Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.764/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_764/2019

Urteil vom 4. Februar 2020

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichterin Hänni,

Gerichtsschreiberin Ivanov.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

vertreten durch Rechtsanwalt Sämi Meier,

Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 38, 9001 St. Gallen,

Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen,

Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen.

Gegenstand

Widerruf der Niederlassungsbewilligung / Wiederherstellung der Beschwerdefrist,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen,
Abteilung II, vom 28. Juni 2019 (B 2019/67).

Sachverhalt:

A.

Mit Verfügung vom 26. April 2017 widerrief das Migrationsamt des Kantons St.
Gallen die Niederlassungsbewilligung von A.________ (geb. 1976),
Staatsangehöriger von Kosovo (Art. 105 Abs. 2 BGG). Einen dagegen erhobenen
Rekurs wies das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen
(nachfolgend: Departement) mit Entscheid vom 20. Februar 2019 ab. Dieser
Entscheid wurde am 21. Februar 2019 versandt und dem Rechtsvertreter von
A.________ am Tag darauf zugestellt.

Mit Schreiben vom 20. März 2019 stellte der Rechtsvertreter von A.________ beim
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen ein Gesuch um Wiederherstellung der
Beschwerdefrist gegen den Entscheid des Departements vom 20. Februar 2019. Zur
Begründung brachte er vor, dass er mangels Instruktion von A.________ nicht
rechtzeitig habe Beschwerde erheben können. A.________ habe sich während der
Dauer der Rechtsmittelfrist in der Klinik B.________, Psychiatrie-Dienste
C.________, zur medizinischen Behandlung aufgehalten.

B.

Mit Entscheid vom 28. Juni 2019 wies der Präsident der II. Abteilung des
Verwaltungsgerichts St. Gallen das Gesuch um Wiederherstellung der
Beschwerdefrist ab.

C.

Mit Eingabe vom 16. September 2019 (Postaufgabe) erhebt A.________ Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt,
der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2019 sei aufzuheben und es
sei die Frist zur Einreichung einer Beschwerde gegen den Entscheid des
Departements vom 20. Februar 2019 wiederherzustellen. Eventualiter sei der
Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt er die
unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung sowohl für das
vorinstanzliche als auch für das bundesgerichtliche Verfahren und ersucht er um
Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Ferner stellt er die Anträge, es sei ihm
nach Eingang der Vernehmlassungen der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin ein
Replikrecht zu gewähren undes seien die vollständigen vorinstanzlichen
Verfahrensakten zu edieren.

Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und einen
Schriftenwechsel durchgeführt. Das Verwaltungsgericht und das Departement
schlossen in ihren Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde. Das
Migrationsamt liess sich nicht vernehmen.

Die Vernehmlassungsantworten wurden dem Beschwerdeführer zugestellt und es
wurde ihm eine Frist bis zum 9. Dezember 2019 zur Einreichung einer Replik
angesetzt. Diese Frist wurde anschliessend bis zum 17. Dezember 2019 erstreckt.
Der Beschwerdeführer reichte keine Replik ein.

Mit Verfügung vom 19. September 2019 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.

Die frist- und formgerecht (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. b und
Art. 42 BGG) eingereichte Beschwerde richtet sich gegen die Abweisung eines
Gesuchs um Wiederherstellung der Beschwerdefrist in einem Verfahren betreffend
den Widerruf der Niederlassungsbewilligung und somit in einer Angelegenheit des
öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG), welche unter keinen der
Ausschlussgründe gemäss Art. 83 B GG fällt (vgl. BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).
Dagegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
grundsätzlich zulässig. Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen
Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 90 und Art. 86 Abs. 1 lit.
d BGG) und der Beschwerdeführer ist zur Ergreifung des Rechtsmittels
legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.

2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b
BGG). Bei der Prüfung wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5 S. 157) und verfügt es über volle
Kognition (Art. 95 BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236). Die Anwendung kantonalen
Rechts prüft das Bundesgericht hingegen - abgesehen von den Fällen gemäss Art.
95 lit. c-e BGG - nur auf Bundesrechtsverletzungen, namentlich auf Willkür, hin
(BGE 141 I 36 E. 1.3 S. 41; 138 I 143 E. 2 S. 149).

2.2. Die Verletzung von verfassungsmässigen Individualrechten (einschliesslich
der Grundrechte) und von kantonalem Recht prüft das Bundesgericht nur, soweit
eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend
begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht gemäss Art.
106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2 S. 106).

2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3.

3.1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, ihn bzw. seinen
Rechtsvertreter treffe kein Verschulden an der Fristversäumnis. Der
Rechtsvertreter habe dem Beschwerdeführer den Rekursentscheid des Departements
zusammen mit einem Begleitschreiben zugestellt. Darin habe er den
Beschwerdeführer aufgefordert, ihm bis spätestens 6. März 2019 mitzuteilen, ob
er Beschwerde führen möchte. Der Rechtsvertreter habe sodann präzisiert, dass
er bei Ausbleiben einer Antwort bis zu jenem Datum davon ausgehe, dass der
Beschwerdeführer auf die Erhebung eines Rechtsmittels verzichte und das
Mandatsverhältnis beende.

Dass sich der Beschwerdeführer zu jenem Zeitpunkt in einer Klinik aufgehalten
habe, sei ihm nicht bekannt gewesen. Der Anwalt habe daher davon ausgehen
dürfen, dass der Entscheid seinem Klienten zugestellt worden sei. Erst am 11.
März 2019 und somit nach Ablauf der Beschwerdefrist (am 8. März 2019) sei dem
Rechtsvertreter das an den Beschwerdeführer adressierte Couvert retourniert
worden. Darauf hin habe er versucht, den Beschwerdeführer zu kontaktieren. Am
19. März 2019 habe er erfahren, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 15.
Februar 2019 in einer Klinik aufhalte. In der Folge habe er ein
Fristwiederherstellungsgesuch eingereicht. Diese Vorgehensweise entspreche dem
anwaltlichen Standardvorgehen und stelle keine Verletzung elementarer
Vorsichtsregeln dar.

3.2. Gemäss Art. 30 Abs. 1 des Gesetzes vom 16. Mai 1965 über die
Verwaltungsrechtspflege des Kantons St. Gallen (VRP/SG; sGS 951.1) finden die
Bestimmungen der eidgenössischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008
(ZPO; SR 272) über die gerichtliche Vorladung, die Form der Zustellung, die
Fristen und die Wiederherstellung sachgemässe Anwendung. Gemäss Art. 148 Abs. 1
ZPO kann das Gericht auf Gesuch einer säumigen Partei eine Nachfrist gewähren
oder zu einem Termin erneut vorladen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie
kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft. Durch den Verweis im kantonalen
Verwaltungsrechtspflegegesetz wird Art. 148 Abs. 1 ZPO zu subsidiärem
kantonalem Recht und seine Anwendung ist insofern nicht frei, sondern nur unter
dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür zu überprüfen (vgl. BGE 140 I 320
E. 3.3 S. 322; Urteile 2C_534/2016 vom 21. März 2017 E. 3.1; 2C_1107/2015 vom
23. März 2016 E. 2.2; vgl. auch E. 2.2 hiervor).

3.3. Ein Grund, der die Wiederherstellung einer Frist rechtfertigen könnte, ist
nicht leichthin anzunehmen. Vielmehr rechtfertigt sich eine strenge Praxis aus
Gründen der Rechtssicherheit und der Verfahrensdisziplin (vgl. Urteil 2C_345/
2018 vom 11. Oktober 2018 E. 3.3). Bei der im Einzelfall vorzunehmenden
Abgrenzung zwischen leichtem und schwerem Verschulden im Sinne von Art. 148
Abs. 1 ZPO steht zudem den Gerichten ein Ermessensspielraum zu (vgl. Urteile
2C_534/2016 vom 21. März 2017 E. 3.1; 1C_878/2013 vom 16. Mai 2014 E. 4.1 mit
Hinweisen; NICCOLÒ GOZZI, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 11 zu Art. 148 ZPO; BARBARA MERZ, in:
Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, 2. Aufl. 2016, N. 20 zu
Art. 148 ZPO). Für die Frage der Wiederherstellung ist ausschlaggebend, ob der
Partei die Säumnis nach den konkreten Umständen im Lichte des objektiven
Sorgfaltsmassstabs zum Vorwurf gereicht (MERZ, a.a.O., N. 17 zu Art. 148 ZPO).
Ein grobes Verschulden ist umso eher anzunehmen, je höher die Sorgfaltspflicht
der Partei bzw. deren Vertreter zu veranschlagen ist (GOZZI, a.a.O., N. 11 zu
Art. 148 ZPO).

Für Rechtsanwälte gelten strenge Sorgfaltsmassstäbe. Der Rechtsanwalt muss
seinen Kanzleibetrieb so organisieren, dass er in der Lage ist, eine gehörige
Instruktion und die (frist- und termingerechte) Wahrnehmung der prozessualen
Rechte seines Klienten sicherzustellen, wozu auch die sorgfältige Erfassung und
Prüfung eingehender und mit eingeschriebener Post versandter
Gerichtskorrespondenz gehört (vgl. Urteile 2C_345/2018 vom 11. Oktober 2018 E.
3.3; 2C_534/2016 vom 21. März 2017 E. 3.2 mit Hinweisen auf die Lehre). Gemäss
konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Handlungen des
Rechtsvertreters der vertretenen Partei zuzurechnen (BGE 119 II 86 E. 2a S.
87;. 114 Ib 67 E. 2c S. 70; Urteile 2C_345/2018 vom 11. Oktober 2018 E. 3.4;
2C_1212/2013 vom 28. Juli 2014 E. 6.1). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz
besteht nach der Rechtsprechung im Rahmen einer notwendigen Verteidigung im
Strafverfahren, soweit ein schwerwiegender Fehler des Verteidigers vorliegt
(vgl. BGE 143 I 284 E. 2.2 und E. 2.3 S. 288 ff.; Urteil 2C_177/2019 vom 22.
Juli 2019 E. 4.2.2).

3.4. Die Vorinstanz hat zunächst ausgeführt, dass das vom Beschwerdeführer
erwähnte Begleitschreiben nicht als Beweisstück eingereicht worden sei, so dass
dessen Inhalt nicht geprüft werden könne.

Dies sei jedoch nicht entscheidrelevant, da ohnehin nicht von einem leichten
Verschulden ausgegangen werden könne. Dem Rechtsanwalt, der den
Beschwerdeführer bereits im Rechtsmittelverfahren vor dem Departement vertreten
habe, sei der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bekannt gewesen. In
seiner Rekursschrift habe er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sein Klient
seit dem Jahr 2008 an mittelschweren Depressionen gelitten habe, welche mehrere
Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken nach sich gezogen hätten. Insbesondere
habe er ausgeführt, dass es notorisch sei, dass an Depressionen leidende
Personen mit dem Alltag und den administrativen Angelegenheiten überfordert
seien. Zudem habe das Departement den Rechtsvertreter am 5. Februar 2019
darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer am 15. Januar 2019 in
einer Klinik fürsorgerisch untergebracht worden sei.

