Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.291/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

4A_291/2019

Urteil vom 20. August 2019

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,

Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,

Gerichtsschreiber Gross.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

gegen

B.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Wasserfallen,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Pachtausweisung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 1.
Zivilkammer, vom 1. Mai 2019

(ZK 19 60).

Sachverhalt:

A.

A.________ (Pächter, Beschwerdeführer) und B.________ (Verpächter,
Beschwerdegegner) schlossen am 19. April 2014 einen landwirtschaftlichen
Pachtvertrag ab, worin sich der Verpächter verpflichtete, dem Pächter ab dem 1.
Mai 2014 gegen einen monatlichen Pachtzins von Fr. 2'500.-- das
landwirtschaftliche Gewerbe xxx in der Gemeinde U.________ zur Benutzung und
Bewirtschaftung zu überlassen. Das Pachtverhältnis wurde nicht befristet und
konnte ordentlich frühestens auf den 30. April 2023 gekündigt werden, unter
Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr.

Mit Schreiben vom 11. November 2016 zeigte der Verpächter dem Pächter die
ausstehenden Pachtzinse von Pachtantritt bis und mit November 2016 in der Höhe
von Fr. 77'500.-- an und drohte ihm - gestützt auf Art. 21 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1985 über die landwirtschaftliche Pacht (SR
221.213.2; LPG) - die Auflösung des Pachtvertrages an für den Fall der
Nichtbegleichung des Zahlungsrückstands innert sechs Monaten. Das Schreiben
wurde dem Pächter am 21. November 2016 zugestellt. Innert Frist wurden die
ausstehenden Pachtzinse nicht beglichen.

B.

Am 30. Mai 2017 reichte der Verpächter beim Regionalgericht Emmental-Oberaargau
ein Ausweisungsgesuch im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen ein, auf
welches dieses mit Entscheid vom 22. August 2017 mangels Liquidität des
Sachverhalts nicht eintrat.

Ein vom Verpächter in der Folge anhängig gemachtes Schlichtungsgesuch zog
dieser am 21. September 2018 wieder zurück.

Am 22. Oktober 2018 reichte der Verpächter erneut ein Ausweisungsgesuch im
Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen ein. Mit Entscheid vom 28. Januar
2019 hiess das Regionalgericht Emmental-Oberaargau dieses gut, indem es den
Pächter unter Androhung von Vollstreckungsmassnahmen gemäss Art. 343 ZPO - und
unter Ermächtigung der zuständigen Regierungsstatthalterin zum Vollzug der
Exmission - zur Räumung und zum Verlassen der Grundstücke verurteilte, und die
Ausweisungsfrist auf 60 Tage nach Eintritt der Rechtskraft festsetzte.

Mit Entscheid vom 1. Mai 2019 wies das Obergericht des Kantons Bern die vom
Pächter gegen dieses Urteil erhobene Berufung ab, soweit es darauf eintrat. Es
erwog, soweit es die Übergabe der Pachtliegenschaften per 1. Mai 2014 betreffe,
werde mangels genügender Begründung auf die Berufung nicht eingetreten. Der
Antrag auf Durchführung eines Augenscheins werde abgewiesen. Auf den
subeventualiter gestellten Antrag auf Verlängerung der Ausweisungsfrist könne
zwar eingetreten werden, jedoch sei dieser abzuweisen.

C.

Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 13. Juni 2019 beantragt der Pächter dem
Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern sei kostenfällig
aufzuheben und das Ausweisungsgesuch abzuweisen (Ziff. 1). Eventuell sei die
Räumungsfrist von 60 Tagen auf 120 Tage zu verlängern (Ziff. 2). Eventuell sei
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das
Obergericht zurückzuweisen.

Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.

Der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert von Fr.
30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) ist erreicht. Die übrigen
Eintretensvoraussetzungen geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Auf die
Beschwerde ist - unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2
BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG) - einzutreten.

2.

Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die
Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene
über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die
Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.
mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
"Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2
S. 117, 264 E. 2.3 S. 266). Überdies muss die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).

Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von
Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen). Die Partei,
welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar
und substanziiert aufzeigen, inwiefern die dargelegten Voraussetzungen erfüllt
sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). Wenn sie den
Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen
darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche
Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE
140 III 86 E. 2 S. 90). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können
Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid
abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18).

3.

Der Beschwerdeführer bestreitet weder die Nichtzahlung des Pachtzinses noch das
Bestehen einer formgültigen Androhung der Pachtauflösung gemäss Art. 21 LPG.
Umstritten ist, ob der Beschwerdeführer ein Leistungsverweigerungsrecht besass,
weil der Beschwerdegegner seinerseits seiner Vorleistungspflicht auf Übergabe
der Pachtsache nicht nachgekommen ist.

3.1. Die Vorinstanz stellte fest, das Regionalgericht sei davon ausgegangen,
der Beschwerdeführer habe die Pacht, wie vereinbart, am 1. Mai 2014 angetreten
und die Pachtsache an diesem Datum übernommen. Es habe sich dabei auf die
Tatsache gestützt, dass der Beschwerdeführer Direktzahlungsgesuche gestellt und
Direktzahlungen erhalten habe. In den von der Vorinstanz zitierten
Erläuterungen hatte das Regionalgericht ausgeführt, gemäss einem Schreiben des
lawa (Dienststelle Landwirtschaft und Wald, Kanton Luzern) vom 5. November 2018
habe der Beschwerdeführer im Rahmen der Strukturdatenerhebung jeweils im
Frühling der Jahre 2014-2018 die Parzellen der Produktionsstätte yyy,
U.________ beim lawa angemeldet, weshalb in den Jahren 2014 bis und mit 2017
auf diesen Parzellen auch Direktzahlungen ausbezahlt worden seien.
Direktzahlungen könne gemäss BGE 134 II 287 E. 4.1 S. 294 aber nur
beanspruchen, wer sich entweder als Eigentümer oder Pächter ausweise. Weiter
erwog die Vorinstanz, habe das Regionalgericht darauf abgestellt, dass das Amt
für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern bezüglich der Festsetzung des
höchstzulässigen Pachtzinses am 31. Oktober 2017 eine rückwirkende
Feststellungsverfügung per 1. Mai 2014 erlassen habe und der Beschwerdeführer
gegenüber der Schwellenkorporation U.________ als Pächter aufgetreten sei.
Gemäss dem erstinstanzlichen Entscheid würden auch Hinweise dafür fehlen, dass
er wegen anfänglicher Nicht- oder Schlechterfüllung auf Vertragserfüllung
geklagt habe oder nach Fristansetzung vom Vertrag zurückgetreten sei.

Der Berufungsbegründung könne nicht entnommen werden - so die Vorinstanz weiter
-, inwiefern das Regionalgericht mit dieser Begründung eine unrichtige
Rechtsanwendung oder eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts gemäss Art.
310 ZPO vorgenommen hätte. Der Beschwerdeführer begnüge sich mit pauschalen
Behauptungen. Er gestehe aber ein, dass für die Liegenschaften jedenfalls in
der Vergangenheit Direktzahlungen ausgerichtet worden seien und er
Direktzahlungen beantragt habe. Auf die übrigen Erwägungen des
Regionalgerichts, welche auf die Übernahme des Pachtgegenstands schliessen
liessen, gehe er mit keinem Wort ein. Mangels Einhaltung der
Begründungsanforderungen könne daher hinsichtlich der Frage der Übergabe des
Pachtgegenstands und des Pachtantritts durch den Beschwerdeführer nicht auf die
Berufung eingetreten werden.

3.2. Der Rechtsmittelkläger (Berufungskläger) muss sich mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids auseinandersetzen und kann sich nicht auf eine blosse
Wiederholung seiner Vorbringen vor Vorinstanz beschränken, wenn er eine andere
Beurteilung im Rechtsmittelverfahren erreichen will; sonst bleibt es bei den
Erwägungen des angefochtenen Entscheids. Entsprechend ist es an ihm, anhand der
erstinstanzlich festgestellten Tatsachen oder der daraus gezogenen rechtlichen
Schlüsse aufzuzeigen, inwiefern sich die Überlegungen des erstinstanzlichen
Richters nicht aufrecht erhalten lassen (BGE 138 III 374 E. 4.3.1 S. 375;
Urteile 4A_174/2017 vom 1. September 2017 E. 4.4.2.4 und 4A_397/2016 vom 30.
November 2016 E. 3.1). Aus diesem Grund tritt denn auch das Bundesgericht auf
Rügen nicht ein, welche eine sachbezogene Auseinandersetzung mit den Erwägungen
des angefochtenen Urteils vermissen lassen (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368; 140
III 264 E. 2.3. S. 266 f., 115 E. 2 S. 116; je mit Hinweisen).

