Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.433/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_433/2019

Urteil vom 12. Juli 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichter Stadelmann,

Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte

A.________AG,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwältin Thalia Weibel,

Advokatur56 ag,

gegen

Zollinspektorat Aarau,

handelnd durch die Oberzolldirektion (OZD),

Hauptabteilung Verfahren und Betrieb.

Gegenstand

Einfuhrverbot für Tabakprodukte,

Beschwerde gegen das Urteil des

Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III,

vom 20. März 2019 (C-6831/2016, C-6834/2016).

Erwägungen:

1.

1.1. Die A.________AG (nachfolgend: die Importeurin) hat statutarischen Sitz in
U.________/TI. Am 12. September 2016 meldete der für sie tätige Spediteur bei
der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) 10'800 Packungen Kautabak mit
schwedischer Provenienz und einem Bruttogewicht von 78,5 Kilogramm zur Einfuhr
an (Produkte der Marke "ON! White Chewing Bags Berry", "ON! White Chewing Bags
Citrus" und "ON! White Chewing Bags Mint"). Mit Verfügung vom 14. September
2016 wies die EZV, Zollinspektorat Aarau, die Sendung zurück und entzog sie
einer allfälligen Einsprache die aufschiebende Wirkung. Die Importeurin erhob
am 19. September 2016 Einsprache.

1.2. Am 28. September 2019 brachte der Spediteur namens und auftrags der
Importeurin eine weitere Sendung Kautabak zur Einfuhranmeldung, nun aber mit
dänischer Provenienz (4'560 Dosen Kautabak der Marke "Chewing Bags Al Capone
Vanilla" mit einem Bruttogewicht von 133 Kilogramm). Noch am selben Tag
verfügte die EZV, Zollinspektorat Aarau, die Rückweisung der Sendung und entzog
sie wiederum einer allfälligen Einsprache die aufschiebende Wirkung. Die
Importeurin erhob am 30. September 2016 Einsprache.

1.3. Mit Einspracheentscheiden vom 21. Oktober 2016 wies die EZV die
Einsprachen vom 19. und 30. September 2016 ab. Die Begründung ging dahin, es
handle sich bei den betroffenen Sendungen um Produkte, die nach Art. 5 der
Verordnung vom 27. Oktober 2004 über Tabakerzeugnisse und Raucherwaren mit
Tabakersatzstoffen (TabV 2004; SR 817.06) unter dem Titel "Verbotene
Erzeugnisse" weder eingeführt noch abgegeben werden dürften. Die Importeurin
erhob Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht, das diese mit Entscheid
C-6831/2016 / C-6834/2016 vom 20. März 2019 abwies.

1.4. Mit Eingabe vom 8. Mai 2019 erhebt die Importeurin beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, das
angefochtene Urteil, die Einspracheentscheide vom 21. Oktober 2016 und die
Verfügungen vom 14. und 28. September 2016 seien aufzuheben. Die EZV sei
anzuweisen, die zurückgewiesenen 10'800 bzw. 4'560 Dosen umgehend der
Importeurin zuzustellen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

1.5. Mit Urteil 2C_718/2018 vom 27. Mai 2019 erkannte das Bundesgericht in
einem weitgehend vergleichbaren Fall, Kautabak bzw. Oraltabak, geläufig unter
der Bezeichnung "Snus", falle unter die Genussmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 1
des hier noch anwendbaren Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel
und Gebrauchsgegenstände (LMG 1992; AS 1995 1469). Solche seien (nur) verboten,
soweit sie die Gesundheit "bei ihrem üblichen Gebrauch und Genuss" unmittelbar
oder in unerwarteter Weise gefährden (Art. 13 Abs. 2 LMG 1992). Konsumenten von
Snus dürften sich der damit verbundenen Gefahren durchaus bewusst sein. Snus
sei damit im Sinne von Art. 13 LMG 1992 zulässig, womit Art. 5 TabV 2004 sich
als gesetzwidrig erweise. Nichts anderes ergebe sich aus dem Umstand, dass Snus
in der Europäischen Union - mit Ausnahme Schwedens - verboten ist.

