Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2D.29/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2D_29/2019

Urteil vom 18. November 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd, Stadelmann,

Gerichtsschreiber Errass.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Nicola Noth,

gegen

Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern,

Eigerstrasse 73, 3011 Bern,

Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern,

Kramgasse 20, 3011 Bern.

Gegenstand

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu

Ausbildungszwecken und Wegweisung, unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen die Abschreibungsverfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons
Bern,

Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichterin,

vom 23. Mai 2019 (100.2018.466A).

Sachverhalt:

A.

A.________ (1990; Nigerianer) wurde am 5. Februar 2018 vom Studium an der
Berner Fachhochschule (BFH), Hochschule für Agrar-, Forst- und
Lebensmittelwissenschaften (HAFL), ausgeschlossen, nachdem er den angestrebten
Master in "Science in Life Sciences" auch unter Ausschöpfung der
Wiederholungsmöglichkeit nicht erlangt hatte. In der Folge (27. März 2018)
verweigerte das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern (MIP),
Migrationsdienst (MIDI), die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu
Ausbildungszwecken. Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (POM)
bestätigte am 16. November 2018 diesen Entscheid. Sie gewährte dem
Beschwerdeführer dabei die unentgeltliche Rechtspflege.

B.

Dagegen erhob A.________, nunmehr anwaltlich vertreten, am 24. Dezember 2018
beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Am 15.
März 2019 wurde das Verfahren auf Antrag von A.________ sistiert, weil nach
dessen Angabe in Kürze mit einem Bewilligungsentscheid des Migrationsamts des
Kantons Zürich gerechnet werden könne, womit das vorliegende
Verwaltungsjustizverfahren als gegenstandslos abgeschrieben werden könnte.

Am 14. Dezember 2018 stellte A.________ im Kanton Zürich ein Gesuch um
Bewilligung des Aufenthalts zwecks eines Masterstudiums in Life Sciences an der
Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), dem der Kanton Zürich
am 20. März 2019 stattgab bzw. den Kantonswechsel bewilligte.

Am 27. März 2019 beantragte A.________ deshalb, das Beschwerdeverfahren als
gegenstandslos geworden abzuschreiben, keine Verfahrenskosten zu erheben, ihm
für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Parteikostenersatz zuzusprechen,
eventuell den Rechtsvertreter als amtlichen Anwalt zu entschädigen, da das
Beschwerdeverfahren ohne sein Zutun gegenstandslos geworden sei. Das
Verwaltungsgericht schrieb am 23. Mai 2019 das Beschwerdeverfahren unter
Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege als gegenstandslos
geworden vom Geschäftsverzeichnis des Verwaltungsgerichts ab, auferlegte
A.________ eine reduzierte Pauschalgebühr und sprach keine Parteikosten.

C.

Vor Bundesgericht beantragt A.________ mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde,
die Abschreibungsverfügung vom 23. Mai 2019 insoweit aufzuheben, als ihm die
unentgeltliche Rechtspflege verweigert wurde, und die Vorinstanz anzuweisen,
ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Das Bundesgericht hat die Akten eingeholt.

Erwägungen:

1.

Der Beschwerdeführer hat zu Recht subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben: Der
vorinstanzliche, kantonal letztinstanzliche Endentscheid betrifft einen
Entscheid auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die
weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 113
i.V.m. Art. 82, 83 lit. c Ziff. 2, Art. 114 i.V.m. 86, Art. 117 i.V.m. Art. 90
BGG). Mit seiner Teilnahme am Vorverfahren und der Berufung auf seinen Anspruch
auf unentgeltliche Prozessführung (Art. 29 Abs. 3 BV) einerseits und auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) andererseits ist er auch zur Beschwerde
legitimiert (Art. 115 BGG). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der
Beschwerdeführer in der Sache selber nicht legitimiert ist.

Er kann zudem Rügen hinsichtlich verfahrensrechtlicher Punkte vorbringen, deren
Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht
von der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen könnte ("Star"-Praxis; vgl.
Urteil 2C_837/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 1.3 mit Hinweisen). Unzulässig sind
jedoch Vorbringen, die im Ergebnis auf die Überprüfung des Sachentscheids
abzielen, wie die Behauptung, dass die Begründung des angefochtenen Entscheids
unvollständig oder zu wenig differenziert ausgefallen sei oder sich nicht mit
sämtlichen Argumenten auseinandersetze oder, dass die Parteivorbringen
willkürlich gewürdigt worden seien; ebenso wenig ist der Vorwurf zu hören, der
Sachverhalt sei unvollständig oder sonstwie willkürlich festgestellt worden
(vgl. BGE 137 II 305 E. 2 S. 308 mit Hinweisen; Urteil 2C_202/2018 vom 19. Juli
2019 E. 1.3).

2.

2.1. Angesichts der Bewilligung des Kantonswechsels durch den Kanton Zürich am
20. März 2019 wurde das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern als gegenstandslos geworden abgeschrieben (vgl. Art. 39 des
Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG; SR BE
155.21)]. Strittig war dabei, wer die Kosten des Abschreibungsverfahrens zu
tragen und ob dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege zugestanden
habe. Die Vorinstanz ist zum Schluss gekommen, dass die Prozessaussichten des
Beschwerdeführers ungünstig gewesen wären, weshalb das Begehren um
unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass ihm die unentgeltliche
Rechtspflege zu Unrecht verweigert worden sei. Er macht eine Verletzung der
Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV (BGE 141 I 70 E. 5.2 S. 74) geltend.

2.2. Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr
Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte
notwendig ist, umfasst dies auch den Anspruch auf unentgeltlichen
Rechtsbeistand. Art. 29 Abs. 3 BV bezweckt, jedem Betroffenen ohne Rücksicht
auf seine finanzielle Situation tatsächlich Zugang zum Gerichtsverfahren zu
vermitteln und die effektive Wahrung seiner Rechte zu ermöglichen. Nach
bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind als aussichtslos Begehren anzusehen,
bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die
Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.
Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten
und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind
als diese. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt
sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten,
wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind
(BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.; 139 III 475 E. 2.2 S. 476 f.).

2.3. Massstab für die Beurteilung der Prozessaussichten bildet die materielle
Norm, im vorliegenden Fall Art. 27 Abs. 1 AIG (bis 31. Dezember 2018 AuG [AS
2007 5437]; SR 142.20). Auch wenn damit an den Sachentscheid angeknüpft wird,
handelt es sich nicht um eine Überprüfung des Sachentscheids an sich (vgl.
Urteile 2A.446/2002 vom 17. April 2003 E. 2.4; 2C_138/2019 vom 17. Mai 2019 E.
3). Die Rüge einer Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV ist unbegründet:

Mit seinem Entscheid hat das Verwaltungsgericht lediglich über die
Erfolgsaussichten einer Beschwerde gegen einen bereits getroffenen
Ermessensentscheid zu befinden, den es sowieso nur auf Rechtsfehler bei der
Ausübung des Ermessens überprüfen kann (Art. 80 Abs. 1 VRPG). Seine Beurteilung
ist nicht zu beanstanden: Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat,
liegt keine rechtswidrige Ermessensausübung vor, wenn aus einer Bestätigung der
Schulleitung nicht automatisch eine Zulassung zu einem Aufenthalt ohne
Erwerbstätigkeit folgt, ansonsten jedem Bewilligungs- bzw. Verlängerungsgesuch
stattzugeben wäre, das sich auf die Zulassung einer Aus- oder
Weiterbildungsstätte stützt. Dessen ungeachtet ist es zudem verfassungskonform,
wenn die Vorinstanzen trotz positiver Prognose durch die ZHAW bei ihrer
Beurteilung das zweimalige Scheitern an der Fachhochschule Bern
berücksichtigen, denn auch vor der Immatrikulation bei der Fachhochschule lagen
positive Prognosen und sogar Studienabschlüsse von Universitäten im Heimatland
vor (Art. 118 Abs. 2 BGG). Wie die Vorinstanz sodann zutreffend ausgeführt hat,
ist die Höchstdauer von acht Jahren (Art. 23 Abs. 3 VZAE [SR142.201]) im
vorliegenden Fall nicht entscheidend, denn der Zweck der erteilten Zulassung zu
einem Aufenthalt für eine Aus- und Weiterbildung für das Masterstudium in
"Science in Life Sciences" war auf drei Semester ausgerichtet. Der
Beschwerdeführer hätte daher - wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat -
nicht ernsthaft mit einer Gutheissung seiner Beschwerde rechnen können.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer rügt sodann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs,
da ihm im Verfahren vor der Direktion die Vernehmlassung des MIDI vom 5. Juni
2018, die verfahrensleitende Verfügung der Polizei- und Militärdirektion vom
15. August 2018 und die Schlussbemerkungen des MIDI vom 22. August 2018 nicht
zugegangen waren, da er seit Frühsommer 2018 nicht mehr auf dem Campus der HAFL
lebte, und auch nicht mehr mit einer Zustellung an ihn rechnen musste, da er
einen Rechtsanwalt mit seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege vom 20. Mai
2018 ausdrücklich als anwaltlichen Vertreter im Beschwerdeverfahren bezeichnet
habe.

Auch diese Rüge ist nicht stichhaltig: Der Beschwerdeführer hat das Verfahren
mit dem jährlichen Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
eingeleitet und gegen die Verfügung vom 27. März 2018 Beschwerde erhoben. Der
Beschwerdeführer hat dabei ein Zustelldomizil angegeben. Wird die Post korrekt
an dieses versandt und in den Briefkasten oder in das Postfach gelegt, befindet
sie sich im Verfügungsbereich des Beschwerdeführers, und die Post ist
zugestellt (BGE 142 III 599 E. 2.4.1 S. 603; Urteil 2C_587/2018 vom 8. März
2019 E. 3 mit Hinweisen). Ändert der Beschwerdeführer während eines laufenden
Verfahrens sein Zustelldomizil, so ist er nach Treu und Glauben verpflichtet,
der Behörde das neue Zustelldomizil mitzuteilen, um die Entgegennahme
behördlicher Sendungen sicherzustellen (Urteile 1C_532/2018 vom 25. März 2019
E. 3.3 i.f.; 2C_286/2008 vom 6. Mai 2008). Diese Pflicht des Beschwerdeführers
geht der Pflicht der Behörde, die Zustellung behördlicher Sendungen zu
beweisen, vor. Dass die Schlussbemerkungen des MIDI nicht zugestellt wurden,
ist unbestritten. Wie die Vorinstanz aber zu Recht ausgeführt hat, hat der
Beschwerdeführer nachträglich darin Einsicht nehmen und sich dazu äussern
können. Abgesehen davon, ändern sich die Prozesschancen damit nicht. Fehl geht
- wie die Vorinstanz einlässlich begründet hat - auch die Auffassung des
Beschwerdeführers, dass er mit seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, in
dem er i.S.v. Art. 119 Abs. 2 ZPO (SR 272) einen Rechtsbeistand gewünscht hat,
dadurch bereits ein Vertretungsverhältnis begründet habe und die Behörde in der
Folge verpflichtet gewesen wäre, die Korrespondenz mit dem gewünschten
Rechtsvertreter zu führen.

4.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen. Entsprechend
diesem Verfahrensausgang ist der Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind
keine geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'500.-- werden dem
Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichterin, und dem
Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. November 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Errass