Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.322/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_322/2019

Urteil vom 15. April 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Stadelmann,

Bundesrichter Haag,

Gerichtsschreiber Businger.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Peter Wicki,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,

Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen.

Gegenstand

Aufenthaltsbewilligung; Feststellungsverfügung; unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen,
Abteilung II,

vom 25. Februar 2019 (B 2018/179).

Erwägungen:

1.

1.1. A.________, geboren am 16. Juni 1990, kosovarischer Staatsangehöriger,
heiratete am 11. Dezember 2012 eine österreichische Staatsangehörige mit
Wohnsitz im Kanton St. Gallen und erhielt gestützt darauf eine
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA mit Gültigkeit bis zum 16. Dezember 2017.
Nachdem das Ehepaar eheschutzrichterlich am 12. Februar 2014 getrennt worden
war, widerrief das Migrationsamt des Kantons St. Gallen am 8. August 2014 die
Aufenthaltsbewilligung. Dagegen ergriff A.________ die kantonalen Rechtsmittel.
Während der Rechtshängigkeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht wurde
die Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen am 6. Dezember 2016
geschieden und heiratete A.________ am 13. Februar 2017 eine schweizerische
Staatsangehörige mit Wohnsitz im Kanton Luzern, mit der er zwei vorehelich
geborene gemeinsame Kinder hat. Am 16. Januar 2018 hiess das Verwaltungsgericht
des Kantons St. Gallen die von A.________ erhobene Beschwerde teilweise gut und
wies die Angelegenheit zur Überprüfung bzw. Ergänzung des Sachverhalts
hinsichtlich des Wohnsitzes von A.________ an das Migrationsamt zurück. Auf
eine dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil vom 22.
Februar 2018 nicht ein (Urteil 2C_161/2018).

1.2. Am 20. April 2018 erliess das Migrationsamt des Kantons St. Gallen eine
Feststellungsverfügung und hielt fest, dass der Kanton St. Gallen örtlich nicht
zuständig sei für die Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung, da sich der
Wohnsitz von A.________ in Luzern befinde. Dagegen erhob A.________ Rekurs an
das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen und beantragte,
es sei ihm weiterhin (im Kanton St. Gallen) eine Aufenthaltsbewilligung zu
erteilen; zudem ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Departement wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit am 16. Juli 2018 ab. Eine dagegen
erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit
Entscheid vom 25. Februar 2019 ab; zugleich wies es das für das
verwaltungsgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung ab.

1.3. A.________ erhebt mit Eingabe vom 29. März 2019 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem Antrag,
unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheide sei ihm für das Verfahren vor
den kantonalen Instanzen die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Zugleich
beantragt er für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung.

2.

Streitgegenstand ist die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung im Rekursverfahren vor dem Sicherheits- und Justizdepartement.
Dabei handelt es sich praxisgemäss um einen Zwischenentscheid, der einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil verursachen kann, so dass die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG), sofern sie in der Hauptsache zulässig ist, was hier zutrifft (Art. 82
lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), da der Beschwerdeführer in vertretbarer
Weise einen Anspruch auf eine Bewilligung geltend macht (Art. 83 lit. c Ziff. 2
BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten, sie erweist sich aber als
offensichtlich unbegründet und kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 109
Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abgewiesen werden.

3.

3.1. Die ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligungen werden von den Kantonen
erteilt (Art. 40 Abs. 1 AIG [SR 142.20]). Personen mit einer
Aufenthaltsbewilligung können ihren Wohnort innerhalb des Kantons, der die
Bewilligung erteilt hat, frei wählen (Art. 36 AIG). Die Bewilligungen gelten
nur für das Gebiet des Kantons, der sie ausgestellt hat (Art. 66 der Verordnung
vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR
142.201]). Wollen Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung ihren Wohnort in
einen anderen Kanton verlegen, müssen sie im Voraus eine Bewilligung des neuen
Kantons beantragen (Art. 37 Abs. 1 AIG). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich
zwingend, dass der Wohnortskanton zuständig ist für die Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung.

