Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.646/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_646/2019

Urteil vom 12. November 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Donzallaz, Bundesrichterin Hänni,

Gerichtsschreiber Hahn.

Verfahrensbeteiligte

A.________, Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Peter Wicki,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,

Sicherheits- und Justizdepartement

des Kantons St. Gallen.

Gegenstand

Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA, unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen,
Abteilung II, vom 16. Januar 2018 (B 2016/111).

Erwägungen:

1. 

1.1. Der kosovarische Staatsbürger A.________ (geb. 1990) heiratete am 11.
Dezember 2012 eine österreichische Staatsbürgerin mit Wohnsitz im Kanton St.
Gallen und erhielt gestützt darauf eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA mit
Gültigkeit bis zum 16. De-zember 2017. Nachdem das Ehepaar eheschutzrichterlich
am 12. Februar 2014 getrennt worden war, widerrief das Migrationsamt des
Kantons St. Gallen am 8. August 2014 die Aufenthaltsbewilligung. Dagegen
ergriff A.________ die kantonalen Rechtsmittel. Während der Rechtshängigkeit
des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht wurde die Ehe mit der
österreichischen Staatsbürgerin am 6. Dezember 2016 geschieden. Am 13. Februar
2017 heiratete A.________ eine schweizerische Staatsangehörige mit Wohnsitz im
Kanton Luzern, mit der er zwei vorehelich geborene Kinder hat.

1.2. Im kantonalen Beschwerdeverfahren betreffend den Widerruf der
Aufenthaltsbewilligung von A.________ traf das Verwaltungsgericht St. Gallen am
16. Januar 2018 folgenden Zirkulationsentscheid: Teilweise Gutheissung der
Beschwerde und Aufhebung des Rekursentscheids vom 9. Mai 2016 mit Ausnahme der
Kostenverlegung; Rückweisung der Angelegenheit an das Migrationsamt zur
Überprüfung beziehungsweise Ergänzung des Sachverhalts im Sinne der Erwägungen
(Abklärung des tatsächlichen Wohnsitzes) und zu neuer Entscheidung; Ablehnung
des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege (wegen fehlenden
Bedürftigkeitsnachweises) und Kostenauflage an A.________. Gegen diesen, das
Verfahren nicht abschliessenden, Zwischenentscheid des Verwaltungsgerichts St.
Gallen führte A.________ Beschwerde beim Bundesgericht, welches auf das
Rechtsmittel, mangels Vorliegens eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils
(Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), mit Urteil vom 22. Februar 2018 nicht eintrat
(Urteil 2C_161/2018).

1.3. In der Folge verneinte das Migrationsamt des Kantons St. Gallen seine
Zuständigkeit, wogegen A.________ Rekurs an das Justiz- und
Sicherheitsdepartement erhob. In der Zwischenzeit erteilte das Mi-grationsamt
des Kantons Luzern A.________ aufgrund seiner Ehe mit einer schweizerischen
Staatsangehörigen eine Aufenthaltsbewil-ligung. Infolgedessen zog er den vor
dem Sicherheits- und Justiz-departement St. Gallen hängigen Rekurs zurück. Das
Sicherheits- und Justizdepartement St. Gallen schrieb das Rekursverfahren mit
Verfügung vom 6. Juni 2019 vom Geschäftsverzeichnis ab.

1.4. Aufgrund des nun rechtskräftigen Abschlusses des Rekurs-verfahrens erhebt
A.________ mit Eingabe vom 8. Juli 2019 erneut Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Kostenverlegung im
Zirkulationsentscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16.
Januar 2018. Er beantragt, dass der angefochtene Entscheid betreffend die
Kostenverlegung aufzuheben sei; die gesamten Verfahrenskosten der kantonalen
Instanzen seien dem Kanton St. Gallen aufzuerlegen und dieser habe den
jeweiligen Rechtsvertretern eine volle Parteientschädigung gemäss Kostennote
zuzusprechen; die Vorinstanz sei anzuweisen, die Kostennote des früheren
Rechtsvertreters zu prüfen; dem Beschwerdeführer sei für das Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht die vollumfängliche unentgeltliche Rechtspflege inklusive
unentgeltliche Rechtsvertretung ab dem 13. September 2016 (Datum der
entsprechenden Gesuchsein-reichung) zu gewähren und es sei ihm für das
bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu
erteilen.

1.5. Der Abteilungspräsident zog als Instruktionsrichter die kantonalen
Vorakten bei.

2. 

