Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.222/2019
Zurück zum Index I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2019
Retour à l'indice I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2019


 

Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

4A_222/2019

Urteil vom 15. Juli 2019

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,

Bundesrichterinnen Klett, May Canellas,

Gerichtsschreiber Curchod.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Leo Weiss,

Beschwerdeführerin,

gegen

B.________ AG in Liquidation,

vertreten durch Rechtsanwälte Damiano Brusa und Philipp Dickenmann,

Beschwerdegegnerin.

Gegenstand

aktienrechtliche Verantworltichkeit,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 8. April 2019 (LB190003).

Sachverhalt:

A.

A.a. Am 9. Dezember 1999 reichten C.________ und D.________ gegen E.________,
Verwaltungsrat der in Konkurs geratenen und seither gelöschten F.________ AG,
sowie gegen die Gesellschaft B.________ (nunmehr "B.________ AG in
Liquidation"; Beklagte und Beschwerdegegnerin) beim Bezirksgericht Horgen Klage
ein. Gegenstand dieser Klage bildeteten Verantwortlichkeitsansprüche, die von
der Konkursmasse u.a. an die beiden Kläger abgetreten worden waren.

A.b. Mit Teilurteil vom 27. August 2008 erledigte das Bezirksgericht Horgen das
Verfahren mit Bezug auf den Beklagten E.________; dagegen erhobene Rechtsmittel
blieben ohne Erfolg.

Nach dem Tod von D.________ trat A.________ (Klägerin, Beschwerdeführerin) als
Alleinerbin und Willensvollstreckerin in den Prozess ein. Die Nachfolger des
kurze Zeit später verstorbenen C.________ zogen die Klage zurück, weshalb mit
Beschluss vom 10. April 2014 der Prozess betreffend C.________ abgeschrieben
wurde. Der Prozess wurde in der Folge von der Klägerin allein weitergeführt.

B.

Mit Urteil vom 5. Dezember 2018 wies das Bezirksgericht Horgen die Klage ab.
Auf die gegen diesen Entscheid gerichtete Berufung trat das Obergericht des
Kantons Zürich mit Beschluss vom 8. April 2019 nicht ein. Dabei erwog es im
Wesentlichen, die Berufung sei ein reformatorisches und vollständiges
Rechtsmittel, weshalb sich die Berufungsklägerin nicht darauf beschränken
dürfe, die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zu
beantragen. Zur Rüge der Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör der
Klägerin durch das Bezirksgericht erwog das Obergericht, trotz der formellen
Natur dieses Anspruches könne eine Gehörsverletzung ausnahmsweise im
Rechtsmittelverfahren geheilt werden. Da die entsprechenden Voraussetzungen
erfüllt seien, käme eine Heilung im Berufungsverfahren grundsätzlich in Frage.
Wegen des unzulässigen Berufungsantrages rein prozessualer Natur der Klägerin
könne jedoch auf die Berufung nicht eingetreten werden.

C.

Mit Beschwerde in Zivilsachen stellt die Beschwerdeführerin die fol-genden
Anträge:

"1. [D]ie Beschwerde gegen den Beschluss vom 8. April 2019 des Obergerichts des
Kantons Zürich sei in beiden Teilen gutzuheissen und die Sache sei unter
Hinweis darauf, dass keine Rangrücktritte erfolgten und daher der Schaden zu
ermitteln sei (Hauptantrag) und dass hinsichtlich der Zustellung von act.397
das rechtliche Gehör verletzt wurde (Eventualantrag) zu neuer Beurteilung an
das Bezirksgericht Horgen zurückzuweisen.

2. Die Kosten und Entschädigungsentscheide der Vorinstanzen seien aufzuheben.

3. Die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, die Beschwerdeführerin für das
Beschwerdeverfahren gemäss Art 4 des Reglements über die Parteientschädigung
vom 31. März 2006 angemessen zu entschädigen, ausgehend von einem Streitwert
von CHF 1'125'000 nebst 5% Zins seit 19 Jahren und den im Reglement erwähnten
Minimalansätzen, und die Gerichtskosten zu übernehmen."

Vernehmlassungen wurden ausschliesslich zur Frage der Gewährung der
aufschiebenden Wirkung eingeholt.

Mit Verfügung vom 18. Juni 2018 wurde das Gesuch um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in Zivilsachen ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art.
107 Abs. 2 BGG). Grundsätzlich muss die rechtsuchende Partei einen Antrag in
der Sache stellen. Ein blosser Rückweisungsantrag reicht ausnahmsweise aus,
wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung naturgemäss nicht selbst in der
Sache entscheiden könnte (BGE 136 V 131 E. 1.2; 134 III 379 E. 1.3 S. 383).
Dieser Fall ist hier offensichtlich gegeben, da sich die Beschwerde gegen einen
Nichteintretensentscheid richtet.

