Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 899/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_899/2017  
 
 
Urteil vom 9. Mai 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Stanger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 31. Oktober 2017 (VBE.2017.374). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ meldete sich im November 2011 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau führte erwerbliche und
medizinische Abklärungen durch. Unter anderem veranlasste sie eine
polydisziplinäre Begutachtung bei der Medexperts AG, St. Gallen (Expertise vom
8. August 2016). Mit Verfügung vom 20. März 2017 verneinte die IV-Stelle einen
Leistungsanspruch. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 31. Oktober 2017 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
hauptsächlichen Rechtsbegehren, der Entscheid vom 31. Oktober 2017 sei
aufzuheben, und die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, ihr mindestens eine
halbe Invalidenrente zuzusprechen. Weiter wird um Gewährung der unentgeltlichen
Prozessführung und Verbeiständung ersucht. 
Die IV-Stelle ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren
Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form - unter
Bezugnahme auf und in Auseinandersetzung mit den entscheidenden
vorinstanzlichen Erwägungen (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 134 II 244 E. 2.1 S.
245 f.) - darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art.
42 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit handelt es sich grundsätzlich um eine Tatfrage (BGE 132 V 393
E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage
dar. Dagegen sind die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen
sowie die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Anforderungen an den
Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232)
Rechtsfragen (Urteil 8C_673/2016 vom 10. Januar 2017 E. 3.2).  
 
2.2. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) darf sich die
Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den
beweisrechtlichen Anforderungen genügenden) medizinischen
Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen
und Schlussfolgerungen zur Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten
sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen (BGE 136
V 279 E. 3.3 S. 284). Die medizinischen Fachpersonen und die Organe der
Rechtsanwendung prüfen die Arbeitsfähigkeit - mit Blick auf die normativ
vorgegebenen Kriterien - je aus ihrer Sicht (BGE 141 V 281 E. 5.2.1 S. 306 mit
Hinweisen; vgl. zur Aufgabenverteilung zwischen Rechtsanwender und Arztperson
im Allgemeinen BGE 140 V 193).  
 
3.   
Streitgegenstand bildet der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Rente der
Invalidenversicherung. Es stellt sich in erster Linie die Frage, ob das
kantonale Versicherungsgericht zu Recht von der Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit im Administrativgutachten vom 8. August 2016 abgewichen ist
und einen invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschaden
verneint hat. 
 
4.   
Der psychiatrische Gutachter diagnostizierte eine chronische Schmerzstörung mit
somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41), welche die
Arbeitsfähigkeit auf 50 % reduziere. Zudem stellte der Experte folgende
Diagnosen ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit: Rezidivierende depressive
Störung, gegenwärtig leichte Episode (ICD-10 F33.00),
Alkoholabhängigkeitssyndrom (ICD-10 F10.24) gegenwärtiger Substanzmissbrauch.
Das kantonale Versicherungsgericht würdigte die Aktenlage hinsichtlich der
chronischen Schmerzstörung im Lichte der Grundsätze zum strukturierten
Beweisverfahren gemäss BGE 141 V 281 (vorinstanzliche Erwägungen 4.4.2-4.4.6)
und kam zum Schluss, sofern diese Diagnose überhaupt ausgewiesen sei, habe sie
keine invalidisierende Wirkung. Es sei damit von der im Gutachten - aus rein
somatischer Sicht - attestierten Arbeitsfähigkeit von 100 % in einer
angepassten Tätigkeit auszugehen. 
 
4.1. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe es unterlassen, trotz
aktenkundiger Alkoholerkrankung weitere Abklärungen bezüglich deren Auswirkung
auf die Arbeitsfähigkeit vorzunehmen. Diese Rüge ist unbegründet.  
Gemäss Vorinstanz hat der psychiatrische Gutachter (neben der chronischen
Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) keine weiteren
Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit gestellt. Diese Feststellung
findet in den medizinischen Akten eine Stütze. Der psychiatrischen Expertise
ist zu entnehmen, dass sich der chronische Alkoholmissbrauch wahrscheinlich in
Grenzen halte, dies aufgrund der Laborbefunde bei der aktuellen Untersuchung
(Blutalkohol und CDT) wie auch bei der Begutachtung 2014 (CDT), welche nicht
auf einen massiven chronischen Missbrauch hinweisen würden. Es sei deshalb
nicht anzunehmen, dass der Alkoholkonsum an sich zurzeit zu einer zusätzlichen
ausgesprochenen Reduktion der Arbeitsfähigkeit führe. Der psychiatrische
Gutachter begründete somit, weshalb die Alkoholerkrankung sich nicht auf die
Arbeitsfähigkeit auswirkte. Darauf durfte die Vorinstanz abstellen (vgl. aber
nachstehend E. 4.2.3). 
 
4.2. Nach BGE 141 V 281 beurteilt sich das Vorliegen einer rechtlich relevanten
Arbeitsunfähigkeit im Rahmen eines strukturierten Beweisverfahrens anhand von
systematisierten Indikatoren. Diese Indikatoren erlauben - unter
Berücksichtigung von leistungshindernden äusserer Belastungsfaktoren einerseits
und von Kompensationspotentialen (Ressourcen) anderseits - das tatsächlich
erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 143 V 418 E. 4.1.1 S. 422; 141
V 281 E. 3.4.2.1 u. E. 3.6 S. 293 ff.; Urteil 9C_590/2017 vom 15. Februar 2018
E. 5.1.).  
 
4.2.1. Zum funktionellen Schweregrad stellte die Vorinstanz fest, dass
angesichts des insgesamt geregelten und mindestens teilweise aktiven Lebens der
Beschwerdeführerin eine schwere Ausprägung der Störung ausser Betracht falle.
Sie habe angegeben, regelmässig zwischen 07.00 und 08.00 Uhr aufzustehen und
zunächst mit dem Hund spazieren zu gehen. Anschliessend nehme sie das Frühstück
ein. Vormittags würde sie telefonieren, ein bisschen Zeit am Computer
verbringen und manchmal einkaufen gehen. Mittags esse sie ein wenig und gehe
anschliessend wieder mit dem Hund spazieren. Nachmittags verrichte sie leichte
Haushaltstätigkeiten, schaue fern, seltener würde sie Freunde besuchen. Sie
erledige die Wäsche selbst, koche und tätige leichte Einkäufe. Gegen 18.00 Uhr
esse sie zu Abend. Abends schaue sie viel Fernsehen, gegen 22.00 Uhr gehe sie
zu Bett.  
Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Versicherungsgericht impliziere, als
"Eintrittskriterium" für die Rentenzusprache sei eine schwere Ausprägung der
psychischen Störung erforderlich. Die Rüge ist insofern begründet, als die
Vorinstanz nicht aufgrund objektiver Befunde zum Ergebnis gelangte, die Störung
der Beschwerdeführerin sei nicht ausgeprägt, sondern einzig aufgrund von deren
Angaben zu den Alltagsaktivitäten. 
 
4.2.2. In Bezug auf Behandlungs- und Therapieerfolg bzw. -resistenz hielt die
Vorinstanz fest, die Beschwerdeführerin befinde sich ausweislich der Akten in
psychiatrischer Behandlung, wobei diese in relativ grossen Abständen
stattfinde. Sie sei nicht zugänglich für psychotherapeutische Interventionen.
Daraus könne indes noch keine Behandlungsresistenz im Sinne der Rechtsprechung
abgeleitet werden: Zum einen sei einzig das Medikament Celebrex, ein
Antirheumatikum, in der Laborkontrolle im therapeutischen Bereich nachzuweisen
gewesen. Die behaupteterweise eingenommenen Psychopharmaka Chlorprothixen und
Venlafaxin wie auch das Schmerzmittel Paracetamol hätten hingegen nicht oder
nur weit unter dem therapeutischen Bereich nachgewiesen werden können, womit
jedenfalls nicht von einer Ausschöpfung der Behandlungsmöglichkeiten in
kooperativer Weise gesprochen werden könne. Auch sei nicht anzunehmen, dass die
Behandlungsoptionen ausgeschöpft seien. Es fehle damit am definitiven Scheitern
einer indizierten, lege artis und mit optimaler Kooperation der
Beschwerdeführerin durchgeführten Therapie, weshalb nicht davon auszugehen sei,
dass die Störung schwer und therapeutisch nicht (mehr) angehbar sei.  
Entgegen der Vorbringen in der Beschwerde trifft es nicht zu, dass die
Vorinstanz die Indikatorenprüfung auf die Frage der (fehlenden)
Therapieresistenz reduzierte. Dieser Punkt war lediglich ein - wenn auch
gewichtiger - Aspekt. Im Übrigen kann seit BGE 143 V 409 E. 5.1 S. 417 eine
invalidenversicherungsrechtlich relevante psychische Gesundheitsschädigung
nicht mehr mit dem Argument der fehlenden Therapieresistenz verneint werden.
Unbestritten geblieben sind die fehlende Ausschöpfung der
Behandlungsmöglichkeiten in kooperativer Weise und der Behandlungsoptionen.
Immerhin ist gemäss psychiatrischem Gutachter auch bei einer Intensivierung der
Behandlung nicht mit einer Verbesserung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen. 
 