2.1. Angefochten ist, entgegen den Ausführungen des Beschwerde-führers, nicht
die Abschreibungsverfügung des Sicherheits- und Justizdepartements vom 6. Juni
2019 (dagegen wäre zuerst Beschwerde vor dem kantonalen Verwaltungsgericht zu
erheben gewesen), sondern die Kostenregelung im Urteil des Verwaltungs-gerichts
St. Gallen vom 16. Januar 2018. Dagegen ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich zulässig (Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG), da auch in der Hauptsache die Beschwerde
zulässig wäre, weil in vertretbarer Weise ein Bewilligungsanspruch geltend
gemacht wird (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario).

2.2. Der angefochtene Entscheid ist als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93
BGG zu qualifizieren und bewirkt weder einen nicht leicht wieder gutzumachenden
Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), noch würde die Gutheissung der Beschwerde
sofort einen Endentscheid herbeiführen (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG; Urteil
2C_161/2018 vom 22. Februar 2018 E. 2.1). Aufgrund dessen kann der angefochtene
Entscheid grundsätzlich noch zusammen mit dem Endentscheid an-gefochten werden
(Art. 93 Abs. 3 BGG). Wird die von der unteren Instanz aufgrund des
Rückweisungsentscheids erlassene neue Ver-fügung oder der neue Entscheid in der
Sache nicht mehr angefochten, kann direkt im Anschluss daran die Kostenregelung
im Rück-weisungsentscheid innert der Beschwerdefrist von Art. 100 BGG direkt
beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 142 II 363 E. 1.1 S. 366). Diese
Situation ergibt sich vorliegend aufgrund der Ab-schreibeverfügung des
Sicherheits- und Justizdepartements St. Gallen vom 6. Juni 2019. Auf die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen An-gelegenheiten ist deshalb einzutreten.

2.3. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art 106 Abs. 1
BGG; BGE 145 IV 228 E. 2.1 S. 231). In Bezug auf verfassungsmässige
Individualrechte (einschliesslich der Grundrechte) gilt eine qualifizierte
Rüge- und Begründungsobliegenheit (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 145 II 32 E. 5.1 S.
41). In der Beschwerde ist daher klar und detailliert anhand der Erwägungen des
angefochtenen Ent-scheids darzulegen, dass und inwiefern verfassungsmässige
Indi-vidualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 145 II 32 E. 5.1 S. 41).

2.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil grundsätzlich den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 Abs. 1 BGG; BGE 145 I
26 E. 1.5 S. 31). Der Beschwerdeführer er-hebt keine Sachverhaltsrügen, weshalb
der vorinstanzliche Sachver-halt für das Bundesgericht verbindlich ist.

3. 

3.1. Der Beschwerdeführer beanstandet die Kostenverlegung im
Zir-kulationsentscheid vom 16. Januar 2018. Es sei willkürlich (Art. 9 BV),
wenn seine Beschwerde teilweise gutgeheissen werde und zur
Sach-verhaltsergänzung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, ihm aber
gleichzeitig sämtliche Verfahrenskosten auferlegt worden seien.

3.2. Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Ge-rechtigkeitsgedanken zuwiderläuft;
dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender
erscheint, genügt nicht; zudem ist erforderlich, dass der Entscheid nicht nur
in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 144 I 113 E.
7.1 S. 124; 144 II 281 E. 3.6.2 S. 287; 144 III 145 E. 2 S. 146).

3.3. Streitgegenstand vor der Vorinstanz war primär der Widerruf der
Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers. Aufgrund der Tat-sache, dass der
Beschwerdeführer während des laufenden Beschwer-deverfahrens mehrmals seinen
Aufenthaltsort gewechselt haben soll, war für die Vorinstanz unklar, ob er
seinen Wohnsitz im Kanton St. Gallen oder im Kanton Luzern hat. Zwecks
Wohnsitzabklärung wies es die Sache deshalb an die Unterinstanz zurück und
hiess die Beschwerde teilweise gut. Die Verfahrenskosten auferlegte es dennoch
dem Beschwerdeführer, weil dessen materiellrechtliche Rechtsbegehren
mehrheitlich abgewiesen worden seien und die er-forderlichen weiteren
Sachverhaltsabklärungen einzig seinen wider-sprüchlichen Angaben betreffend
seinen Wohnsitz geschuldet seien.

3.4. Der Beschwerdeführer beanstandet diese Argumentation der Vorinstanz nicht
hinreichend substanziiert. Seine Rügen erschöpfen sich vielmehr darin, seine
eigene Interpretation der Rechtslage wiederzugeben und die Ausführungen der
Vorinstanz zu kritisieren. Er beanstandet dabei aber weder die Argumentation,
dass seine ma-teriellrechtlichen Rechtsbegehren mehrheitlich abgewiesen worden
seien, noch dass er durch seine widersprüchlichen Angaben zu sei-nem Wohnsitz
die Rückweisung überhaupt erst verursacht habe. Er unterlässt es mithin, anhand
der Erwägungen des angefochtenen Ent-scheids aufzuzeigen, inwiefern die
vorinstanzliche Argumentation und Schlussfolgerung willkürlich und damit
verfassungsrechtlich unhaltbar sein soll. Dies genügt den Anforderungen der
qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit nicht (vorne E. 2.3), weshalb
diese Bean-standung nicht zu hören ist.

3.5. Bei diesem vorinstanzlichen Verfahrensausgang hatte somit der
Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen und es waren keine Parteikosten
zu sprechen. Vor diesem Hintergrund bestand für die Vorinstanz deshalb kein
Grund, die Kostennote des früheren Rechts-vertreters zu prüfen. Die
Nichtüberprüfung der Kostennote erweist sich deshalb als sachlogisch und
stellt, entgegen der Auffassung des Be-schwerdeführers, keine
Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 29 Abs. 1 BV dar. Die entsprechende Rüge
erweist sich somit als unbe-gründet.

4. 

4.1. Der Beschwerdeführer beanstandet weiter, dass die Vorinstanz sein Gesuch
um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, ins-besondere die
eingereichten Unterlagen zum Nachweis der Prozess-armut, nicht ordentlich
geprüft habe und das Gesuch deshalb zu Un-recht abgewiesen worden sei.

4.2. Dem angefochtenen Zirkulationsentscheid vom 16. Januar 2018 lässt sich
entnehmen, dass die Vorinstanz das Gesuch um die Ge-währung der unentgeltlichen
Rechtspflege aus mehreren Gründen abgewiesen hat. Die Vorinstanz weist zunächst
darauf hin, dass der frühere Rechtsvertreter des Beschwerdeführers weder im
Verfahren vor der Vorinstanz, noch vor den weiteren kantonalen Instanzen ein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt habe und dass der
Beschwerdeführer die verlangten Kostenvorschüsse offenbar problem-los habe
bezahlen können. Andernfalls hätte er wohl um die Ge-währung der
unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. Darüber hinaus sei seine Bedürftigkeit
aufgrund der eingereichten Unterlagen nicht hin-reichend nachgewiesen (E. 4.1
des angefochtenen Entscheids).

4.3. Soweit der Beschwerdeführer überhaupt eine rechtsgenügliche Rüge von Art.
29 Abs. 3 BV erhebt (vorne E. 2.3), was hier offen-bleiben kann, ist diese
vorinstanzliche Argumentation jedenfalls nicht verfassungsrechtlich unhaltbar
und verletzt somit weder das Willkür-verbot (Art. 9 BV; vorne E. 3.2) noch Art.
29 Abs. 3 BV. Mit dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 29
Abs. 3 BV soll eine nicht über genügend finanzielle Mittel verfügende Partei in
den Stand versetzt werden, zur Durchsetzung ihrer Rechte einen Prozess zu
führen und es soll ihr, gleich wie einer vermögenden Partei, der Zugang zum
Gericht ungeachtet ihrer Bedürftigkeit möglich sein (BGE 140 III 12 E. 3.3.1 S.
13). Aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer instanzenübergreifend
sämtliche Kostenvorschüsse vorbehaltlos bezahlen konnte, was er nicht
bestreitet, war sein Zugang zum Gericht auch ohne die Gewährung der
unentgeltlichen Rechts-pflege offensichtlich sichergestellt. Bereits dieser
Umstand genügt, damit die Vorinstanz das entsprechende Gesuch des
Beschwerde-führers willkürfrei und verfassungsrechtlich haltbar verweigern
durfte.

5. 

5.1. Die Beschwerde erweist sich nach dem Dargelegten als offensichtlich
unbegründet. Sie kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a
BGG abgewiesen werden.

5.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer
gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG grundsätzlich kostenpflichtig; er hat indessen um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. Dem Gesuch kann nicht
entsprochen wer-den. Der Beschwerdeführer vermag dem einlässlich begründeten
vorinstanzlichen Urteil nichts Substanzielles entgegenzusetzen. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist daher infolge Aus-sichtslosigkeit abzuweisen
(Art. 64 Abs. 1 BGG) und die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dem
unterliegenden Beschwerde-führer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind
keine Partei-entschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 

Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'000.-- werden dem
Beschwerdeführer auferlegt.

4. 

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungs-gericht des
Kantons St. Gallen, Abteilung II, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. November 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Hahn