Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.214/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_214/2019

Urteil vom 5. April 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Zünd,

Bundesrichter Donzallaz,

Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte

A.________,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand

Aufenthaltsbewilligung, Familiennachzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 23. Januar 2019 (VB.2018.00606).

Erwägungen:

1.

A.________, eine am 20. August 1971 geborene Staatsangehörige Kosovos, ist seit
1990 in ihrer Heimat mit einem 1967 geborenen Landsmann verheiratet. Das
Ehepaar hat vier heute volljährige Kinder (zwei Töchter geboren 1992, 1994,
zwei Söhne geboren 1999 und 2000). Der Ehemann war ab 1988 als Saisonnier, ab
1992 als Jahresaufenthalter in der Schweiz tätig. Er hat seit längerer Zeit die
Niederlassungsbewilligung. Im Herbst 2016 ersuchte er um Familiennachzug für
seine Ehefrau A.________ sowie die beiden (damals 17 bzw. 16 Jahre alten)
Söhne. Nachdem er der Aufforderung, weitere Angaben und Unterlagen zu liefern
nicht nachgekommen war, schrieb das Migrationsamt das Gesuch im Frühjahr 2017
als gegenstandslos geworden ab.

Am 23. September 2017 reiste A.________ mit dem jüngsten Sohn in die Schweiz
ein und ersuchte um Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen für sich und ihren
Sohn zum Verbleib beim Ehemann bzw. Vater. Das Migrationsamt des Kantons Zürich
verweigerte die Bewilligungserteilung am 16. März 2018 und verfügte die
Wegweisung. Dagegen rekurrierte A.________ allein für sich an die
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, welche den Rekurs am 17. August 2018
im Wesentlichen abwies. Mit Urteil vom 23. Januar 2019 wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen den Rekursentscheid erhobene
Beschwerde ab; es setzte eine (bedingte) neue Ausreisefrist auf den 28. Februar
2019 an.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. Februar 2019
beantragt A.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei
aufzuheben; es sei ihr die Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des
Familiennachzuges zum Verbleib beim Ehemann zu erteilen. Von einer Wegweisung
aus der Schweiz sei abzusehen; evtl. sei die Sache mit entsprechender Anweisung
an die kantonalen Behörden zurückzuweisen.

Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

Mit dem vorliegenden instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

2.

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 83
lit. c Ziff. 2 BGG e contrario), da der Beschwerdeführerin ein bedingter
Bewilligungsanspruch nach Art. 43 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über
die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, AIG [SR 142.20],
zusteht (bis 31. Dezember 2018 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und
Ausländer, AuG).

Die Beschwerde ist aus den nachfolgend dargelegten Gründen offensichtlich
unbegründet und gestützt auf Art. 109 Abs. 2 BGG im vereinfachten Verfahren
abzuweisen, wobei der Entscheid nur summarisch begründet und ganz oder
teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen wird.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin lebte seit der 1990 erfolgten Heirat während über
25 Jahren von ihrem Ehemann getrennt; während er sich in der Schweiz aufhielt,
blieb sie mit den gemeinsamen Kindern im Kosovo. Erstmals im Herbst 2016
unternahm der Ehemann einen Versuch, die Beschwerdeführerin und zwei der Kinder
nachzuziehen. Er liess das entsprechende Verfahren dahinfallen. Ausgangspunkt
des vorliegenden Verfahrens ist das (nur noch für die Beschwerdeführerin
durchgezogene) nachträgliche Nachzugsgesuch vom Herbst 2017.

Der Anspruch auf Familiennachzug für den Ehegatten nach Art. 43 AuG bzw. AIG
muss innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht werden (Art. 47 Abs. 1 AIG),
wobei die Frist gemäss Art. 126 Abs. 3 AIG mit dem Inkrafttreten des AuG zu
laufen beginnt, sofern vor diesem Zeitpunkt das Familienverhältnis entstanden
ist. Ein nachträgliches Nachzugsgesuch wird nur bewilligt, wenn wichtige
familiäre Gründe geltend gemacht werden (Art. 47 Abs. 4 AIG). Vorliegend wurde
der Nachzug für die Beschwerdeführerin lange nach Ablauf der gesetzlichen Frist
(31. Dezember 2012) beantragt; zu prüfen ist, ob wichtige familiäre Gründe
vorliegen, die einen so lange hinausgeschobenen Nachzug rechtfertigen.

3.2. Die "Fristenregelung" von Art. 47 AIG ist ein Element der Steuerung bzw.
Begrenzung der Einwanderung. Bezweckt wird damit eine verstärkte Förderung der
Integration durch einen möglichst frühen Nachzug der Familienmitglieder, der
nur beim Vorliegen besonderer familiärer Gründe über die vom Gesetzgeber
aufgestellten Nachzugsfristen hinaus aufgeschoben werden können soll. Wiewohl
sie besonders beim Nachzug von Kindern bedeutsam sind, gelten die
Nachzugsfristen (und die diesen zugrundeliegenden Integrationsüberlegungen)
nach dem klaren Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers auch für den
Ehegatten (Urteile 2C_323/2018 vom 21. September 2018 E. 4.2.2; 2C_887/2014 vom
11. März 2015 E. 2.2; 2C_914/2014 vom 18. Mai 2015 E. 4.1). Dass das Gesetz
Nachzugsfristen statuiert, ist grundsätzlich mit Art. 8 EMRK vereinbar; mit
Art. 47 AIG wird einem unter dem Aspekt dieses Grundrechts legitimen
öffentlichen Interesse Ausdruck verliehen und er dient als gesetzliche
Grundlage für einen Eingriff nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK in dieses (Urteile 2C_323
/2018 vom 21. September 2018 E. 6; 2C_1/2017 vom 22. Mai 2017 E. 4.1.1 und
4.1.2; 2C_147/2015 vom 22. März 2016 E. 2.4.1; 2C_914/2014 vom 18. Mai 2015 E.
4.3; s. dazu auch BGE 137 I 284 E. 2.3 - 2.7 und BGE 133 II 6 E. 5.3 - 5.5 S.
19 ff.). Was die sämtlichen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragende
Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK betrifft, ist eine solche -
entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin (Beschwerdeschrift Ziff. II.3
erster Absatz, S. 5 oben) - regelmässig nicht dann (nochmals) vorzunehmen, wenn
wichtige familiäre Gründe im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG nicht anerkannt
werden. Vielmehr erfolgt die Interessenabwägung weitgehend im Rahmen der
Beurteilung der Erheblichkeit der geltend gemachten wichtigen Gründe. Insofern
ist der von der Beschwerdeführerin diesbezüglich hervorgehobene BGE 139 I 330
wenig einschlägig.

Bei der Gesamtwürdigung ist davon auszugehen, dass die Bewilligung des Nachzugs
nach Ablauf der Fristen dem Willen des Gesetzgebers zufolge die Ausnahme und
nicht die Regel bildet (Urteil 2C_303/2014 vom 20. Februar 2015 E. 6.1). Bei
der Beurteilung der Stichhaltigkeit der wichtigen Gründe für die verspäteten
Nachzugsbemühungen ist praxisgemäss davon auszugehen, dass eine Familie, die
freiwillig jahrelang getrennt lebt, dadurch ein geringes Interesse an einem
gemeinsamen Familienleben zum Ausdruck bringt (Urteil 2C_386/2016 vom 22. Mai
2017 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Das heisst auch, dass das Gewicht der für ein
Hinausschieben des Nachzugs geltend gemachten Gründe umso höher sein muss, je
später der Nachzug beantragt wird.

Anders, als die Beschwerdeführerin meint, ist schliesslich der Umstand nicht
von Relevanz, dass Art. 43 AuG bis Ende 2018 keine Anforderungen bezüglich der
Integration definierte und solche erst mit Wirkung per 1. Januar 2019 ins
Gesetz aufgenommen worden sind (namentlich Art. 43 Abs. 1 lit. b - e, Abs. 3
und 4 AIG). Die neuen gesetzlichen Anforderungen sind nach der Konzeption des
Gesetzgebers auch im Falle des fristgerechten Nachzugs massgebend. Demgegenüber
sind Integrationsüberlegungen beim ausserfristlichen Nachzug der Regelung von
Art. 47 AuG/ bzw. AIG inhärent und liegen bzw. lagen dieser, wie gesehen, schon
immer zugrunde.

