Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 792/2017
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_792/2017  
 
 
Urteil vom 23. Mai 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Herr Dr. Roger Bollag, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 22. August 2017 (IV.2017.00460). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1960 geborene A.________ ist seit xxxx Inhaber eines Carrosseriebetriebes.
Am 28. Februar 2000 meldete er sich nach einem Sturz wegen belastungsabhängiger
rechtsseitiger Schulterbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum
Rentenbezug an. Gemäss Verfügungen vom 8. Februar 2002 sprach ihm die IV-Stelle
des Kantons Zürich ab 1. Juni 1999 auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades
von 70 % eine ganze Invalidenrente zu, die mit Mitteilungen vom 30. März 2004
und 2. Mai 2007 bestätigt wurde. Im Rahmen eines Revisionsverfahrens holte die
IV-Stelle ein interdisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle
(MEDAS) Bern vom 2. Mai 2013 ein und veranlasste eine Abklärung für
Selbstständigerwerbende (Bericht vom 23. Januar 2014). Mit Verfügung vom 18.
Juli 2014 hob sie die bisher ausgerichtete Invalidenrente auf Ende August 2014
auf. Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich mit Entscheid vom 6. Oktober 2015 teilweise gut und wies die
Sache zu ergänzender Abklärung an die Verwaltung zurück. 
Die IV-Stelle holte einen weiteren Abklärungsbericht für
Selbstständigerwerbende (vom 31. März 2016) ein. Mit Verfügung vom 31. März
2017 stellte sie fest, dass die ganze Invalidenrente per August 2014 aufgehoben
bleibe. 
 
B.   
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. August 2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm ab 1.
September 2014 weiterhin eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Das Sozialversicherungsgericht hat die Bestimmung über den Umfang des
Rentenanspruchs und die Rechtsprechung zur Invaliditätsbemessung bei
selbstständigerwerbenden Versicherten nach der ausserordentlichen Methode
anhand eines erwerblich gewichteten Betätigungsvergleichs (BGE 128 V 29 E. 1 S.
30 f.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz ging in gesundheitlicher Hinsicht davon aus, dass dem
Versicherten die angestammte Tätigkeit als Carrosseriespengler zu 50 %, eine
leidensangepasste Arbeit zu 100 % zumutbar wäre. Vor Eintritt des
Gesundheitsschadens sei er zu 90 % handwerklich tätig gewesen, während 10 % auf
die Aufgaben als Geschäftsführer entfallen seien. Nach Eintritt des
Gesundheitsschadens habe er gemäss eigenen Angaben 3 - 4 Stunden im Tag
Büroarbeiten erledigt. Bezogen auf eine Arbeitswoche entsprächen 17.5 Stunden
(5 x 3.5) einem Pensum von rund 42 %. Handwerklich sei der Beschwerdeführer
nicht mehr tätig. Er müsse sich jedoch im Rahmen der ärztlichen
Zumutbarkeitsbeurteilung ein Pensum von 50 % anrechnen lassen. Eine erwerbliche
Gewichtung der entsprechenden Arbeitspensen ergebe keinen Invaliditätsgrad
mehr: Werde für die Tätigkeit im Büro ein Einkommen von Fr. 40'179.- eingesetzt
und liessen sich mit handwerklicher Arbeit Einkünfte von Fr. 33'500.- erzielen,
resultiere ein gesamthaftes Einkommen von Fr. 73'679.-, während das gesamte
Einkommen vor Eintritt des Gesundheitsschadens Fr. 73'265.- betragen habe.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe verkannt, dass er mit
Rücksicht auf seinen Gesundheitsschaden nicht mehr als Spengler arbeiten könne,
wie im Abklärungsbericht vom 31. März 2016 festgehalten wurde. Er habe
Unterlagen eingereicht, aus welchen ersichtlich ist, dass er 85 % der von einem
Spengler üblicherweise verrichteten Arbeiten nicht mehr ausführen könne. Wenn
das kantonale Gericht annehme, dass er in einem anderen Betrieb als Spengler
arbeiten kann, hätte es prüfen müssen, ob er in diesem Beruf noch arbeitsfähig
sei, eine Betriebsaufgabe mit Blick auf sein Alter von knapp 58 Jahren
verhältnismässig sei, und ob aufgrund des langjährigen Rentenbezugs berufliche
Massnahmen einzuleiten seien. Sodann sei die Annahme des kantonalen Gerichts,
er habe nach Eintritt des Gesundheitsschadens drei bis vier Stunden
Büroarbeiten täglich übernommen, unzutreffend. Laut Abklärungsbericht habe er
angegeben, an höchstens vier Tagen pro Woche jeweils drei bis vier Stunden in
der Carrosserie anwesend zu sein. Seine Präsenz im Geschäft könne zwischen
viermal pro Woche und weniger variieren. Die Anwesenheit sei von seiner
jeweiligen gesundheitlichen Verfassung abhängig. Durchschnittlich ergebe sich
eine Arbeitswoche von 14 Stunden (4 x 3.5), entsprechend einem Pensum von 34 %.
Das von der Vorinstanz errechnete Arbeitspensum von 42 % sei aktenwidrig.  
Ebenfalls unrichtig ermittelt habe das Sozialversicherungsgericht das
hypothetische Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) als Spengler. Der
angenommene Lohn von Fr. 67'000.- im Jahr sei viel zu tief. Aufgrund seiner
Berufserfahrung und unter Annahme einer Kaderstellung im Betrieb würde sich
sein Gehalt als vollzeitlich beschäftigter Spengler auf rund Fr. 103'000.- im
Jahr belaufen. Demgegenüber habe die Vorinstanz das Invalideneinkommen - den
Lohn für die Bürotätigkeit - mit Fr. 95'664.- im Jahr eindeutig zu hoch
angesetzt, da er den Betrieb nicht leite. Der von ihm angeführte Jahreslohn von
Fr. 57'297.- (Fr. 4'774.75 im Monat) entspreche der Entlöhnung für seine
Tätigkeit. Eine korrekte Berechnung mit einem Arbeitspensum von insgesamt 34 %,
wovon 15 % in der Werkstatt und 19 % im Büro, ergebe ein Invalideneinkommen von
Fr. 26'393.-; aus dem Vergleich mit dem Valideneinkommen als Spengler von Fr.
103'376.- resultiere ein Invaliditätsgrad von 74.47 %. 
 