3.2. Nach den verbindlichen und unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz
wohnt der Beschwerdeführer im Kanton Luzern bei seiner Ehefrau und seinen
Kindern. Unter diesen Umständen ist offensichtlich nicht der Kanton St. Gallen,
sondern der Kanton Luzern für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung
zuständig. Zwar hat ursprünglich der Kanton St. Gallen die von ihm erteilte
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA widerrufen. Inzwischen besteht ein
Aufenthaltsanspruch gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen vom 21. Juni 1999
zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten (FZA; SR 0.142.112.681) aufgrund der Scheidung von der früheren
österreichischen Ehegattin nicht mehr und ist die früher erteilte
Aufenthaltsbewilligung im Kanton St. Gallen durch Zeitablauf erloschen (Art. 61
Abs. 1 lit. c AIG), so dass sich die Frage eines Widerrufs nicht mehr stellt.
Es geht vielmehr um die Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung; diese
kann nur vom aktuellen Wohnortskanton erteilt werden (vgl. Urteil 2C_1115/2015
vom 20. Juli 2016 E. 1.3.2), und zwar unabhängig davon, ob ein
Bewilligungsanspruch auf die Ehe mit einer Schweizerin (Art. 42 Abs. 1 AIG)
oder auf die frühere Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen (Art. 50
AIG) gestützt wird.

3.3. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, es gehe um einen Kantonswechsel, so
dass zuerst in einem "Hauptverfahren" im Kanton St. Gallen über die Bewilligung
und erst anschliessend über einen Wechsel in den Kanton Luzern zu befinden sei.
Dem kann nicht gefolgt werden: Ein Kantonswechsel im Sinne von Art. 37 Abs. 1
und 2 AIG setzt nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen eine bestehende
Aufenthaltsbewilligung voraus. Daran fehlt es seit dem Erlöschen der früheren
Bewilligung (16. Dezember 2017), also insbesondere auch im Zeitpunkt des
erstinstanzlichen Entscheids des Migrationsamts (20. April 2018). Es kann daher
kein "Hauptverfahren" im Kanton St. Gallen geben, an das sich ein Gesuch um
Kantonswechsel im Kanton Luzern anschliessen würde.

3.4. Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auf verschiedene
bundesgerichtliche Urteile: Gemäss Urteil 2C_155/2014 vom 28. Oktober 2014 E.
3.2 kann sich die örtliche Zuständigkeit für die Durchführung des
Widerrufsverfahrens im Laufe des Instanzenzugs nicht ändern; dieses Urteil
betraf ein Verfahren betreffend Widerruf einer Niederlassungsbewilligung,
welche im Unterschied zu einer Aufenthaltsbewilligung nicht durch Zeitablauf
erlischt. Demgegenüber geht es hier nicht um ein Widerrufsverfahren, sondern um
die Erteilung einer neuen Bewilligung. Im Urteil 2C_327/2010 vom 19. Mai 2011
war im bisherigen Aufenthaltskanton bereits die Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung erstinstanzlich verweigert worden, bevor ein Gesuch um
Kantonswechsel gestellt worden war. Aus dem Urteil geht nicht hervor, in
welchem Zeitpunkt der Wohnsitz effektiv in den anderen Kanton verlegt worden
war. Im Urteil 2C_691/2017 vom 18. Januar 2018 schliesslich ging es ebenfalls
um den weiteren Bestand der bisherigen Niederlassungsbewilligung; die Frage der
Zuständigkeit zur Erteilung einer allfälligen neuen Aufenthaltsbewilligung war
nicht Verfahrensgegenstand und deshalb vom Bundesgericht nicht zu beurteilen
(E. 1.2.2 und E. 4.3).

3.5. Angesichts dieser Rechtslage haben die Vorinstanzen mit Recht das
Begehren, im Kanton St. Gallen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, als
aussichtslos beurteilt und deshalb die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung verweigert.

4.

Aus den bereits genannten Gründen war die Beschwerde aussichtslos, so dass auch
das vor Bundesgericht gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer trägt
die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.

Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden dem Beschwerdeführer   auferlegt.

4.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen, Abteilung II, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. April 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Businger