4.2.3. Eine (rechtlich relevante) psychische Komorbidität verneinte die
Vorinstanz mit der Begründung, der psychiatrische Gutachter habe neben der
chronischen Schmerzstörung keine weiteren Diagnosen mit Auswirkung auf die
Arbeitsfähigkeit gestellt. Diese Argumentation, welche auf der früheren
Rechtsprechung (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.3 S. 300 f.) beruht, greift zu kurz, wie
die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das Gutachten geltend macht. Gemäss
BGE 143 V 418 E. 8.1 S. 430 fallen Störungen unabhängig von ihrer Diagnose
bereits dann als rechtlich bedeutsame Komorbidität in Betracht, wenn ihnen im
konkreten Fall ressourcenhemmende Wirkung beizumessen ist. Der psychiatrische
Gutachter stellte fest, die chronische Alkoholerkrankung sowie die wiederholten
depressiven Schübe wirkten verstärkend. Im Weiteren erwähnte der Experte, dass
daneben auch somatische Beschwerden in Form von Rücken- und Knieschmerzen
vorliegen würden, welche durch die psychischen Prozesse sowie die Schonhaltung
und Selbstlimitierung intensiviert und potenziert würden. Dem
Alkoholabhängigkeitssyndrom (ICD-10 F10.24) und der rezidivierenden depressiven
Störung (ICD-10 F33.00) kann folglich nicht jegliche ressourcenhemmende Wirkung
abgesprochen werden (BGE 143 V 418 E. 8.1 S. 430).  
 
4.2.4. Zum K omplex Persönlichkeit und sozialer Kontext führte das kantonale
Versicherungsgericht aus, die aktive Lebensgestaltung der Beschwerdeführerin
weise darauf hin, dass sie über Ressourcen verfüge. Der soziale Lebenskonte xt,
insbesondere die der Versicherten im Alltag obliegenden
Haushaltsführungsaufgaben und ihre sonstigen Aktivitäten, enthalte
bestätigende, sich potenziell günstig auf die Ressourcen auswirkende Faktoren.
Diese Feststellungen, welche einzig aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin
zu ihrem Tagesablauf getroffen wurden (vgl. E. 4.2.1), stehen im Widerspruch zu
den Ausführungen des psychiatrischen Experten zum sozialen Kontext: "Die
Versicherte lebt sozial weitgehend zurückgezogen. Sie wohnt alleine, hat keine
näheren Beziehungen und ist auf Sozialleistungen angewiesen. Die zu
mobilisierenden Ressourcen sind sehr bescheiden. Es besteht kein soziales
Netzwerk und die allgemeine Misstrauenshaltung erschwert die Kommunikation mit
Institutionen und Behandler."  
 
4.2.5. Im Rahmen der Konsistenzprüfung stellte die Vorinstanz fest, aus den
Schilderungen der Beschwerdeführerin zu ihrem Tagesablauf und ihren Aktivitäten
gehe hervor, dass sie grundsätzlich in der Lage sei, Haushaltsarbeiten zu
verrichten sowie ausserhäuslichen Aktivitäten nachzugehen. Vor diesem
Hintergrund sei eine gleichmässige Einschränkung des Aktivitätsniveaus in allen
vergleichbaren Lebensbereichen zu verneinen. Damit begründete die Vorinstanz
ein inkonsistentes Verhalten der Versicherten im Wesentlichen mit ihrem
strukturierten Alltag.  
Die Beschwerdeführerin bringt richtig vor, dass sie gemäss Gutachten zu 50 %
arbeitsfähig sei und somit auch "einen zu 50 % normalen Alltag" haben dürfe.
Das Aktivitätsniveau der versicherten Person ist stets im Verhältnis zur
geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sehen. Die von der Beschwerdeführerin
geschilderte Freizeitgestaltung (vgl. E. 4.2.1) ist überwiegend passives,
konsumierendes Tun (Fernsehen, Computer, Telefonieren) und beinhaltet zumindest
keine fordernden Aktivitäten. Zudem ist den Akten zu entnehmen, dass sie nur
die leichten Haushaltstätigkeiten selber erledigt; schwerere Arbeiten werden
einmal wöchentlich von einer Haushaltshilfe verrichtet. Insgesamt erscheint das
Aktivitätsniveau der Beschwerdeführerin (aus medizinisch-theoretischer Sicht)
nicht inadäquat zu ihrer Arbeitsfähigkeit von 50 %, zumal d as kantonale
Versicherungsgericht nicht festgestellt hat, dass sie vor Eintritt der
gesundheitlichen Beeinträchtigung das gleiche (geringe) Aktivitätsniveau
aufgewiesen hat wie heute (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.4.1 S. 303). 
In die Konsistenzprüfung miteinzubeziehen ist auch die Tatsache, dass die in
der Laborkontrolle nicht oder nur weit unter dem therapeutischen Bereich
nachgewiesenen Medikamente (Psychopharmaka und Schmerzmittel) und die fehlende
Ausschöpfung der Behandlungsoptionen (E. 4.2.2) auf einen nicht allzu grossen
Leidensdruck schliessen lässt (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.4.2 S. 304). 
 
