Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.445/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_445/2019

Urteil vom 7. August 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichterin Aubry Girardin,

Bundesrichter Stadelmann,

Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern,

gegen

Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau.

Gegenstand

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 2. März 2019 (WBE.2018.275).

Sachverhalt:

A.

Der 1961 geborene A.________, jugoslawischer bzw. bosnischer Staatsangehöriger,
hielt sich in den Jahren 1994 bis 2001 im Rahmen eines Asylverfahrens erstmals
in der Schweiz auf. In dieser Zeit wurde er wegen ausländer- und
strassenverkehrsrechtlicher Delikte im Strafbefehlsverfahren zu verschiedenen
Strafen verurteilt. Im Jahre 2006 hielt er sich wiederum für einige Zeit in der
Schweiz auf, weswegen er wegen illegaler Einreise und rechtswidrigen
Aufenthalts verurteilt wurde.

Am 19. Mai 2007 heiratete A.________ in Zagreb eine in der Schweiz wohnhafte
kroatische Staatsangehörige und reiste im Rahmen des Familiennachzuges am 8.
August 2008 in die Schweiz ein. In der Folge wurde ihm eine mehrfach
verlängerte Aufenthaltsbewilligung zwecks Verbleibs bei seiner Ehefrau erteilt.
Aus dieser Ehe ging am 17. April 2009 eine Tochter hervor.

Das Bezirksgericht Aarau verurteilte A.________ am 26. April 2017 wegen
Nötigung und verschiedener Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz,
begangen im Mai 2016, zu einer bedingten (Probezeit: vier Jahre)
Freiheitsstrafe von 22 Monaten und einer Busse von Fr. 2'500.--. Daraufhin
verfügte das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau am 31.
Oktober 2017 die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und die
Wegweisung des A.________ aus der Schweiz. Eine hiegegen erhobene Einsprache
wurde mit Entscheid vom 25. Juni 2018 abgewiesen.

B.

Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau mit Urteil vom 26. März 2019 ab.

C.

Mit Beschwerde beim Bundesgericht beantragt A.________, es sei ihm unter
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides seine Aufenthaltsbewilligung zu
verlängern und von einer Wegweisung abzusehen. Gleichzeitig stellt A.________
ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gegen
Entscheide ausgeschlossen, auf deren Erteilung weder das Bundes- noch das
Völkerrecht einen Rechtsanspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Der
Beschwerdeführer macht in vertretbarer Weise geltend, einen Anspruch auf
Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung zu haben (Art. 3 Anhang 1 FZA). Ob
die Bewilligungsvoraussetzungen gegeben sind, ist eine Frage der materiellen
Beurteilung und keine solche des Eintretens (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332). Da
alle übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf ihre Beschwerde
einzutreten.

1.2. Das Bundesgericht ist an den Sachverhalt gebunden, wie die Vorinstanz ihn
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser erweise sich in
einem entscheidwesentlichen Punkt als offensichtlich falsch oder unvollständig
ermittelt. Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte
Beweiswürdigung (Urteil 2C_595/2017 vom 13. April 2018 E. 2.2). Inwiefern die
vorinstanzliche Beweiswürdigung bzw. die Sachverhaltsfeststellung
offensichtlich unhaltbar ist, muss in der Beschwerdeschrift klar und
detailliert aufgezeigt werden (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen; 134 II 244 E.
2.2 S. 246; 130 I 258 E. 1.3 S. 262); es gilt diesbezüglich eine qualifizierte
Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254
f.). Namentlich genügt es nicht, lediglich einzelne Indizien anzuführen, die
anders als im angefochtenen Entscheid hätten gewichtet werden können, und dem
Bundesgericht in appellatorischer Kritik diesbezüglich ohne Verfassungsbezug
bloss die eigene Auffassung zu unterbreiten (vgl. das Urteil 2C_317/2015 vom 1.
Oktober 2015 E. 1.2; BGE 116 Ia 85 E. 2b S. 88).

1.3. Der Beschwerdeführer beruft sich in seiner Beschwerdeschrift auf
zahlreiche neue Beweismittel, die sich nicht in den Akten des vorangegangen
Verfahrens befinden. Soweit es sich dabei um Beweismittel handelt, welche erst
nach dem angefochtenen Entscheid entstanden sind, sind diese als echte Noven
von vornherein unbeachtlich (BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 23 mit Hinweisen; vgl. auch
Urteil 9C_823/2018 vom 11. Juni 2019 E. 1). Andere neue Beweismittel, sog.
unechte Noven, dürfen vor Bundesgericht gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
Solches ist in Bezug auf die vom Beschwerdeführer eingereichten Dokumente nicht
ersichtlich; insbesondere enthält der vorinstanzliche Entscheid keine
rechtlichen Argumentationen, mit denen der Beschwerdeführer nach Treu und
Glauben nicht hätte rechnen müssen und die deshalb Anlass zur Ergänzung der
Akten hätten geben können.

2.

Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat,
als es den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers
bestätigte.

3.

3.1. Eine Aufenthaltsbewilligung kann unter anderem dann widerrufen werden,
wenn die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu
einer solchen von mehr als einem Jahr, verurteilt worden ist (Art. 62 Abs. 1
lit. b AIG; BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32). Der genannte Widerrufsgrund bildet
zudem Voraussetzung für den Widerruf oder die Nichtverlängerung von EU/
EFTA-Bewilligungen (vgl. Art. 2 Abs. 2 AIG; Art. 23 Abs. 1 der Verordnung vom
22. Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs [VEP; SR
142.203]), wobei zusätzlich jedoch die Vorgaben von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA
zu beachten sind. Gemäss dieser Bestimmung dürfen die durch das Abkommen
gewährten Rechtsansprüche "nur durch Massnahmen, die aus Gründen der
öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind,
eingeschränkt werden". Nach Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG - auf welche Art.
5 Abs. 2 Anhang I FZA verweist - darf bei Massnahmen der öffentlichen Ordnung
oder Sicherheit ausschliesslich das persönliche Verhalten der betreffenden
Person ausschlaggebend sein; strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht
ohne Weiteres diese Massnahmen begründen. Rechtsprechungsgemäss darf daher eine
strafrechtliche Verurteilung nur insoweit als Anlass für eine Massnahme
herangezogen werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches
Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen
Ordnung darstellt. Art. 5 Anhang I FZA steht somit Massnahmen entgegen, die
(allein) aus generalpräventiven Gründen verfügt werden. Insoweit kommt es
wesentlich auf das Rückfallrisiko an. Verlangt wird eine nach Art und Ausmass
der möglichen Rechtsgüterverletzung zu differenzierende, hinreichende
Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer auch künftig die öffentliche Sicherheit
und Ordnung stören wird. Die Bejahung einer Rückfallgefahr setzt nicht voraus,
dass ein Straftäter mit Sicherheit weiter delinquieren wird; ebensowenig kann
für die Verneinung einer Rückfallgefahr verlangt werden, dass überhaupt kein
Restrisiko einer Straftat besteht (vgl. Urteil 2C_406/2014 vom 2. Juli 2015 E.
2.3 und 4.2).

3.2. Hat der Ausländer einen Widerrufsgrund gesetzt und stellt er eine
hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung,
Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 5 Anhang I FZA dar, ist
schliesslich die Verhältnismässigkeit eines Widerrufs bzw. der
Nichtverlängerung der Bewilligung zu prüfen (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 Abs. 1
AIG). Dies erfordert eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller
wesentlichen Umstände des Einzelfalls. Stellt der Widerruf oder die
Nichtverlängerung der Bewilligung einen Eingriff in das durch Art. 8 Ziff. 1
EMRK geschützte Familienleben dar, ergibt sich die Notwendigkeit einer
Interessenabwägung auch aus Art. 8 Ziff. 2 EMRK. Danach ist ein solcher
Eingriff statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und in einer
demokratischen Gesellschaft für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für
das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur
Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum
Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Die Konvention verlangt
insofern eine Abwägung der sich gegenüberstehenden privaten Interessen an der
Bewilligungserteilung und den öffentlichen Interessen an deren Verweigerung,
wobei Letztere in dem Sinn überwiegen müssen, dass sich der Eingriff als
notwendig erweist (BGE 139 I 145 E. 2.2 S. 147 f.; 135 I 153 E. 2.2.1 S. 156).
Bei der Interessenabwägung sind namentlich die Schwere des Verschuldens, der
Grad der Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die der
betroffenen Person und ihrer Familie drohenden Nachteile zu beachten (BGE 139 I
31 E. 2.3.3 S. 34 ff. mit Hinweisen; 135 II 377 E. 4.3 S. 381).

4.

4.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer durch die
Verurteilung des Bezirksgerichts Aarau vom 26. April 2017 zu einer
Freiheitsstrafe von 22 Monaten einen Widerrufsgrund im Sinne von Art. 62 Abs. 1
lit. b AIG gesetzt hat. Das kantonale Gericht hat im Weiteren erwogen, der
Beschwerdeführer stelle aufgrund der von ihm begangenen Betäubungsmitteldelikte
(Mitwirkung am Handel von rund einem Kilo Kokain) weiterhin eine hinreichend
schwere und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder
Gesundheit im Sinne von Art. 5 Anhang I FZA dar, weshalb die Nichtverlängerung
der Aufenthaltsbewilligung auch mit Blick auf die sich aus dem
Freizügigkeitsabkommen fliessenden Rechte zulässig sei. Diese vorinstanzlichen
Erwägungen werden vom Beschwerdeführer mit Recht nicht substanziiert
bestritten.

4.2. Der Beschwerdeführer bestreitet demgegenüber die Verhältnismässigkeit der
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung.

4.2.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, das aufgrund der langen
Aufenthaltsdauer - der dabei erfolgten jedoch eher mangelhaften Integration in
der Schweiz - bestenfalls mittlere private Interesse des Beschwerdeführers an
einem weiteren Verbleib in der Schweiz erhöhe sich aufgrund seiner familiären
und gesundheitlichen Situation und sei insgesamt als gross zu qualifizieren.
Diesem grossen privaten Interesse stehe jedoch ein sehr grosses öffentliches
Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber, womit die
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung verhältnismässig sei.

4.2.2. Der Beschwerdeführer beging das strafrechtlich relevante Verhalten, mit
dem er einen Widerrufsgrund gesetzt hat, im Mai 2016. Somit kann entgegen
seinen Ausführungen keine Rede davon sein, dass sich das öffentliche Interesse
an der Beendigung seines Aufenthaltes in der Schweiz bereits alleine durch
Zeitablauf seit der Tatbegehung wesentlich reduziert hätte. Kein davon
abweichendes Ergebnis lässt sich auch aus der Tatsache, dass es nach seiner
Verurteilung am 26. April 2017 zu keinen weiteren Strafverfahren kam, ableiten;
dies gilt umso mehr, als die bei seiner Verurteilung angesetzte Probezeit von
vier Jahren noch nicht abgelaufen ist (vgl. Urteile 2C_191/2014 vom 27. Februar
2014 E. 3.3.2; 2C_865/2013 vom 16. Juni 2014 E. 2.3).

4.2.3. Zutreffend sind die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach sich
seine Beziehung zu seiner Ehefrau und seiner Tochter in einem erhöhten privaten
Interessen an einem Verbleib in der Schweiz niederschlägt; dieser Umstand wurde
indessen von der Vorinstanz korrekterweise bereits in ihrer ausführlichen
Gesamtwürdigung der Situation mitberücksichtigt. Somit vermögen seine
Ausführungen nicht darzutun, inwiefern die vorinstanzlichen Erwägungen
bundesrechtswidrig sein sollten. Demnach ist mit der Vorinstanz zwar von einem
hohen privaten Interesse an einer Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
auszugehen; dieses grosse private Interesse vermag indessen das sehr grosse
öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes nicht aufzuwiegen.

4.3. Erweist sich demnach die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung als
verhältnismässig, ist die Beschwerde abzuweisen.

5.

Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art.
64 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdeführer sind demnach die Gerichtskosten
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Kanton Aargau, der in seinem amtlichen
Wirkungskreis obsiegt, steht keine Entschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.

Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'000.-- werden dem
Beschwerdeführer auferlegt.

4.

Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration und Integration
des Kantons Aargau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und
dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. August 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Nabold