Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.680/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_680/2019

Urteil 12. Februar 2020

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichterin Aubry Girardin

nebenamtlicher Bundesrichter Berger,

Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

gegen

Gemeinde B.________,

Steuerverwaltung des Kantons Graubünden.

Gegenstand

Kantons- und Gemeindesteuer des Kantons Graubünden 2018, Direkte Bundessteuer
2018; Kapitalleistung aus beruflicher Vorsorge,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4.
Kammer, vom 12. Juli 2019 (A 19 17).

Sachverhalt:

A.

Am 24. Januar 2018 zahlte die Freizügigkeitsstiftung der UBS AG an A.________
infolge Erlebensfalls eine Kapitalleistung von Fr. 544'740.66 aus. Dieser
Betrag setzte sich aus der ursprünglichen Einzahlung A.________ auf das Konto
Nr. 184998 bei der Freizügigkeitsstiftung (Fr. 352'610.40), den Erträgen des
von ihm in einem Fonds angelegten Vermögens (Fr. 48'727.33) sowie der auf dem
Fondsvermögen eingetretenen Wertvermehrung zusammen. Am 18. März 2018 erliessen
die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden und das Gemeindesteueramt
B.________ die definitiven Veranlagungsverfügungen betreffend die Sondersteuer
auf Kapitalleistungen aus Vorsorge für die Kantons- und Gemeindesteuern sowie
für die direkte Bundessteuer. Dabei wurde die steuerbare Leistung auf
(abgerundet) Fr. 544'700.-- festgesetzt.

B.

A.________ erhob gegen die Veranlagungsverfügungen Einsprache, mit der er
geltend machte, lediglich das ursprüngliche Kapital sowie die daraus erzielten
Erträge, d.h. Fr. 401'337.73 (recte Fr. 352'610.-- + Fr. 48'727.33 = Fr
401'337.73), dürften der Besteuerung unterworfen werden. Der Rest sei
ausschliesslich Kapitalgewinn, der im Bereich der freien Anlagen steuerfrei
sei. Mit Einspracheentscheiden vom 12. April 2019 wies die Kantonale
Steuerverwaltung die Einsprache ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde von
A.________ ans Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden blieb erfolglos. Am
12. Juli 2019 wies das Verwaltungsgericht, 4. Kammer, die Beschwerde ab.

C.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 30. Juli 2019
beantragt A.________, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die
Steuerverwaltung des Kantons Graubünden anzuweisen, den steuerpflichtigen
Betrag auf Fr. 401'337.73 festzusetzen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, die Kantonale und die
Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde,
ersteres, soweit darauf einzutreten sei.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Vorinstanz hat ein einziges Urteil für die Kantons- und
Gemeindesteuern sowie für die direkte Bundessteuer erlassen, was zulässig ist,
soweit die zu entscheidenden Rechtsfragen im Bundesrecht und im harmonisierten
kantonalen Recht gleich geregelt sind (BGE 135 II 260 E. 1.3.1 S. 262 f.), wie
das hier für die streitige vollumfängliche Steuerbarkeit der von der
Freizügigkeitsstiftung ausgerichteten Kapitalleistung der Fall ist (Urteile
2C_248/2015; 2C_249/2015 vom 2. Oktober 2015 E. 7, 2C_325/2014; 2C_326/2014 vom
29. Januar 2015 E. 3.2 und 5, in: StR 70/2015 S. 424, 2C_156/2010 vom 7. Juni
2011 E. 6, in: ASA 81 S. 379 = StR 66/2011 S. 856 E. 6; siehe auch Urteil
2C_1050/2011 vom 3. Mai 2013 E. 2.2). Unter diesen Umständen ist dem
Beschwerdeführer nicht vorzuwerfen, nicht zwei getrennte Beschwerden
eingereicht zu haben; aus seiner Eingabe geht deutlich hervor, dass sie beide
Steuerarten betrifft (BGE 135 II 260 E. 1.3.2 S. 264; Urteil 2C_611/2018 vom
16. September 2019 E. 1.1).

1.2. Die Beschwerde richtet sich gegen den verfahrensabschliessenden Entscheid
einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen
Rechts. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten sind erfüllt (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs.
1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG i.V.m. Art. 146 des
Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 [DBG; SR
642.11] und Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR
642.14]).

1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95
lit. a und b BGG).

1.3.1. Das Bundesgericht prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen
Steuerrechts durch die kantonalen Steuerinstanzen gleich wie Bundesrecht mit
freier Kognition. In den Bereichen, in denen das StHG den Kantonen einen
gewissen Gestaltungsspielraum belässt oder keine Anwendung findet, beschränkt
sich die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür (BGE 143 II 459 E. 2.1 S.
465; 134 II 207 E. 2 S. 210; Urteil 2C_288/2018 vom 1. Februar 2019 E. 1.2.1).

1.3.2. Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten (einschliesslich der
Grundrechte) und von rein kantonalem Recht prüft das Bundesgericht in jedem
Fall nur, soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und
ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und
Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2 S.
286). In der Beschwerde ist daher klar und detailliert anhand der Erwägungen
des angefochtenen Entscheids darzulegen, dass und inwiefern verfassungsmässige
Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 143 I 1 E. 1.4 S. 5).

I. Direkte Bundessteuer

2.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, entgegen der Auffassung der Vorinstanz
ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht, dass Kapitalleistungen auch
insoweit der Einkommenssteuer unterlägen, als sie aus Wertzuwächsen stammten,
die auf den mit dem Vorsorgeguthaben einer Freizügigkeitspolice getätigten
Anlagen erzielt worden seien, d.h. aus Kapitalgewinnen. Der Wortlaut von Art.
22 Abs. 1 DBG und des textidentischen Art. 23 Abs. 1 des Steuergesetzes für den
Kanton Graubünden vom 8. Juni 1986 (StG/GR; BR 720.000) spreche von "allen
Einkünften" aus den ausdrücklich genannten drei Säulen der Sozialversicherung.
Steuerbar sei nur, was im Gesetz ausdrücklich als steuerbar bezeichnet werde.
In den erwähnten Bestimmungen sei absichtlich darauf verzichtet worden, durch
Wörter wie "insbesondere", "namentlich" oder ähnliche Ausdrücke den Eindruck zu
erwecken, es handle sich um eine für das Steuerrecht untypische exemplarische
Auflistung, die in der Praxis 'bei Bedarf' jederzeit und beliebig durch weitere
Elemente (sogar um solche, die in der freien Anlage nicht
einkommenssteuerpflichtig seien, wie z.B. Kapitalgewinne) ergänzt werden könne.

2.2.

2.2.1. Gemäss Art. 111 Abs. 2 BV kann der Bund die Kantone verpflichten,
Einrichtungen der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung sowie der beruflichen Vorsorge von der Steuerpflicht zu
befreien und den Versicherten und ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auf
Beiträgen und anwartschaftlichen Ansprüchen Steuererleichterungen zu gewähren.
Diese Bundeskompetenz erfasst nur die steuerliche Behandlung der Träger der
beruflichen Vorsorge sowie die steuerliche Abzugsfähigkeit der an eine
Vorsorgeeinrichtung entrichteten Beiträge (vgl. dazu Ueli Kieser, St. Galler
BV-Kommentar, 3. Aufl., 2014 Art. 111 N 15). Der Bundesgesetzgeber hat indessen
im Rahmen seiner Kompetenz zum Erlass von Vorschriften zu einer direkten
Bundessteuer (Art. 128 Abs. 1 BV; vgl. wiederum Kieser, a.a.O., Art. 111 N 15)
ebenso wie zur einheitlichen Behandlung der Einkünfte aus Vorsorge bei den
direkten Steuern der Kantone und Gemeinden bereits in den Art. 80 ff. des
Bundesgesetzes vom 2. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-
und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) neben Regeln betreffend die
Steuerbefreiung von Vorsorgeeinrichtungen (Art. 80 BVG) sowie die steuerliche
Abzugsfähigkeit der Beiträge (Art. 81 f. BVG) ausdrücklich vorgesehen, dass
Leistungen aus Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgeformen nach den Artikeln 80
bis 82 bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden in
vollem Umfang als Einkommen steuerbar sind (Art. 83 BVG).

2.2.2. Art. 22 DBG und Art. 7 Abs. 1 StHG (sowie die zugehörigen Bestimmungen
von Art. 38 DBG und Art. 11 Abs. 3 StHG) konkretisieren (nur) diese generelle
Anordnung von Art. 83 BVG, indem sie den Kreis der steuerbaren
Vorsorgeleistungen genau umreissen und die Modalitäten der Besteuerung
festlegen. Während der Bundesrat in dieser Vorschrift ursprünglich alle
Einkünfte sämtlicher drei Säulen aufnehmen wollte, d.h. auch solche aus
Leibrenten- und Verpfründungsverträgen, entfernte der Erstrat diese beiden,
fügte sie in einem neuen Absatz zusammen mit den Einkünften aus Wohnrechten
bzw. Nutzniessungen ein und ordnete die Teilbesteuerung an. Der Zweitrat
übernahm diese Lösung, nahm seinerseits aber nebst der beruflichen Vorsorge
auch noch die anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge auf (vgl. dazu
Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, 2. Aufl., 2019, Art. 22 N 3). Damit
setzte der Gesetzgeber konsequent das sog. Waadtländer Modell um, gemäss dem
der vollen Abzugsfähigkeit der Beiträge/Prämien die volle Steuerbarkeit der
Leistungen gegenübersteht. Das Modell der vollständigen Abzugsfähigkeit der
Beiträge/Prämien und der vollen Besteuerung der Einkünfte aus der beruflichen
Vorsorge ist damit nicht nur bundesrechtlich in Art. 81 ff. BVG verankert
(Urteil 2C_880/2008 vom 28. April 2009 E. 5.2), sondern diese Vorschriften
bewirken in ihrer Umsetzung durch den Bundesgesetzgeber in DBG und StHG (vgl.
dazu nachstehend E. 3) namentlich eine vertikale und horizontale
Vereinheitlichen von direkter Bundessteuer sowie der Steuern von Kantonen und
Gemeinden, indem diese dazu verpflichtet sind, einerseits Beiträge an die 2.
Säule (und im gesetzlich vorgesehenen Rahmen an die Säule 3A) steuerlich zum
Abzug zuzulassen, andererseits aber auch sämtliche Vorsorgeleistungen
vollumfänglich zu besteuern (vgl. Urteil 2C_1050/2011 vom 3. Mai 2013 E. 2.2;
Gladys Laffely Maillard, in: Commentaire romand, LIFD, 2. Aufl. 2017, Art. 22 N
6).

2.2.3. Die Auslegung von Art. 22 DBG durch die Vorinstanz entspricht der
dargelegten gesetzgeberischen Konzeption. Ebenso wie grundsätzlich jede
Leistung in das System der beruflichen Vorsorge steuerlich abzugsfähig ist, ist
jede Auszahlung aus dem System als Einkunft aus Vorsorge im Sinn von Art. 22
DBG bzw. Art. 7 Abs. 1 StHG zu qualifizieren. Entscheidend für die
Abzugsfähigkeit der Prämien/ Beiträge ist allein der Eintritt von Mitteln in
den Vorsorgekreislauf. Ebenso kommt es für die Steuerbarkeit von Leistungen
allein auf den Austritt von Mitteln aus dem Vorsorgekreislauf an. Worauf die
Auszahlungen beruhen, d.h. wie sie finanziert sind (Kapitalrückzahlung, Zinsen,
Ausschüttung, Kapitalgewinne), spielt für deren Steuerbarkeit als Einkommen
keine Rolle.

2.2.4. Die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach Vorsorgeleistungen, soweit
sie sich Kapitalgewinnen verdanken, steuerfrei sein sollen, widerspricht im
Übrigen nicht nur dem dargelegten Waadtländer Modell. Darüber hinaus zöge sie,
würde ihr gefolgt, nicht zu rechtfertigende Rechtsungleichheiten nach sich:
Gemäss Art. 22 Abs. 2 DBG gelten als Einkünfte aus der beruflichen Vorsorge
insbesondere Leistungen aus Vorsorgekassen, aus Spar- und Gruppenversicherungen
sowie aus Freizügigkeitspolicen. Würden, wie der Beschwerdeführer dies
verlangt, Einkünfte aus einer Freizügigkeitsstiftung, soweit sie sich
Kapitalgewinnen verdanken, steuerfrei gelassen, blieben alleine solche
Vorsorgeleistungen teilweise unbesteuert. Es ist nämlich nicht vorstellbar,
andere Einkünfte aus der beruflichen Vorsorge (insbes. reglementarische
Einkünfte aus einer Vorsorgeeinrichtung) gleich zu behandeln, da weder
gesetzlich vorgesehen ist noch als praktikabel erscheint, bei solchen
Einkünften jenen Anteil, der durch Kapitalgewinne finanziert wurde, im Hinblick
auf deren Besteuerung "herauszurechnen". Wie dargelegt, hat der Gesetzgeber
indessen in Art. 22 DBG ausdrücklich die Gleichbehandlung aller
Vorsorgeleistungen - nämlich deren volle Besteuerung - vorgesehen. Gründe für
eine Sonderbehandlung von Vorsorgeleistungen aus einer Freizügigkeitsstiftung,
welche auf Wertsteigerungen des nach dem Willen des Vorsorgenehmers angelegten
Vorsorgeguthabens beruhen, sind nicht erkennbar, so dass sich die vom
Beschwerdeführer verfochtene Auslegung von Art. 22 DBG auch deshalb als
unzutreffend erweist.

2.3. Die Beschwerde erweist sich damit hinsichtlich der direkten Bundessteuer
als unbegründet.

II. Kantonale Steuern

3. Art. 7 Abs. 1 StHG ist wie bereits dargelegt - aufgrund der Anweisung in
Art. 83 BVG notwendigerweise - sachlich identisch mit der Regelung in Art. 22
DBG. Der kantonale Gesetzgeber hat denn auch in Art. 23 Abs. 1 StG/GR die
Bestimmung von Art. 22 Abs. 1 DBG wörtlich übernommen. Es kann daher ohne
Weiteres auf das zur direkten Bundessteuer Ausgeführte verwiesen werden. Die
Beschwerde ist auf mit Bezug auf die Kantons- und Gemeindesteuern abzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des
Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet
(Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer wird abgewiesen.

2.

Die Beschwerde betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern wird abgewiesen.

3.

Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden, 4. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Februar 2020

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein