Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.712/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_712/2019

Urteil vom 1. September 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied,

Bundesrichterin Aubry Girardin,

Bundesrichter Stadelmann,

Gerichtsschreiber Seiler.

Verfahrensbeteiligte

1. A.________,

2. B.________,

Beschwerdeführer,

beide vertreten durch Rechtsanwälte Christoph Niederer und Beatrice Klaesi,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in
Steuersachen SEI.

Gegenstand

Amtshilfe DBA (CH-NL),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,

vom 12. August 2019 (A-7256/2018).

Erwägungen:

1.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2018 ersuchte der niederländische Belastingdienst
(Central Liaison Office Almelo; nachfolgend: BD) gestützt auf Art. 26 des
Abkommens vom 26. Februar 2010 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-NL; SR 0.672.963.61) die
Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) um Amtshilfe. Konkret verlangte der BD
Informationen betreffend ihm namentlich nicht bekannte natürliche Personen,
welche im Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Dezember 2017 (kumulativ)
folgende Kriterien erfüllt haben: a) Die Person war Kontoinhaber/in eines
Kontos/mehrerer Konten bei der C.________ SA; b) Der/die Kontoinhaber/in
verfügte (gemäss bankinterner Dokumentation) über eine Domiziladresse in den
Niederlanden; c) Die C.________ SA hat dem/der Kontoinhaber/in ein Schreiben
versandt, mit welchem diese/r aufgefordert wurde, der Bank seine/ihre
Steuerkonformität zu bestätigen; d) Der/die Kontoinhaber/in hat der C.________
SA trotz Versand des vorgenannten Schreibens keinen der Bank genügenden
Nachweis der Steuerkonformität erbracht. Davon ausgenommen waren Konten, welche
bestimmte, im Gesuch genannte Kriterien erfüllten (u.a. Kontostand von stets
weniger als EUR 1'500.--). In Bezug auf die Mitglieder dieser Gruppe verlangte
der BD Informationen über Namen, Adresse, Geburtsdatum, Bankkontonummer (n) und
Vermögensstand per 1. Februar 2013, 31. Dezember 2013, 31. Dezember 2014, 31.
Dezember 2015, 31. Dezember 2016 und 31. Dezember 2017.

Nach Publikation im Bundesblatt vom 28. August 2018 zur Information der
betroffenen Personen gewährte die ESTV B.________ und A.________ (nachfolgend:
Beschwerdeführer) Akteneinsicht und Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit
Schlussverfügung vom 20. November 2018 zeigte die ESTV an, dass sie Amtshilfe
leisten und dem BD die gewünschten Informationen betreffend die
Beschwerdeführer übermitteln werde. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das
Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 12. August 2019 ab. Mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. August 2019 beantragen die
Beschwerdeführer, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und der ESTV die
Herausgabe jedwelcher Informationen über die Beschwerdeführer an den BD
aufgrund des Amtshilfeersuchens vom 24. Mai 2018 untersagt werde. Das
Bundesgericht hat weder die vorinstanzlichen Akten beigezogen, noch andere
Instruktionsmassnahmen verfügt.

2.

2.1. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in
Steuersachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen
besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a
BGG). Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde
nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders
bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige
Voraussetzung erfüllt ist. Wie Art. 84 BGG bezweckt auch Art. 84a BGG die
wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht. Ein besonders bedeutender
Fall ist daher mit Zurückhaltung anzunehmen. Bei der Beantwortung der Frage, ob
ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter
Ermessensspielraum zu. Gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders
bedeutender Fall insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass
elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im
Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält somit eine nicht
abschliessende Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Das
Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu
bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich
wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch
anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die
einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine
Rechtsfrage handeln, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und
die von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung können sich ebenfalls nach dem
Erlass neuer materiell- oder verfahrensrechtlicher Normen stellen. Das Gleiche
gilt, wenn sich aufgrund der internationalen Entwicklungen Fragen von
grundsätzlicher Bedeutung stellen (BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410; 139 II 340 E.
4 S. 342 f. mit weiteren Hinweisen). Schliesslich liegt eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Vorinstanz von der bundesgerichtlichen
Praxis abweicht (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 4310; JULIA HÄNNI/LUKAS XAVER MEYER, in: Basler
Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 48 zu Art. 74 BGG; THOMAS
HÄBERLI, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 157 zu
Art. 83 BGG). Die zu beurteilende Frage muss sodann entscheidrelevant sein,
soll doch die Ausnahme von Art. 84a BGG nicht dazu führen, dass das
Bundesgericht in abstracto obiter dicta produziert (BGE 142 II 161 E. 3 S. 173;
Urteile 2C_286/2019 vom 9. April 2019 E. 2.1; 2C_20/2017 vom 25. Januar 2017 E.
2.1 am Ende).

2.2. Die Beschwerdeführer bringen vor, dass ihre Situation entscheidend von der
Konstellation abweiche, die das Bundesgericht in seinem Leiturteil zu
holländischen Gruppenersuchen (BGE 143 II 185) beurteilt habe. Dort habe sich
das Bundesgericht lediglich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob bei
banklagernder Korrespondenz die Zustellfiktion greife, nicht aber mit der für
ihren Fall entscheidenden Frage, ob die Nichtreaktion auf das Schreiben der
Bank Anlass für einen Verdacht der Missachtung steuerlicher Pflichten bilde und
sie deshalb der im Ersuchen umschriebenen Gruppe zuzurechnen seien. Ausserdem
erblicken die Beschwerdeführer einen erheblichen Unterschied im Umstand, dass
sie bereits im Jahr 2012 mit der Saldierung des Kontos begonnen hätten und die
Kontobeziehung deshalb aus ihrer Sicht am 1. Februar 2013 bereits beendet war.

2.3. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer weicht ihr Fall nicht
wesentlich von BGE 143 II 136 ab. Insbesondere hat sich das Bundesgericht in
diesem Urteil bereits ausführlich dazu geäussert, welche Bedeutung
banklagernder Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Verletzung der
Steuerpflichten zukommt. Dabei hielt es fest, dass banklagernde Korrespondenz
vom Kontoinhaber vermutungsweise spätestens innert Jahresfrist zur Kenntnis
genommen wird. Angesichts dieser natürlichen Vermutung kann der Verdacht auf
Verletzung der Steuerpflichten nur entfallen, wenn konkret nachgewiesen ist,
dass die betroffene Person keine Kenntnis des relevanten Schreibens der Bank
hatte (BGE 143 II 136 E. 6.4.3 S. 160 f.). Sofern der vorliegende Fall
überhaupt nennenswerte Unterschiede zum Sachverhalt aufweist, der BGE 143 II
136 zugrundelag, ergeben sich daraus keine grundlegenden Rechtsfragen, die eine
Überprüfung des angefochtenen Urteils durch das Bundesgericht nach Art. 84a BGG
rechtfertigen würden.

3.

3.1. Die Beschwerdeführer werfen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung auf. Da ihr Fall auch keine besondere Bedeutung im Sinne von Art. 84a
BGG erreicht, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

3.2. Bei diesem Verfahrensausgang tragen die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der ESTV steht keine Parteientschädigung
zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Eidgenössischen Steuerverwaltung,
Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, und dem
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. September 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Seiler