4.  
 
4.1. Mit Bezug auf die Arbeitsunfähigkeit bestehen in zweifacher Hinsicht
Unklarheiten. Fraglich ist insbesondere, in welchem Umfang der Versicherte in
seinem Geschäft noch Spenglerarbeiten ausführen kann. Mit dem Einwand vom 26.
Juni 2014 reichte der Beschwerdeführer der IV-Stelle in der Annahme, der
begutachtende Arzt kenne sich mit den anfallenden Arbeiten nicht genügend aus,
Unterlagen zur Tätigkeit eines Carrosseriespenglers anhand von vier Beispielen
ein und machte unter Hinweis auf die zu verrichtenden Arbeiten geltend, nur 15
Prozent davon selbst ausführen zu können. Die IV-Stelle nahm zu diesem Einwand
keine Stellung, wie die Vorinstanz in ihrem Rückweisungsentscheid vom 6.
Oktober 2015 bemerkte und deswegen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch
die Verwaltung rügte. Im Abklärungsbericht vom 31. März 2016 hielt die
Beschwerdegegnerin fest, dass der Versicherte keine Spenglerarbeiten mehr
ausführen könne. Das kantonale Gericht wiederum erklärte, der Beschwerdeführer
müsse sich gestützt auf die ärztliche Zumutbarkeitsbeurteilung ein Pensum von
50 % anrechnen lassen. Die Einwendungen vom 26. Juni 2014 betreffend den Grad
der Arbeitsunfähigkeit als Spengler und die damit eingereichten Unterlagen,
welche den Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge selbst eine
Teilarbeitsfähigkeit nicht als wahrscheinlich erscheinen lassen, wurden weder
von der IV-Stelle noch der Vorinstanz anhand einer ergänzenden ärztlichen
Stellungnahme geprüft. Insoweit hat das kantonale Gericht den rechtserheblichen
medizinischen Sachverhalt unvollständig abgeklärt (vgl. E. 1 hievor).  
 
4.2. Die Beschwerdegegnerin wird eine entsprechende Aktenergänzung vornehmen.
Ist diese erfolgt, wird zu berücksichtigen sein, dass die vorstehend
dargelegten Einwendungen des Beschwerdeführers zu den dabei verwendeten
hypothetischen Einkünften mit und ohne Invalidität (E. 3.2 zweiter Absatz
hievor) nicht ohne weiteres als unbegründet bezeichnet werden können. Ob der
Versicherte im eigenen Betrieb tatsächlich qualifizierte kaufmännische Arbeit
verrichtet, die im Falle eines vollzeitlichen Arbeitseinsatzes mit rund Fr.
96'000.- im Jahr entlöhnt würde, wie das Sozialversicherungsgericht annimmt,
oder ob er lediglich einfache Bürotätigkeiten mit geringerer Entlöhnung (rund
Fr. 57'000.- im Jahr) auszuüben vermag, wie in der Beschwerde insbesondere
unter Hinweis auf die fehlende Ausbildung geltend gemacht wird, bedarf auf
jeden Fall der Klärung, ohne welche die Invalidität nicht rechtskonform
bemessen werden kann. Damit erübrigt sich eine Stellungnahme zu den weiteren
Beschwerdevorbringen.  
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese hat dem
Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1
und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. August 2017 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 31. März 2017 werden aufgehoben.
Die Sache wird im Sinne der Erwägungen 4.1 und 4.2 zu neuer Verfügung an die
IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 23. Mai 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben