Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.133/2019
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Bundesgericht

Tribunal fédéral

Tribunale federale

Tribunal federal

               

2C_133/2019

Urteil vom 11. April 2019

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung

Bundesrichter Seiler, Präsident,

Bundesrichter Donzallaz,

Bundesrichter Haag,

Gerichtsschreiber Businger.

Verfahrensbeteiligte

A.________, Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwältin

Dr. Caterina Nägeli, Bürgi Nägeli Rechtsanwälte,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand

Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Abteilung, vom 5. Dezember 2018 (VB.2018.00599).

Erwägungen:

1.

1.1. A.________ (geboren 1985) ist serbischer Staatsangehöriger. Er reiste am
4. März 2015 in die Schweiz ein, heiratete am 7. März 2015 eine Schweizerin und
erhielt eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau. Am 6. Juni
2017 zog er aus der ehelichen Wohnung aus. Seine Ehefrau zeigte ihn am 18. Juni
2017 wegen Drohung, einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten an. In der
Folge ordnete die Stadtpolizei Winterthur Gewaltschutzmassnahmen an. Das
Bezirksgericht Winterthur bewilligte den Eheleuten am 27. Juli 2017 das
Getrenntleben. Zudem wurde mit Wirkung per 17. Juli 2017 die Gütertrennung
angeordnet. Am 15. März 2018 wurde A.________ vom Bezirksgericht Winterthur von
den von seiner Ehefrau gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen.

1.2. Wegen der Trennung widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich am 30.
Oktober 2017 die Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der
Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen die Sicherheitsdirektion
des Kantons Zürich am 17. August 2018 und das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich am 5. Dezember 2018 ab.

1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Februar
2019 beantragt A.________ dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil sei
aufzuheben und das Migrationsamt sei anzuweisen, ihm den weiteren Aufenthalt zu
bewilligen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Das
Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen
eingeholt. Mit Verfügung vom 4. Februar 2019 hat der Präsident der Beschwerde
antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2.

2.1. Gegen das angefochtene Urteil einer letzten kantonalen Gerichtsinstanz ist
die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit.
a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 und Art. 90 BGG), soweit der Beschwerdeführer
in vertretbarer Weise einen Anspruch auf Verlängerung seiner inzwischen
abgelaufenen Aufenthaltsbewilligung geltend macht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e
contrario).

2.1.1. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt hinsichtlich der Rüge, die
Vorinstanz habe dem Beschwerdeführer die Aufenthaltsbewilligung zu Unrecht
nicht nach freiem Ermessen verlängert (S. 31 ff. der Beschwerde). Diesbezüglich
steht nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG wegen der
Verletzung verfassungsmässiger Rechte zur Verfügung (Art. 116 BGG), wobei eine
qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Ungeachtet dessen, dass es sich bei den entsprechenden Ausführungen in der
Beschwerde um eine fast wörtliche Kopie der Beschwerde an das
Verwaltungsgericht handelt, ist nicht ersichtlich, welches verfassungsmässige
Recht als verletzt gerügt wird. Darauf ist nicht einzutreten.

2.1.2. Soweit der Beschwerdeführer einen Aufenthaltsanspruch aus Art. 50 Abs. 1
lit. b AIG (SR 142.20) ableitet, ist die Beschwerde zwar zulässig, aber
offensichtlich unbegründet, weshalb sie nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3
BGG unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid abzuweisen ist.

2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
namentlich die Verletzung von Schweizer Recht gerügt werden (Art. 95 BGG). Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde
(Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder
beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2
bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG).

3.

3.1. Die eheliche Gemeinschaft des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau besteht
offenkundig nicht mehr, weshalb sich der Beschwerdeführer nicht auf Art. 42
Abs. 1 AIG berufen kann. Gemäss Art. 50 Abs. 1 AIG besteht der Anspruch des
Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach
Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft weiter, wenn die
Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre gedauert hat und die
Integrationskriterien nach Art. 58a erfüllt sind (lit. a) oder wichtige
persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen
(lit. b). Nachdem die eheliche Gemeinschaft nur zwei Jahre und drei Monate
gedauert hat, ist zu prüfen, ob wichtige persönliche Gründe i.S.v. Art. 50 Abs.
1 lit. b AIG vorliegen. Der Beschwerdeführer bringt in dieser Hinsicht vor, er
sei Opfer ehelicher Gewalt geworden.

