht mit den geometrischen Grundformen verglichen
werden. Würden diese Grundsätze richtig angewandt, sei der beanspruchten Form
die erforderliche Unterscheidungskraft aufgrund des Symbolgehalts "Ei"
zuzumessen. Es handle sich um die einzige Form mit diesem Symbolgehalt im
Bereich "Lippenpflegeprodukte", und Verpackungsformen mit Symbolgehalt seien in
diesem Segment ohnehin generell unüblich. Entsprechend habe auch das
Bundesverwaltungsgericht von einer "individuell wiedererkennbaren Ausprägung"
der Form gesprochen.

3.

3.1. Wie die Beschwerdeführerin grundsätzlich zu Recht vorbringt, beurteilt
sich die Unterscheidungskraft nach dem Gesamteindruck, den das Zeichen bei den
massgebenden Adressaten hinterlässt (siehe BGE 133 III 342 E. 4 S. 346; Urteil
4A_116/2007 vom 27. Juni 2007 E. 6.1, nicht publ. in: BGE 133 III 490). Wenn
von einer Form sodann verlangt wird, dass sie vom Gewohnten und Erwarteten
derart abweicht, dass sie als Herkunftshinweis verstanden wird (Erwägung 2.1),
so ist sie mit den im beanspruchten Segment im Zeitpunkt des Entscheids über
die Eintragung im Markenregister üblichen Formen zu vergleichen (BGE 137 III
403 E 3.3.5 S. 413; 134 III 547 E. 2.3.4). Auch darauf weist die
Beschwerdeführerin zutreffend hin. Es ist ihr insoweit zuzustimmen, dass die
Erwägungen der Vorinstanz missverständlich sind, in denen diese zum Ergebnis
gelangt, das hinterlegte Zeichen unterscheide sich nicht wesentlich von 
trivialen Formen.

3.2. Bei der von der Beschwerdeführerin beanspruchten Ware handelt es sich um
ein Konsumgut des alltäglichen Bedarfs, das sich regelmässig an die
Endverbraucher in der Schweiz richtet, an deren Aufmerksamkeit keine
übertriebene Anforderungen gestellt werden dürfen (BGE 137 III 403 E. 3.3.6 S.
414; 134 III 547 E. 2.3.3 S. 552; 133 III 342 E. 4.1 S. 347). Die
Beschwerdeführerin zeigt im Übrigen auch nicht konkret auf, inwiefern die
Abnehmer von Lippenpflegeprodukten hinsichtlich der blossen Verpackungsform
besonders sensibilisiert sein sollen.

3.3. Nach den übereinstimmenden Ausführungen der Beschwerdeführerin und der
Vorinstanz sind Lippenpflegeprodukte auf dem Markt üblicherweise in Stiften,
Tuben und Döschen verpackt. Auch bei der beanspruchten Form handelt es sich um
eine Dose, was die Beschwerdeführerin an sich nicht in Frage zieht. Sie meint
aber, die eiförmige Gestaltung hebe das Zeichen von anderen Verpackungsformen
für Lippenpflegeprodukte auffällig ab. Dabei übersieht sie, dass auch die
zahlreichen auf dem Markt vorhandenen Dosen in verschiedenen Abwandlungen
erhältlich sind, wie etwa die von der Beschwerdeführerin selbst eingereichten
Abbildungen zeigen. Sie sind beispielsweise unterschiedlich hoch, weisen
verschieden geformte Deckel auf oder haben mit unterschiedlichen Radien
gerundete oder kantige Ränder. Die von der Beschwerdeführerin beanspruchte
Verpackungsform reiht sich in diese Variationen ein. Sie mag sich zwar durch
eine von anderen Formen etwas abweichende Gestaltung auszeichnen, doch
letztlich wird diese vom Durchschnittsabnehmer als ästhetisches Stilelement
wahrgenommen, das sich darin erschöpft, der Verpackung eine besonders
attraktive Gestaltung zu verleihen. Ob ein Lippenpflegeprodukt in einer
zylinderförmigen Büchse mit abgerundeten Ecken oder aber einer
ellipsoidförmigen Dose verpackt ist, stellt für das Publikum möglicherweise
einen dekorativen, nicht aber einen unerwarteten, herkunftshinweisenden
Unterschied dar, zumal auch die beanspruchte Form eine kreisrunde Bodenfläche
aufweist. Die Verpackung eines Lippenpflegeprodukts in einer Form, die einem
Ellipsoid beziehungsweise - in der Terminologie der Beschwerdeführerin - einem
(etwas in die Breite gezogenen) "Ei" ähnelt, weicht für den
Durchschnittsadressaten jedenfalls nicht derart vom Gewohnten und Erwarteten
ab, als dass sie als Herkunftshinweis wahrgenommen würde. Der Umstand, dass die
Form gefällig gestaltet sein mag, schafft keine Kennzeichnungskraft.

Mit Grund beruft sich die Beschwerdeführerin schliesslich auch nicht auf die
seitliche Mulde, denn diese vermag den Gesamteindruck der Form nicht zu prägen
und ist ohnehin funktional bedingt. Daran ändert nichts, dass sie unregelmässig
gerundet ist, handelt es sich dabei doch um ein gestalterisches Element, das
nicht dazu führt, dass die Form als Ganzes in der längerfristigen Erinnerung
als Hinweis auf ein Unternehmen haften bliebe. Insgesamt vermag sich die
beanspruchte Form nicht kennzeichenkräftig vom Üblichen abzuheben.

3.4. Vor Bundesgericht verweist die Beschwerdeführerin im Übrigen nicht mehr -
anders als vor den Vorinstanzen - auf in- und ausländische Registrierungen
anderer, "vergleichbarer" Zeichen (siehe ohnehin BGE 139 II 49 E. 7.1; Urteile
4A_648/2010 vom 28. Februar 2011 E. 3.3.5; 4A.8/2006 vom 23. Mai 2006 E. 3). Da
kein Grenzfall vorliegt, besteht auch kein Raum für eine Eintragung im
Zweifelsfall (vgl. BGE 140 III 297 E. 5.1 S. 306 mit Hinweisen).

3.5. Der Vorinstanz ist somit keine Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen, wenn
sie die angemeldete Verpackungsform mangels originärer Unterscheidungskraft dem
Gemeingut im Sinne von Art. 2 lit. a MSchG zugerechnet hat. Da eine
Verkehrsdurchsetzung nicht geltend gemacht wurde, hat die Vorinstanz der
angemeldeten Form die Eintragung in das Markenregister zu Recht versagt.

4.

Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die
Gerichtskosten gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (siehe Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. September 2019

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Stähle