Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.286/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_286/2019

Urteil vom 9. April 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichter Donzallaz,

Gerichtsschreiber Businger.

Verfahrensbeteiligte

Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in
Steuersachen SEI,

Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________ GmbH,

Beschwerdegegnerin,

vertreten durch Dr. Luzius Cavelti und Alisa Burkhard, Rechtsanwälte,
Altenburger Ltd legal + tax.

Gegenstand

Amtshilfe (DBA CH-RU),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,

vom 5. März 2019 (A-4245/2018).

Erwägungen:

1. 

Der Federal Tax Service von Russland (FTS) stellte am 2. März 2015 gestützt auf
Art. 25a des Abkommens vom 15. November 1995 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Russischen Föderation zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
(DBA CH-RU; SR 0.672.966.51) ein Amtshilfegesuch bei der Eidgenössische
Steuerverwaltung (ESTV). Das Gesuch betrifft die russische Gesellschaft
X.________; als "Swiss taxpayer" wird die Y.________ GmbH (Y.________) genannt.
Der FTS verlangte die Beantwortung einer Reihe von Fragen und die Übermittlung
von Dokumenten betreffend die Y.________ zwecks Überprüfung des Gewinns und der
Ausgaben bei der X.________. Nach Durchführung des ordentlichen
Amtshilfeverfahrens ordnete die ESTV mit Schlussverfügung vom 19. Juni 2018 die
Übermittlung der von der Y.________ und der Steuerverwaltung des Kantons Zug
edierten Informationen an die FTS an. Mit Urteil vom 5. März 2019 hiess das
Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Y.________ gut und hob die
Schlussverfügung auf. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
vom 21. März 2019 beantragt die ESTV dem Bundesgericht, es sei das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Schlussverfügung zu bestätigen, eventualiter sei die
Sache zum Neuentscheid zurückzuweisen. Das Bundesgericht hat weder die
vorinstanzlichen Akten beigezogen noch andere Instruktionsmassnahmen verfügt.

2.

2.1. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in
Steuersachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen
besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a
BGG). Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde
nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders
bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige
Voraussetzung erfüllt ist. Wie Art. 84 BGG bezweckt auch Art. 84a BGG die
wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht. Ein besonders bedeutender
Fall ist daher mit Zurückhaltung anzunehmen. Bei der Beantwortung der Frage, ob
ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter
Ermessensspielraum zu. Gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders
bedeutender Fall insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass
elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im
Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält somit eine nicht
abschliessende Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Das
Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu
bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich
wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch
anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die
einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine
Rechtsfrage handeln, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und
die von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung können sich ebenfalls nach dem
Erlass neuer materiell- oder verfahrensrechtlicher Normen stellen. Das Gleiche
gilt, wenn sich aufgrund der internationalen Entwicklungen Fragen von
grundsätzlicher Bedeutung stellen (BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410; 139 II 340 E.
4 S. 342 f. mit weiteren Hinweisen). Schliesslich liegt eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Vorinstanz von der bundesgerichtlichen
Praxis abweicht (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 4310; JULIA HÄNNI/LUKAS XAVER MEYER, in: Basler
Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 48 zu Art. 74 BGG; THOMAS
HÄBERLI, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 157 zu
Art. 83 BGG). Die zu beurteilende Frage muss sodann entscheidrelevant sein,
soll doch die Ausnahme von Art. 84a BGG nicht dazu führen, dass das
Bundesgericht in abstracto obiter dicta produziert (BGE 142 II 161 E. 3 S. 173;
Urteil 2C_20/2017 vom 25. Januar 2017 E. 2.1 am Ende).

2.2. Die ESTV bringt vor, es stelle sich die Rechtsfrage, ob durch die
restriktive Auslegung von zusätzlichen Ausführungen des ersuchenden Staates zu
den notwendigen formellen inhaltlichen Angaben im Amtshilfeersuchen das
völkerrechtliche Vertrauensprinzip verletzt werde. Die Frage sei von
grundsätzlicher Bedeutung, weil die ESTV in einer Vielzahl von
Amtshilfeverfahren Rückfragen an die ersuchenden Staaten vornehme. Weiter
stelle sich die Rechtsfrage, ob Informationen zu einem Steuerjahr für die
Beurteilung der Situation für die darauf folgenden Steuerjahre voraussichtlich
erheblich sein können. Auch diese Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung, weil
eine zu restriktive Auslegung des Grundsatzes der voraussichtlichen
Erheblichkeit Auswirkungen auf eine beträchtliche Anzahl von Fällen hätte. Bei
beiden Fragen handle es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage, deren
Entscheid für die Praxis wegleitend sei.

2.3. Entgegen der Auffassung der ESTV sind die von ihr aufgeworfenen
Rechtsfragen vom Bundesgericht bereits beurteilt worden.

2.3.1. Das Bundesgericht hat entschieden, dass das Amtshilfegesuch und die
weiteren Angaben des ersuchenden Staates nach Treu und Glauben auszulegen sind.
Es hat sich dabei mit der Tragweite des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips
befasst und aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen die Angaben der
ersuchenden Behörde angezweifelt werden dürfen (BGE 144 II 206 E. 4.4 S. 215
f.; 142 II 161 E. 2.1 S. 164 ff.).

2.3.2. In Bezug auf die zweite Frage hat das Bundesgericht entschieden, dass
Informationen, die ein gewisses Steuerjahr betreffen, auch für andere
Steuerjahre voraussichtlich erheblich sein können (Urteil 2C_1162/2016 vom 4.
Oktober 2017 E. 1.2.2 und E. 6.4 ff.).

2.4. Zusammenfassend wirft die ESTV keine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung auf. Immerhin ist denkbar, dass das Bundesverwaltungsgericht von der
vorher zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist und dadurch
eine Praxisänderung vorgenommen hat; dies wäre allerdings von der ESTV in der
Beschwerdebegründung darzulegen gewesen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Auf die
Beschwerde ist daher nicht einzutreten (Art. 109 Abs. 1 BGG).

3. 

Nachdem es bei der vorliegenden Steuerangelegenheit nicht um das
Vermögensinteresse der Beschwerdeführerin geht, sind keine Gerichtskosten zu
erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist mangels eines
nennenswerten Aufwands im bundesgerichtlichen Verfahren keine
Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. April 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Businger