3.2. Wichtige persönliche Gründe nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG können
namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher
Gewalt wurde (Art. 50 Abs. 2 AIG). Eheliche Gewalt bedeutet nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine systematische Misshandlung mit dem
Ziel, Macht und Kontrolle auszuüben, und nicht eine einmalige Ohrfeige oder
eine verbale Beschimpfung im Verlauf eines eskalierenden Streits. Ein Anspruch
wird auch nicht bereits durch eine einmalige tätliche Auseinandersetzung
begründet. Das Gleiche gilt, wenn der Ehepartner den Ausländer nach einem
Streit aus der Wohnung weist, ohne dass das Opfer körperliche oder psychische
Schäden erleidet. Die physische oder psychische Zwangsausübung und deren
Auswirkungen müssen vielmehr von einer gewissen Konstanz bzw. Intensität sein.
Auch eine psychische bzw. sozio-ökonomische Druckausübung wie dauerndes
Beschimpfen, Erniedrigen, Drohen und Einsperren kann einen für die Annahme
eines nachehelichen Härtefalls relevanten Grad erreichen. Dies ist praxisgemäss
der Fall, wenn die psychische Integrität des Opfers bei einer Aufrechterhaltung
der ehelichen Gemeinschaft schwer beeinträchtigt würde. Dabei ist eine
Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BGE 138 II 229 E. 3.2.1 f. S. 232 ff. mit
zahlreichen Hinweisen).

3.3. Die ausländische Person trifft bei den Feststellungen des entsprechenden
Sachverhalts eine weitreichende Mitwirkungspflicht (Art. 90 AIG). Sie muss die
eheliche Gewalt in geeigneter Weise glaubhaft machen (Arztberichte oder
psychiatrische Gutachten, Polizeirapporte, Berichte/Einschätzungen von
Fachstellen [Frauenhäuser, Opferhilfe usw.], glaubwürdige Zeugenaussagen von
weiteren Angehörigen oder Nachbarn etc.). Allgemein gehaltene Behauptungen oder
Hinweise auf punktuelle Spannungen genügen nicht; wird häusliche Gewalt in Form
psychischer Oppression behauptet, muss die Systematik der Misshandlung bzw.
deren zeitliches Andauern und die daraus entstehende subjektive Belastung
objektiv nachvollziehbar konkretisiert und beweismässig unterlegt werden (vgl.
BGE 138 II 229 E. 3.2.3 S. 235).

3.4.

3.4.1. Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Strafverfahren beruft und
geltend macht, seine Ehefrau habe ihn fälschlicherweise bei der Polizei
angezeigt und damit seine ganze Existenz aufs Spiel gesetzt, kann auf die
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. E. 3.2.2 des
angefochtenen Urteils). Aus dem unbegründeten Strafurteil des Bezirksgerichts
Winterthur vom 15. März 2018 ergibt sich lediglich, dass der Beschwerdeführer
von den Vorwürfen freigesprochen wurde. Es kann keine Rede davon sein, dass
dadurch eine Falschanschuldigung der Ehefrau bewiesen oder auch nur glaubhaft
gemacht worden ist. Dies ergibt sich auch nicht aus dem bei den Akten liegenden
Polizeirapport vom 21. Juni 2017. Der dortige Hinweis, "strafrechtlich sei
nichts vorgefallen", bezieht sich offenkundig auf den 6. Juni 2017, als sich
der Beschwerdeführer angeblich geweigert hat, die Wohnung zu verlassen. Ebenso
vermag der Umstand, dass die Ehefrau ihn am 6. Juni 2017 aus der ehelichen
Wohnung "rausgeworfen" habe, keine eheliche Gewalt zu begründen, unabhängig
davon, ob der Beschwerdeführer die gleichen Rechte an der Wohnung gehabt hat
wie seine Frau.

3.4.2. Die angebliche Gewaltausübung durch die Ehefrau ergibt sich lediglich
aus dem Polizeiprotokoll vom 21. Juni 2017, das die Aussage des
Beschwerdeführers wiedergibt und im Rahmen der Anschuldigungen der Ehefrau
erstellt wurde. Der Beschwerdeführer sagte dort zu Beginn der Befragung, dass
er sich mit seiner Ehefrau nicht gut verstehe; Probleme hätten sie aber nicht.
In Bezug auf die Tätlichkeiten in der Beziehung antwortete er, dass seine Frau
sehr temperamentvoll sei. Sie habe angefangen, in der Wohnung Dinge zu
zerschlagen. Dies komme aber nicht oft vor, so alle zwei bis drei Monate
einmal. Die Narbe an seinem Handgelenk stamme von einem Schnitt, den er sich
zugezogen habe, als er sie daran hindern wollte, eine Vase zu zerbrechen.
Manchmal habe sie auch seine T-Shirts zerrissen. Erst als gegen Ende der
Befragung die bei der Ehefrau festgestellten Hämatome angesprochen wurden,
führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Ehefrau nervös geworden sei und ihn
angegriffen, etwas zerschlagen oder seine Kleider zerrissen habe. Sie habe ihn
"immer wieder angegriffen"; er habe sich lediglich verteidigt. Als das
Migrationsamt dem (damals bereits anwaltlich vertretenen) Beschwerdeführer das
rechtliche Gehör gewährte, ging er in seiner Stellungnahme vom 30. August 2017
mit keinem Wort auf die behauptete eheliche Gewalt ein. Im Gegenteil führte er
aus, dass die Zeit mit seiner Frau die "schönste Zeit seines Lebens" gewesen
sei. Vor diesem Hintergrund ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass
sich der Beschwerdeführer nicht nur widersprüchlich zur ehelichen Gewalt
geäussert hat, sondern die Vorwürfe auch oberflächlich und unbelegt geblieben
sind (vgl. E. 3.2.3 f. des angefochtenen Urteils). Wie erwähnt genügen solche
allgemein gehaltene Behauptungen nicht, um das Vorliegen ehelicher Gewalt
glaubhaft zu machen (vgl. vorne E. 3.3). Der Beschwerdeführer kann sich deshalb
nicht auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG berufen.

4.

Weiter leitet der Beschwerdeführer einen Aufenthaltsanspruch aus seiner
erfolgreichen Integration ab.

4.1. Die Vorinstanz hat zutreffend festgehalten, dass die erfolgreiche
Integration beim Rechtsanspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG berücksichtigt
wird, der allerdings voraussetzt, dass die eheliche Gemeinschaft länger als
drei Jahre gedauert hat, was im vorliegenden Fall offensichtlich nicht zutrifft
(vgl. E. 2.4 des angefochtenen Urteils). Soweit sich der Beschwerdeführer auf
die entsprechenden Integrationskriterien beruft (Art. 58a AIG bzw. Art. 77 Abs.
4 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und
Erwerbstätigkeit [SR 142.201] in der bis Ende 2018 gültigen Fassung), gehen
seine Vorbringen an der Sache vorbei.

4.2. Sollte der Beschwerdeführer sinngemäss ein Aufenthaltsrecht aus dem
Anspruch aus Privatleben nach Art. 8 EMRK ableiten, ist auf die
bundesgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen, wonach bei einem rechtmässigen
Aufenthalt von rund zehn Jahren regelmässig davon ausgegangen werden kann, dass
die sozialen Bindungen in der Schweiz so eng geworden sind, dass es für eine
Aufenthaltsbeendigung besonderer Gründe bedarf (BGE 144 I 266 E. 3.9 S. 277
ff.). Im vorliegenden Fall hält sich der Beschwerdeführer knapp vier Jahre in
der Schweiz auf. Zwar kann der Anspruch aus Art. 8 EMRK im Einzelfall auch
früher entstehen. Hierfür genügt indessen nicht, dass der Beschwerdeführer
sprachlich integriert und erwerbstätig ist, sich ein Beziehungsnetz aufgebaut
hat und weder strafrechtlich in Erscheinung getreten ist noch Sozialhilfe
bezogen hat.

5.

Schliesslich beruft sich der Beschwerdeführer vor Bundesgericht erstmals auf
seine (neue) Beziehung zu einer Schweizerin. Unabhängig davon, dass es sich
dabei um ein nach Art. 99 Abs. 1 BGG unzulässiges Novum handelt, dauert diese
Beziehung noch nicht einmal ansatzweise lange genug, damit sie als gefestigtes
Konkubinat im Sinne von Art. 8 EMRK gelten kann (BGE 144 I 266 E. 2.5 S. 270).

6.

Zusammenfassend besitzt der Beschwerdeführer keinen Rechtsanspruch auf
Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Die Beschwerde ist abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann.

7.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet
(Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. April 2019

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung

des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Businger