Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 730/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_730/2017, 9C_737/2017  
 
 
Urteil vom 7. August 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
9C_730/2017 
Atupri Gesundheitsversicherung, 
Zieglerstrasse 29, 3007 Bern, 
Beschwerdeführerin, 
 
und 
 
9C_737/2017 
Bundesamt für Gesundheit (BAG), 
Schwarzenburgstrasse 157, 3003 Bern, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerden gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 26. Juli 2017 (KV.2017.4). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1934 geborene A.________ ist bei der Atupri Gesundheitsversicherung
obligatorisch krankenpflegeversichert. Seit 2008 leidet er aufgrund einer
Medikamentennebenwirkung unter der Stevens-Johnson-Reaktion bzw. dem
Lyell-Syndrom, wodurch die Trophik und Befeuchtung der Augenoberfläche sowohl
quantitativ als auch qualitativ massiv gestört ist und die Bindehaut an beiden
Augen stark vernarbte. Wegen dieses Leidens steht er seither bei Dr. med.
B.________, FMH Ophthalmologie, leitender Arzt und Chefarzt-Stellvertreter an
der Augenklinik des Spitals C.________, in Behandlung. A.________ unterzog sich
mehreren operativen Eingriffen. Diese konnten indessen nicht verhindern, dass
er am linken Auge erblindete (Berichte des Dr. med. B.________ vom 25. Oktober
2011, 27. Juni 2014, 9. Februar, 14. und 29. März 2017).  
 
A.b. Um die Situation am rechten Auge stabil zu halten, verordnete Dr. med.
B.________ A.________ neben therapeutischen Kontaktlinsen autologe
Serumaugentropfen. Auf Anfrage hin informierte Dr. med. B.________ die Atupri
Gesundheitsversicherung ein weiteres Mal über die Krankheit und deren Verlauf
sowie die Indikation zur Abgabe von autologen Serumaugentropfen. Dabei gab er
insbesondere auch an, dass keine anderen wirksamen zugelassenen
Behandlungsmethoden existierten (Bericht des Dr. med. B.________ vom 9. Februar
2017). Nachdem der Vertrauensarzt die Unterlagen geprüft hatte, verneinte die
Atupri Gesundheitsversicherung einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der
autologen Serumaugentropfen mit der Begründung, diese seien nicht in der
Spezialitätenliste (SL) aufgeführt und auch die Voraussetzungen für eine
Kostenübernahme im Einzelfall seien nicht erfüllt (Schreiben vom 23. Februar
2017). Ein Schreiben des Dr. med. B.________ vom 14. März 2017 nahm die Atupri
Gesundheitsversicherung als Wiedererwägungsgesuch entgegen; sie wies es am 17.
März 2017 ab. An der Leistungsablehnung hielt die Atupri
Gesundheitsversicherung mit Verfügung vom 31. März 2017 und schliesslich mit
Einspracheentscheid vom 12. April 2017 fest.  
 
B.   
Beschwerdeweise liess A.________, vertreten durch seinen Sohn, beantragen, die
Atupri Gesundheitsversicherung habe weiterhin die Kosten für die Behandlung der
Stevens-Johnson-Reaktion bzw. des Lyell-Syndroms zu bezahlen; insbesondere
seien die medizinischen Massnahmen zur trophischen Substitution an der
Augenoberfläche (autologe Serumaugentropfen) sowie die Versorgung mit
therapeutischen Kontaktlinsen wegen narbiger Lidfehlstellungen und Trichiasis
im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen. Mit
Entscheid vom 26. Juli 2017 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt die Beschwerde gut. Es verpflichtete die Atupri
Gesundheitsversicherung, die Kosten für die autologen Serumaugentropfen zu
Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen. Auf den
Antrag betreffend die therapeutischen Kontaktlinsen wurde mangels eines
Anfechtungsobjektes nicht eingetreten. 
 
C.  
 
C.a. Die Atupri Gesundheitsversicherung führt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der kantonale
Entscheid sei aufzuheben und das Leistungsbegehren vollumfänglich abzulehnen
(Verfahren 9C_730/2017).  
 
C.b. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat ebenfalls Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht. Es beantragt die Aufhebung
des kantonalen Entscheides und die Bestätigung des Einspracheentscheides
(Verfahren 9C_737/2017).  
 
C.c. A.________ lässt sich mit dem Antrag auf Abweisung der beiden Beschwerden
vernehmen. Der Entscheid vom 26. Juli 2017 sei zu bestätigen und die Atupri
Gesundheitsversicherung zu verpflichten, ihm die Kosten der autologen
Serumaugentropfen zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu
erstatten. Des Weitern ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen
Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung).  
Das BAG und die Atupri Gesundheitsversicherung verweisen in ihren
Vernehmlassungen auf die von ihnen eingereichten Beschwerden. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt schliesst auf Abweisung
der beiden Beschwerden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Da den Beschwerden der Atupri Gesundheitsversicherung und des BAG der
gleiche Sachverhalt zugrunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und
die Rechtsmittel sich gegen den nämlichen Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt richten, rechtfertigt es
sich, die beiden Verfahren 9C_730/2017 und 9C_737/2017 zu vereinigen und in
einem Urteil zu erledigen (statt vieler: Urteil 9C_67/2017 vom 12. April 2018
E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
und Art. 105 Abs. 2 BGG). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art.
42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S.
236; 138 I 274 E. 1.6 S. 280).  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht die Atupri
Gesundheitsversicherung zu Recht verpflichtet hat, die autologen
Serumaugentropfen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu
übernehmen. Nachdem die Atupri Gesundheitsversicherung die Kosten gemäss der
unbestritten gebliebenen Darstellung in der kantonalen Beschwerdeschrift bis
zum Erlass der Verfügung vom 31. März 2017 vorbehaltlos übernommen hat, geht es
um die sich daran anschliessende Zeit, für welche sie eine Leistungspflicht
verneint. 
 
3.  
 
3.1. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die
Leistungen, die der Diagnose oder der Behandlung einer Krankheit und ihrer
Folgen dienen (Art. 25 Abs. 1 KVG). Diese Leistungen umfassen unter anderem die
ärztlich verordneten Arzneimittel (Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG). Ein Arzneimittel
im Sinne dieser Bestimmung kann nur sein, was auch ein Arzneimittel im Sinne
von Art. 4 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über
Arzneimittel und Medizinprodukte ist (Heilmittelgesetz [HMG]; SR 812.21;
GEBHARD EUGSTER, Die obligatorische Krankenpflegeversicherung, in: Soziale
Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 619 Rz. 693). Letztere Bestimmung
definiert die Arzneimittel als Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs,
die zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen
Organismus bestimmt sind oder angepriesen werden, insbesondere zur Erkennung,
Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen.  
 
3.2. Welche Arzneimittel die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu
übernehmen hat, ist behördlich festgelegt: Das Eidgenössische Departement des
Innern (EDI) erlässt eine Liste der in der Rezeptur verwendeten Präparate,
Wirk- und Hilfsstoffe mit Tarif; dieser umfasst auch die Leistungen des
Apothekers oder der Apothekerin (Art. 52 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 KVG). Es handelt
sich um die sogenannte Arzneimittelliste mit Tarif (ALT), die als Anhang 4 zur
Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) gehört. Das BAG erlässt eine Liste der
pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen
(Spezialitätenliste [SL]); diese hat auch die mit den Originalpräparaten
austauschbaren preisgünstigeren Generika zu enthalten (Art. 52 Abs. 1 lit. b
KVG). Die für die SL geltenden Regeln finden teilweise auf die ALT sinngemäss
Anwendung (Art. 63 Abs. 2 KVV betreffend Aufnahme in die ALT; § 3 der
Allgemeinen Bestimmungen zur ALT). Als Positivlisten haben die ALT und die SL
gleichzeitig abschliessenden und verbindlichen Charakter. Aufgrund des in Art.
34 Abs. 1 KVG verankerten Listenprinzips können die Krankenversicherer
grundsätzlich nur die darin vorgesehenen Arzneimittel übernehmen (BGE 139 V 509
E. 4.1 S. 510 f.; 136 V 395 E. 5.1 S. 398 f.; EUGSTER, a.a.O., S. 530 Rz. 407).
 
 
3.3. Ein Arzneimittel kann unter den in Art. 65 KVV statuierten
Voraussetzungen, welche für die ALT sinngemäss gelten (Art. 63 Abs. 2 KVV), in
die SL aufgenommen werden. Steht es nicht auf der SL, kann es ausnahmsweise
trotzdem durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung vergütet werden,
dies unter den Voraussetzungen des Art. 71b KVV (in Kraft seit 1. März 2011 [AS
2011 653], mit auf 1. März 2017 erfolgten Anpassungen [AS 2017 623]), welche
Bestimmung die Vergütung von nicht in die SL aufgenommenen Arzneimitteln im
Einzelfall regelt.  
 
3.3.1. Nach Art. 71b Abs. 1 KVV übernimmt die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten eines vom Institut zugelassenen
verwendungsfertigen Arzneimittels, das nicht in die SL aufgenommen ist, für
eine Anwendung innerhalb oder ausserhalb der Fachinformation, wenn die
Voraussetzungen nach Art. 71a Abs. 1 lit. a oder b KVV erfüllt sind.  
 
