Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.642/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_642/2019

Urteil vom 4. November 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichterin Aubry Girardin,

Bundesrichter Donzallaz,

Gerichtsschreiber Businger.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Herr Tarig Hassan,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,

Sicherheitsdirektion des Kant ons Zürich.

Gegenstand

Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 29. Mai 2019 (VB.2018.00423).

Erwägungen:

1.

1.1. A.________ (geboren 1978) ist algerischer Staatsangehöriger. Er heiratete
im Jahr 2011 eine 1947 geborene Schweizerin, reiste im Sommer 2012 in die
Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner
Ehefrau. Nach dem Scheitern der Ehe (die Scheidung erfolgte Anfang 2016)
widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich am 27. November 2015 die
Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Die
dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos; das Bundesgericht wies die
Beschwerde letztinstanzlich mit Urteil 2C_579/2016 vom 24. August 2017 ab.

1.2. Während des bundesgerichtlichen Verfahrens heiratete A.________ eine 1984
geborene Schweizerin und ersuchte um eine Aufenthaltsbewilligung. Das
Migrationsamt des Kantons Zürich wies das Gesuch am 21. April 2017 ab. Die
dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen die Sicherheitsdirektion des Kantons
Zürich am 18. Juni 2018 und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 29.
Mai 2019 ab. Während des Rekursverfahrens kehrte A.________ ohne Rückreisevisum
in sein Heimatland zurück, wo er bis heute mit seiner Ehefrau lebt.

1.3. Mit Beschwerde vom 5. Juli 2019 beantragt A.________ dem Bundesgericht, es
sei ihm eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau zu
erteilen. Zudem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen. Das
Bundesgericht hat die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. A.________
hat sich in der Folge mit weiteren Eingaben und E-Mails an das Bundesgericht
gewandt und u.a. wegen der gesundheitlichen Situation seiner Ehefrau einen
schnellen Entscheid erbeten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt aufgrund seiner Heirat mit einer Schweizerin
grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
(Art. 42 Abs. 1 AIG [SR 142.20]). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist deshalb zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e
contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG).

2.2. Nachdem die Vorinstanz dem Beschwerdeführer nicht vorwirft, er führe eine
Scheinehe, gehen die entsprechenden Ausführungen (vgl. S. 7 ff. Ziff. 3.1.2 bis
3.1.10 der Beschwerde) offensichtlich an der Sache vorbei. Darauf ist nicht
einzutreten.

3.

3.1. Ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von
Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1
BGG). Der Anspruch erlischt, wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 AIG vorliegen
(Art. 51 Abs. 1 lit. b AIG). Dies ist u.a. der Fall, wenn die Ausländerin oder
der Ausländer oder eine Person, für die sie oder er zu sorgen hat, dauerhaft
und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist (Art. 63 Abs. 1 lit. c
AIG).

3.2. Das Verwaltungsgericht hat sich eingehend mit dem Sozialhilfebezug des
Beschwerdeführers auseinandergesetzt - zusammen mit seiner Ehefrau hat er in
rund zwei Jahren Fr. 97'085.30 bezogen - und unter Hinweis auf die
bundesgerichtliche Rechtsprechung zutreffend erwogen, dass das Kriterium der
Erheblichkeit dadurch erfüllt sei (vgl. E. 3.2 des angefochtenen Urteils).
Diese Erwägungen werden in der Beschwerde nicht substanziiert infrage gestellt.

3.3.