3.2.1. Der Beschwerdeführer müsste somit dem Bundesgericht unter Hinweis auf
konkrete Aktenstellen darlegen, dass er sich - entgegen den Feststellungen der
Vorinstanz zum Prozesssachverhalt - im Berufungsverfahren substanziiert mit der
Begründung des Regionalgerichts auseinandergesetzt hat (vgl. E. 2 hiervor). Das
tut er nicht. Er bestreitet in der Beschwerde, dass aus Entschädigungszahlungen
der Schwellenkorporation für Ertragsausfälle etwas für die Frage abgeleitet
werden könne, ob der Pachtantritt am 1. Mai 2014 stattgefunden hat. Er
behauptet aber nicht, dass er sich entgegen den Feststellungen der Vorinstanz
dazu in der Berufungsschrift geäussert hat. Auf die für die Beurteilung der
Erstinstanz ebenfalls massgebliche Feststellungsverfügung des Amtes für
Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern vom 31. Oktober 2017 geht er auch in
der Beschwerde überhaupt nicht ein. Es ist somit in tatsächlicher Hinsicht
davon auszugehen, dass er sich im Berufungsverfahren zu keinem dieser beiden
Aspekte geäussert hat. Bereits aus diesem Grund konnte die Vorinstanz von einer
ungenügenden Begründung der Berufung ausgehen. Denn wenn sich das
Regionalgericht in seiner Beweiswürdigung auf insgesamt drei
Sachverhaltselemente abstützte, um zu begründen, weshalb es vom Pachtantritt
und der Übergabe der Pachtsache an den Beschwerdeführer per 1. Mai 2014
überzeugt ist, hätte sich dieser zu allen drei Argumenten äussern müssen,
andernfalls die Vorinstanz die Beweiswürdigung des Regionalgerichts nicht
insgesamt überprüfen konnte.

Aber auch soweit der Beschwerdeführer auf seine Vorbringen betreffend die
Direktzahlungen verweist, vermag er die Auffassung der Vorinstanz, wonach seine
Berufung ungenügend gewesen sei, nicht als rechtsfehlerhaft auszuweisen. Er
macht geltend, er habe in der Berufung darauf hingewiesen, dass sein Betrieb
angesichts der erreichten Grösse keine Direktzahlungen mehr erhalte, was er
bereits erstinstanzlich dargelegt habe. Damit hat er sich aber mit der
entscheidenden Argumentation des Regionalgerichts nicht auseinandergesetzt. Im
Übrigen rügt er, BGE 134 II 287 E. 4.1 S. 294 spreche nur von einem
"zivilrechtlich hinreichend abgestützte[n] Nutzungsrecht"; ein Pachtvertrag sei
also nicht Voraussetzung für den Bezug von Direktzahlungen. Dass er
Entsprechendes bereits in der Berufung vorgebracht hat, behauptet er nicht.
Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.

3.2.2. Zum Hinweis der Vorinstanz, gemäss dem erstinstanzlichen Entscheid
würden auch Hinweise dafür fehlen, dass der Beschwerdeführer wegen anfänglicher
Nicht- oder Schlechterfüllung auf Vertragserfüllung geklagt habe oder nach
Fristansetzung vom Vertrag zurückgetreten sei, führt der Beschwerdeführer nur
aus, diese Frage habe nichts mit der Vorleistungspflicht des Beschwerdegegners
zu tun. Ebenso wenig wie die Frage, ob ein Augenschein durchgeführt werden
solle. Darauf ist somit nicht weiter einzugehen.

4.

Der Beschwerdeführer beantragt erneut eine Auszugsfrist von 120 Tagen.

4.1. Die Vorinstanz erachtete diesen Antrag als unbegründet. Der
Beschwerdeführer habe seit Zustellung des Exmissionsgesuchs vom 8. November
2018 mit der Möglichkeit der Ausweisung rechnen müssen. Er habe mithin mehr als
vier Monate Zeit gehabt, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Inwiefern
die Zeitspanne von 60 Tagen zu kurz sei, um eine Inventarversteigerung sauber
und korrekt abzuwickeln oder die Gebäude besenrein zu reinigen, werde vom
Beschwerdeführer nicht substanziiert und belegt.

4.2. Die Festlegung der Auszugsfrist beruht auf einem Ermessensentscheid. Das
Bundesgericht greift bei Ermessensentscheiden nur ein, wenn die Vorinstanz ihr
Ermessen überschritten bzw. missbraucht hat, namentlich wenn sie sachwidrige
Gesichtspunkte berücksichtigt oder sachgemässe unberücksichtigt gelassen hat.
Die blosse Unangemessenheit einer Entscheidung kann vor Bundesgericht nicht
gerügt werden (BGE 141 III 97 E. 11.2 S. 98; 138 III 443 E. 2.1.3 S. 445).

Es ist nicht ersichtlich und der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die
Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen missbraucht hätte. Dies kann allein
schon deshalb ausgeschlossen werden, weil der Beschwerdeführer in seiner
Stellungnahme vom 17. Dezember 2018 an das Regionalgericht selber im
Eventualantrag verlangt hatte, ihm sei eine angemessene Frist - mindestens aber
60 Tage - zur Räumung anzusetzen.

5.

Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der
Beschwerdeführer wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der
Beschwerdegegner hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung, da er sich nicht
vernehmen lassen musste.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. August 2019

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Klett

Der Gerichtsschreiber: Gross