Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 834/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_834/2017  
 
 
Urteil vom 5. April 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless. 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 26. September 2017 (IV.2016.00161). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1964 geborene A.________, ausgebildete Bodenhostess, meldete sich am 3.
Oktober 2012 unter Verweis auf einen Schlaganfall mit Hemisyndrom links sowie
eine Dysarthrie bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle des Kantons Zürich (fortan: IV-Stelle) gewährte berufliche Massnahmen
(Finanzierung der Wiederholung des dritten Jahres eines Bachelorstudiums in
Internationalen Beziehungen an der Privatuniversität B.________ sowie eines
Sprachaufenthalts). Ausserdem traf sie erwerbliche und medizinische Abklärungen
und holte (u.a.) ein polydisziplinäres Gutachten der BEGAZ GmbH (fortan: BEGAZ)
in den Disziplinen Allgemeine Innere Medizin, Neurologie und Neuropsychologie
ein (Expertise vom 19. Juni 2015). Die IV-Stelle ermittelte (gestützt auf die
Expertise vom 19. Juni 2015 sowie die Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt
für Statistik periodisch durchgeführten Lohnstrukturerhebung [LSE]) einen
Invaliditätsgrad von 60 % und gewährte mit Verfügung vom 17. Dezember 2015 eine
Dreiviertelsrente ab August 2013. 
 
B.   
Die von A.________ hiergegen gerichtete Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. September
2017 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom
26. September 2017 und die Verfügung der IV-Stelle vom 17. Dezember 2015 seien
aufzuheben, und es sei ihr ab 1. August 2013 eine ganze Rente zu gewähren.
Eventualiter sei die Angelegenheit zwecks Vornahme zusätzlicher medizinischer
(insbesondere psychiatrischer) Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von 
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Das Sozialversicherungsgericht hat die für die Beurteilung der Streitsache
massgeblichen Rechtsgrundlagen sowie die Rechtsprechung (insbesondere zum
Untersuchungsgrundsatz sowie zum Tabellenlohnabzug) zutreffend dargelegt,
worauf verwiesen wird. 
 
2.1. Die Vorinstanz erwog nach einlässlicher Würdigung der Akten, auf die
medizinischen Erhebungen der BEGAZ könne abgestellt werden. Die Gutachter
hätten retrospektiv für die Zeit zwischen dem 26. August 2012 (Datum des
Schlaganfalls) und dem 1. Mai 2013 eine volle Arbeitsunfähigkeit attestiert.
Seither bestehe - den Experten zufolge - insbesondere angesichts erhöhter
Ermüdbarkeit, erhöhten Pausenbedarfs und kognitiver Beeinträchtigungen eine
50%ige Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit (kognitiv wenig
fordernde Routinetätigkeiten, die in eigenem Rhythmus und ohne erhöhten
Zeitdruck ausgeführt werden können, vollschichtig realisierbar bei verminderter
Leistung). Anlass zu weiteren Untersuchungen bestehe nicht. Die gutachterlich
attestierte Arbeitsfähigkeit sei auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt
verwertbar.  
 
2.2. Im Rahmen des Einkommensvergleichs erkannte das kantonale Gericht, trotz
gewisser Unstimmigkeiten bezüglich des Erwerbs eines Bachelortitels (in
Internationalen Beziehungen von der Privatuniversität B.________) liege es noch
knapp im Bereich des Ermessens der Verwaltung, dass diese das Valideneinkommen
(entsprechend dem Lohn für Frauen mit Fachhochschulabschluss, ohne
Kaderfunktion, für das Jahr 2013 gemäss Erhebung des Bundesamtes für Statistik)
auf Fr. 73'612.- festgesetzt habe. Für das Invalideneinkommen sei auf den Lohn
gemäss LSE-Tabelle TA1 2012, Total, Kompetenzniveau 2, Frauen, abzustellen.
Angepasst an die Nominallohnentwicklung bis 2013, umgerechnet auf die
betriebsübliche Arbeitszeit sowie unter Berücksichtigung der Leistungsminderung
von 50 % resultiere ein Invalideneinkommen von Fr. 29'264.15.  
 
2.3. Die von der Versicherten geltend gemachten Einschränkungen
(Konzentrationsschwäche, Stressintoleranz, beeinträchtigte Auffassungsgabe,
Intelligenzminderung sowie übermässige Toilettengänge zufolge
Niereninsuffizienz) seien bereits bei der Festlegung der Leistungsfähigkeit auf
50 % berücksichtigt worden, so dass die Gewährung eines zusätzlichen Abzugs vom
Tabellenlohn einer (unzulässigen) doppelten Anrechnung derselben Gesichtspunkte
gleichkäme.  
 
2.4. Zusammenfassend resultiere ein Invaliditätsgrad von 60 % ([Fr. 73'612.-./.
Fr. 29'264.15] / Fr. 73'612.- x 100), womit Anspruch auf eine Dreiviertelsrente
bestehe.  
 
3.  
 
3.1. Soweit die Beschwerdeführerin der Vorinstanz vorwirft, den Sachverhalt
offensichtlich fehlerhaft und willkürlich festgestellt und den
Untersuchungsgrundsatz verletzt zu haben, überzeugen ihre Vorbringen nicht:  
 
3.1.1. Die geltend gemachte Minderintelligenz wurde nie fachärztlich
diagnostiziert. Der neuropsychologische Gutachter, dessen Testung einen IQ von
63 ergab, hielt fest, diese sei nicht aussagekräftig gewesen. Anderweitige
Anhaltspunkte für Minderintelligenz werden nicht geltend gemacht. Auch
inwiefern die weiteren Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz - insbesondere
bezüglich der gutachterlich attestierten Einschränkungen und deren Auswirkungen
auf die Arbeitsfähigkeit - willkürlich oder sonstwie bundesrechtswidrig sein
sollen, vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen. Diese bleiben deshalb
für das Bundesgericht verbindlich (oben E. 1).  
 
3.1.2. Dass die Beschwerdeführerin ihr Bachelorstudium aus gesundheitlichen
Gründen nicht habe abschliessen können, behauptet sie erstmals vor
Bundesgericht, weshalb sie damit nicht zu hören ist (Art. 99 Abs. 1 BGG). Im
Verwaltungsverfahren gab sie wiederholt an, abgeschlossen und lediglich
aufgrund nicht bezahlter Gebühren das Diplom noch nicht erhalten zu haben. Dass
die Vorinstanz darauf abstellte, ist angesichts der Aktenlage (Mahnschreiben
der Privatuniversität B.________ vom 14. Februar 2014 bezüglich Studiengebühren
in Höhe von Fr. 28'100.-; provisorische Bescheinigung derselben vom 6.
September 2014, wonach die Versicherte berechtigt sei, an der Diplomübergabe
vom selben Tag teilzunehmen und sich verpflichtet habe, die "restlichen
Bedingungen" bis Ende Januar 2015 zu erfüllen) weder willkürlich noch sonstwie
bundesrechtswidrig (vgl. zum massgeblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit etwa BGE 138 V 218 E. 6 S. 221; Urteil 8C_756/2017 vom 7.
März 2018 E. 2). Auf weitere Abklärungen durfte das kantonale Gericht - nicht
zuletzt mit Blick auf die Mitwirkungspflicht der Versicherten im
vorinstanzlichen Verfahren (Art. 61 lit. c ATSG) - verzichten.  
 
3.1.3. Auch inwiefern eine zusätzliche psychiatrische Begutachtung neue
Erkenntnisse über die funktionellen Einschränkungen zu liefern vermocht hätte,
ist nicht ersichtlich. Die Formulierung der RAD-Ärztin, die lediglich im Rahmen
einer zukünftigen Verlaufsbeurteilung auch eine psychiatrische Begutachtung
oder eine praktische Beurteilung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit empfahl,
zeigt gerade auf, dass diese zur Erhebung der funktionellen Einschränkungen und
zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht zwingend notwendig waren. Damit
übereinstimmend hielten auch die Experten des BEGAZ eine psychiatrische
Begutachtung - in Kenntnis der durch den neuropsychologischen Gutachter
erhobenen Hinweise auf eine hirnorganische psychische Beeinträchtigung) -
offenkundig nicht für notwendig (zur Verantwortung der Sachverständigen für die
fachliche Güte und die Vollständigkeit der interdisziplinär erstellten
Entscheidungsgrundlage siehe BGE 139 V 349 E. 3.3 S. 352 f.). Die
Untersuchungen im medizinischen Zentrum C.________, auf die sich die
Beschwerdeführerin schliesslich beruft, fanden erst nach Verfügungserlass
statt. Der Bericht vom 24. Februar 2016 macht keine retrospektiven Angaben zum
Gesundheitszustand der Versicherten im massgebenden Zeitpunkt des
Verfügungserlasses (vgl. Urteil 9C_590/2017 vom 15. Februar 2018 E. 6.3.1),
weshalb er nicht geeignet ist, weiteren (dazumal bestehenden) Abklärungsbedarf
aufzuzeigen.  
 
3.1.4. Ist der Vorinstanz nach dem Gesagten keine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes vorzuwerfen (E. 3.1.2 f. soeben), stossen auch die
(daran anknüpfenden) Rügen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV) und ein faires Verfahren (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) - soweit
überhaupt den qualifizierten Anforderungen an die Begründungspflicht (Art. 106
Abs. 2 BGG) genügend - ins Leere.  
 
3.2. Weiter wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz vor, den
Invaliditätsgrad bundesrechtswidrig bemessen zu haben, indem sie für das
Valideneinkommen einen zu tiefen, für das Invalideneinkommen dagegen einen zu
hohen Tabellenwert gewählt und einen leidensbedingten Abzug vom Tabellenlohn
verweigert habe.  
 
3.2.1. Mit Bezug auf das Valideneinkommen macht die Versicherte geltend, sie
hätte im Gesundheitsfall möglicherweise einen Masterstudiengang absolviert und/
oder eine diplomatische Laufbahn eingeschlagen. Der damit verbundenen
zukünftigen Lohnerwartung habe die Vorinstanz nicht Rechnung getragen. Hierbei
handelt es sich um ein neues Vorbringen, das bereits aus diesem Grund
unbeachtlich bleibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Zudem übersieht die
Beschwerdeführerin, dass theoretisch vorhandene berufliche
Entwicklungsmöglichkeiten rechtsprechungsgemäss nur beachtlich sind, wenn sie
mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wären (vgl. etwa Urteil 8C_879/2017
vom 5. Februar 2018 E. 4.3.2.2), was sie nicht einmal ansatzweise
substanziiert.  
 
3.2.2. In ihren Ausführungen zum Invalideneinkommen vermischt die
Beschwerdeführerin die Frage danach, in welchem Kompetenzniveau die ihr noch
zumutbaren Arbeiten anzusiedeln sind, mit derjenigen nach der Leistung, die sie
in einer leidensangepassten Tätigkeit zu erbringen vermag. Dass die Versicherte
in einer Verweistätigkeit zu 50 % arbeitsfähig ist, steht nach dem vorstehend
Ausgeführten - mit der Vorinstanz (E. 2.1 oben) - fest (E. 1 und E. 3.1
hiervor). Angesichts des gutachterlich umschriebenen Zumutbarkeitsprofils
(vorne E. 2.1) sowie der übereinstimmenden Einschätzungen der
Beschwerdeführerin selber sowie ihres Hausarztes - die administrative
Tätigkeiten im Umfang von 50 % grundsätzlich für zumutbar hielten - hält vor
Bundesrecht stand, dass die Vorinstanz der Versicherten ein Invalideneinkommen
gemäss LSE-Tabelle TA1 2012, Total, Frauen, Kompetenzniveau zwei, angerechnet
hat. Dieses beinhaltet u.a. praktische Tätigkeiten wie Verkauf, Pflege,
Datenverarbeitung oder Administration.  
 
3.2.3. Unzutreffend ist sodann der Schluss der Versicherten, aus der
Feststellung eines unterdurchschnittlichen Gesamtleistungsniveaus folge
zwingend, dass sie - auch in einem reduzierten Pensum in einer
leidensangepassten Tätigkeit - nur noch unterdurchschnittliche
Arbeitsleistungen erbringen könne, weshalb zusätzlich ein Tabellenlohnabzug zu
gewähren sei. Diesbezüglich wird auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen
(vgl. E. 2.3 oben), denen das Bundesgericht nichts anzufügen hat.  
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet und hat es bei der
vorinstanzlich zugesprochenen Dreiviertelsrente sein Bewenden. 
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. April 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald 

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