Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.629/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_629/2019

Urteil vom 19. Juli 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd, Stadelmann,

Gerichtsschreiber Brunner.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

vertreten durch B.________,

gegen

Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt.

Gegenstand

Verlängerung der Durchsetzungshaft,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht, Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht,
vom 5. Juni 2019 (AUS.2019.31).

Sachverhalt:

A.

A.________ stammt eigenen Angaben zufolge aus Algerien. Im März 2013 stellte er
in der Schweiz ein Asylgesuch. Darauf trat das Bundesamt für Migration (BFM;
heute: Staatssekretariat für Migration [SEM]) mit Verfügung vom 18. Juli 2013
nicht ein. Der daraufhin ergangenen Wegweisungsanordnung leistete A.________
keine Folge; stattdessen wurde er in der Schweiz straffällig und erwirkte unter
anderem wegen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, Hausfriedensbruchs,
rechtswidriger Einreise und rechtswidrigen Aufenthalts mehrere Haftstrafen.
Kurz vor Beendigung des Strafvollzugs verfügte das Migrationsamt des Kantons
Basel-Stadt (nachfolgend: Migrationsamt) am 7. Dezember 2018 eine dreimonatige
Ausschaffungshaft. Die Einzelrichterin des Appellationsgerichts Basel-Stadt für
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (nachfolgend: die Einzelrichterin)
bestätigte die angeordnete Ausschaffungshaft mit Urteil vom 10. Dezember 2018,
beschränkte die Haftdauer indes auf einen Monat.

B.

B.a. Mit Verfügung vom 3. Januar 2019 hob das Migrationsamt die
Ausschaffungshaft auf und verfügte stattdessen eine Durchsetzungshaft von einem
Monat. Mit Urteil vom 7. Januar 2019 bestätigte die Einzelrichterin diese
Durchsetzungshaft. Mit Verfügung vom 30. Januar 2019 stimmte die
Einzelrichterin auch der vom Migrationsamt verfügten Verlängerung der
Durchsetzungshaft bis zum 2. April 2019 zu; ihre Zustimmung hielt sie auch nach
einer im Beisein des amtlichen Rechtsbeistands durchgeführten
Gerichtsverhandlung aufrecht. Ein weiteres Mal verlängerte das Migrationsamt
mit Verfügung vom 21. März 2019 die Durchsetzungshaft um zwei Monate. Auch
diese Verlängerung wurde von der Einzelrichterin mit Verfügung vom 29. März
2019 beziehungsweise mit dem nach mündlicher Verhandlung ergangenen Urteil vom
8. April 2019 geschützt.

B.b. Zuletzt verlängerte das Migrationsamt die Ausschaffungshaft mit Verfügung
vom 23. Mai 2019 um weitere zwei Monate. Mit Verfügung vom 29. Mai 2019
schützte die Einzelrichterin auch diesen Entscheid. A.________ verlangte in der
Folge eine mündliche Verhandlung unter Beigabe eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands in der Person eines namentlich benannten Rechtsanwalts. Mit
Verfügung vom 3. Juni 2019 setzte die Einzelrichterin auf den 5. Juni 2019 eine
Verhandlung an, wies das Gesuch um Beiordnung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands hingegen ab. Nach Durchführung der Verhandlung am 5. Juni 2019
stellte die Einzelrichterin mit gleichentags ergangenem Urteil fest, die
Verlängerung der Durchsetzungshaft über A.________ sei bis zum 2. August 2019
rechtmässig und angemessen.

C.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Juli 2019
gelangt A.________ an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Urteils
der Einzelrichterin des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 5. Juni 2019 und
die Anweisung an das Migrationsamt, ihn aus der Durchsetzungshaft zu entlassen
und umgehend auf freien Fuss zu setzen; weiter sei festzustellen, dass er in
seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 2 lit. c EMRK sowie Art. 29 BV verletzt sei.

Mit Präsidialverfügung vom 3. Juli 2019 verzichtet das Bundesgericht
antragsgemäss auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

Das Migrationsamt und die Einzelrichterin des Appellationsgerichts beantragen
die Abweisung der Beschwerde. Das SEM verzichtet auf Vernehmlassung. A.________
repliziert.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend Zwangsmassnahmen
im Ausländerrecht steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c e contrario, Art. 86 Abs.
1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 89
Abs. 1 BGG zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
legitimiert, weshalb auf das frist- und formgerecht eingereichte Rechtsmittel
grundsätzlich einzutreten ist (Art. 100 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG).

