Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2D.19/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2D_19/2019

Urteil vom 20. März 2020

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichterin Aubry Girardin,

Bundesrichter Donzallaz,

Bundesrichter Stadelmann,

Gerichtsschreiber Hahn.

Verfahrensbeteiligte

A.A.________, vertreten durch Freiplatzaktion Basel, Beratungsstelle Asyl und
Migration, MLaw Cora Dubach,

Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden,

Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden.

Gegenstand

Familiennachzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 1.
Kammer, vom 19. Februar 2019 (U 18 64).

Sachverhalt:

A.

A.A.________ (geb. 1961), sri lankischer Staatsangehöriger, heiratete im Jahre
1992 in seiner Heimat B.A.________ (geb. 1973). Im Jahre 2002 wurde die Tochter
C.A.________ geboren.

A.a. A.A.________ reiste im Mai 2002 erstmals in die Schweiz ein und stellte
ein Asylgesuch, welches am 15. Juli 2002 abgewiesen wurde. Am 26. März 2007
reichte er erneut ein Asylgesuch ein. Dieses wurde (nach einem Umgang beim
Bundesverwaltungsgericht) mit Entscheid vom 6. August 2013 abgewiesen, doch
wurde der Vollzug der Wegweisung zugunsten einer vorläufigen Aufnahme
ausgesetzt. Am 9. März 2016 wurde A.A.________ eine Aufenthaltsbewilligung
(Härtefallbewilligung) erteilt.

B.

Am 30. April/15. Mai 2017 ersuchte A.A.________ um Familiennachzug für Ehefrau
und Tochter. Das Gesuch wurde vom Amt für Migration und Zivilrecht Graubünden
am 10. Januar 2018 abgewiesen. Beschwerden an das Departement für Justiz,
Sicherheit und Gesundheit des Kantons Graubünden sowie an das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden blieben erfolglos; letzteres erwog
mit Urteil vom 19. Februar 2019, das Nachzugsgesuch für die Tochter sei
verspätet erfolgt, ohne das wichtige familiäre Gründe im Sinne von Art. 73.
Abs. 3 VZAE vorlägen. Das Gesuch für die Ehefrau sei zwar rechtzeitig gestellt,
doch verfüge der Gesuchsteller nicht über die notwendigen finanziellen Mittel
für sich und seine Ehefrau.

C.

A.A.________ erhebt subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht mit
dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei
festzustellen, dass die angewendete Berechnungspraxis das
Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) verletzte, dass das Recht auf Schutz
der Privatsphäre bzw. die Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 13 Abs.
1 BV bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) durch die Ablehnung des Familiennachzugs verletzt
werde, und dass das Ermessen bezüglich potenzieller beruflicher Eingliederung
der Ehefrau und der Berechnung des Existenzminimums unterschritten werde; das
Amt sei anzuweisen, der Tochter, welche Ende März 2019 in die Schweiz
eingereist sei, ein prozessuales Aufenthaltsrecht gemäss Art. 17 AIG zu
erteilen.

Das Amt für Migration und Zivilrecht, das Departement für Justiz, Sicherheit
und Gesundheit und das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden beantragen die
Abweisung der Beschwerde.

Mit Verfügung des Präsidenten der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des
Bundesgerichts vom 30. April 2019 wurde das Gesuch um Erlass vorsorglicher
Massnahmen abgewiesen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) einer
letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) in einer Angelegenheit
des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG). Im Bereich des Ausländerrechts
ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig
betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht
einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Nach der Rechtsprechung
genügt es für die Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, dass ein Bewilligungsanspruch in vertretbarer Weise geltend
gemacht wird; ob der geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht, ist
Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 331). Der
Beschwerdeführer erhebt ausdrücklich Verfassungsbeschwerde, macht aber zugleich
geltend, der Ausnahmekatalog von Art. 83 lit. d Ziff. 2 BGG (recte wohl: Art.
83 lit. c Ziff. 2 BGG) sei nicht einschlägig; zudem beruft er sich darauf, die
Verweigerung der Familienzusammenführung verletze Art. 8 und 14 EMRK sowie Art.
8 Abs. 2 und Art. 13 BV. Er macht damit sinngemäss einen aus diesen
Bestimmungen abgeleiteten Anspruch auf Familiennachzug geltend. Demzufolge ist
zunächst zu prüfen, ob die als subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhobene
Beschwerde als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten anhand zu
nehmen ist.

1.2. Unter dem Aspekt des Familienlebens ist Art. 8 EMRK berührt und die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, wenn eine
staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und
tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt
anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne
Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen.
Als gefestigte Aufenthaltsberechtigung in diesem Sinne gilt das Schweizer
Bürgerrecht, die Niederlassungsbewilligung oder eine Aufenthaltsbewilligung,
die ihrerseits auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht (BGE 144 I 266 E.
3.3 S. 272; 144 II 1 E. 6.1 S. 12; 142 II 35 E. 6.1 S. 46; 140 I 145 E. 3.1 S.
147; 139 I 330 E. 2.1 S. 335 f.; 138 I 246 E. 3.2.1 S. 250; 137 I 247 E. 4.1.2
S. 249; 126 II 377 E. 2b/cc S.383; 116 Ib 353 E. 3c S. 357). In BGE 144 I 266
hat das Bundesgericht erkannt, dass einer Person, die seit längerer Zeit
rechtmässig im Lande lebt, nicht ohne triftigen Grund die Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung verweigert werden kann. Unter diesen Umständen genügt
das grundsätzlich legitime Interesse an einer Steuerung der Zuwanderung bzw. an
der Erhaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen schweizerischer und
ausländischer Wohnbevölkerung für sich allein nicht, um eine Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung zu verweigern (BGE 144 I 266 E. 3.9 S. 279). Der
Beschwerdeführer geht davon aus, dass aufgrund dieser Rechtsprechung Personen,
die sich seit zehn Jahren in der Schweiz aufhalten, gestützt auf Art. 8 EMRK
(Schutz des Privatlebens) einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Bewilligung und
gestützt auf Art. 8 EMRK (Schutz des Familienlebens) auch einen Anspruch auf
Familiennachzug haben.

1.3. BGE 144 I 266 betraf einen Fall, in dem der Betroffene rund zehn Jahr lang
mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz gelebt hatte. Hier hat der
Beschwerdeführer erst seit dem Jahr 2016 eine Aufenthaltsbewilligung. Vorher
beruhte sein Aufenthalt auf dem prozessualen Aufenthaltsrecht (Art. 42 AsylG
[SR 142.31]) während des Asylverfahrens (2002 bis 2013) und von 2013 bis 2016
auf einer vorläufigen Aufnahme. Die Situation von Asylbewerbern unterscheidet
sich gegenüber derjenigen von anderen Ausländern mit einem Aufenthaltstitel
dadurch, dass Erstere jederzeit mit der Ablehnung ihres Gesuchs und der
Verpflichtung zur Ausreise rechnen müssen. Ihnen wird nicht eine Bewilligung
ausgehändigt, die ihnen die Anwesenheit im Land auf eine bestimmte Zeit
ermöglicht. Sie dürfen sich lediglich aufgrund ihrer Stellung als Asylbewerber
zunächst bis zum Abschluss des Asylverfahrens in der Schweiz aufhalten. Wird
das Asylgesuch abgewiesen, kann der Aufenthalt während des Verfahrens nicht als
ordnungsgemäss im Sinne des früheren Art. 63 Abs. 2 AuG (in der bis 31.
Dezember 2018 geltenden Fassung) betrachtet werden (BGE 137 II 10 E. 4.6 S.
15). Ebenso wenig kann er als rechtmässiger Aufenthalt im Sinne der
bundesgerichtlichen Praxis zu Personen mit rechtmässigem Aufenthalt von zehn
Jahren gelten (BGE 144 I 266. E. 3.9 S. 277 f.). Der Aufenthalt des
Beschwerdeführers während des Asylverfahrens (bis in das Jahr 2013) kann daher
für die Berechnung der Zehnjahresfrist nicht berücksichtigt werden, womit der
rechtmässige Aufenthalt deutlich weniger als zehn Jahre dauerte. Der
Beschwerdeführer kann sich daher von vornherein nicht auf BGE 144 I 266 und
einen daraus abgeleiteten Anspruch auf Familiennachzug berufen. Andere
Rechtstitel, aus denen sich ein solcher Anspruch ergeben könnte, werden nicht
geltend gemacht und sind nicht ersichtlich. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher unzulässig.

1.4. Grundsätzlich zulässig wäre die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113
ff. BGG), mit der allerdings mangels Berechtigung in der Sache (Art. 115 lit. b
BGG) die Rüge einer willkürlichen Rechtsanwendung oder Sachverhaltsfeststellung
nicht vorgebracht werden kann (BGE 133 I 185 E. 6.1 S. 198). Zulässig bleibt
trotz fehlender Legitimation in der Sache die Rüge der Verletzung von
Parteirechten, deren Missachtung einer formellen Rechtsverweigerung
gleichkommt, solange diese Vorbringen nicht auf eine materielle Überprüfung des
angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 137 II 305 E. 2 S.
308). Soweit der Beschwerdeführer verfassungsbezogen rügt, die Vorinstanz habe
zu Unrecht das Vorliegen genügender finanzieller Mittel verneint, zielt dies
auf eine materielle Überprüfung des Entscheids ab und ist daher im Rahmen der
subsidiären Verfassungsbeschwerde unzulässig. Rechtsverweigerungsrügen im Sinne
der "Star-Praxis" werden keine erhoben. Die Eingabe kann daher auch nicht als
subsidiäre Verfassungsbeschwerde an die Hand genommen werden.

2.

Auf die Beschwerde kann nach dem Dargelegten nicht eingetreten werden. Der
Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66
Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.

Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden dem
Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden, 1. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. März 2020

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Hahn