3.3.1. Was die Dauerhaftigkeit des Sozialhilfebezugs betrifft, so hat die
Vorinstanz erwogen, dass weder der Beschwerdeführer noch seine Ehefrau
wirtschaftlich integriert seien. Eine Loslösung von der Sozialhilfe erscheine
deshalb als unwahrscheinlich. Der Beschwerdeführer habe nur kurze
Beschäftigungsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt gehabt und sei spätestens ab
Oktober 2014 arbeitslos gewesen. Seine im Februar 2015 angetretene neue Stelle
sei noch während der Probezeit gekündigt worden. Ab November 2015 sei er als
Aushilfe bzw. Reinigungsmitarbeiter tätig gewesen, habe die Stelle aber per
Ende Monat gekündigt, weil er per Januar 2016 eine Lehrstelle als
Lagermitarbeiter habe antreten können. Spätestens ab April 2016 sei er erneut
keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen. Er habe Ende August 2016 an einem
Beschäftigungsprogramm teilgenommen und dabei zu 50 % als Reinigungsmitarbeiter
gearbeitet. Ab Juli 2017 habe er im Rahmen einer befristeten Anstellung drei
Monate gearbeitet. Vor diesem Hintergrund sei nicht wahrscheinlich, dass er -
trotz eines zugesicherten Arbeitseinsatzes - finanziell unabhängig werden
könnte. Zudem habe der Beschwerdeführer Verlustscheine und Schulden von über
Fr. 10'000.-- (vgl. E. 3.4 des angefochtenen Urteils). Seine Ehefrau sei
verpflichtet gewesen, zur Vermeidung der Sozialhilfeabhängigkeit der Familie
ihr Arbeitspotential auszuschöpfen. Sie sei jedoch während der gesamten
Ehedauer - bis auf einen Aushilfsjob - nicht erwerbstätig gewesen. Unabhängig
von der angeblichen Arbeitsunfähigkeit seit Mai 2018 seien frühere Bemühungen
der Ehefrau, nach ihrer vorherigen Ehe ins Erwerbsleben einzusteigen, nicht
nachgewiesen worden (vgl. E. 3.5 des angefochtenen Urteils).

3.3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, der Sozialhilfebezug sei nicht
selbstverschuldet, weil er seit November 2015 über kein gefestigtes
Aufenthaltsrecht in der Schweiz verfüge und es ihm deshalb kaum möglich gewesen
sei, eine Stelle anzutreten. Weil er sich in der früheren Ehe um den
gemeinsamen Haushalt gekümmert habe, sei der Wiedereinstieg umso schwieriger
gewesen. Auch die Ehefrau sei unverschuldet sozialhilfeabhängig, weil sie nur
aufgrund der klassischen Rollenverteilung in der ersten Ehe und ihres
schlechten Gesundheitszustandes den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nicht
geschafft habe. Die Arbeitszusicherung der B.________ AG belege, dass in
Zukunft keine Gefahr der Sozialhilfeabhängigkeit mehr bestehe.

3.4. Wie sich aus der für das Bundesgericht verbindlichen (Art. 105 Abs. 1 BGG)
und vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellung ergibt, hat der Beschwerdeführer seit Anfang 2015
mehrere Arbeitsstellen innegehabt. Deshalb kann keine Rede davon sein, dass es
ihm wegen seines Aufenthaltsstatus kaum möglich gewesen sei, eine Stelle
anzutreten. Hierfür bleibt er auch jeglichen Nachweis schuldig. Der
Sozialhilfebezug kann aus demselben Grund auch nicht auf die Rollenverteilung
in der früheren Ehe und die dadurch bedingten Schwierigkeiten des beruflichen
Wiedereinstiegs zurückgeführt werden. Was die Ehefrau betrifft, so hat ihr die
Vorinstanz nicht vorgehalten, sie habe den Berufseinstieg nach der früheren Ehe
nicht geschafft. Vielmehr hat die Vorinstanz erwogen, dass die Ehefrau keine
entsprechenden Bemühungen nachgewiesen habe. Damit setzt sich die Beschwerde
nicht auseinander. Was sodann die Stellenzusicherung betrifft, so hat der
Beschwerdeführer gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen bereits für diesen
Arbeitgeber gearbeitet und musste dennoch von der Sozialhilfe unterstützt
werden. Angesichts der zahlreichen kurzen Beschäftigungsverhältnisse ist nicht
davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einem Stellenantritt für einen
längeren Zeitraum finanziell unabhängig wird. Die Würdigung der Vorinstanz,
wonach eine Loslösung von der Sozialhilfe nicht absehbar erscheint und die
Fürsorgeabhängigkeit als dauerhaft zu qualifizieren ist, ist deshalb nicht zu
beanstanden. Der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG ist erfüllt.

4.

4.1. Auch wenn ein Widerrufsgrund vorliegt, muss sich die Nichterteilung der
Aufenthaltsbewilligung als verhältnismässig erweisen (Art. 5 Abs. 2 BV und Art.
96 AIG), wobei das öffentliche Interesse an der Fernhaltung des
Beschwerdeführers gegen sein privates Interesse an der Einreise in die Schweiz
abzuwägen ist (BGE 135 I 143 E. 2.1 S. 147).

4.2. Das Verwaltungsgericht hat erwogen, dass der Beschwerdeführer erst im
Alter von 34 Jahren in die Schweiz eingereist sei und sich hier etwas mehr als
fünf Jahre aufgehalten habe. Er habe den grössten Teil seines Lebens im
Heimatland verbracht, wo er auch familiär und beruflich integriert gewesen sei.
Es könne davon ausgegangen werden, dass er sich wiederum integrieren könne. Der
Ehefrau sei es zumutbar, dem Beschwerdeführer nach Algerien zu folgen.
Einerseits habe sie mehrfach erklärt, dass sie in Algerien leben wolle, und
entsprechende Sprachkenntnisse erworben. Andererseits kenne sie das Land von
Besuchen her. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern sie sich aus gesundheitlichen
Gründen nicht dort aufhalten könne. Die Nichterteilung der
Aufenthaltsbewilligung sei deshalb verhältnismässig (vgl. E. 4 des
angefochtenen Urteils).

4.3. Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche
Verhältnismässigkeitsprüfung einwendet, führt zu keiner anderen Beurteilung:

4.3.1. Soweit sich der Beschwerdeführer auf seine Aufenthaltsdauer und gute
Integration beruft, ist darauf hinzuweisen, dass er sich bis zur Ausreise
lediglich rund sechs Jahre in der Schweiz aufgehalten hat, wovon die Hälfte auf
die aufschiebende Wirkung der von ihm angestrengten zwei Rechtsmittelverfahren
entfallen, und von einer guten Integration angesichts des erheblichen
Sozialhilfebezugs keine Rede sein kann. Zudem muss der Sozialhilfebezug nach
den vorherigen Erwägungen (vgl. E. 3.4) als überwiegend selbstverschuldet
qualifiziert werden. Der Verweis auf das Urteil des EGMR Hasanbasic gegen die
Schweiz vom 11. Juni 2013 (52166/09) geht fehl, weil sich der dort betroffene
Ausländer über zwanzig Jahre lang in der Schweiz aufgehalten hatte. Der
vorliegende Fall ist entgegen der Auffassung in der Beschwerde auch nicht mit
dem Sachverhalt vergleichbar, der dem Urteil 2C_1058/2013 vom 11. September
2014 zugrunde lag, weil der Sozialhilfebezug der dort Betroffenen unverschuldet
war und sie seit über zehn Jahren mit einem Schweizer Bürger verheiratet war.

4.3.2. Auch der Hinweis auf den schlechten Gesundheitszustand der Ehefrau
verfängt nicht. Der Beschwerdeführer weist nicht nach, dass die notwendige
medizinische Versorgung seiner Ehefrau in Algerien nicht gewährleistet ist.
Soweit in der Beschwerde gerügt wird, die Ehefrau könne sich in Algerien aus
sprachlichen Gründen nicht wirtschaftlich integrieren, fällt dies angesichts
der fehlenden wirtschaftlichen Integration der Ehefrau in der Schweiz nicht ins
Gewicht. Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass der Beschwerdeführer im
Zeitpunkt der Heirat bereits kantonal letztinstanzlich weggewiesen worden war
und seine Ehefrau damit rechnen musste, dass sie die Ehe allenfalls nicht in
der Schweiz würden leben können. Wenn sie sich ein Leben in Algerien nicht
vorstellen kann, hat sie die Trennung von ihrem Ehemann hinzunehmen.

4.4. Nachdem sich die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung als
verhältnismässig erweist, spielt es keine Rolle, dass sich der Beschwerdeführer
durch seine Heirat auch auf den Anspruch auf Achtung des Familienlebens berufen
kann (Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK). Die Einschränkung des
entsprechenden Anspruchs ist zulässig (Art. 36 Abs. 3 BV und Art. 8 Ziff. 2
EMRK).

5.

Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64
Abs. 1 BGG e contrario).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.

Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. November 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Businger