Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.391/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_391/2019

Urteil vom 19. August 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd, Donzallaz,

Gerichtsschreiber Businger.

Verfahrensbeteiligte

A.________, alias B.________,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwältin Noëmi Erig, Advokatur Gartenhof,

gegen

Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft,

Beschwerdegegner,

Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft.

Gegenstand

Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung

(2. Rechtsgang),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 4. März 2019 (810 18 217).

Erwägungen:

1.

1.1. Die 1989 geborene albanische Staatsangehörige A.________ reiste Ende 2014
in die Schweiz ein und erschlich sich mittels gefälschter griechischer
Ausweispapiere, erstellt auf den Namen B.________, eine Aufenthaltsbewilligung
EU/EFTA im Kanton Basel-Stadt. Nach ihrem Umzug in den Kanton Basel-Landschaft
erhielt sie am 15. Dezember 2015 vom kantonalen Amt für Migration (AfM) eine
auf ihren Aliasnamen lautende Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA. Im Rahmen einer
am 24. Juli 2016 am Bahnhof Basel SBB durchgeführten Personenkontrolle wurde
die Ausweisfälschung erkannt. Mit Strafbefehl vom 16. Februar 2017 wurde sie
wegen mehrfacher Fälschung von Ausweisen und mehrfacher Widerhandlung gegen die
Ausländergesetzgebung mit einer bedingten Geldstrafe von 170 Tagessätzen zu je
Fr. 30.-- und einer Busse von Fr. 1'000.-- bestraft.

1.2. Mit Verfügung vom 2. Dezember 2016 widerrief das AfM die
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und wies A.________ an, die Schweiz zu
verlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft am 15. August 2017 ab, soweit er darauf eintrat. Das
Kantonsgericht Basel-Landschaft trat auf die gegen den regierungsrätlichen
Entscheid erhobene Beschwerde am 31. Oktober 2017 wegen Verspätung nicht ein.
Nachdem das Bundesgericht diesen Entscheid mit Urteil 2C_1038/2017 vom 18. Juli
2018 aufgehoben und die Sache zum Neuentscheid zurückgewiesen hatte, wies das
Kantonsgericht Basel-Landschaft die Beschwerde mit Urteil vom 4. März 2019 ab.

1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. April
2019 beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei ihr die
Aufenthaltsbewilligung zu belassen, eventualiter sei die Sache zum Neuentscheid
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter ersuchte sie um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung. Mit Verfügung vom 2. Mai 2019 erteilte der
Abteilungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Zudem hat das
Bundesgericht die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen
eingeholt.

2.

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen
Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die
weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83
lit. c Ziff. 2 BGG). Ungeachtet der Frage, ob ein Anspruch auf eine Bewilligung
besteht, steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen
den Widerruf einer Bewilligung zur Verfügung, die im Zeitpunkt der
Beschwerdeerhebung noch Rechtswirkung zeitigte, wenn sie nicht widerrufen
worden wäre (Urteil 2C_128/2015 vom 25. August 2015 E. 1). Dies ist vorliegend
der Fall, weil die Beschwerdeführerin am 15. Dezember 2015 eine
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zur Erwerbstätigkeit erhalten hatte und die
Gültigkeitsdauer dieser Bewilligung fünf Jahre beträgt (Art. 6 Abs. 1 Anhang I
des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
andererseits über die Freizügigkeit [FZA; SR 0.142.112.681]). Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit zulässig (Art. 82 lit. a, Art.
86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG).

3.

3.1. Unbestritten ist, dass sich die Beschwerdeführerin als albanische
Staatsangehörige nicht auf das FZA berufen kann. Sie hat die
Bewilligungsvoraussetzungen nie erfüllt und ihre zu Unrecht erteilte
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA kann nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung über die
Einführung des freien Personenverkehrs vom 22. Mai 2002 (VEP; SR 142.203)
widerrufen werden, wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat (E. 2 des
angefochtenen Urteils; vgl. auch Urteil 2C_96/2012 vom 18. September 2012 E.
2.2.2). Der Vorwurf, die Vorinstanz habe nicht dargelegt, auf welche
Rechtsgrundlage sich der Widerruf stütze (S. 7 Ziff. 17 der Beschwerde),
entbehrt deshalb jeglicher Grundlage. Zudem liegt auch der Widerrufsgrund von
Art. 62 Abs. 1 lit. a AIG (SR 142.20) offensichtlich vor, weil die
Beschwerdeführerin ihre Bewilligung nur durch Täuschung der Behörden über ihre
Identität erhalten hat.

