Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.760/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_760/2019

Urteil vom 19. September 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied,

Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann,

Gerichtsschreiberin Mayhall.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwalt Marco Rossetti,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,

Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen.

Gegenstand

Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA / Wiederherstellung der
Rekursfrist,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 1. Juli 2019 (B 2019/63).

Erwägungen:

1.

A.________ (Jahrgang 1974) ist slowenische Staatsangehörige. Sie verfügte über
eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA mit Gültigkeit bis 20. November 2018. Mit
Schreiben vom 14. Juni 2018 stellte das kantonale Migrationsamt ihr in
Aussicht, dass die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA widerrufen werde. Dieses
Schreiben konnte A.________ zunächst nicht per Post an die angegebene Adresse
zugestellt werden. Die Rückfrage des kantonalen Migrationsamtes ergab, dass die
Adresse korrekt war. Die erneute Zustellung am 20. August 2018 verlief
erfolgreich.

Nach Eingang der Stellungnahme von A.________ verfügte das kantonale
Migrationsamt am 11. Oktober 2018 den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/
EFTA. Die Verfügung vom 11. Oktober 2018 wurde an diesem Tag (eingeschrieben)
versandt und am folgenden Tag zur Abholung gemeldet. Die Sendung wurde von
A.________ nicht abgeholt und am 29. Oktober 2019 an das kantonale
Migrationsamt retourniert, weshalb das kantonale Migrationsamt die Verfügung
vom 11. Oktober 2018 erneut, diesmal per A-Post, und dem ausdrücklichen Hinweis
darauf zustellte, dass die Rekursfrist mit der Zustellung des Schreibens vom
29. Oktober 2018 nicht erneut zu laufen beginne. Das Schreiben vom 29. Oktober
2018 ging am 2. November 2018 bei A.________ ein. Sie stellte am 5. November
2018 beim Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen ein Gesuch
um Wiederherstellung der Rekursfrist betreffend Widerruf der
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und beantragte, die am 2. November 2018
abgelaufene Rekursfrist sei wiederherzustellen und ihr sei eine angemessene
Nachfrist anzusetzen. Mit Eingabe vom 7. November 2018 reichte A.________ je
ein Schreiben des Vermieters vom 7. November 2018, der Sozialen Dienste der
Stadt St. Gallen vom 7. November 2018 sowie der Opferhilfe vom 6. November 2018
ein, in welchen jeweils bestätigt wurde, dass Probleme mit der Zustellung der
Post bestehen würden.

Das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen wies mit
Entscheid vom 27. Februar 2019 das Gesuch um Wiederherstellung der Rekursfrist
ab und trat auf den Rekurs von A.________ nicht ein. Mit Entscheid vom 1. Juli
2019 wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen die von A.________
gegen den Entscheid vom 27. Februar 2019 erhobene Beschwerde ab, legte die
amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens A.________ auf, nahm diese Kosten
zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auf die Gerichtskasse und
verzichtete auf die Erhebung. Dem unentgeltlichen Rechtsvertreter wurde ein
amtliches Honorar ausgerichtet.

A.________ gelangt mit Beschwerde vom 12. September 2019 an das Bundesgericht
und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 1.
Juli 2019 sei aufzuheben, das Gesuch vom 5. November 2018 um Wiederherstellung
der Rekursfrist sei gutzuheissen, eventualiter sei das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin ersucht um Erteilung der aufschiebenden
Wirkung der Beschwerde, um Beizug der Akten und um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche
Verfahren. Es ist weder ein Schriftenwechsel durchgeführt noch sind andere
Instruktionsmassnahmen angeordnet worden.

2.

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein
kantonales letztinstanzliches Urteil, mit welchem eine Beschwerde betreffend
Wiederherstellung einer nicht eingehaltenen Rekursfrist in einem Verfahren
betreffend Widerruf bzw. Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA
abgewiesen worden ist, ist zwar zulässig (Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90, Art.
83 lit. c Ziff. 2 e contrario BGG), aber offensichtlich unbegründet, weshalb
sie mit summarischer Begründung und Verweis auf den angefochtenen Entscheid
abgewiesen wird (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). 

2.2. Verfügungen und Entscheide gelten als eröffnet, sobald sie ordnungsgemäss
zugestellt sind und die betroffene Person davon Kenntnis nehmen kann. Dass sie
davon tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (BGE 142 III 599 E.
2.4.1 S. 603; 122 I 139 E. 1 S. 143). Eine eingeschriebene Postsendung, die
nicht abgeholt worden ist, gilt am siebten Tag nach dem erfolglosen
Zustellungsversuch als abgeholt, sofern die Person mit der Zustellung rechnen
musste, was praxisgemäss ein Verfahrens- oder Prozessrechtsverhältnis
voraussetzt. In einem solchen Verfahrens- oder Prozessrechtsverhältnis ist die
betroffene Person verpflichtet, ihre Post regelmässig zu kontrollieren,
gegebenenfalls einen Stellvertreter zu bezeichnen, sich die Post nachsenden zu
lassen, die Behörden über Abwesenheiten zu informieren oder ihnen eine
Zustelladresse zukommen zu lassen (BGE 141 II 429 E. 3.1 S. 431 f.). Bei
eingeschriebenen Postsendungen gilt eine widerlegbare Vermutung, dass der oder
die Postangestellte den Avis ordnungsgemäss in den Briefkasten oder in das
Postfach des Empfängers gelegt hat und das Zustellungsdatum korrekt registriert
worden ist. Es findet in diesem Fall eine Umkehr der Beweislast in dem Sinne
statt, als bei Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten des Empfängers
ausfällt, der den Erhalt der Abholungseinladung bestreitet. Diese Vermutung
kann durch den Gegenbeweis umgestossen werden. Sie gilt so lange, als der
Empfänger nicht den Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit von Fehlern
bei der Zustellung erbringt. Da der Nichtzugang einer Abholungseinladung eine
negative Tatsache ist, kann dafür naturgemäss kaum je der volle Beweis erbracht
werden. Die immer bestehende Möglichkeit von Fehlern bei der Poststelle genügt
nicht, um die Vermutung zu widerlegen. Vielmehr müssen konkrete Anzeichen für
einen Fehler vorhanden sein. Der aus der Zugangsvermutung gezogene Schluss, der
Gegenbeweis sei nicht erbracht, stellt Beweiswürdigung dar (BGE 142 IV 201 E.
2.3 S. 204 f., mit zahlreichen Hinweisen).

2.3. Gemäss dem angefochtenen Urteil, welches in diesem Punkt unbestritten
geblieben ist, war der Beschwerdeführerin bewusst, dass sie sich in einem
laufenden Verfahren befand, mit weiterer Post rechnen musste und
Schwierigkeiten mit der Postzustellung an sie bestanden, weil ihr Ex-Freund
mehrmals das Namensschild an ihrem Briefkasten entfernt oder den Briefkasten
beschädigt hatte. Es kann dahinstehen, ob unter solchen Umständen die
Beschwerdeführerin ihrer Pflicht, für eine ordentliche Zustellungsmöglichkeit
besorgt zu sein, genügt hat. Das Verwaltungsgericht stellt jedenfalls fest (E.
3.6 in fine), dass die Abholungseinladung zum fraglichen Zeitpunkt
ordnungsgemäss in den Briefkasten gelegt werden konnte. Damit aber ist davon
auszugehen, dass die eingeschrieben versandte Verfügung des kantonalen
Migrationsamtes vom 11. Oktober 2018 am letzten Tag der siebentägigen
Abholfrist am 19. Oktober 2018 als zugestellt zu gelten hat (BGE 141 II 429 E.
3.1 S. 432). Die vierzehntägige Frist zur Einreichung des Rekurses lief somit
am 2. November 2018 unbenutzt ab. Das angefochtene Urteil lässt keine
willkürliche Anwendung kantonalen Prozessrechts oder von (als subsidiäres
öffentliches Recht zur Anwendung gelangenden) bundesrechtlichen
Verfahrensvorschriften erkennen. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich
unbegründet und ist mit summarischer Begründung unter Verweis auf das
angefochtene Urteil abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Mit dem
instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

3.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdeführerin
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung kann wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels nicht erteilt
werden (Art. 64 e contrario BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen
(Art. 68 Abs. 3 BGG). 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 19. September 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Zünd

Die Gerichtsschreiberin: Mayhall