Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.536/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_536/2019

Urteil vom 6. Januar 2020

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd, Bundesrichterin Hänni,

Gerichtsschreiber Errass.

Verfahrensbeteiligte

A.________, Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Homberger,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand

Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Abteilung, vom 17. April 2019 (VB.2018.00796).

Sachverhalt:

A. 

A.________ (Ägypter; 1976) beantragte in der Schweiz unter falscher Identität
im Juni 2008 erfolglos Asyl. Mangels Mitwirkung bei der Beschaffung von
Ausweisschriften und mangels Offenlegung seiner wahren Identität konnte die
Wegweisung nicht vollzogen werden, weshalb er vom 28. Januar 2009 bis zum 15.
Juni 2009 in Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft genommen wurde. Wegen
verschiedener migrationsrechtlicher Delikte und eines geringfügigen
Diebstahldelikts musste er schliesslich eine unbedingte Gesamtstrafe von 90
Tagen Freiheitsstrafe verbüssen. Am 29. Dezember 2010 kehrte A.________ nach
Ägypten zurück.

B. 

Am 9. August 2014 heiratete A.________ in Österreich eine fünf Jahre ältere
griechische Staatsangehörige. Am 2. August 2015 reiste er in die Schweiz ein
und erhielt am 24. September 2015 eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zum
Verbleib bei seiner inzwischen in der Schweiz wohnhaften griechischen Ehefrau.
Diese zeigte ihren Ehemann am 9. Oktober 2017 wegen Bedrohung an, weshalb die
Kantonspolizei Zürich am 13. Oktober 2017 verschiedene Gewaltschutzmassnahmen
(Wegweisung aus der ehelichen Wohnung, Kontakt und Rayonverbot) gegen den
Ehemann verfügte. Die Gewaltschutzmassnahmen wurden später vom
Zwangsmassnahmengericht verlängert. In der Folge wurde er rechtskräftig wegen
mehrfacher Bedrohung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 80.-- und
einer Busse von Fr. 1'200.-- verurteilt. Das Migrationsamt des Kantons Zürich
widerrief nach Gewährung des rechtlichen Gehörs am 27. März 2018 die
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA von A.________, da die Ehegatten ihr eheliches
Zusammenleben seit der Anzeige nicht mehr aufgenommen hatten. Die Rechtsmittel
dagegen waren erfolglos (Sicherheitsdirektion: 31. Oktober 2018;
Verwaltungsgericht: 17. April 2019).

C. 

Vor Bundesgericht beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts
aufzuheben, das Migrationsamt des Kantons Zürich anzuweisen, ihm die
Aufenthaltsbewilligung zu belassen, und ihm für die kantonalen Verfahren eine
Entschädigung zuzusprechen.

D. 

Die Sicherheitsdirektion verzichtet auf eine Vernehmlassung ohne Antrag,
während das Verwaltungsgericht ohne Vernehmlassung beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Antragsgemäss hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der
Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1. 

Der Beschwerdeführer beruft sich in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten in einer nicht zum Vornherein aussichtslosen Weise (Art. 83
lit. c e contrario BGG) als Angehöriger einer EU-Bürgerin auf Rechtsansprüche
aus dem Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681).
Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen (Art. 42 Abs. 1 und 2, Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG) sind
erfüllt, weshalb auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
einzutreten ist.

Nicht einzutreten ist mangels Begründung (Art. 117 i.V.m. 106 Abs. 2 BGG)
demgegenüber auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde, mit welcher der
Beschwerdeführer rügte, dass die Wegweisung unzumutbar sei.

2.

2.1. Nach Art. 3 Abs. 1 Anhang I FZA haben die Familienangehörigen einer
Person, die Staatsangehörige einer Vertragspartei ist und ein Aufenthaltsrecht
hat, das Recht, bei ihr Wohnung zu nehmen. Es handelt sich dabei um ein
abgeleitetes Aufenthaltsrecht des Ehegatten, das dazu bestimmt ist, durch
Ermöglichung des gemeinsamen Familienlebens die Wirksamkeit der Freizügigkeit
der EU-Angehörigen sicherzustellen und das nur so lange dauert, als das
originäre Aufenthaltsrecht des EU-Angehörigen besteht (BGE 144 II 1 E. 3.1 S.
4; 139 II 393 E. 2.1 S. 395; 137 II 1 E. 3.2 S. 5 f.; 130 II 113 E. 7 S. 124
ff.). Nach der Rechtsprechung setzt dieses Recht grundsätzlich nur das formale
Bestehen einer Ehe voraus, doch steht es unter dem Vorbehalt des
Rechtsmissbrauchs; fehlt der Wille zur Gemeinschaft und dient das formelle
Eheband ausschliesslich (noch) dazu, die ausländerrechtlichen
Zulassungsvorschriften zu umgehen, fällt der Anspruch dahin (BGE 144 II 1 E.
3.1 S. 4; 139 II 393 E. 2.1 S. 395; 130 II 113 E. 9 S. 129 ff.). Die vom
originär anwesenheitsberechtigten EU-Bürger abgeleitete Bewilligung des
Drittstaatsangehörigen kann in diesem Fall mangels Fortdauerns der
Bewilligungsvoraussetzungen gestützt auf Art. 23 Abs. 1 der Verordnung vom 22.
Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP; SR 142.203)
i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. d AIG (bis 31. Dezember 2018 AuG [AS 2007 5437]; SR
142.20; Nichteinhalten einer mit der Verfügung verbundenen Bedingung)
widerrufen oder nicht (mehr) verlängert werden, da das Freizügigkeitsabkommen
diesbezüglich keine eigenen abweichenden Bestimmungen enthält (vgl. Art. 2 Abs.
2 AIG; BGE 139 II 393 E. 2.1 S. 395 mit Hinweisen).

2.2. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau haben sich nach rund drei Ehejahren
im Oktober 2017 definitiv getrennt, was durch die massiven Bedrohungen des
Beschwerdeführers gegenüber seiner Ehefrau ausgelöst wurde, die auch in
Gewaltschutzmassnahmen und in einer strafrechtlichen Verurteilung mündeten. An
dieser Trennung hat sich bis zum vorinstanzlichen Entscheid vom 17. April 2019,
in welchem entsprechend Art. 110 BGG der Sachverhalt so festzustellen ist, wie
er sich zum Zeitpunkt dieses Urteils tatsächlich präsentiert (Urteil 2C_1034/
2016 vom 13. November 2017 E. 4.2), nichts geändert. Immerhin sind zwischen
Oktober 2017 und April 2019 eineinhalb Jahre vergangen, weshalb der Auffassung
des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden kann, dass es keine klare Anzeichen
für ein Scheitern der Ehe gibt. Kommt hinzu, dass die Ehefrau des
Beschwerdeführers bereits vor dessen massiven Bedrohungen konstatierte, dass
der Beschwerdeführer mit ihr nicht mehr zusammenlebte, sondern monatelang nicht
zu Hause erschien; zudem hat der Beschwerdeführer ebenfalls bereits vor den
Gewaltschutzmassnahmen und vor der Anzeige Ende August 2017 die gemeinsame
eheliche Wohnung verlassen (Art. 105 Abs. 2 BGG), was insgesamt darauf
hindeutet, dass die Ehe bereits vor der Anzeige ihres Inhaltes entleert war.
Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass sich der
Beschwerdeführer auf eine inhaltsleere, nur noch formell bestehende Ehe berief,
um sein Anwesenheitsrecht zu sichern. Hierzu dient die freizügigkeitsrechtliche
Nachzugsregelung für Drittstaatsangehörige nicht.

3.

Der Beschwerdeführer beruft sich sodann auf Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2
AIG (vgl. zu dessen Anwendbarkeit im Rahmen des FZA BGE 144 II 1 E. 4 insbes.
4.7 S. 7 ff. bzw. 10 f.). Danach besteht nach Auflösung der Ehe oder der
Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung
und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Artikeln 42 und 43 weiter,
wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz
erforderlich machen. Wichtige persönliche Gründe nach Absatz 1 Buchstabe b
können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer
ehelicher Gewalt wurde oder die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen wurde
oder die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint
(Art. 50 Abs. 2 AIG). Bereits diese Aufzählung macht klar, dass es spezieller
Gründe bedarf, damit die ausländische Person nicht in ihr Heimatland
zurückkehren muss. Diesbezüglich spielt es deshalb keine Rolle, dass Ägypten
wirtschaftlich am Boden sei und der Beschwerdeführer dort im Gegensatz zur
Schweiz keine Zukunft habe oder dass die Menschenrechtslage in Ägypten
problematisch sei. Diese Gründe machen noch keinen Aufenthalt in der Schweiz
erforderlich, auch wenn das Leben hier sich einfacher als dort gestaltet. Der
Beschwerdeführer hat lediglich in genereller Weise auf die Unwägbarkeiten in
Ägypten hingewiesen. Inwiefern er aber persönlich davon betroffen ist, hat er
nicht ausgeführt. Eine besondere, aussergewöhnliche Beziehung hat er zur
Schweiz nicht geknüpft, auch wenn er die Sprache spricht, hier arbeitet und
sich grundsätzlich normal integriert hat.

4. 

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Entsprechend diesem Verfahrensausgang ist der
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 66
Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 

Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden dem
Beschwerdeführer auferlegt.

3. 

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Januar 2020

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Errass