3.2. Auch wenn ein Widerrufsgrund vorliegt, muss sich der Widerruf der
Aufenthaltsbewilligung als verhältnismässig erweisen (Art. 5 Abs. 2 BV und Art.
96 AIG), wobei das öffentliche Interesse an der Wegweisung gegen das private
Interesse der Beschwerdeführerin am Verbleib in der Schweiz abzuwägen ist (BGE
135 I 143 E. 2.1 S. 147).

3.2.1. Die Vorinstanz hat erwogen, dass die Beschwerdeführerin Ende 2014 in die
Schweiz eingereist sei und sich bis zum (erstinstanzlichen) Widerrufsentscheid
während rund zwei Jahren hier aufgehalten habe; danach sei sie lediglich wegen
der aufschiebenden Wirkung der von ihr ergriffenen Rechtsmittel geduldet
worden. Eine lange Aufenthaltsdauer liege nicht vor. Zudem sei zu
berücksichtigen, dass sie den Aufenthalt mit gefälschten Papieren erschlichen
habe. Sie habe zuvor ihr ganzes Leben im Herkunftsstaat verbracht und sei mit
den dortigen Verhältnissen vertraut. Zwar habe sie seit ihrer Einreise
gearbeitet, doch zähle sie nicht zu den für die Wirtschaft unentbehrlichen
Fachkräften. Darüber hinaus seien keine Anhaltspunkte für eine besonders
intensive persönliche Beziehung zur Schweiz ersichtlich. Ihre gesamte Familie
lebe im Herkunftsstaat. Die geltend gemachte Gefährdung aufgrund von Blutrache
sei nicht glaubwürdig; im Übrigen sei es der Beschwerdeführerin ohne Weiteres
zumutbar, sich im Herkunftsstaat schutzsuchend an die Polizei oder andere
Stellen zu wenden (vgl. E. 3.4 des angefochtenen Urteils).

3.2.2. Mit ihren Ausführungen vermag die Beschwerdeführerin diese Erwägungen
nicht infrage zu stellen. Soweit sie sinngemäss rügt, es sei kein öffentliches
Interesse an ihrer Wegweisung ersichtlich, ist darauf hinzuweisen, dass ein
öffentliches Interesse an der Kontrolle und Steuerung der Zuwanderung bzw. an
der Erhaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen schweizerischer und
ausländischer Wohnbevölkerung besteht (BGE 144 I 266 E. 3.7 S. 276) und im
vorliegenden Fall hinzukommt, dass ein täuschendes Verhalten gegenüber den
Behörden zur Umgehung der Zulassungsvoraussetzungen nicht belohnt werden soll.
Weder das Wohlverhalten der Beschwerdeführerin seit der strafrechtlichen
Verurteilung noch ihre berufliche Integration und Sprachkenntnisse vermögen die
Interessenabwägung entscheidend zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ihre
Aufenthaltsdauer wird zudem dadurch relativiert, dass sich die
Beschwerdeführerin bis zum erstinstanzlichen Widerrufsentscheid ausschliesslich
aufgrund ihrer Täuschungshandlungen in der Schweiz hat aufhalten dürfen und
dieser Zeitspanne praxisgemäss nicht besonders Rechnung zu tragen ist (Urteil
2C_234/2017 vom 11. September 2017 E. 7.1 mit Hinweisen). Was schliesslich die
von ihr behauptete Gefährdung im Herkunftsstaat infolge Blutrache betrifft, so
zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, weshalb sie im konkreten Fall keinen
Schutz von den örtlichen Polizei- und Sicherheitsorganen erwarten kann. Der
pauschale Verweis auf allgemeine Lagebeurteilungen genügt hierzu nicht (Urteil
2C_868/2016, 2C_869/2016 vom 23. Juni 2017 E. 5.2). Dies entspricht auch der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile E-1509/2019 vom 16.
Mai 2019 E. 6.2; E-1027/2019 vom 22. März 2019 E. 6.3 [beide betreffend
Kosovo]; D-2334/2019 vom 21. Mai 2019 E. 7.2.5 f. [betreffend Albanien]). Die
Vorinstanz hat den Sachverhalt in dieser Hinsicht nicht willkürlich
festgestellt. Sie ist unter Berücksichtigung der massgeblichen Umstände zu
Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse am Bewilligungswiderruf
überwiegt.

3.3. Zusammenfassend hat die Beschwerdeführerin einen Widerrufsgrund gesetzt
und erweisen sich der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und die Wegweisung
als verhältnismässig. Die Beschwerde ist als offensichtlich unbegründet im
vereinfachten Verfahren abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG).

4.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und dem
Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. August 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Businger