1.6. Die Vorinstanz sieht im vorliegenden Verfahren von einer Vernehmlassung
ab. Die EZV verzichtet - unter Berufung auf das Urteil 2C_718/2018 vom 27. Mai
2019 - auf eine Stellungnahme. Mit Blick auf die offensichtliche Begründetheit
der Beschwerde kann die Angelegenheit im vereinfachten Verfahren nach Art. 109
Abs. 2 lit. b BGG entschieden werden.

2.

2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten sind gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs.
1 lit. a, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG).

2.2. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1
BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 S. 62) und mit uneingeschränkter (voller) Kognition
(Art. 95 lit. a BGG; BGE 145 III 91 E. 2 S. 93).

2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 145 I 26 E. 1.5 S. 31).

3.

3.1. Zwischen dem "Odens Kautabak 10 Extreme White (Snus) ", wie er Gegenstand
des Verfahrens 2C_718/2018 vom 27. Mai 2019 bildete (vorne E. 1.5), und dem
hier streitbetroffenen Oraltabak der Marken "ON! White Chewing Bags Berry",
"ON! White Chewing Bags Citrus" und "ON! White Chewing Bags Mint" (vorne E.
1.1) bzw. "Chewing Bags Al Capone Vanilla" (vorne E. 1.2) besteht kein
rechtserheblicher Unterschied. Alle Einfuhren bzw. Einfuhrversuche haben sich
zudem im September 2016 zugetragen, weshalb dieselbe Rechtslage herrscht. Der
vorliegende Streitgegenstand kann in allen Teilen mit jenem des Verfahrens
2C_718/2018 vom 27. Mai 2019 verglichen werden. Mithin ist auch hier
festzuhalten, dass die streitbetroffenen Gegenstände im Sinne von Art. 13 LMG
1992 zulässig sind, womit für eine Rückweisung der Ware durch die EZV kein Raum
bleibt.

3.2. Die Beschwerde erweist sich damit als (offensichtlich) begründet (vorne E.
1.6), weshalb sie gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben ist.

4.

4.1. Der EZV, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis handelt, sind keine Kosten
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG).

4.2. Die EZV hat der obsiegenden Importeurin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1
BGG). Die Höhe der Parteientschädigung richtet sich bei Streitsachen mit
Vermögensinteresse nach dem Streitwert, welcher sich nach den vor Bundesgericht
streitigen Begehren bemisst (Art. 3 Abs. 1 und 2 des Reglements vom 31. März
2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche
Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht [SR 173.110.210.3]). Die
Importeurin macht einen Parteiaufwand von Fr. 15'000.-- zuzüglich Auslagen von
Fr. 98.15 geltend, ausgehend von einem Vermögensinteresse von Fr. 360'000.--.
Den Warenwert der streitbetroffenen Ware gibt sie aber selber mit insgesamt Fr.
120'504.-- an. Dies ist der Streitwert, welcher zu einem Honorar zwischen
5'000.-- und 15'000.-- führt (Art. 4 des Reglements). Das weitere, indirekte
Vermögensinteresse gehört nicht zum Streitwert, kann aber innerhalb der
Rahmenbeträge unter dem Titel "Wichtigkeit der Streitsache" berücksichtigt
werden (Art. 3 Abs. 1 des Reglements). Der Streitwert liegt nahe an der unteren
Grenze des Rahmentarifs. Der für die Beschwerde an das Bundesgericht geltend
gemachte Aufwand von über 50 Stunden erscheint übermässig, nachdem die darin
behandelte Thematik bereits Gegenstand vor Bundesverwaltungsgericht gebildet
hatte und die für die Gutheissung ausschlaggebende Begründung in der Beschwerde
nicht vorgebracht wurde. Angemessen erscheint eine Parteientschädigung von Fr.
6'000.-- (zuzüglich Auslagen).

4.3. Zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen des vorangegangenen
Verfahrens wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67 in
Verbindung mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
20. März 2019 wird aufgehoben. Die Eidgenössische Zollverwaltung wird
angewiesen, die zurückgewiesene Ware umgehend der Beschwerdeführerin
zuzustellen.

2.

Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.

3.

Die Eidgenössische Zollverwaltung hat der Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 6'098.15 zu
bezahlen.

4.

Zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen des vorangegangenen Verfahrens
wird die Sache an das Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, zurückgewiesen.

5.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung III, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juli 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Kocher