Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.915/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_915/2019

Urteil vom 13. März 2020

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichter Beusch,

Gerichtsschreiberin de Sépibus.

Verfahrensbeteiligte

A.A.________,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwältin Katja Ammann,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,

Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen,

Gegenstand

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen,
Abteilung II, vom 26. September 2019 (B 2019/79).

Sachverhalt:

A. 

A.A.________ (geb. 1989) stammt aus dem Kosovo. Sie heiratete am 6. Januar 2010
in der Heimat den im Kanton St. Gallen niederlassungsberechtigten kosovarischen
Staatsbürger B.A.________ (geb. 1989). Am 8. August 2010 reiste sie im
Familiennachzug in die Schweiz ein, wo ihr die Aufenthaltsbewilligung zum
Verbleib bei ihrem Gatten erteilt wurde.

B. 

Am 22. Februar 2012 informierte das Einwohneramt U.________ das Migrationsamt
des Kantons St. Gallen, dass die Ehegatten laut Angaben des Ehemanns getrennt
leben würden und das Scheidungsverfahren bereits eingeleitet worden sei.

Am 14. März 2012 reichte A.A.________ bei der Kantonspolizei Zürich
Strafanzeige gegen ihren Ehemann sowie dessen Vater wegen einfacher
Körperverletzung, Tätlichkeiten und Drohung ein. B.A.________ und sein Vater
ihrerseits stellten am 20. Juli 2012 ebenfalls Strafantrag gegen A.A.________
wegen mehrfacher Drohung, falscher Anschuldigung, mehrfachem unbefugten
Aufnehmen von Gesprächen sowie Ehrverletzung. Alle Strafverfahren wurden in der
Folge eingestellt.

Am 2. Juli 2014 wurde die Ehe von Edona und B.A.________ rechtskräftig
geschieden. Das Migrationsamt des Kantons St. Gallen verfügte am 15. Februar
2016 die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung von A.A.________ mit der
Begründung, dass die Ehegemeinschaft lediglich eineinhalb Jahre gedauert habe
und A.A.________ nicht als Opfer häuslicher oder ehelicher Gewalt gelten könne.
Die Rückkehr in ihr Heimatland und die Wiedereingliederung in die dortigen
Verhältnisse seien ihr zumutbar. Das Sicherheits- und Justizdepartement
bestätigte diesen Entscheid am 14. Februar 2018.

Nachdem das Bundesgericht eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten wegen überspitzten Formalismus gegen den
Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 24.
April 2018 gutgeheissen hatte (Urteil 2C_469/2018 vom 6. Februar 2019),
bestätigte das Verwaltungsgericht den Entscheid des Sicherheits- und
Justizdepartements mit Urteil vom 26. September 2019.

C. 

A.A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vor Bundesgericht, den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen aufzuheben und das kantonale
Sicherheits- und Justizdepartement anzuweisen, ihre Aufenthaltsbewilligung zu
verlängern. Sie macht geltend, Opfer häuslicher Gewalt geworden zu sein. Im
Übrigen sei ihre Eingliederung im Kosovo ernstlich gefährdet.

Das Sicherheits- und Justizdepartement und das Verwaltungsgericht des Kantons
St. Gallen beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Migrationsamt des Kantons
St. Gallen hat sich nicht vernehmen lassen. Am 14. November 2019 berichtigt das
Verwaltungsgericht ein beanstandetes Fehlzitat. Am 15. Januar 2020 nimmt die
Beschwerdeführerin zu dieser Berichtigung Stellung.

Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat
der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerdeführerin beruft sich in vertretbarer Weise auf einen
Bewilligungsanspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG (SR 142.20), so dass ihre
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (Art. 82 lit.
a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG).
Ob der geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht, ist nicht im Rahmen des
Eintretens zu prüfen, sondern bei der materiellen Beurteilung (BGE 137 I 305 E.
2.5 S. 315 f.; Urteil 2C_837/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 1.1). Weil auch die
übrigen Sachurteilsvoraussetzungen (Art. 89 Abs. 1 BGG, Art. 100 Abs. 1 BGG,
Art. 42 BGG) gegeben sind, ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten einzutreten. Nicht einzutreten ist auf die gleichzeitig
erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG).