1.2. Der Beschwerdeführer beantragt die Feststellung einer Verletzung von Art.
6 Abs. 2 lit. c EMRK und Art. 29 BV. Feststellungsbegehren sind im
bundesgerichtlichen Verfahren indes nur dann zulässig, wenn an der Feststellung
ein schutzwürdiges Interesse besteht und dieses Interesse nicht ebenso gut mit
einem Leistungsbegehren gewahrt werden kan (vgl. BGE 126 II 300 E. 2c S. 303;
Urteile 2C_364+425/2015 vom 3. Februar 2017 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 143 II
409; 2C_497/2017 vom 5. März 2018 E. 1). Der Beschwerdeführer macht nicht
geltend, dass er an der beantragten Feststellung ein Interesse hätte, das über
die ebenfalls beantragte Entlassung aus der Durchsetzungshaft hinausginge; ein
solches Interesse ist auch nicht erkennbar. Aufgrund der Subsidiarität von
Feststellungsbegehren ist auf den genannten Feststellungsantrag nicht
einzutreten.

2.

Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG),
prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten
Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind
(BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten
gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).

Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder
Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen
(Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den
tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht
jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels
für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I
135 E. 1.6 S. 144 f.).

3.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verlängerung der Durchsetzungshaft sei
unrechtmässig erfolgt.

3.1. Die Durchsetzungshaft bildet das letzte Mittel, wenn und soweit keine
andere Massnahme (mehr) zum Ziel führt, einen illegal anwesenden Ausländer auch
gegen seinen Willen in seine Heimat verbringen zu können. Sie setzt voraus,
dass ein rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt, der
Betroffene diesem nicht rechtzeitig freiwillig nachgekommen ist und der
zwangsweise Vollzug der Weg- oder Ausweisung bzw. der Landesverweisung an einem
ihm vorwerfbaren Verhalten scheitert. Zudem darf die Ausschaffungshaft nicht
mehr zulässig sein und kein milderes Mittel zur Verfügung stehen, um den
Haftzweck zu erreichen (Festhaltung zur Sicherung der Ausschaffung bzw.
Durchsetzung der Ausreisepflicht, soweit diese von der Mitwirkung des
Betroffenen abhängt; vgl. Art. 78 Abs. 1 AIG [SR 142.20]). Der mit der
Durchsetzungshaft verbundene Freiheitsentzug steht im Einklang mit Art. 5 Ziff.
1 lit. f EMRK (Haft zur Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens) und
dient in diesem Rahmen der Durchsetzung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen
Verpflichtung des Betroffenen (Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK; vgl. BGE 134 I 92 E.
2.3.1).

3.2. Wie jedes staatliche Handeln muss die Durchsetzungshaft verhältnismässig
sein. Innerhalb der Höchstdauer von 18 Monaten (vgl. Art. 79 AIG) ist jeweils
aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob die ausländerrechtliche
Festhaltung insgesamt noch geeignet bzw. erforderlich erscheint und nicht gegen
das Übermassverbot verstösst (BGE 140 II 409 E. 2.1 S. 411; 135 II 105 E. 2.2.1
S. 107; 134 I 92 E. 2.3.1 und 2.3.2 S. 96 f.; 133 II 97 E. 2.2 S. 99 f.). Neben
dem Verhalten der betroffenen Person bildet ihr erklärtes, konsequent
unkooperatives Verhalten diesbezüglich nur einen - allenfalls aber gewichtigen
- Gesichtspunkt unter anderen (vgl. Urteil 2C_1038/2018 vom 7. Dezember 2018 E.
2.3).

3.3. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, die Verlängerung der
Durchsetzungshaft sei unverhältnismässig, weil feststehe, dass er zur
Feststellung seiner Identität auch weiterhin nicht mit den Behörden
zusammenarbeiten werde.