4.3. Zusammenfassend geht die Vorinstanz vom Fehlen einer schweren Ausprägung
der Störung aus, ohne diese Feststellung auf objektive Befunde abzustützen.
Sodann hat sie vor dem Hintergrund der früheren Rechtsprechung der chronischen
Alkoholerkrankung und den wiederholten depressiven Schüben (psychische
Komorbidität) wie auch den Rücken- und Knieschmerzen (somatische Komorbidität)
von vornherein keine Bedeutung im Sinne einer ressourcenhemmenden Wirkung
beigemessen. Weiter hat sie die Feststellung im psychiatrischen Gutachten,
wonach die Beschwerdeführerin weitgehend zurückgezogen lebe und nur über sehr
bescheidene zu mobilisierende Ressourcen verfüge, unberücksichtigt gelassen.
Die Konsistenzprüfung ergibt, dass das Aktivitätsniveau der Beschwerdeführerin
im Verhältnis zu ihrer Arbeitsfähigkeit angemessen erscheint. Demgegenüber
können die Behandlungsmöglichkeiten in kooperativer Weise und die
Behandlungsoptionen nicht als ausgeschöpft gelten, was als Hinweis auf einen
nicht allzu grossen Leidensdruck gewertet werden kann. Zwar handelt es sich
dabei um einen wichtigen Schweregradindikator, der bei der Prüfung entscheidend
in Anschlag gebracht werden darf (statt vieler Urteil 9C_49/2017 vom 5. März
2018 E. 4.4 mit Hinweisen). Er vermag indessen in concreto im Rahmen einer
umfassenden Betrachtung die übrigen Indikatoren nicht derart in den Hintergrund
zu drängen, dass Anlass dafür besteht, von der Beurteilung im
Administrativgutachten abzuweichen. Es ist folglich von einer
Arbeitsunfähigkeit von 50 % auszugehen.  
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerdegegnerin nahm in der Verfügung vom 20. März 2017 einen
Einkommensvergleich (vgl. Art. 16 ATSG) auf der Grundlage einer
Arbeitsfähigkeit von 100 % in angepassten Tätigkeiten vor, welcher im
vorinstanzlichen Verfahren unbestritten geblieben ist. Das Bundesgericht hat
keine Veranlassung, davon abzuweichen. Bei einem Valideneinkommen von Fr.
51'318.00 und einem Invalideneinkommen von Fr. 25'720.50 (entsprechend einer
Arbeitsfähigkeit von 50 %) ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 50 % ([Fr.
25'597.50: Fr. 51'318.00] x 100 %; zum Runden BGE 130 V 121), was einen
Anspruch auf eine halbe Rente begründet (Art. 28 Abs. 2 IVG).  
 
5.2. Die Arbeitsunfähigkeit von 50 % besteht gemäss Gutachten seit 2007. Die
Beschwerdeführerin meldete sich im November 2011 bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug an. Der Rentenbeginn ist damit auf den 1. Mai 2012
festzusetzen (Art. 29 Abs. 1 und 3 IVG).  
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Überdies hat sie der
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 2 BGG
). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Aargau vom 31. Oktober 2017 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons
Aargau vom 20. März 2017 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die
Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2012 Anspruch auf eine halbe Rente der
Invalidenversicherung hat. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung
des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. Mai 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Stanger 

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