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 97 BGG kann die Feststellung des
Sachverhalts und damit auch die Beweiswürdigung gerügt werden, wenn die
Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich ist (Art. 9
BV) oder auf einer Rechtsverletzung beruht und die Behebung des Mangels für den
Verfahrensausgang entscheidend sein kann (BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62). Die
Beweiswürdigung erweist sich als willkürlich, wenn sie offensichtlich unhaltbar
oder aktenwidrig ist oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft, das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich
verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges oder
entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf
Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen
hat (BGE 140 I 114 E. 3.3.4 S. 123; 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62 mit weiteren
Hinweisen). Diesfalls weist das Bundesgericht die Sache regelmässig zu neuer
oder weiterer Sachverhaltsfeststellung an die Vorinstanz zurück (Art. 107 Abs.
2 BGG). Geht der zu ergänzende Sachverhalt jedoch eindeutig und unter gewahrtem
Gehörsanspruch der Betroffenen aus den Akten hervor, käme eine Rückweisung an
die Vorinstanz zur weiteren Sachverhaltsfeststellung einem unnötigen Leerlauf
gleich, weshalb das Bundesgericht die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen
auch selbst vornehmen kann (Art. 105 Abs. 2 BGG; Art. 107 Abs. 2 BGG; BGE 131
II 470 E. 2 S. 476).

2.

2.1. Gemäss Art. 43 Abs. 1 AIG haben ausländische Ehegatten von Personen mit
Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen. Nach Auflösung der
Ehe oder der Ehegemeinschaft besteht der Anspruch des Ehegatten auf Erteilung
und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung weiter, wenn die Ehegemeinschaft
mindestens drei Jahre gedauert hat und eine erfolgreiche Integration besteht
(Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG) oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren
Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG).
Wichtige Gründe im Sinn von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG können namentlich
vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde
und die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint
(Art. 50 Abs. 2 AIG). Die Aufzählung dieser Gründe, welche alternativ zur
Anwendung kommen, ist nicht abschliessend (BGE 136 II 1 E. 5.1-5.3).

2.2. Angesichts der kurzen Dauer der Ehegemeinschaft lässt die
Beschwerdeführerin zu Recht unbeanstandet, dass die Vorinstanz einen Anspruch
auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG
verneint hat. Sie ist jedoch der Auffassung, dass ein nachehelicher Härtefall
(Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG) vorliege, weil sie in ihrer Ehe häuslicher Gewalt
ausgesetzt worden sei bzw. weil ihre soziale Wiedereingliederung im Kosovo
gefährdet wäre.

3.

3.1. Die Gewährung eines Aufenthaltsrechts für Opfer ehelicher Gewalt nach Art.
50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG soll verhindern, dass eine von ehelicher Gewalt
betroffene Person nur deshalb in einer für sie objektiv unzumutbaren ehelichen
Gemeinschaft verbleibt, weil die Trennung für sie nachteilige
ausländerrechtliche Folgen zeitigen würde (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.2 S. 233
f.). Kommt es in einer solchen Situation zur Trennung, wandelt sich der vormals
aus der ehelichen Beziehung abgeleitete Aufenthaltsanspruch in einen
selbständigen Aufenthaltsanspruch.

3.2. Ausgehend vom dargelegten Normzweck ist für die Annahme eines
nachehelichen Härtefalls bei häuslicher Gewalt vorauszusetzen, dass ein
hinreichend enger Zusammenhang zwischen der ehelichen Gewalt und der Trennung
besteht. Dieser wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Initiative für die
Trennung nicht vom behaupteten Opfer kommt, sondern vom anderen Ehegatten
(Urteil 2C_777/2018 vom 8. April 2019 E. 4.3).

3.3. Nach der Rechtsprechung ist im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. b in
Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AIG jede Form ehelicher bzw. häuslicher Gewalt,
sei sie körperlicher oder psychischer Natur, ernst zu nehmen (Urteil 2C_155/
2011 vom 7. Juli 2011 E. 4.3; vgl. etwa auch den Bericht des Bundesrates vom
13. Mai 2009 über Gewalt in Paarbeziehungen, BBl 2009 4087 ff., 4111 f.).
Häusliche Gewalt bedeutet systematische Misshandlung mit dem Ziel, Macht und
Kontrolle auszuüben und nicht eine einmalige Ohrfeige oder eine verbale
Beschimpfung im Verlauf eines eskalierenden Streits (vgl. BGE 136 II 1 E. 5 S.
3 ff. mit Hinweisen.

3.4. Nebst physischer Gewalt kann auch psychische bzw. sozio-ökonomische
Druckausübung wie dauerndes Beschimpfen, Erniedrigen, Drohen und Einsperren
einen für die Annahme eines nachehelichen Härtefalls relevanten Grad an
unzulässiger Oppression erreichen. Dies ist praxisgemäss der Fall, wenn die
psychische Integrität des Opfers bei einer Aufrechterhaltung der ehelichen
Gemeinschaft schwer beeinträchtigt würde (vgl. Urteil 2C_221/2011 vom 30. Juli
2011 E. 2). Nicht jede unglückliche, belastende und nicht den eigenen
Vorstellungen entsprechende Entwicklung einer Beziehung begründet indessen
bereits einen nachehelichen Härtefall und ein weiteres Anwesenheitsrecht in der
Schweiz. Die anhaltende, erniedrigende Behandlung muss derart schwer wiegen,
dass von der betroffenen Person bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände
vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass sie einzig aus
bewilligungsrechtlichen Gründen die Ehe aufrechterhält und in einer ihre
Menschenwürde und Persönlichkeit verneinenden Beziehung verharrt (BGE 138 II
229 E. 3.2.2 S. 233 f.)

3.5. Die ausländische Person trifft bei den Feststellungen des entsprechenden
Sachverhalts eine weitreichende Mitwirkungspflicht (vgl. hierzu BGE 126 II 335
E. 2b/cc S. 342; 124 II 361 E. 2b S. 365). Sie muss die eheliche Gewalt bzw.
häusliche Oppression in geeigneter Weise glaubhaft machen (Arztberichte oder
psychiatrische Gutachten, Polizeirapporte, Berichte/Einschätzungen von
Fachstellen [Frauenhäuser, Opferhilfe usw.], glaubwürdige Zeugenaussagen von
weiteren Angehörigen oder Nachbarn etc.). Allgemein gehaltene Behauptungen oder
Hinweise auf punktuelle Spannungen genügen nicht; wird häusliche Gewalt in Form
psychischer Oppression behauptet, muss vielmehr die Systematik der Misshandlung
bzw. deren zeitliches Andauern und die daraus entstehende subjektive Belastung
objektiv nachvollziehbar konkretisiert und beweismässig unterlegt werden. Der
Beweis ist geleistet, wenn sich das Gericht in Anwendung des zutreffenden
Beweismass von deren Vorhandensein überzeugt hat; bei Anwendbarkeit des
Beweismass der Glaubhaftmachung ist ausreichend, dass die Möglichkeit eines
Zutreffens der behaupteten Tatsachen höher eingeschätzt wird als deren
Gegenteil (vgl. Urteil 2C_58/2017 vom 23. Juni 2017 E. 2.2.1).

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 50 AIG, Art. 9 und
Art. 29 BV sowie Art. 8 und Art 13 EMRK. Als Beweis für die erlittene häusliche
Gewalt offerierte die Beschwerdeführerin in den vorinstanzlichen Verfahren
insbesondere die schriftlichen Stellungnahmen von Bekannten und ihren
Schwestern, die Berichte der Beratungs- und Informationsstelle für Frauen gegen
Gewalt in der Ehe und Partnerschaft (bif) vom 6. November 2012, 31. Juli 2014
und 7. März 2016, welche die Beschwerdeführerin vom 14. März bis Oktober 2012
beriet, Arztberichte der Psychiaterin vom 14. Juni 2012, 31. Juli 2014 und 11.
März 2016, zu welcher die Beschwerdeführerin vom 23. März 2012 bis am 23.
August 2013 in Therapie ging, sowie das polizeiliche Protokoll im Rahmen ihrer
Strafanzeige vom 14. März 2012.

4.2. Wenn die Vorinstanz zwar nicht in Abrede stellte, dass in der Familie
ihres ehemaligen Ehemannes die im Kosovo gewohnten patriarchalischen Strukturen
geherrscht haben mögen, kam sie zum Schluss, dass aus den eingereichten
Unterlagen nicht glaubhaft hervorgehe, dass die Beschwerdeführerin seitens
ihres ehemaligen Ehemannes häusliche Gewalt erlitten habe.

4.3. Die Beschwerdeführerin habe zwar die schwierige Situation in der Ehe und
mit dem Schwiegervater aufzeigen können, es fehle jedoch an der
rechtsprechungsgemäss geforderten Systematik von Misshandlungen bzw. deren
zeitliches Andauern. Die gegenüber der Polizei erwähnten zwei Ohrfeigen und die
im Streit geäusserten Beschimpfungen und Drohungen seitens ihres Ex-Ehemanns
reichten nicht aus, die verlangte Intensität und insbesondere das zeitliche
Andauern der häuslichen Gewalt zu belegen. Dasselbe gelte für den Umstand, dass
die Beschwerdeführerin nach einem Streit aus der Wohnung verwiesen wurde, ohne
körperliche oder psychische Schäden erlitten zu haben. Die von der
Beschwerdeführerin im Rahmen der Strafanzeige zu Protokoll gegebenen Drohungen
seien zudem zu relativieren, da auch die Beschwerdeführerin nicht vor Drohungen
zurückgeschreckt sei und sich verbal zu wehren gewusst habe.

4.4. Den Stellungnahmen der Bekannten und Arbeitskollegen sei nicht viel
Gewicht beizumessen, da diese nicht frei von einer gewissen Gefälligkeit seien
und lediglich die Angaben der Beschwerdeführerin und subjektive Eindrücke der
Bekannten widerspiegelten. Schliesslich könne auch den Berichten der bif und
der Psychiaterin der Beschwerdeführerin nur eine beschränkte Aussagekraft
zugemessen werden. Unbestritten sei zwar, dass sich die Beschwerdeführerin
wegen "möglicherweise gewaltbedingter Symptome" in psychiatrischer und
medikamentöser Behandlung befunden habe, die Psychiaterin habe aber in ihren
Berichten lediglich auf Angaben der Beschwerdeführerin beruhende,
vorübergehende Symptome beschrieben, ohne eine Diagnose zu stellen. Ausserdem
enthielten die Berichte der bif und der Psychiaterin keine Ausführungen zu der
Tatsache, dass die Beschwerdeführerin Deutschkurse besuchen, einer
Erwerbstätigkeit nachgehen sowie alleine in ihr Heimatland zu ihrer Familie
fliegen und regelmässig ihre Schwester treffen konnte.

4.5. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die von der Beschwerdeführerin im
Rahmen der Strafanzeige dem Ex-Ehemann und Schwiegervater zur Last gelegten
Vorfälle teils nicht hätten objektiviert werden können. Schliesslich fände auch
die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe alles von ihr auf der Arbeit
verdiente Geld sofort der Familie des Ehemannes abtreten müssen, in den Akten
keine Stütze.

5. 