Sein Einwand verfängt nicht. Die unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismässigkeit erforderliche Eignung der Durchsetzungshaft ist nach der
Rechtsprechung schon dann gegeben, wenn eine minimale Wahrscheinlichkeit dafür
besteht, dass der renitente Ausländer dadurch sein Verhalten überdenkt und zur
Durchführung der Wegweisung mit den Behörden kooperiert (vgl. Urteil 2C_441/
2011 vom 15. Juni 2011 E. 2.2). Die Vorinstanz hat diesbezüglich festgestellt,
die vom Gesetz vorgesehene maximale Haftdauer sei noch längstens nicht
ausgeschöpft, und es sei deshalb nicht auszuschliessen, dass die Fortdauer der
Inhaftierung den Beschwerdeführer noch zu einem Umdenken bewegen könne.
Inwiefern diese Feststellung offensichtlich unrichtig sein soll, legt der
Beschwerdeführer nicht dar; der abstrakte Hinweis auf allgemeine
Erfahrungswerte genügt nicht, um entgegen der Vorinstanz im Falle des
Beschwerdeführers davon auszugehen, die erforderliche minimale
Wahrscheinlichkeit einer Verhaltensänderung sei ausgeschlossen.

3.4. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Voraussetzungen für die
Anordnung der Durchsetzungshaft (vgl. E. 3.2 hiervor) im Übrigen erfüllt sind.
Die von der Vorinstanz bestätigte Verlängerung der Durchsetzungshaft erweist
sich als rechtmässig.

4.

Der Beschwerdeführer beanstandet, ihm sei im vorinstanzlichen Verfahren
verweigert worden, einen Rechtsvertreter beizuziehen.

4.1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vermittelt einer Person das Recht, sich
in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durch einen Rechtsvertreter ihrer Wahl
vertreten zu lassen (BGE 132 V 443 E. 3.3 S. 445). Mit seinen Vorbringen
verkennt der Beschwerdeführer jedoch, dass die Vorinstanz ihm nie den Beizug
eines Rechtsvertreters verweigert hat; die Verfügung der Vorinstanz vom 3. Juni
2019 bezieht sich vielmehr auf die Frage, ob ein allfällig beigezogener
Rechtsvertreter vom Staat als unentgeltlicher Rechtsbeistand eingesetzt und
entsprechend entschädigt würde.

4.2. Eine allfällige Übernahme der Vertretungskosten durch den Staat bestimmt
sich nach Massgabe von Art. 29 Abs. 3 BV (vgl. KIENER/ RÜTSCHE/KUHN,
Öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 246). Diese Bestimmung setzt
voraus, dass die Beiordnung des unentgeltlichen Rechtsbeistands zur Wahrung der
Rechte der betroffenen Person notwendig ist. In Bezug auf die Durchsetzungshaft
geht das Bundesgericht davon aus, dass die Notwendigkeit der Verbeiständung
insbesondere für die erste haftrichterliche Verhandlung zu bejahen ist, bei
Haftverlängerungen alsdann (nur) noch bei besonderen Schwierigkeiten
rechtlicher oder tatsächlicher Natur (BGE 134 I 92 E. 4.1 S. 101 f.).

Was den vorliegenden Fall betrifft, hat die Vorinstanz unter Zugrundelegung
dieser Massstäbe nachvollziehbar festgestellt, der Sachverhalt sei nicht
komplex und habe sich - soweit aus den Akten ersichtlich - seit der letzten
Beurteilung der Angelegenheit nicht verändert; entsprechend sei die Beiordnung
eines unentgeltlichen Rechtsbeistands (anders als noch bei der Verhandlung vom
7. Februar 2019) nicht notwendig. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was
diese Feststellung in Frage stellen könnte; seine Ausführungen, wonach es im
Zusammenhang mit der Durchsetzungshaft "[k]eine einzige gut verständliche
Bestimmung" gebe, zielen an der Sache vorbei, nachdem aus den verschiedenen
Entscheiden zur Anordnung bzw. Verlängerung der Durchsetzungshaft klar
hervorgeht, was diesbezüglich vorausgesetzt wird, und sich der Sachverhalt seit
der erstmaligen Anordnung der Durchsetzungshaft nicht massgeblich geändert hat
(vgl. auch Urteil 2C_724/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 2.2 und 2.3). Auch
bezüglich des Anspruchs auf Beziehung eines Rechtsbeistands verletzt der
angefochtene Entscheid deshalb Bundesrecht nicht.

5.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist.

Bei diesem Verfahrensausgang wären die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Umständehalber ist auf die
Erhebung von Gerichtskosten jedoch zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.

Es werden keine Kosten erhoben.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Einzelrichterin für
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juli 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Brunner