1.2. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) eines
oberen kantonalen Gerichts, das in einer Zivilsache (Art. 72 BGG) als
Rechtsmittelinstanz entschieden hat (Art. 75 BGG) und den Anträgen der
Beschwerdeführerin nicht gefolgt ist (Art. 76 BGG). Der Streitwert in der
vorliegenden Streitigkeit (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) ist erreicht und die
Beschwerdefrist (Art. 100 BGG) ist eingehalten. Auf die Beschwerde ist -
vorbehältlich einer hinreichenden Begründung (Art. 42 i.V.m. Art. 106 Abs. 2
BGG) - einzutreten.

2.

Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht auf ihre Berufung
nicht eingetreten. I hr Anspruch auf rechtliches Gehör sei in doppelter
Hinsicht verletzt worden.

2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und
96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls
wird darauf nicht eingetreten (BGE 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift
ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht
verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die
Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt,
worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll
in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im
kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer
Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz
ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt
hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern,
als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art.
106 Abs. 2 BGG).

2.2. Die erste Rüge der Beschwerdeführerin betrifft die Formulierung ihrer
Rechtsmittelanträge. Sie bringt im Wesentlichen vor, die Vorinstanz sei zu
Unrecht wegen des Fehlens eines reformatorischen Antrages auf ihre Berufung
nicht eingetreten.

Mit falschem Hinweis auf die im kantonalen Berufungsverfahren nicht anwendbaren
Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG erkennt die Beschwerdeführerin, dass
ihre Rechtsmittelanträge zwar "etwas zu kurz formuliert" gewesen seien, meint
jedoch, diese seien " im Lichte der Begründung" auszulegen gewesen. Weshalb auf
das Rechtsmittel ausnahmsweise einzutreten gewesen sei, legt sie hingegen nicht
dar. Ihr pauschaler Verweis auf die "Begründung" ihrer Berufung genügt den
Begründungsanforderungen von Art. 42 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG nicht, zeigt
sie doch nicht auf, inwiefern die von ihr angestrebte Auslegung ihrer
Rechtsmittelanträge sich aus der Begründung der Berufung ergibt. Ihre
Ausführungen zu den Pflichten der Revisionsstelle und zum Rangrücktritt ohne
Aktenhinweise sind dabei unbehelflich. Auf die Rüge ist nicht einzutreten.

2.3. Die zweite Rüge der Beschwerdeführerin hat die erstinstanzliche
Gehörsverletzung zum Gegenstand. Indem die Vorinstanz ausgeführt habe, diese
Verletzung sei im Berufungsverfahren heilbar, habe sie den Instanzenzug gegen
den Willen der Beschwerdeführerin zu Unrecht verkürzt, was einer formellen
Rechtsverweigerung gleichkomme.

Diese zweite Rüge betrifft den Eventualantrag der Beschwerdeführerin im
vorinstanzlichen Verfahren. Nachdem die Vorinstanz auf die Berufung nicht
eingetreten ist, hat die Beschwerdeführerin kein Rechtsschutzinteresse an der
Überprüfung der Eventualbegründung. Zudem kann - entgegen ihrer Auffassung -
allein daraus, dass eine Heilung einer Verletzung des Anspruches auf
rechtliches Gehör nur ausnahmsweise in Frage kommt, nicht gefolgert werden,
dass der angefochtene Entscheid rechtsfehlerhaft ist. Die Beschwerdeführerin
setzt sich nicht ansatzweise mit der Begründung der Vorinstanz auseinander,
wonach die Voraussetzungen für die Heilung der Gehörsverletzung in casuerfüllt
sind. Ihre allgemeinen und teils nur schwer verständlichen Ausführungen zum
Inhalt des Revisionsberichts sowie zur angeblichen Erweiterung des
Klagefundaments sind unbehelflich. Auch auf ihre zweite Rüge kann folglich
nicht eingetreten werden.

3.

Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Dem Ausgang des
Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). Ausgehend vom
Streitwert werden die Gerichtskosten auf Fr. 15'000.-- festgelegt. Im
bundesgerichtlichen Verfahren reichte die Beschwerdegegnerin eine Stellungnahme
zum Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ein. Zur Vernehmlassung in
der Sache wurde sie hingegen nicht aufgefordert, insofern sind ihr also keine
Kosten entstanden. Entsprechend ist ihr eine reduzierte Parteientschädigung von
Fr. 500.-- zuzusprechen.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 15'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.

Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen.

4.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Juli 2019

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Curchod