3.3. Das Verwaltungsgericht geht von diesen allgemeinen Grundsätzen aus. Es
kann ergänzend auf seine einschlägigen Erwägungen (E. 2.1 und 2.2) verwiesen
werden. Es stellt fest, dass der behauptete Grund für das ausserfristliche
Nachzugsgesuch, nämlich die Pflege von in der Heimat lebenden
Familienmitgliedern durch die nun nachzuziehende Person, grundsätzlich als
wichtiger familiärer Grund im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG in Betracht kommen
könnte (s. dazu etwa Urteil 2C_887/2014 vom 11. März 2015). Indessen erkennt
es, dass die Notwendigkeit der Betreuung nur behauptet, aber nicht tauglich
belegt sei; jedenfalls aber sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass die
Betreuung gerade durch die Beschwerdeführerin erforderlich gewesen sei, nachdem
gemäss Erklärung der Schwiegereltern nunmehr zwei andere Söhne in der Lage
seien, die Pflege der Eltern sicherzustellen (E. 2.3). Was die
Beschwerdeführerin dagegen vorbringt (Beschwerdeschrift S. 3 unten/S. 4 oben),
ist offensichtlich nicht geeignet, diese Darstellung der Vorinstanz zu
widerlegen und deren Wertung in Frage zu stellen. Dass und wie sie im
kantonalen Verfahren ihren ihr im Hinblick auf die Substanziierung wichtiger
familiärer Gründe obliegenden Mitwirkungspflichten (Art. 90 AIG) nachgekommen
wäre, tut sie in keiner Weise dar.

Der einzige erkennbare Grund für das Herauszögern des Nachzugs der
Beschwerdeführerin ist die Tatsache, dass sie in der Heimat die Kinder
grossgezogen hat. Dieser Umstand genügt für sich als wichtiger Grund nicht
(vgl. 2C_323/2018 vom 21. September 2018 E. 4.2.2). Es ist dies die typische
Situation bei verspäteten Nachzugsgesuchen, die durch Art. 47 Abs. 4 BGG gerade
nicht abgedeckt wird. Vorliegend haben der Ehemann und die Beschwerdeführerin
während 26 Jahren (Heirat 1990, erstes [aufgegebenes] Nachzugsgesuch 2016,
heute massgebliches Gesuch 2017) freiwillig auf das familiäre Zusammenleben
verzichtet. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin (Beschwerdeschrift
Ziff. 3 Ende dritter Absatz) kommt diesem Aspekt gerade ausschlaggebende
Bedeutung zu. Es bedürfte bei dieser Konstellation besonders gewichtiger Gründe
für eine Bewilligung des Nachzugs (vorne E. 3.2 Ende zweiter Absatz).

Solche vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen. Wie es sich mit den
konkreten Aussichten betreffend ihre Integration verhält, ist angesichts der
zulässigen "abstrakten" Zweckausrichtung der Fristenregelung von Art. 47 AIG
(Anstreben möglichst frühzeitiger Integration) wenig relevant. Wenn es darauf
ankommen könnte, müssten jedenfalls diesbezüglich ganz spezifische Umstände
vorliegen, an welchen es vorliegend fehlt (E. 2.5.3 des angefochtenen Urteils
gemessen an Ziff. 3 vierter Absatz der Beschwerdeschrift). Das
Verwaltungsgericht hat sich sodann mit der Frage der Zumutbarkeit einer
Rückkehr des Ehemanns in die Heimat befasst und eine solche nicht ohne Weiteres
als zumutbar erachtet. Indessen beruht sein Entscheid hauptsächlich darauf,
dass die Beschwerdeführerin angesichts der freiwillig gewählten Trennung
während bald 30 Jahren in Kauf zu nehmen hat, ihre Ehe weiterhin in der bisher
gewählten Form über die räumliche Distanz aufrechtzuerhalten. Damit kommt es
auch nicht auf die ihren Ehemann betreffende Frage der AHV an, soweit sich in
dieser Hinsicht nicht ohnehin in absehbarer Zeit eine Abfederung ergeben sollte
(s. E. 2.5.3 des angefochtenen Urteils). Dieser Aspekt führte nach langer
freiwilliger Trennung ohnehin nicht selbstständig zur Rechtfertigung des
verzögerten Familiennachzugs (vgl. Urteil 2C_914/2014 vom 18. Mai 2015 E.
4.3.3).

4.

Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens (Abweisung der offensichtlich
unbegründeten Beschwerde) sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. April 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller