Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 823/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_823/2017  
 
 
Urteil vom 18. September 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsdienst Inclusion Handicap, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 31. Oktober 2017 (IV 2015/64). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1980 geborene A.________ meldete sich im Mai 2011 wegen einem Morbus Crohn
und einem Burnout bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle des Kantons St. Gallen gewährte ihr Frühinterventionsmassnahmen in
Form der Kostenübernahme für Foto- und Kalligrafiekurse (Mitteilung vom 27.
Juli 2012). Sie veranlasste eine Haushaltabklärung (Abklärungsbericht vom 18.
Oktober 2012) und eine polydisziplinäre Begutachtung durch die Medas Ostschweiz
(gastroenterologisch-psychiatrisch-orthopädisch-internistische Expertise vom
18. September 2013). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren wies die
Verwaltung das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 26. Januar 2015 ab
(Invaliditätsgrad 7.5 %). 
 
B.   
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen gut, sprach der Versicherten rückwirkend ab dem 1. Mai
2012 eine halbe Invalidenrente zu und wies die Sache zur Festsetzung der
Rentenbeträge an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 31. Oktober 2017). 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. 
 
A.________ und das Versicherungsgericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine
Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG
). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem
sie der Versicherten rückwirkend ab dem 1. Mai 2012 eine halbe Invalidenrente
zusprach. Das kantonale Gericht legte die diesbezüglich massgebenden
Rechtsgrundlagen zutreffend dar. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen
und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine
Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG) sowie zur Bemessung der Invalidität
anhand der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG und Art.
28a Abs. 1 IVG). Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Einmal mehr (vgl. nachfolgend E. 3.2) zu berichtigen ist das kantonale
Urteil insofern, als bei teilerwerbstätigen Versicherten die
Invaliditätsbemessung nach der sogenannten gemischten Methode vorzunehmen ist.
Dabei wird zunächst der Anteil der Erwerbstätigkeit und derjenige der Tätigkeit
im Aufgabenbereich (so unter anderem im Haushalt) bestimmt, wobei sich die
Frage, in welchem Ausmass die versicherte Person ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung erwerbstätig wäre, mit Rücksicht auf die gesamten Umstände, so
die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse beurteilt.
Die Invalidität bestimmt sich in der Folge dadurch, dass im Erwerbsbereich ein
Einkommens- und im Aufgabenbereich ein Betätigungsvergleich vorgenommen wird,
wobei sich die Gesamtinvalidität aus der Addierung der in beiden Bereichen
ermittelten und gewichteten Teilinvaliditäten ergibt (Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE
130 V 393 E. 3 S. 394 ff., E. 3.3 S. 395 f.; vgl. auch BGE 137 V 334 E. 3.1.3
S. 338).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz erwog, die IV-Stelle habe den Invaliditätsgrad der
Versicherten, welche vor und beim Eintritt der Gesundheitsbeeinträchtigung
erwerbstätig gewesen sei, nicht anhand eines reinen Einkommensvergleichs,
sondern in Anwendung der gemischten Methode berechnet. Dieses Vorgehen sei nach
ständiger Rechtsprechung des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
rechtswidrig, denn es stehe im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 IVG
sowie des Art. 8 Abs. 3 ATSG, zum Sinn und Zweck der Invalidenrente, zum
Rentensystem der Invalidenversicherung und zum Willen des historischen
Gesetzgebers.  
 
3.2. Die IV-Stelle wendet zu Recht ein, die vom kantonalen Gericht dargelegte
Auffassung, wonach die gemischte Methode rechtswidrig sei, verstosse gegen die
in diesem Zusammenhang ergangene ständige bundesgerichtliche Rechtsprechung.
Das Bundesgericht hat sich bereits mehrfach mit der St. Galler Praxis
auseinandergesetzt und dargelegt, dass es nicht Sache der Invalidenversicherung
ist, die Einbusse in einer Tätigkeit auszugleichen, welche im hypothetischen
Gesundheitsfall nicht ausgeübt würde (vgl. Urteil 9C_552/2016 vom 9. März 2017
E. 4.2 mit Hinweisen). Weiterungen dazu erübrigen sich, und es ist
festzuhalten, dass die IV-Stelle die Invaliditätsbemessung zu Recht anhand der
gemischten Methode (Gewichtung: 80 % Erwerb, 20 % Haushalt) vorgenommen hat.
Beizufügen ist, dass diese Gewichtung von der Versicherten im kantonalen
Verfahren nicht gerügt, sondern gegenteils ausdrücklich anerkannt wurde.  
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht stellte gestützt auf die Expertise der Medas
Ostschweiz vom 18. September 2013 für das Bundesgericht grundsätzlich
verbindlich (vgl. E. 1 hievor) fest, die Versicherte sei im Zeitpunkt der
Eröffnung der Verfügung vom 26. Januar 2015 in ihrer angestammten Tätigkeit zu
50 % und in einer angepassten Tätigkeit zu 70 % arbeitsfähig gewesen. Es
ermittelte gestützt darauf ein Valideneinkommen von Fr. 9'000.- (für ein
Vollzeitpensum), welches unbestritten blieb. Weiter ging die Vorinstanz davon
aus, die zumutbare Invalidenkarriere bestehe trotz geringerer Arbeitsfähigkeit
(aber bei wesentlich höherem Lohnniveau) in der Weiterausübung des erlernten
Berufs in einem Pensum von 50 %.  
 
4.2. Was die Beschwerdegegnerin dagegen vorbringt, verfängt nicht. Sie legt
nicht dar, inwiefern die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
offensichtlich unrichtig bzw. unvollständig sein sollen oder inwiefern das
kantonale Gericht Bundesrecht verletzt habe. Sie begnügt sich statt dessen im
Wesentlichen mit dem Hinweis auf eine anders lautende Einschätzung ihres
behandelnden Psychiaters sowie auf die Behauptung, sie sei entgegen der
Einschätzung der Gutachter der Medas Ostschweiz nicht mehr in der Lage, in
einem Pensum von 50 % auf Oberstufenniveau (sondern nur noch auf
Unterstufenniveau) zu unterrichten. Auf derlei appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 249 E.
1.3.1 S. 253 mit Hinweisen). Es erübrigen sich Weiterungen dazu.  
 
Was die Einschränkung im Haushalt anbelangt, lässt sich dem angefochtenen
Entscheid nichts entnehmen. Die Beschwerdeführerin hatte sich diesbezüglich in
der Verfügung vom 26. Januar 2015 auf den Abklärungsbericht Haushalt vom 18.
Oktober 2012 gestützt. Klar feststellbare Fehleinschätzungen, welche ein
Abweichen vom Abklärungsbericht (Einschränkung 37.5 %) rechtfertigten, sind
weder ersichtlich noch von der Beschwerdegegnerin dargetan. Es kann darauf
abgestellt werden. 
 
4.3. Auf Basis der vorinstanzlichen Feststellungen (Valideneinkommen von Fr.
7'200.- bei einem Pensum von 80 % und Invalideneinkommen von Fr. 4'500.- bei
einer Restarbeitsfähigkeit von 50 % in angestammter Tätigkeit) sowie einer
Einschränkung von 37.5 % im Haushalt (vgl. E. 4.1 und 4.2 hievor) resultiert in
Anwendung der gemischten Methode (Gewichtung: 80 % Erwerb, 20 % Haushalt) ein
rentenausschliessender Gesamtinvaliditätsgrad von 37.5 % (Teilinvaliditätsgrade
von 30 % im Erwerb und 7.5 % im Haushalt). Ob der Argumentation der
Beschwerdeführerin folgend davon auszugehen ist, die Versicherte sei in
angestammter Tätigkeit uneingeschränkt arbeitsfähig, kann somit offen bleiben.
 
 
4.4. Es bleibt der Beschwerdegegnerin - wie allen anderen versicherten Personen
mit derselben Ausgangslage - unbenommen, sich nach Inkrafttreten der neuen
Verordnungsbestimmung des Art. 27bis Abs. 2-4 IVV auf den 1. Januar 2018 bei
der Invalidenversicherung neu anzumelden. Nach Absatz 2 der dazugehörenden
Übergangsbestimmungen wird, wenn eine Rente vor dem Inkrafttreten der Änderung
wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades einer teilerwerbstätigen
versicherten Person, die sich zusätzlich im Aufgabenbereich (Art. 7 Abs. 2 IVG)
betätigte, verweigert wurde, eine neue Anmeldung geprüft, wenn die Berechnung
des Invaliditätsgrades nach Art. 27bis Abs. 2-4 IVV voraussichtlich zu einem
Rentenanspruch führt (vgl. Urteil 9C_553/2017 vom 18. Dezember 2017 E. 6.4).  
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 31. Oktober 2017 wird aufgehoben und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 26. Januar 2015 bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
zurückgewiesen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. September 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner 

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