Der Schluss der Vorinstanz, aus den ins Recht gelegten Dokumenten gehe
häusliche Gewalt nicht glaubhaft hervor, ist unhaltbar. Sie verkennt sowohl den
Sinn der Schutznorm von Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG als auch die
Tragweite der eingereichten Beweismittel:

5.1. Gemäss der Vorinstanz stellen die patriarchalischen Strukturen allein,
soweit sie nicht über ein in der hiesigen Kultur nicht mehr tolerierbares Mass
hinausgingen, keine eheliche Gewalt dar. Die Beschwerdeführerin hätte zudem
angesichts dessen, dass ihre Ehe durch die Väter der Eheleute arrangiert worden
war, nicht zum Vornherein annehmen dürfen, dass diese problemlos und harmonisch
verlaufen würde. Es hätte ihr vielmehr bewusst sein müssen, dass sie bei
Auftreten von erheblichen ehelichen Problemen bzw. einer Trennung
gegebenenfalls wieder in die Heimat zurückkehren müsse. Im Übrigen stelle auch
eine schlechte Behandlung seitens ihres Schwiegervaters, bzw. der Befehl,
diesem zu "dienen", soweit dies unter Berücksichtigung des im kosovarischen
Kulturkreis herrschenden Familienverständnisses nicht ungewöhnlich sei, keine
psychische Gewalt dar.

5.2. Solche Aussagen sind, insofern sie einem je nach der kulturellen
Zugehörigkeit einer Migrantin zu differenzierenden Verständnis des Begriffes
häuslicher Gewalt das Wort reden, nicht mit dem im Lichte des Übereinkommens
des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und
häuslicher Gewalt (SR 0.311.35, Istanbul-Konvention) auszulegenden Art. 50 Abs.
1 lit. b AIG vereinbar.

Gemäss Art. 1 Istanbul-Konvention hat sich die Schweiz verpflichtet, jegliche
Form von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu bekämpfen und einen
Beitrag zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau zu leisten, insbesondere
was besonders schutzbedürftige Gruppen wie Migrantinnen anbelangt (Botschaft
zur Genehmigung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 2. Dezember 2016, BBl 2017
185, 213). Zu dieser Gruppe gehört die Beschwerdeführerin ganz offensichtlich,
weshalb die grundrechtlichen staatlichen Schutzpflichten (Art. 7 und Art. 35
Abs. 1 und 3 BV; Art. 3 und Art. 8 EMRK; sowie Art. 5 und Art. 12
Istanbul-Konvention), insbesondere der Schutz vor unwürdiger, erniedrigender
Behandlung, es gebieten, nicht nur jede Form von Diskriminierung der Frau zu
unterbinden, sondern auch an den Aufenthaltsanspruch von Migrantinnen, die
häusliche Gewalt erlitten, keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Urteil
2C_1072/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.3 und 3.3).

5.3. Die Vorinstanz geht des Weiteren fehl, wenn sie die durch den Ex-Ehemann
gegenüber der Beschwerdeführerin ausgesprochenen Drohungen dadurch relativiert,
dass ein rauer Umgangston geherrscht habe, bzw. die Beschwerdeführerin sich
verbal zu wehren wusste und selbst nicht vor Drohungen zurückschreckte.
Häusliche Gewalt wird nicht dadurch legitimer, dass sich das Opfer zu wehren
versucht.

5.4. Unhaltbar ist ferner die Würdigung der Vorinstanz der Beweismittel,
insbesondere die vorgenommene Relativierung der Berichte der bif und der
Psychiaterin. Zwar muss bei häuslicher Gewalt in Form psychischer Oppression
die Systematik der Misshandlung bzw. deren zeitliches Andauern und die daraus
entstehende subjektive Belastung objektiv nachvollziehbar konkretisiert und
beweismässig unterlegt werden (vgl. Urteil 2C_1072/2018 vom 1. Juli 2019 E.
2.5), die Glaubhaftigkeit einer Expertenmeinung wird jedoch nicht schon dadurch
geschmälert, dass der mutmassliche Täter häuslicher Gewalt die ihm
vorgeworfenen Handlungen bestreitet. Fehl geht zudem das Argument, dass die
Berichte der bif sowie der Psychiaterin nicht "unbesehen als Indizien gewertet
werden" können, weil sie nicht erwähnen, dass die Beschwerdeführerin trotz der
patriarchalischen Familienstruktur der Familie A.________ über eine gewisse
Autonomie in ihrer Lebensführung verfügte. Solche Berichte müssen nicht die
Gesamtheit der Umstände erfassen.

5.5. Auf einer willkürlichen Beweiswürdigung fusst ferner die Feststellung der
Vorinstanz, dass nebst den zwei im Polizeiprotokoll erwähnten Vorfällen
(Ohrfeigen, Packen am Hals) und den im Streit ausgesprochenen Drohungen, die
Beschwerdeführerin keine weiteren Angaben hinsichtlich physischer und
psychischer Gewalt seitens ihres Ehemannes gemacht habe. So gab die
Beschwerdeführerin insbesondere anlässlich ihrer polizeilichen Einvernahme zu
Protokoll, grosse Angst davor zu haben, ihr Ehemann könne sie umbringen.
Auszüge aus von der Beschwerdeführerin aufgenommenen Gesprächen mit ihrem
Ex-Ehemann und Ex-Schwiegervater weisen schliesslich auf Einschüchterungen mit
Todesdrohungen hin, wie dies Ausdrücke wie "ich mach dich fertig" oder "ich
schneide dir den Kopf ab" belegen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Gemäss dem Bericht der
bif vom 6. November 2012 hat die Beschwerdeführerin die Unterstützung der bif
in Anspruch genommen, um die traumatischen Folgen der ihr durch ihren
Ex-Ehemann und dessen Vater zugefügten lange andauernden, regelmässigen
psychischen und physischen Gewalt, bestehend insbesondere aus wiederholtem
Schlagen, ständigen Demütigungen, Beschimpfungen und Entwertungen, ständiger
Kontrolle und Todesdrohungen verarbeiten zu können. Die Expertin der bif
schätzte diese Aussagen sowohl betreffend die erlebte psychische und physische
Gewalt als auch in Bezug auf die sich dadurch ergebende psychische
Beeinträchtigung als wahr bzw. als "glaubwürdig" ein. Im gleichen Sinne
urteilte die von der Beschwerdeführerin aufgesuchte Psychiaterin, die in ihrem
Bericht vom 2. November 2012 festhielt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund
der in der Ehe erlebten psychischen Gewalt ausgeprägte Angst und depressive
Symptome entwickelt habe, deren Therapie zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet
war. Schliesslich sind in diesem Zusammenhang auch noch die schriftlich
niedergelegten Aussagen der Bekannten und Familienangehörigen der
Beschwerdeführerin zu erwähnen, welche die von der Beschwerdeführerin
erlittenen traumatischen Erfahrungen im Zusammenhang mit ihrem gewalttätigen
Ex-Ehemann bestätigen.

5.6. Wenig akkurat erscheint schliesslich auch der Verweis der Vorinstanz auf
die Ausführungen der Psychiaterin, welche lediglich vorübergehende Symptome
beschrieben haben soll, ohne eine Diagnose zu stellen. So kann dem Bericht der
Psychiaterin vom 11. März 2016 entnommen werden, die Beschwerdeführerin sei
nach der Arbeit am Abend immer wieder von zuhause weggeschickt, als "Hure"
beschimpft, vom Ex-Ehemann geschlagen sowie mit dem Tod bedroht worden, was
dazu geführt habe, dass sie während Wochen unter Todeswünschen, Trauer und
Angst gelitten habe.

5.7. Wie die Vorinstanz angesichts dieser Beweislage zum Schluss gelangt, die
Beschwerdeführerin habe die eheliche Wohnung nach einem Streit verlassen, ohne
physische oder psychische Schäden erlitten zu haben, ist unverständlich. Wenn
zwar nicht in Abrede gestellt wird, dass auf Aussagen der Beschwerdeführerin
beruhende, vom mutmasslichen Täter häuslicher Gewalt ausdrücklich bestrittene
Ausführungen, nicht unbesehen für bare Münze zu nehmen sind, so bestehen
vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte, dass die konsultierten Fachkräfte
durch die Beschwerdeführerin in die Irre geleitet worden wären, bzw. ihr Urteil
mangelnde Sachkompetenz widerspiegle. Dass die Beschwerdeführerin während
vielen Monaten in engmaschigem Kontakt sowohl zur bif als auch zu ihrer
Psychiaterin stand, ist vielmehr ein aussagekräftiges Indiz, dass sie infolge
der ehelichen Gewalt unter gravierenden psychischen Folgen litt.

5.8. Wenn die Vorinstanz schliesslich zwar zu Recht darauf hinweist, dass die
Beschwerdeführerin sich mit der bevorstehenden Scheidung in einer schwierigen
Lebenslage befand und sie überdies befürchten musste, die Schweiz Richtung
Heimatland verlassen zu müssen, so stellt dies noch keinen Grund dar, die von
ihr erlittene eheliche Gewalt grundsätzlich anzuzweifeln. Dass die
Beschwerdeführerin diese zwecks Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung
vorgetäuscht hätte, ist zudem weder dargelegt worden noch ersichtlich. Es
besteht vielmehr eine Mehrzahl von Indizien, die nahelegen, dass der Ex-Ehemann
die prekäre ausländerrechtliche Situation der Beschwerdeführerin benutzt hat,
um zusätzlich Druck auf diese auszuüben, wie dies insbesondere die Drohungen,
sie in den Kosovo zurückzuschicken, oder auch die Tatsache, dass er sieben Tage
nach der Trennung die Behörden informierte, die Scheidungsklage sei eingereicht
worden, belegen.

5.9. Die Vorinstanz hat offensichtlich die Tragweite und den Sinn der ins Recht
gelegten Beweismittel verkannt und ist dadurch in Willkür verfallen (Art. 9
BV). Gestützt auf eine Gesamtwürdigung ist davon auszugehen, dass die
Beschwerdeführerin durch ihren Ex-Ehemann, B.A.________, häusliche Gewalt
erlitten hat und diese eine besondere Intensität erreicht bzw. lang genug
gedauert hat, um die Voraussetzungen eines Härtefalls im Sinne von Artikel 50
Abs. 1 lit. b AIG zu erfüllen.

Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
der Beschwerdeführerin wegen häuslicher Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit.
b und Abs. 2 AIG sind somit erfüllt. Angesichts dessen, dass die selbstständige
Anspruchsvoraussetzung der häuslichen Gewalt als wichtiger Grund für die
Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung erfüllt ist, muss eine Gefährdung der
sozialen Wiedereingliederung der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat nicht
geprüft werden.

5.10. Aufgrund dieses Ausgangs des Verfahrens erübrigt es sich auf die Rügen
betreffend die Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. die Verfassungswidrigkeit
der durch die Vorinstanz festgesetzten Entschädigung der Anwältin der
Beschwerdeführerin im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Stellung zu
nehmen.

6. 

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen, das
angefochtene Urteil aufgehoben und das kantonale Migrationsamt angewiesen, die
Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu verlängern. Auf die erhobene
subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. Damit wird das Gesuch
der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen
Verfahren gegenstandslos.

Bei diesem Verfahrensausgang werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs.
4 BGG). Der Kanton St. Gallen hat der Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche und das vorinstanzliche Verfahren eine angemessene
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen, und
das Urteil des Verwaltungsgerichts St. Gallen vom 26. September 2019
aufgehoben. Das Migrationsamt des Kantons St. Gallen wird angewiesen, die
Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu verlängern.

2. 

Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3. 

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 

Der Kanton St. Gallen hat der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

5. 

Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen der
kantonalen Rechtsmittelverfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen.

6. 

Dieses Urteil wird den Vefahrensbeteiligten sowie dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen, Abteilung II, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. März 2020

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: de Sépibus