Bei diesem Wissenstand habe - so die Vorinstanz weiter - eine erhöhte
Sorgfaltspflicht beim Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bestanden. Unter
den konkreten Umständen hätte der Rechtsvertreter nach Auffassung des
Verwaltungsgerichts entweder vor Ablauf der Beschwerdefrist mit dem
Beschwerdeführer in persönlichen Kontakt treten oder auch ohne Instruktion
seitens seines Mandanten vorsorglich Beschwerde erheben sollen. Schliesslich
sei der Verfahrensgegenstand für den Beschwerdeführer, der sich seit 20 Jahren
in der Schweiz aufhalte und minderjährige Kinder hier habe, von existenzieller
Bedeutung gewesen. Auch vor diesem Hintergrund sei von einer unsorgfältigen
Mandatsführung seitens des Rechtsvertreters auszugehen (vgl. E. 2.5 des
angefochtenen Urteils).

3.5. Was der Beschwerdeführer dem entgegenhält, vermag die vorinstanzlichen
Ausführungen nicht als willkürlich erscheinen zu lassen (vgl. E. 3.2 hiervor).

3.5.1. Ob der Rechtsanwalt darüber informiert wurde, dass der Beschwerdeführer
die Klinik, in die er am 15. Januar 2019 eingewiesen worden war, am 6. Februar
2019 wieder verlassen hatte (vgl. E. 2.7 des angefochtenen Urteils), ist
vorliegend nicht bekannt. Es mag somit zutreffen, dass er nicht wusste, dass
sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Zustellung des Rekursentscheides
erneut in einer psychiatrischen Klinik befand. Die vorinstanzlichen
Ausführungen, wonach sein Rechtsvertreter seine gesundheitlichen Probleme
gekannt habe und sich bewusst gewesen sei, dass an Depressionen leidende
Personen unter Umständen mit der Bewältigung administrativer Angelegenheiten
überfordert seien, bestreitet der Beschwerdeführer allerdings nicht. Auch in
seiner Beschwerde an das Bundesgericht weist er im Übrigen darauf hin, dass er
nachgewiesenermassen seit geraumer Zeit psychiatrische Leiden habe. Ebensowenig
bestreitet der Beschwerdeführer, dass der Widerruf der
Niederlassungsbewilligung nach einem 20-jährigen Aufenthalt in der Schweiz für
ihn eine Frage von existenzieller Bedeutung dargestellt habe.

Angesichts der konkreten Umstände ist nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz
von einer erhöhten Sorgfaltspflicht des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers
ausgegangen ist und erwogen hat, bei dieser Sachlage wäre es zu erwarten
gewesen, dass dieser versucht, den Beschwerdeführer persönlich zu kontaktieren,
oder vorsorglich eine Beschwerde einreicht. Im Übrigen liegt es nach der
Rechtsprechung am Rechtsvertreter, sich innerhalb der Beschwerdefrist zu
vergewissern, ob sein Klient vom jeweiligen Entscheid Kenntnis erhalten habe
und diesen anfechten wolle (BGE 145 II 201 E. 5.1 S. 204 mit Hinweis). Besteht
Gefahr in Verzug und kann der Rechtsvertreter einer Partei die Zustimmung
seines Mandanten nicht rechtzeitig einholen, hat er die erforderlichen
Anstalten zu treffen, um die Interessen seines Klienten zu wahren. Dazu gehört
auch die vorsorgliche Einreichung einer Beschwerde, um die Rechtsmittelfrist zu
wahren (vgl. BGE 145 II 201 E. 5.3 S. 205).

3.5.2. Soweit der Beschwerdeführer auf das Kostenrisiko im Falle der
vorsorglichen Einreichung eines Rechtsmittels hinweist, sind seine Bedenken
nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings lässt sich dem angefochtenen
Urteil entnehmen, dass nach dem Verfahrensrecht des Kantons St. Gallen die
Möglichkeit besteht, eine vorsorgliche Beschwerde (vorerst) ohne Begründung
einzureichen (vgl. E. 2.5 des angefochtenen Urteils). Zudem hätte der
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bei der Vorinstanz um die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege ersuchen können. Unter diesen Umständen ist mit
der Vorinstanz davon auszugehen, dass das Prozessrisiko im Falle eines
nachträglichen Rückzugs der Beschwerde an das Verwaltungsgericht gering gewesen
wäre (vgl. E. 2.5 des angefochtenen Urteils).

3.5.3. Das Argument des Beschwerdeführers, die unbegründete Beschwerde nach
kantonalem Recht verstosse gegen Art. 144 Abs. 1 ZPO, wonach gesetzliche
Fristen nicht erstreckt werden können, schlägt fehl. Zunächst zeigt er nicht
auf, inwiefern diese Bestimmung im Bereich der st. gallischen
Verwaltungsrechtspflege zur Anwendung gelangen könnte. Im Übrigen hat die
Vorinstanz im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren ausführlich zu dieser
Frage Stellung bezogen. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen der
ZPO, unter anderem über die Fristen und die Wiederherstellung, sachgemässe
Anwendung finden, soweit das kantonale Verwaltungsrechtspflegegesetz nichts
anderes vorsieht (Art. 30 VRP/SG). Bezüglich der nachträglichen Begründung von
Beschwerden enthalte das VRP/SG indes eigenständige Vorschriften. Gemäss Art.
48 Abs. 2 VRP/SG fordere die Rekursinstanz den Rekurrenten auf, namentlich bei
fehlender Begründung seine Eingabe innert einer bestimmten Frist zu ergänzen.
Dies gelte gestützt auf Art. 64 VRP/SG auch für das Beschwerdeverfahren. So
entspreche es der konstanten Praxis des Verwaltungsgerichts, ein innert der
gesetzlichen Rechtsmittelfrist ohne Begründung erhobenes Rechtsmittel genügen
zu lassen und eine Ergänzung des Rechtsmittels innert von der Verfahrensleitung
gesetzten Frist zuzulassen.

3.6. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass aufgrund der konkreten Umstände,
namentlich der dem Rechtsvertreter bekannten psychischen Probleme des
Beschwerdeführers, der existenziellen Bedeutung des Verfahrens um Widerruf der
Niederlassungsbewilligung für den Beschwerdeführer und der mit 14 Tagen eher
kurz bemessenen Beschwerdefrist, die Vorinstanz willkürfrei von mangelnder
Sorgfalt ausgehen und das Vorliegen eines leichten Verschuldens verneinen
durfte.

4.

Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, dass selbst wenn ihm der Entscheid
vom 20. Februar 2019 in der Klinik hätte zugestellt werden können, er
krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen wäre, eine Entscheidung zu treffen
oder seinen Rechtsvertreter fristgemäss anzuweisen, den Entscheid anzufechten.

4.1. Krankheit kann nach der Rechtsprechung ein unverschuldetes Hindernis sein,
sofern sie derart ist, dass sie den Rechtsuchenden oder seinen Vertreter davon
abhält, innert der Frist zu handeln oder dafür einen Vertreter beizuziehen (BGE
119 II 86 E. 2a S. 87; Urteile 2C_300/2017 vom 27. März 2017 E. 3.2.2; 2C_598/
2016 vom 30. Juni 2016 E. 2.4).

4.2. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen ist der Beschwerdeführer am 15.
Februar 2019 freiwillig in eine psychiatrische Klinik eingetreten. Einem nicht
unterzeichneten Arztbericht vom 28. März 2019 zufolge sei er aufgrund einer
Dekompensation einer schizoaffektiven Störung im Zeitpunkt des vorinstanzlichen
Urteils in stationärer Behandlung gewesen. Hinweise darauf, dass es dem
Beschwerdeführer krankheitsbedingt nicht möglich gewesen sei, mit dem
Rechtsvertreter Kontakt aufzunehmen oder eine Drittperson zu beauftragen, sich
um seine Post zu kümmern, sind gemäss den vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellungen jedoch keine ersichtlich. Dem Arztbericht fehlten
sowohl die Beschreibung der medizinischen Symptomatik und Situation wie auch
objektive Befunde zum Krankheitsgeschehen, die eine damit einhergehende
Unmöglichkeit des rechtzeitigen Handelns hätten plausibel begründen können.

Zudem erscheine - so die Vorinstanz weiter - die Diagnose einer
schizoaffektiven Störung, gegenwärtig depressiv, aufgrund eines anderen
ärztlichen Gutachtens vom 13. Dezember 2019 als nicht gesichert. Der Gutachter
habe diese Diagnose, die in der psychiatrischen Klinik, in welcher sich der
Beschwerdeführer aufgehalten habe, gestellt worden ist, hinterfragt. Gemäss der
Vorinstanz ist es so insgesamt nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sich
während des Rechtsmittelverfahrens in einer persönlich schwierigen Situation
befunden habe. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass es ihm
unverschuldet objektiv und subjektiv nicht möglich gewesen wäre, seinen
Rechtsvertreter mit der rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde zu beauftragen
(vgl. E. 2.7 des angefochtenen Urteils).

4.3. Der Beschwerdeführer setzt sich mit diesen Ausführungen der Vorinstanz
kaum auseinander und vermag nicht darzutun, inwiefern diese unzutreffend sein
sollten. Vielmehr beschränkt er sich darauf, allgemein zu behaupten, dass seine
Psyche ernsthaft und in schwerwiegender Weise angeschlagen gewesen sei und er
daher keinen derart gewichtigen Entscheid hätte treffen können. Seine
Behauptungen werden nicht weiter belegt.

Selbst wenn seine Vorbringen zutreffen sollten, wäre sein Rechtsvertreter, wie
bereits ausgeführt, vorliegend gehalten gewesen, die erforderlichen
Vorkehrungen zu treffen, um die Interessen seines Mandanten zu wahren, wozu
auch die Einreichung einer vorsorglichen Beschwerde gehört (vgl. BGE 145 II 201
E. 5.1 S. 204; E. 3.5.1 hiervor).

5.

Der Beschwerdeführer rügt schliesslich unter Berufung auf Art. 29 Abs. 3 BV, es
sei ihm im vorinstanzlichen Verfahren zu Unrecht die unentgeltliche
Rechtspflege und Rechtsverbeiständung verweigert worden.

5.1. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn
ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer
Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen
Rechtsbeistand. Nach kantonalem Recht wird die unentgeltliche Rechtspflege
gewährt, wenn der Gesuchsteller bedürftig ist und sein Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint (Art. 99 Abs. 2 VRP/SG in Verbindung mit Art. 117 ff.
ZPO).

5.2. Wie die Vorinstanz unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung
zu Recht festgehalten hat, ist die zum Begriff der Aussichtslosigkeit gemäss
Art. 29 Abs. 3 BV entwickelte Praxis auch für die Auslegung von Art. 117 lit. b
ZPO zu berücksichtigen. Danach sind Begehren als aussichtslos anzusehen, bei
denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren
und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein
Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren
ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese.
Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei
vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (vgl. BGE 138 III
217 f.; E. 3.1 des angefochtenen Urteils).

Vorliegend ist das Verwaltungsgericht in verfassungsrechtlich haltbarer Weise
davon ausgegangen, dass das Rechtsbegehren des Beschwerdeführers im
vorinstanzlichen Verfahren - angesichts des Sachverhalts und der strengen
Praxis bei Fristwiederherstellungsgesuchen - als aussichtslos erschienen ist.
Zudem hat die Vorinstanz auf die Erhebung amtlicher Kosten verzichtet. Das
Gesuch des Beschwerdeführers ist in diesem Umfang ohnehin gegenstandslos
geworden (vgl. E. 3.1 des angefochtenen Urteils).

6.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Dem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung kann nicht entsprochen werden, da das
Rechtsmittel als von vornherein aussichtslos bezeichnet werden muss (Art. 64
Abs. 1 BGG).

Nach dem Unterliegerprinzip trägt der Beschwerdeführer die umständehalber
reduzierten Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist
nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 

Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen, Abteilung II, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Februar 2020

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Ivanov