Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.200/2019
Zurück zum Index I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2019
Retour à l'indice I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2019


Hauptinhalt
 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

4A_200/2019

Urteil vom 17. Juni 2019

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,

Bundesrichterinnen Klett, Niquille,

Gerichtsschreiber Brugger.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter,

Beschwerdeführer,

gegen

B.________,

vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald,

Beschwerdegegner.

Gegenstand

Forderung, WIR-Geld,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,
2. Kammer, vom 20. März 2019 (ZOR.2018.65).

Sachverhalt:

A.

Mit der Schuldanerkennung vom 29. August 2011 vereinbarten A.________ (Kläger,
Beschwerdeführer) und B.________ (Beklagter, Beschwerdegegner), dass der
Beklagte dem Kläger "32'000 WIR" schuldet.

B.

Am 15. Februar 2017 reichte der Kläger am Bezirksgericht Muri Klage ein. Er
beantragte:

"Der Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger CHF 32'000.-- nebst 5 % Zins ab
13. Juli 2016 zu bezahlen.

Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Beklagte die Forderung des Klägers
(nicht aber die Verzugszinsen und die weiteren Kosten) in CHF oder mit einem
(gedeckten) WIR-Check bezahlen/begleichen kann."

Sodann sei in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Muri für den Betrag
von Fr. 32'000.-- die definitive Rechtsöffnung zu erteilen.

Mit Urteil vom 19. Juni 2018 wies das Bezirksgericht Muri die Klage ab.

Dagegen erhob der Kläger Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau. Das
Obergericht wies mit Urteil vom 20. März 2019 die Berufung ab, soweit es darauf
eintrat.

C.

Gegen das Urteil des Obergerichts erhob der Beschwerdeführer Beschwerde in
Zivilsachen an das Bundesgericht. Er beantragte die Aufhebung des
obergerichtlichen Urteils. Der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, ihm Fr.
32'000.-- nebst 5% Zins ab 13. Juli 2016 zu bezahlen. Der Beschwerdegegner sei
berechtigt, die Forderung von Fr. 32'000.-- in Schweizer Franken oder mit einem
(gedeckten) WIR-Check zu bezahlen/zu begleichen. Dem Beschwerdeführer sei in
der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Muri für den Betrag von Fr.
32'000.-- die definitive Rechtsöffnung zu erteilen. Der Beschwerdegegner sei zu
verpflichten, ihm eine Entschädigung von Fr. 14'434.15 zu bezahlen und ihm die
Kosten des Schlichtungsverfahrens von Fr. 250.-- zu ersetzen. Die Gerichtskasse
Muri sei anzuweisen, ihm die für die Parteikosten hinterlegten Fr. 9'644.45
zurückzuerstatten. Die Entscheidgebühr vom Fr. 3'000.-- sei dem
Beschwerdegegner aufzuerlegen. Er werde verpflichtet, dem Beschwerdeführer die
von ihm vorgeschossenen Fr. 3'000.-- direkt zu ersetzen. Eventualiter sei das
Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Auf das Einholen von Vernehmlassungen zur Beschwerde wurde verzichtet.

Erwägungen:

1.

Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. Erwägung 2) ist daher auf die Beschwerde einzutreten.

2.

2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und
96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls
wird darauf nicht eingetreten (BGE 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift
ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht
verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die
Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt,
worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll
in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im
kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer
Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz
ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116).

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die
Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene
über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die
Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit
Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
"Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2
S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).

Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von
Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen). Die Partei,
welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar
und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein
sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt
ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie
entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei
den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90).
Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf
einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht
berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18).

2.3. Diese Grundsätze verkennt der Beschwerdeführer, wenn er vorbringt, dass
die Vorinstanz nicht berücksichtigt habe, dass der Beschwerdegegner gemäss
eigener Behauptung gar nicht Mitglied der WIR Bank Genossenschaft sei. Im
vorinstanzlichen Sachverhalt ist nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer
solches vor der Vorinstanz vorgebracht hätte und er zeigt vor Bundesgericht
nicht mit präzisen Aktenhinweisen auf, dass er diese Tatsache prozesskonform
ins vorinstanzliche Verfahren eingebracht hätte. Darauf ist nicht einzutreten.

Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass das Feststellungsbegehren des
Beschwerdeführers in Rechtsbegehren Ziff. 1 Absatz 2 lediglich die
Erfüllungsmodalitäten beschlage. Hätte der anwaltlich vertretene
Beschwerdeführer den Beschwerdegegner neben Schweizer Franken auch in WIR
einklagen wollen, hätte er ein Eventualbegehren formulieren müssen
(vorinstanzlicher Entscheid E. 2.3 S. 7). Damit setzt sich der Beschwerdeführer
nicht rechtsgenüglich auseinander (Erwägung 2.1), indem er lediglich erwähnt,
dass er um die gerichtliche Feststellung ersucht habe, wonach der
Beschwerdegegner die Forderung nicht nur in Landeswährung, sondern auch in WIR
begleichen könne. Auch darauf ist nicht einzutreten.

3.

Die Parteien vereinbarten in der abstrakten Schuldanerkennung vom 29. August
2011 unbestrittenermassen, dass der Beschwerdegegner dem Beschwerdeführer
"32'000 WIR" schuldet. Strittig ist einzig, ob der Beschwerdeführer den in der
Schuldanerkennung festgehaltenen Betrag von "32'000 WIR" in Schweizer Franken
einklagen kann.

3.1. Die Vorinstanz verneinte dies. WIR-Geld sei nicht Geld im Rechtssinne,
sondern stelle eine Forderung besonderer Art dar. Es sei mit der Erstinstanz
davon auszugehen, dass die Klage auf 32'000 WIR hätte lauten müssen und der
Beschwerdeführer nicht 32'000.-- Schweizer Franken habe einklagen können. Weil
es sich bei WIR-Forderungen nicht um eine Geldschuld handle, könne diese
"Forderung besonderer Art" lediglich realiter in WIR eingeklagt und nicht in
Schweizer Franken umgewandelt werden. Eine Umrechnung in Schweizer Franken
könne ausschliesslich im Rahmen der Vollstreckung erfolgen, nicht aber im
Erkenntnisverfahren.

3.2. Dagegen trägt der Beschwerdeführer vor, dass es sich beim WIR-Geld weder
um eine gesetzliche Währung noch um eine gesetzliche Fremdwährung handle. Eine
auf WIR lautende Schuld sei in Anwendung von Art. 84 Abs. 2 OR in der
gesetzlichen, in der Schweiz gültigen Landeswährung einzuklagen, da die
Vereinbarung vom 29. August 2011 keine Umschreibung "effektiv" oder einen
ähnlichen Zusatz aufführe.

4.

Grundsätzlich ist der Schuldner verpflichtet, Geldschulden in der geschuldeten
Währung zu bezahlen (Art. 84 Abs. 1 OR). Der Schuldner einer auf Fremdwährung
lautenden und in der Schweiz erfüllbaren Schuld ist gemäss Art. 84 Abs. 2 OR
jedoch alternativ ermächtigt, in Schweizer Franken zu erfüllen. Es sei denn,
die Parteien hätten die Möglichkeit einer solchen Ersatzleistung
rechtsgeschäftlich ausgeschlossen (sog. Effektiv-Klausel; BGE 134 III 151 E.
2.2 S. 154).

Bei Fremdwährungsschulden ist der Gläubiger damit zwar gehalten, eine Zahlung
in Schweizer Franken anzunehmen; die Berechtigung zur Erfüllung in
Landeswährung (Art. 84 Abs. 2 OR) gilt jedoch nur für den Schuldner, nicht für
den Gläubiger. Seine Forderung geht ausschliesslich auf Zahlung in
Fremdwährung, und er kann gemäss Art. 84 Abs. 1 OR nur die Leistung in der
vereinbarten Auslandwährung fordern. Entsprechend darf das Gericht im
Erkenntnisverfahren nur eine Zahlung in der geschuldeten Fremdwährung
zusprechen (BGE 134 III 151 E. 2.2 und E. 2.4; Urteile 4A_3/2016 vom 26. April
2017 E. 4.1; 4A_341/2016 vom 10. Februar 2017 E. 2.2; 4A_391/2015 vom 1.
Oktober 2015 E. 3).

Das Gericht darf eine in Fremdwährung geschuldete Geldleistung auch nicht in
dieser Währung zusprechen, wenn das klägerische Rechtsbegehren
(fälschlicherweise) auf Leistung in Schweizer Franken lautet. Dies würde dem
Dispositionsgrundsatz nach Art. 58 ZPO widersprechen. Hat die Partei Bezahlung
in Schweizer Franken verlangt, würde die Zusprechung einer Geldleistung in der
geschuldeten Fremdwährung etwas "anderes" im Sinne dieser Bestimmung bedeuten
und ist daher nicht statthaft (Urteile 4A_265/2017 vom 13. Februar 2018 E. 5;
4A_3/2016 vom 26. April 2017 E. 4.1; 4A_341/2016 vom 10. Februar 2017 E. 2.2;
4A_391/2015 vom 1. Oktober 2015 E. 3).

5.

Vorliegend vereinbarten die Parteien, dass der Beschwerdegegner dem
Beschwerdeführer "32'000 WIR" schuldet. Bei WIR handelt es sich nicht um eine
Schuld in einer ausländischen Währung, sondern die WIR
Wirtschaftsring-Genossenschaft, heute WIR Bank Genossenschaft, schuf als
private Organisation mit dem sog. WIR-Geld eine private Geldordnung (zum
WIR-Geld: BGE 95 II 176 E. 3; Urteil 2C_308/2016 vom 9. Dezember 2016 E. 3.2).
Wie bei Fremdwährungsschulden kann der Gläubiger bei einer Forderung in
"Privatgeld" nur Leistung im vereinbarten Geldzeichen fordern (Rolf H. Weber,
Berner Kommentar, 2. Aufl., 2005, N. 60 zu Art. 84 OR; Urteil des Obergerichts
des Kantons Thurgau vom 17. November 1988, in: SJZ 86 [1990], S. 33). Schuldet
der Schuldner WIR, kann der Gläubiger daher vor Gericht nur die Bezahlung in
WIR-Geld einklagen und das Gericht darf im Erkenntnisverfahren nur eine Zahlung
in der geschuldeten privaten Geldordnung zusprechen.

Klagt der Gläubiger auf Zahlung in Schweizer Franken statt in WIR, ist die
Klage abzuweisen. Der Schuldner muss sich nicht gefallen lassen, zu einer
anderen als der geschuldeten Leistung verurteilt zu werden (vgl. Weber, a.a.O.,
N. 344 zu Art. 84 OR; Marius Schraner, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2000, N. 216
zu Art. 84 OR). Das Gericht darf eine in WIR geschuldete Leistung auch nicht in
WIR-Geld zusprechen, wenn das klägerische Rechtsbegehren (fälschlicherweise)
auf Leistung in Schweizer Franken lautet. Die Zusprechung in WIR-Geld wäre
etwas "anderes" als die Leistung in Schweizer Franken und verletzte damit den
Dispositionsgrundsatz nach Art. 58 ZPO.

6.

Nach dem Gesagten hätte die Klage des Beschwerdeführers auf 32'000 WIR und
nicht auf 32'000 Schweizer Franken lauten müssen. Die Vorinstanz hat die Klage
daher zu Recht abgewiesen.

Ob der Beschwerdegegner seine Schuld gegenüber dem Beschwerdeführer anstelle
der privaten Geldordnung auch in Schweizer Franken erfüllen könnte, braucht
nicht beurteilt zu werden.

7.

 Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie überhaupt
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist
aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein entschädigungspflichtiger Aufwand
erwachsen, weshalb ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen ist (Art. 68 Abs.
1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juni 2019

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Brugger