Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2D.21/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2D_21/2019

Urteil vom 3. Juni 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann,

Gerichtsschreiber Businger.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alexander Kernen,

gegen

Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern,

Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern.

Gegenstand

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 16. April 2019 (100.2018.194U).

Erwägungen:

1.

1.1. A.________ (geboren 1995) ist Staatsangehöriger der Republik Kongo
(Brazzaville). Er reiste am 20. Dezember 2010 im Rahmen des Familiennachzugs zu
seiner mit einem deutschen Staatsangehörigen verheirateten Mutter in die
Schweiz und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA. Am 4. Mai 2016 wurde
er wegen versuchten Raubes, versuchter schwerer Körperverletzung etc. zu einer
Freiheitsstrafe von 42 Monaten verurteilt, wobei diese zu Gunsten einer
ambulanten therapeutischen Massnahme aufgeschoben wurde.

1.2. Am 13. Januar 2017 verfügte das Amt für Migration und Personenstand des
Kantons Bern, dass die Gültigkeit der Aufenthaltsbewilligung von A.________ mit
Beendigung bzw. vorzeitigem Abbruch der Massnahme ende und er aus der Schweiz
weggewiesen werde. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen die Polizei- und
Militärdirektion des Kantons Bern am 30. Mai 2018 und das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern am 16. April 2019 ab.

1.3. Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 24. Mai 2019 beantragt
A.________ dem Bundesgericht, die Sache sei zum Neuentscheid zurückzuweisen,
eventualiter sei seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Zudem ersuchte er
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Das Bundesgericht hat weder
die vorinstanzlichen Akten beigezogen noch andere Instruktionsmassnahmen
verfügt.

2.

2.1. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, soweit sie
überhaupt zulässig ist, und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2
lit. a und Abs. 3 BGG zu erledigen.

2.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig
gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen,
auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt
(Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG).

2.2.1. Die Vorinstanz hat erwogen, dass der Beschwerdeführer weder einen
Aufenthaltsanspruch aus Art. 42 ff. AIG (SR 142.20) noch aus dem Abkommen
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom
21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) ableiten könne. Er könne sich angesichts
seines Alters auch nicht auf den Anspruch auf Achtung des Familienlebens
berufen, weil kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Mutter bestehe.
Schliesslich sei auch der Anspruch auf Achtung des Privatlebens nicht
betroffen, nachdem sich der Beschwerdeführer - mit einem mehrmonatigen
Unterbruch - erst seit acht Jahren hier aufhalte, wiederholt straffällig
geworden sei und keine besonders intensive Beziehungen beruflicher oder
gesellschaftlicher Natur aufweise (vgl. E. 6.2 des angefochtenen Entscheids).

2.2.2. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Beziehung zu seiner Mutter, die
nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV geschützt sei. Hierzu bedarf es
indessen eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses, wie die Vorinstanz
zutreffend festgehalten hat (BGE 144 II 1 E. 6.1 S. 12 f.; 137 I 154, E. 3.4.2
S. 159). Ein solches vermag der Beschwerdeführer mit dem blossen Hinweis auf
seine psychische Erkrankung nicht darzulegen. Ebenso wenig werden die
Ausführungen der Vorinstanz zum Anspruch auf Achtung des Privatlebens infrage
gestellt; dass der Beschwerdeführer einen Drittel seines Lebens (fast 8,5
Jahre) hier verbracht, eine Ausbildung absolviert hat und nach eigenen Angaben
eine hohe Integrationsbereitschaft aufweist, genügt nicht (vgl. BGE 144 II 1 E.
6.1 S. 13).

2.2.3. Mangels Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung steht die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht zur Verfügung. Der
Beschwerdeführer hat denn auch zu Recht subsidiäre Verfassungsbeschwerde
erhoben.

2.3. Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen
Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Für diese Rüge besteht eine qualifizierte
Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde ist klar und
detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, dass
und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen
(BGE 142 II 369 E. 2.1 S. 372). Auf bloss allgemein gehaltene, appellatorische
Kritik am vorinstanzlichen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 141
IV 369 E. 6.3 S. 375).

3.

3.1. Vorab ist auf die formelle Rüge einzugehen, die Vorinstanz habe eine
Gehörsverletzung begangen. Zu dieser Rüge ist der Beschwerdeführer trotz
fehlendem Bewilligungsanspruch bzw. fehlender Legitimation in der Sache
berechtigt; nicht zu hören sind dabei aber Vorbringen, die im Ergebnis auf die
Überprüfung des Sachentscheids abzielen, wie die Behauptung, dass die
Begründung des angefochtenen Entscheids unvollständig oder zu wenig
differenziert ausgefallen sei oder sich nicht mit sämtlichen Argumenten
auseinandersetze, oder dass die Parteivorbringen willkürlich gewürdigt worden
seien; ebenso wenig ist der Vorwurf zu hören, der Sachverhalt sei unvollständig
oder sonst wie willkürlich festgestellt oder Beweisanträge seien wegen
willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt worden (sog. STAR-Praxis,
vgl. BGE 137 II 305 E. 2 S. 308; Urteile 2C_397/2018 vom 1. Mai 2019 E. 1.2;
2C_1013/2016 vom 21. September 2017 E. 2.1).

3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im vorinstanzlichen Verfahren
mehrfach beantragt, es sei das Befragungsprotokoll des Sachverständigen aus dem
Strafverfahren beizuziehen, was die Vorinstanzen unterlassen hätten. Das
Strafurteil stelle bloss eine Sekundärquelle dar; der Aussagegehalt sei
deutlich geringer als die protokollierten Aussagen des Sachverständigen. Ohne
Kenntnis des Protokolls sei es von vornherein nicht möglich, das Verschulden
des Beschwerdeführers zu beurteilen. Diese Vorbringen lassen sich nicht von
einer materiellen Überprüfung des Sachentscheids lösen und sind nach dem
Gesagten unzulässig.

4.

Weiter rügt der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Interessenabwägung und
bringt vor, die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei
unverhältnismässig. Zu dieser Rüge ist er mangels Bewilligungsanspruch nicht
berechtigt. Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist ein allgemeiner
Rechtsgrundsatz und kein verfassungsmässiges Recht i.S.v. Art. 116 BGG (BGE 134
I 153 E. 4.1 S. 156); es kann im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht
selbständig, sondern nur im Zusammenhang mit der Anrufung eines Grundrechts
geltend gemacht werden (Urteile 2C_1065/2017 vom 15. Juni 2018 E. 4.4; 1D_8/
2011 vom 28. Dezember 2011 E. 1.1). Auf die entsprechenden Ausführungen ist
deshalb nicht einzutreten.

5.

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.

Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Juni 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Businger