Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 837/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_837/2017  
 
 
Urteil vom 7. Juni 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
St. Galler Pensionskasse sgpk, Rosenbergstrasse 52, 9001 St. Gallen, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Gnädinger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Frei, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge (Invalidenleistung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.
Gallen 
vom 25. September 2017 (BV 2016/1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ arbeitete ab........ in einem 100 %-Pensum bei der B.________. Damit
war er bei der St. Galler Pensionskasse sgpk berufsvorsorgeversichert.
Ab........ war er zudem Gemeinderat in C.________. Nach dem Auftreten von
gesundheitlichen Problemen........ arbeitete A.________........ noch zu 60 % in
einer anderen Funktion und eine Lohnklasse tiefer. Die St. Galler Pensionskasse
sgpk richtete ab 13. April 2015 Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge
(reglementarische Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 45.11 %)
von monatlich Fr. 2'088.55 aus. Mit Verfügung vom 3. Juli 2015 sprach die
IV-Stelle des Kantons St. Gallen A.________ rückwirkend ab 1. Juni 2014 eine
halbe Rente der Invalidenversicherung zu. Die Invaliditätsbemessung unter
Berücksichtigung der Tätigkeit als Gemeinderat hatte einen Invaliditätsgrad von
52 % ergeben. 
 
B.   
Auf Klage hin verpflichtete das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit
Entscheid vom 25. September 2017 die St. Galler Pensionskasse sgpk, A.________
seit dem 13. April 2015 basierend auf einem Invaliditätsgrad von 52 % eine
Invalidenrente samt Verzugszinsen von 5 % auf der Rentendifferenz ab dem 13.
April 2015 zu bezahlen. 
 
C.   
Die St. Galler Pensionskasse sgpk führt Beschwerde in öffentlich rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 25. September 2017
sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. 
 
A.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. wegen Verletzung
von Bundesrecht erhoben werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Im Streit um Leistungen der
beruflichen Vorsorge überprüft es die Auslegung und Anwendung von (kantonalem
und kommunalem) öffentlichem Vorsorgerecht durch die Vorinstanz grundsätzlich
frei (BGE 134 V 199; Urteil 9C_61/2017 vom 1. Juni 2017 E. 1). 
 
2.   
Die Beschwerde führende St. Galler Pensionskasse sgpk rügt eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV. Die Vorinstanz habe sich mit ihren
tatsächlichen und insbesondere rechtlichen Vorbringen im Klageverfahren zur
Bestimmung des Invaliditätsgrades aus berufsvorsorgerechtlicher Sicht nicht
auseinandergesetzt. Wie die Beschwerdeführerin indessen selber zutreffend
festhält, will die Begründungspflicht in erster Linie garantieren, dass ein
Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann. In diesem Sinne
sind wenigstens kurz die Überlegungen zu nennen, auf welche sich der Entscheid
in den wesentlichen Punkten stützt (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236). Inwiefern
diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt sein soll, ist nicht
ersichtlich (vgl. E. 4 hinten). Die Beschwerdeführerin vermochte den
vorinstanzlichen Entscheid denn auch durchaus sachgerecht anzufechten. 
 
3.   
Streitgegenstand bildet die Frage, ob die St. Galler Pensionskasse sgpk
Invalidenleistungen auf der Grundlage des von der IV-Stelle des Kantons St.
Gallen ermittelten Invaliditätsgrades von 52 % zu erbringen hat, wie die
Vorinstanz entschieden hat. Ihre Leistungspflicht mindestens im Umfang des von
ihr festgesetzten und anerkannten Invaliditätsgrades von 45.11 % steht ausser
Diskussion (Art. 107 Abs. 2 BGG). 
 
Der um rund 7 % höhere Invaliditätsgrad von 52 % rührt daher, dass die
IV-Stelle bei der Invaliditätsbemessung durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG
i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG) beim Valideneinkommen auch die Entschädigung des
Beschwerdegegners als Gemeinderat berücksichtigte, die Beschwerdeführerin
hingegen nicht. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz hat im Wesentlichen mit folgender Begründung den von der
IV-Stelle ermittelten Invaliditätsgrad als massgebend für die Berechnung der
Höhe der Invalidenrente der beruflichen Vorsorge erachtet: Der
Gemeindesratslohn habe nie zum beitragspflichtigen Lohn gemäss Ziff. 16 des
Vorsorgereglements gezählt, was unbestritten sei. Er falle denn auch bei der
Ermittlung des "versicherten Lohnes" im Sinne von Ziff. 56 Abs. 1 des
Vorsorgereglements ausser Betracht. Dennoch habe durch die umfassenden und
uneingeschränkten Verweise auf die Invaliditätsbemessung gemäss IVG im
Reglement der Beschwerdeführerin zu gelten, dass die Erwerbsfähigkeit des
Beschwerdegegners vollumfänglich versichert und in diese für den hypothetischen
Gesundheitsfall daher auch die Tätigkeit als Gemeinderat einzurechnen sei.  
 
4.2. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verstösst das Abstellen der
Vorinstanz auf den Invaliditätsgrad der Invalidenversicherung gegen das
Versicherungsprinzip und damit gegen Art. 23 lit. a BVG. Die für die berufliche
Vorsorge relevante Invalidität sei lediglich bezogen auf Erwerbstätigkeiten zu
bemessen, welche mit ihrer Vorsorgetätigkeit in einem Zusammenhang stünden. Das
treffe auf die Arbeit als Gemeinderat nicht zu.  
 
5.   
 
5.1. Die Beschwerdeführerin ist eine öffentlich-rechtliche Stiftung. Die
Bestimmungen des hier anwendbaren Vorsorgereglements (am 1. Januar 2014 in
Kraft getreten, zweite Fassung) sind somit nach den Regeln der
Gesetzesauslegung zu interpretieren (BGE 139 V 234 E. 5.1 S. 238). Dabei ist
vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist im juristischen Kontext nach seinem Sinn zu
verstehen. Bleiben verschiedene Interpretationen möglich, muss nach der wahren
Tragweite der Bestimmung gesucht werden (BGE 143 I 272 E. 2.2.3 S. 277). Vom
klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur abgewichen
werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass er nicht den wahren Sinn der
Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte
der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern
Vorschriften ergeben (BGE 140 II 129 E. 3.2 S. 131 mit Hinweisen). Auf den
(klaren) Wortlaut darf nur abgestellt werden, wenn sich daraus zweifelsfrei die
sachlich richtige Lösung ergibt (BGE 138 V 17 E. 4.2 S. 20; Urteil 9C_264/2014
vom 30. Juli 2014 E. 1.2).  
 
5.2. Ziff. 54 des Vorsorgereglements betreffend den "Anspruch auf
Invalidenrente" hält in Abs. 3 Folgendes fest: "Der Invaliditätsgrad entspricht
dem von der eidgenössischen Invalidenversicherung festgestellten
Invaliditätsgrad. Liegt er unter 40 Prozent, bemisst ihn die sgpk unter
Berücksichtigung der vertrauensärztlichen Untersuchung. Bei einem
Invaliditätsgrad unter 20 Prozent besteht kein Leistungsanspruch." Nach dem
Wortlaut soll somit der Invaliditätsgrad der Invalidenversicherung verbindlich
sein, wenn und sobald er den nach Art. 28 Abs. 2 IVG anspruchsbegründenden
Schwellenwert von 40 Prozent erreicht (zum Runden BGE 130 V 121) oder darüber
liegt. Ziff. 54 Abs. 3 des Vorsorgereglements muss indessen im Zusammenhang mit
Ziff. 11 gesehen werden. Danach richtet sich die Versicherungspflicht der
Arbeitnehmenden nach der Gesamtheit der AHV-pflichtigen Jahreslöhne aller bei
der sgpk angeschlossenen Arbeitgebenden (Abs. 1). Lohn von nicht bei der sgpk
angeschlossenen Arbeitgebenden wird nicht versichert (Abs. 2). Diese Bestimmung
betrifft gemäss Überschrift zwar die Versicherungspflicht bei mehreren
Arbeitsverhältnissen. Darin widerspiegelt sich indessen auch der
berufsvorsorgerechtliche Grundsatz, wonach ein Anspruch auf Invalidenleistungen
der beruflichen Vorsorge nur gegeben ist, sofern eine entsprechende
Versicherungsdeckung vorhanden ist. Deren Umfang bemisst sich nach dem
Beschäftigungsgrad bei Eintritt der nach Art. 23 lit. a BVG
berufsvorsorgerechtlich relevanten Arbeitsunfähigkeit (BGE 141 V 127 E. 5.3.2
S. 134; Urteil 9C_403/2015 vom 23. September 2015 E. 5.1.2, in: SVR 2016 BVG
Nr. 14 S. 59).  
 
5.3. Massgebend ist somit die Invalidität bezogen auf die allenfalls im Rahmen
mehrerer Arbeitsverhältnisse ausgeübte versicherte Tätigkeit. Im Falle einer
Teilzeittätigkeit bemisst sich der vorsorgerechtlich relevante Invaliditätsgrad
bezogen auf das effektive und nicht ein hypothetisches volles Arbeitspensum
(Urteile 9C_133/2017 vom 7. März 2018 E. 6.2 und 9C_426/2017 vom 7. März 2018
E. 5.3.4, je zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dasselbe
muss bei einer Vollzeittätigkeit gelten, wenn daneben bei einem anderen
Arbeitgeber eine Tätigkeit ausgeübt wird, sodass das erwerbliche Arbeitspensum
insgesamt mehr als 100 % beträgt. Mit Blick auf die hier ins Recht gefasste
Vorsorgeeinrichtung kann allein die Invalidität bezogen auf das Pensum, das bei
einem oder allenfalls mehreren bei ihr angeschlossenen Arbeitgebern ausgeübt
wird, von Bedeutung sein. Das ist im Fall des Beschwerdegegners einzig die
Tätigkeit als Angehöriger der B.________. Dagegen fällt die Ausübung des
(nebenberuflichen) Amtes als Gemeinderat, welche Tätigkeit von der
Beschwerdeführerin nie gedeckt wurde, ausser Betracht mit der Folge, dass sie
bei der Invaliditätsbemessung unberücksichtigt zu bleiben hat. Zu keiner
anderen Betrachtungsweise Anlass gibt der vom Beschwerdegegner erwähnte Art. 67
Abs. 1 der Personalverordnung vom 13. Dezember 2011; sGS 143.11), wonach die
Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber für die Ausübung eines öffentlichen Amtes
bezahlten Urlaub von höchstens fünfzehn Tagen je Jahr gewähren kann. Wo diese
Regelung zur Anwendung kommt, ändert sie weder am Arbeitspensum etwas noch an
der Höhe des (versicherten) Lohnes.  
 
6.   
Nach dem Gesagten ist für die Berechnung der Höhe der Invalidenrente nach Ziff.
56 des Vorsorgereglements der ohne Einbezug der Tätigkeit als Gemeinderat
ermittelte Invaliditätsgrad von 45.11 % (E. 3) massgebend. Die Beschwerde ist
begründet. 
 
7.   
Der unterliegende Beschwerdegegner hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG). Die obsiegende Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; Urteil 9C_708/2016 vom 13. März 2017
E. 8 mit Hinweis). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 25. September 2017 wird aufgehoben. Die Klage des
Beschwerdegegners wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. Juni 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler 

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