3.3.2. Gemäss Art. 71a Abs. 1 KVV übernimmt die obligatorische
Krankenpflegeversicherung die Kosten eines in die SL aufgenommenen
Arzneimittels für eine Anwendung ausserhalb der vom Institut genehmigten
Fachinformation oder ausserhalb der in der SL festgelegten Limitierung, wenn
der Einsatz des Arzneimittels eine unerlässliche Voraussetzung für die
Durchführung einer anderen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
übernommenen Leistung bildet und diese eindeutig im Vordergrund steht (sog.
Behandlungskomplex; lit. a) oder wenn vom Einsatz des Arzneimittels ein grosser
therapeutischer Nutzen gegen eine Krankheit erwartet wird, die für die
versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische
gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, und wegen fehlender
therapeutischer Alternativen keine wirksame und zugelassene Behandlungsmethode
verfügbar ist (lit. b).  
 
3.3.3. Mit der (hier nicht weiter interessierenden) Übernahme der Kosten eines
vom Institut nicht zugelassenen importierten Arzneimittels befasst sich Art.
71c KVV (bzw. Art. 71b Abs. 2 KVV in der bis 28. Februar 2017 gültig gewesenen
Fassung).  
 
3.3.4. Im Rahmen der in Art. 71a ff. KVV geregelten Vergütung im Einzelfall
wird somit danach unterschieden, ob ein Arzneimittel in der Schweiz zugelassen
ist (Art. 71a und 71b KVV bzw. Art. 71b Abs. 1 in der bis 28. Februar 2017
gültig gewesenen Fassung) oder nicht und entsprechend auch nicht vertrieben
wird (Art. 71c KVV bzw. Art. 71b Abs. 2 in der bis 28. Februar 2017 gültig
gewesenen Fassung). Im ersten Fall (in der Schweiz zugelassenes Arzneimittel)
wird weiter danach differenziert, ob das Arzneimittel in der SL gelistet ist (
Art. 71a KVV) oder nicht (Art. 71b KVV). Für alle drei Konstellationen gilt,
dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten des Arzneimittels
nur auf besondere Gutsprache des Versicherers nach vorgängiger
vertrauensärztlicher Konsultation übernimmt (Art. 71d Abs. 1 KVV bzw. Art. 71a
Abs. 2 und Art. 71b Abs. 3 KVV in der bis 28. Februar 2017 gültig gewesenen
Fassung).  
 
4.  
 
4.1. Nach den verbindlichen, sich auf die verschiedenen Berichte des Dr. med.
B.________ vom 25. Oktober 2011, 27. Juni 2014, 9. Februar sowie 14. und 29.
März 2017 stützenden vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist erstellt,
dass das Lyell-Syndrom beim Beschwerdegegner zu ausgedehnten flächenhaften
Vernarbungen der Bindehaut führte. Am linken Auge brachten zahlreiche
medizinische und chirurgische Massnahmen (vgl. dazu im Einzelnen Bericht des
Dr. med. B.________ vom 27. Juni 2014) nicht den gewünschten Erfolg, und es kam
immer wieder zu spontanen Perforationen bzw. Einschmelzungen der Hornhaut. Das
von narbigem Bindehautgewebe überdeckte linke Auge, an welchem sich ein
undurchsichtiger Bindehaut-Pannus bildete, erblindete schliesslich.  
 
4.2. Zum medizinischen Hintergrund führte Dr. med. B.________ in seinen
Berichten aus, dass im Rahmen des Lyell-Syndroms funktionell wichtige Zellen
des Bindehautsackes und damit auch die akzessorischen Tränendrüsen und die
Becherzellen der Konjunktiva zerstört werden, was eine schwere
Sicca-Problematik sowie (aufgrund der gestörten Zusammensetzung der Tränen)
eine reduzierte immunologische Abwehrfähigkeit zur Folge hat. Weiter werden die
Entzündungen zu ausgedehnten flächigen Vernarbungen (Synechien) und es kommt zu
einer Fehlstellung der Augenlider (vor allem der Lidkanten und der Wimpern).
Dadurch wird das Innere des Augenlids zu einem verhornenden Epithel, was
schwere mechanische Auswirkungen auf die Augenoberfläche hat, so dass diese
permanent mit therapeutischen Kontaktlinsen vor der Trichiasis geschützt werden
muss. Wenn die Entzündung die limbalen Hornhaut-Stammzellen zerstört, treten
schwere bis schwerste Epithelialisierungsstörungen auf. Wird die gefässlose
Hornhaut über das limbäre Gefässnetz und die Tränenflüssigkeit ungenügend
ernährt, kommt es zur Hornhauteinschmelzung. Um eine solche zu verhindern,
müssen die ernährenden Substanzen auf anderem Weg als über das Gefässnetz und
die Tränenflüssigkeit, die durch die vernarbende Bindehauterkrankung gestört
sind, an die Hornhaut geführt werden. Zu diesem Zweck werden autologe
Serumaugentropfen eingesetzt, welche insbesondere für das Überleben der
Hornhaut wichtige Wachstumsfaktoren beinhalten.  
 
4.3. Dr. med. B.________ gab an, dass er in seiner langjährigen Tätigkeit noch
nie ein so schweres Stadium nach einer akuten vernarbenden Erkrankung gesehen
habe. Der Beschwerdegegner sei auf die autologen Serumaugentropfen angewiesen:
Mit ihnen (und den therapeutischen Kontaktlinsen) könne die Situation am
rechten Auge stabil gehalten werden (der Beschwerdegegner hatte nach dem
Bericht vom 25. Oktober 2011 noch eine Sehschärfe von 0.3-0.5, was ihm eine
grobe Orientierung ermöglichte). Ohne diese Massnahme sei auch am rechten Auge
mit einem Einschmelzen der Hornhaut zu rechnen und drohe letztlich die
Erblindung.  
 
5.  
 
5.1. Die optische Qualität der Hornhaut und damit das scharfe Sehen setzen eine
gleichmässige Benetzung der Hornhautoberfläche voraus. Ist diese mangelhaft,
kann es zu schweren chronischen Veränderungen des Hornhaut- und
Bindehautepithels kommen, die im schlimmsten Fall zur Erblindung führen. Erste
Wahl in der Therapie ist die Substitution des fehlenden Tränenfilms mit
künstlichen Tränenersatzmitteln (mit Wirkstoffen wie beispielsweise
Hyaluronsäure). In schweren Fällen, in welchen der Epitheldefekt nicht nur mit
kaum erträglichen Schmerzen verbunden ist, sondern auch ein hohes Risiko für
chronische Ulcerationen der Hornhaut, Hornhaut-Narben und eine dauerhafte
Sehschärfe-Reduktion des betroffenen Auges besteht, können sich diese
kommerziellen Produkte allerdings als ungenügend erweisen. Für Patienten mit
derartigen schweren Oberflächenstörungen des Auges (persistierender
Epitheldefekt, neurotrophes Ulcus corneae) werden deshalb seit mehr als zwanzig
Jahren weltweit autologe Serumaugentropfen eingesetzt. Ihre Wirkung beruht auf
dem epitheliotrophen Effekt verschiedener im Serum vorkommender Substanzen,
welche auch im Tränenfilm vorkommen, aber bei Oberflächenstörungen häufig
defizient ist. Sie werden aus kleinen Mengen Blut des Patienten durch
technische Manipulationen hergestellt, in Ophtiolen (kleine
Medikamentenfläschchen aus Kunststoff) abgefüllt und dem Patienten
anschliessend verabreicht (zum Ganzen: DEITENBECK/SIEVERT/HALFWASSEN, Autologe
Serumaugentropfen, hämotherapie 25/2015 [abrufbar unter: https://
www.drk-haemotherapie.de]; FRANK BLASER, Autologe Serumaugentropfen - Quo
vadis?, 2017, ophta, 2:75-78 [abrufbar unter: https://doi.org/10.5167/
uzh-146715]).  
 
5.2. Die autologen Serumaugentropfen werden nicht als labile Blutprodukte (wie
beispielsweise prä- oder perioperative Eigenblutentnahmen im Rahmen von
autologen Transfusionen), sondern als Arzneimittel im Sinne von Art. 4 Abs. 1
lit. a HMG qualifiziert (Mitteilung der Swissmedic vom 1. Mai 2012
"Heilmittelrechtliche Einstufung von verschiedenen Eigenserumpräparaten"
[abrufbar unter: https:// www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/
humanarzneimittel/besonde re-arzneimittelgruppen--ham-/
blut-und-labile-blutprodukte/heilmittel
rechtliche-einstufung-von-verschiedenen-eigenserumprae.html]; BLASER, a.a.O.,
S. 76). Gleichzeitig sind sie damit auch ein Arzneimittel im Sinne von Art. 25
Abs. 2 lit. b KVG (vgl. E. 3.1 hiervor).  
 
5.3. Da die autologen Serumaugentropfen patientenspezifisch hergestellt und
angewendet werden, handelt es sich bei ihnen um eine sogenannte
Magistralrezeptur (Formula magistralis; vgl. auch BLASER, a.a.O., S. 76 unten
f.). Diese ist in Art. 9 Abs. 2 lit. a HMG definiert als Arzneimittel, das in
einer öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke in Ausführung einer
ärztlichen Verschreibung für eine bestimmte Person oder einen bestimmten
Personenkreis hergestellt wird, wobei die Herstellung ad hoc oder
defekturmässig erfolgen kann (vgl. auch Urteil 6B_526/2011 vom 20. März 2012 E.
1.3 mit Hinweisen; KIESER/POLEDNA, in: Biaggini/Häner/Saxer/Schott [Hrsg.],
Fachhandbuch Verwaltungsrecht, 2015, N. 14.67). Für Magistralrezepturen gilt
die Besonderheit, dass sie keiner Zulassung durch Swissmedic bedürfen (Art. 9
Abs. 2 Ingress HMG). Für die Erteilung der Herstellungsbewilligung und die
Überwachung der Herstellerbetriebe sind die kantonalen Heilmittelinstitute
zuständig. Magistralrezepturen dürfen nur auf ärztliche Verschreibung und unter
Einhaltung der Regeln der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel in kleinen
Mengen (vgl. Pharmacopoea Helvetica) hergestellt werden (Art. 26 HMG; BLASER,
a.a.O., S. 77). Des Weitern dürfen Magistralrezepturen in der Regel nur
Wirkstoffe enthalten, welche in der ALT aufgeführt sind (§ 1 Abs. 2 der
Allgemeinen Bestimmungen zur ALT; vgl. auch EUGSTER, a.a.O., S. 620 Rz. 696).  
 
6.  
 
6.1. Die Vorinstanz erwog, die Einstufung der autologen Serumaugentropfen als
Arzneimittel habe zur Folge, dass zum einen die Voraussetzungen der
"Orphan-Disease-Rechtsprechung" und zum andern diejenigen der Art. 71a ff. KVV
zu prüfen seien. Die vom Bundesgericht statuierten Voraussetzungen für eine
Übernahme der Kosten der autologen Serumaugentropfen seien erfüllt, da sich aus
den medizinischen Akten ergebe, dass die Krankheit tödlich verlaufen oder
schwere und chronische gesundheitliche Probleme nach sich ziehen könne, wegen
fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame Behandlungsmethode
verfügbar sei und zudem ein hoher therapeutischer Nutzen vorliege. Eventualiter
sei eine Kostenübernahme auch gestützt auf Art. 71b KVV zu bejahen, weil es
sich bei den Eigenserum-Präparaten um Magistralrezepturen und damit - entgegen
der viel zu engen Auslegung der Atupri Gesundheitsversicherung - um
"verwendungsfertige Arzneimittel" handle und auch die übrigen in der Bestimmung
statuierten Voraussetzungen erfüllt seien bzw. mangels entsprechender
Ausführungen der Atupri Gesundheitsversicherung als erfüllt gelten könnten.  
 
6.2. Die Atupri Gesundheitsversicherung macht geltend, der angefochtene
Entscheid verletze Bundesrecht und beruhe auf einem unrichtig festgestellten
Sachverhalt (insbesondere seien die Serumaugentropfen kein verwendungsfertiges
Arzneimittel). Das kantonale Gericht ignoriere in seinem Entscheid, dass im HMG
unterschieden werde zwischen zulassungspflichtigen, verwendungsfertigen
Arzneimitteln (Art. 9 Abs. 1 HMG) und zulassungsbefreiten Produkten (Art. 9
Abs. 2 HMG) wie namentlich den Magistralrezepturen. Es wende diese
heilmittelrechtliche Bestimmung falsch an, wenn es das Serum-Präparat als
verwendungsfertiges Arzneimittel betrachte. Des Weitern verkenne es, dass nach
dem Listenprinzip verwendungsfertige Arzneimittel nur übernommen würden, wenn
sie auf der SL aufgeführt, und Magistralrezepturen nur, wenn deren Wirkstoffe
in der ALT enthalten seien. Dass eine Leistungspflicht bejaht werde, obwohl
keine der beiden Listen die Serumaugentropfen beinhalte, stelle eine
Rechtsverletzung dar. Die im angefochtenen Entscheid zitierte Rechtsprechung
betreffe andere Sachverhalte; es sei darin jeweils um verwendungsfertige
Arzneimittel gegangen. In ihrer Eventualbegründung wende die Vorinstanz sodann 
Art. 71b KVV zu Unrecht auf eine Magistralrezeptur an, denn diese Bestimmung
beziehe sich nur auf vom Institut zugelassene verwendungsfertige Arzneimittel.
 
 
6.3. Das BAG führt aus, die Vorinstanz habe die autologen Serumaugentropfen
anhand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Off-Label-Use beurteilt,
welche sie als "Orphan-Disease-Rechtsprechung" betitelt habe. Indessen würden
auch Arzneimittel gegen seltene Krankheiten von der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung grundsätzlich nur übernommen, wenn sie in der SL
gelistet seien; die ausserordentliche Vergütung richte sich nach Art. 71a ff.
KVV. Es gebe keine bundesgerichtliche Rechtsprechung zur ausnahmsweisen
Vergütung von Magistralrezepturen nach Art. 71a ff. KVV. Der in Frage kommende 
Art. 71b KVV finde nur auf zugelassene Arzneimittel Anwendung. Da die
Magistralrezepturen zulassungsbefreit seien, falle eine ausnahmsweise Vergütung
gestützt auf diese Bestimmung ausser Betracht. Nach grammatikalischer und
teleologischer Auslegung sei die Norm insbesondere für  zugelassene
 verwendungsfertige Arzneimittel anwendbar. Unter "verwendungsfertig" seien vor
allem industriell hergestellte abgepackte Arzneimittel zu verstehen;
Magistralrezepturen seien diesen nicht gleichzusetzen.  
 
6.4. A.________ lässt einwenden, in der ALT seien die Serumaugentropfen allein
deshalb nicht aufgeführt, weil sie als Eigenserumpräparate keine Wirkstoffe
enthielten, die der ALT entsprechen würden und in die Liste aufgenommen werden
könnten. Da bei ihm zur Behandlung seiner Krankheit ausschliesslich die
Serumaugentropfen in Frage kämen, seien die Voraussetzungen der
"Off-Label-Use"- bzw. "Orphan-Drug"-Rechtsprechung gemäss BGE 131 V 349
erfüllt. Auch unter dem Titel des Art. 71b KVV sei eine Kostenübernahme
angezeigt. Im Rahmen dieser Bestimmung könne dem Begriff "verwendungsfertig"
keine massgebende Bedeutung zukommen. Ohnehin aber seien die Serumaugentropfen
im dafür allein massgebenden Zeitpunkt der Abgabe im Sinne von Art. 4 Abs. 1
lit. f HMG verwendungsfertig gewesen; die Art der Herstellung sei in diesem
Zusammenhang irrelevant. Es gebe keinen Grund, weshalb die Bestimmung des Art.
71b KVV nicht auch die zulassungsbefreiten Magistralrezepturen erfassen sollte.
Eventualiter sei die Norm lückenhaft und entsprechend zu ergänzen.  
 
7.   
Soweit die Atupri Gesundheitsversicherung rügt, das kantonale Gericht habe den
Sachverhalt insofern offensichtlich unrichtig dargestellt, als es davon
ausgegangen sei, die autologen Serumaugentropfen seien ein verwendungsfertiges
Arzneimittel, handelt es sich nicht um eine Frage tatsächlicher, sondern um
eine solche rechtlicher Natur, geht es doch um die (rechtliche) Qualifikation
des Arzneimittels. Darauf wird unter E. 10.2.1 nachstehend einzugehen sein. 
Zur weiter erhobenen Kritik der Atupri Gesundheitsversicherung, wonach die
vorinstanzlichen Feststellungen, dass therapeutische Alternativen fehlen und
die erforderliche Wirksamkeit resp. der grosse therapeutische Nutzen im
Allgemeinen vorliegt, aktenwidrig bzw. nicht durch die Akten belegt seien, wird
in E. 11.1.2 und 11.1.3 bis 11.1.3.2 nachfolgend Stellung genommen. 
 
8.   
Es steht fest und ist unbestritten, dass die autologen Serumaugentropfen weder
unter die SL noch unter die ALT fallen, weshalb eine Kostenübernahme direkt
gestützt darauf ausser Betracht fällt. Streitig und zu prüfen bleibt, ob die
Vorinstanz eine Kostenübernahme aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
(dazu E. 9) und eventualiter gestützt auf Art. 71b KVV (dazu E. 10 und 11) zu
Recht bejaht hat. 
 
9.  
 
9.1. Das Bundesgericht hat sich noch nicht zur hier streitigen Frage geäussert,
ob die obligatorische Krankenpflegeversicherung eine Magistralrezeptur, deren
Wirkstoffe nicht in der ALT gelistet sind, im Einzelfall zu übernehmen hat. Die
im angefochtenen Entscheid erwähnten, in BGE 136 V 395, 131 V 349 und 130 V 532
publizierten Urteile, welche die Vorinstanz als "Orphan-Drug-Rechtsprechung"
bezeichnete, sind nicht einschlägig, weil sie im Wesentlichen die
(ausnahmsweise) Vergütung von Arzneimitteln betreffen, die ausserhalb der SL
(der zugelassenen Indikation oder der zugelassenen Dosierung) eingesetzt
werden, mithin Fälle eines vorliegend nicht zur Diskussion stehenden
Off-Label-Use (vgl. auch BGE 142 V 325).  
 
9.2. Des Weitern gilt auch klarzustellen, dass keine spezifischen
Vergütungskritierien bestehen für Arzneimittel, welche zur Behandlung seltener
Krankheiten ("Orphan Diseases") eingesetzt werden. Vielmehr werden Arzneimittel
gegen seltene Krankheiten ("Orphan Drugs" oder "Orphan Medicinal Products";
vgl. zum Begriff auch BGE 139 V 375 E. 4.4 S. 378) im Rahmen der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung (insbesondere auch im Rahmen der Art.
71a ff. KVV) gleich beurteilt wie die übrigen Arzneimittel (vgl. auch EUGSTER,
a.a.O., S. 535 Rz. 420; FRANZISKA SPRECHER, Arzneimittel für seltene
Krankheiten [orphan drugs], in: AJP 2012 S. 1746 ff., 1756). Sie stellen einen
wichtigen Anwendungsbereich für Ausnahmen von der Listenpflicht dar (BGE 139 V
375 E. 4.4 S. 378). Eine Sonderbehandlung erfahren sie hingegen im Rahmen der
heilmittelrechtlichen Zulassung, indem für sie - da eine umfassende Prüfung
nicht verhältnismässig wäre - ein vereinfachtes Zulassungsverfahren gilt (Art.
14 Abs. 1 lit. f HMG und Art. 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung des
Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 22. Juni 2006 über die vereinfachte
Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im
Meldeverfahren [VAZV; SR 812.212.23]; vgl. dazu auch GIGER/SAXER/WILDI/ FRITZ,
Arzneimittelrecht, 2013, S. 52 und 55; vgl. auch BGE 136 V 395 E. 4.2 S. 398
und E. 5.3 S. 400).  
 
10.   
Zu prüfen bleibt damit, ob die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme
gestützt auf Art. 71b KVV erfüllt sind. Uneinigkeit besteht unter den Parteien
in der Frage, ob die Bestimmung auch auf Magistralrezepturen wie die dem
Beschwerdegegner verschriebenen autologen Serumaugentropfen Anwendung finden
kann. 
 
10.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm.
Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so
muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle
Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt
es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden
Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die
Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als
Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer
Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes
Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu.
Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass
er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen
möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht.
Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im
klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445
mit Hinweisen).  
 
10.2. Die Bestimmung des Art. 71b KVV trägt seit 1. März 2017 die Überschrift
"Übernahme der Kosten eines vom Institut zugelassenen nicht in die
Spezialitätenliste aufgenommenen Arzneimittels". In der vorangehenden Fassung
fehlte der Passus "vom Institut zugelassenen", weil die Bestimmung damals
sowohl die vom Institut zugelassenen (Abs. 1) als auch die nicht zugelassenen,
aber nach HMG importberechtigten Arzneimittel umfasste (Abs. 2), welche beiden
Kategorien seit 1. März 2017 neu statt in zwei Absätzen (Art. 71b Abs. 1 und 2
KVV in der bis 28. Februar 2017 gültig gewesenen Fassung) in zwei separaten
Bestimmungen (Art. 71b und 71c KVV) geregelt werden. Der (unveränderte)
Wortlaut von Abs. 1 der Bestimmung sieht vor, dass die obligatorische
Krankenpflegeversicherung unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten "eines
vom Institut zugelassenen verwendungsfertigen Arzneimittels, das nicht in die
Spezialitätenliste aufgenommen ist, für eine Anwendung innerhalb oder
ausserhalb der Fachinformation" übernimmt (in der französischen Fassung: "d'un
médicament prêt à l'emploi autorisé par l'institut qui ne figure pas sur la
liste des spécialités, qu'il soit utilisé pour les indications mentionnées sur
la notice ou en dehors de celles-ci"; in der italienischen Fassung: "di un
medicamento pronto per l'uso omologato dall'Istituto, non ammesso nell'elenco
delle specialità che rientra o non rientra nell'informazione professionale").  
 
10.2.1. Der Begriff "verwendungsfertig" ("prêt à l'emploi" oder "pronto per
l'uso") findet sich auch in Art. 9 Abs. 1 HMG. Darunter ist nach der
dazugehörenden Botschaft, auf welche auch das BAG in seiner Beschwerde
verweist, zu verstehen, dass das Produkt in der endgültigen Form ist, wie es an
die Patientinnen und Patienten abgegeben werden darf. Ein gefriergetrocknetes
Produkt, welches unmittelbar vor der Applikation mit einem Lösungsmittel
aufgelöst werden müsse, gehöre auch dazu. Demgegenüber gelte Bulkware, die noch
abgepackt (konfektioniert) werden müsse (z.B. fertig gepresste, aber
unverpackte Tabletten in Grossmengen), nicht als verwendungsfertig (Botschaft
vom 1. März 1999 zu einem Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte
[Heilmittelgesetz, HMG], BBl 1999 I 3453 ff., 3495). Ist aufgrund dieser
Ausführungen in der bundesrätlichen Botschaft "verwendungsfertig" mit "in der
endgültigen, abgabefertigen Form" gleichzusetzen, können darunter nicht nur die
industriell in Massen produzierten Arzneimittel, sondern auch die in kleinen
Mengen hergestellten Magistralrezepturen subsumiert werden (MOSIMANN/SCHOTT,
in: Eichenberger/Jaisli/Richli [Hrsg.], Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz,
2006, Rz. 15 zu Art. 9 HMG), soweit sich diese in der endgültigen Form, in
welcher sie in Verkehr gebracht werden, befinden und in diesem Sinne die letzte
Stufe des Produktionsprozesses durchlaufen haben und "bereit zum Gebrauch" sind
(vgl. auch URSULA EGGENBERGER STÖCKLI, in: Biaggini/Häner/Saxer/Schott [Hrsg.],
a.a.O., N. 15.55). So werden beispielsweise die hier in Frage stehenden
Serumaugentropfen im letzten Produktionsschritt in sogenannte Ophtiolen
abgefüllt, aus denen der Patient sich das Arzneimittel (wie ein entsprechendes
künstliches Tränenersatzmittel) ins Auge tropfen kann. Sie befinden sich damit
in der verwendungsfertigen Form. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn die
autologen Serumaugentropfen im Unterschied zu herkömmlichen Produkten dem
Patienten tiefgefroren abgegeben werden und vor der Anwendung aufgetaut werden
müssen, handelt es sich doch dabei um einen Vorgang, der sich ohne weiteres mit
dem in der Botschaft erwähnten Auflösen eines (ebenso als verwendungsfertig
geltenden) gefriergetrockneten Produkts vergleichen lässt (vgl. zum
Herstellungsprozess der autologen Serumaugentropfen im Einzelnen: BLASER,
a.a.O., S. 77 f.; DEITENBECK/SIEVERT/HALFWASSEN, a.a.O., S. 23 f.).  
 
10.2.2. In allen drei sprachlichen Fassungen des Art. 71b Abs. 1 KVV ist
zusätzlich verlangt, dass das "verwendungsfertige Arzneimittel" von der
Swissmedic zugelassen (französisch: "autorisé par l'institut"; italienisch:
"omologato dall'Istituto") ist. Diese Voraussetzung erfüllen
Magistralrezepturen nicht, weil sie gerade keine Zulassung von Swissmedic (Art.
9 Abs. 2 lit. a HMG), sondern lediglich eine Herstellungsbewilligung brauchen,
welche gemäss Art. 5 Abs. 2 lit. a HMG und Art. 6 der Verordnung vom 17.
Oktober 2001 über die Bewilligungen im Arzneimittelbereich
(Arzneimittel-Bewilligungsverordnung [AMBV; SR 812.212.1]) in der Regel vom
Kanton erteilt wird (vgl. auch vorstehend E. 5.3). Die vorgängige Zulassung
wird bei ihnen nicht als notwendig erachtet, weil der (mit dem
Zulassungsverfahren bezweckte) Schutz der öffentlichen Gesundheit dadurch
sichergestellt wird, dass der verschreibende Arzt und der das Arzneimittel
zubereitende Apotheker (bzw. der beigezogene Hersteller) über eine
entsprechende Ausbildung verfügen und behördlich kontrolliert werden (vgl.
Botschaft zum HMG, S. 3495; MOSIMANN/SCHOTT, a.a.O., Rz. 33 und 36 zu Art. 9
HMG). Die Voraussetzung der Zulassung durch Swissmedic erfüllt die
Magistralrezeptur nach wörtlicher Auslegung deshalb nicht, weil es zu ihr, da
sie nicht zulassungspflichtig ist, keinen förmlichen Zulassungsentscheid der
Swissmedic gibt. Doch trifft auf sie auch das Gegenteil - dass es sich um ein
"nicht zugelassenes" Arzneimittel handelt - nicht zu, weil die
Magistralrezeptur aufgrund von Art. 9 Abs. 2 lit. a HMG von Gesetzes wegen,
ohne dass sie vorgängig zugelassen werden müsste, in Verkehr gebracht werden
darf. Mit anderen Worten handelt es sich bei ihr nicht um ein zugelassenes,
aber auch nicht um ein nicht zugelassenes, sondern um ein zulassungsbefreites
Arzneimittel; als solches steht die Magistralrezeptur den zugelassenen
Arzneimitteln jedenfalls näher als den nicht zugelassenen.  
 
10.3. Im Rahmen der historischen Auslegung ist zu berücksichtigen, dass mit der
Einführung der Bestimmungen der Art. 71a und 71b KVV auf den 1. März 2011 im
Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung unnötiger Gerichtsverfahren
neu verbindlich festgelegt wurde, in welchen Fällen und unter welchen
Voraussetzungen bei ambulanten Behandlungen die Vergütungspflicht der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung für Arzneimittel über den in der SL
festgelegten Umfang hinausgehen kann (Änderungen und Kommentar im Wortlaut vom
2. Februar 2011, S. 5 Ziff. 3.2.1). Dabei ging es insbesondere darum, die
bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Off-Label-Use (BGE 131 V 349; 130 V 532;
vgl. auch BGE 139 V 375; 136 V 395) auf Verordnungsstufe zu verankern. Dies
schliesst es aber nicht aus, dass der Bundesrat in seiner Regelung über dieses
(primäre) Ziel hinausging, andernfalls er sich mit der Einführung der
Bestimmung des Art. 71a KVV hätte begnügen können. So normierte er mit der
Schaffung von Art. 71b KVV auch die einzelfallweise Vergütung von
Arzneimitteln, welche nicht in der SL gelistet sind (dazu Änderungen und
Kommentar, S. 6 Ziff. 3.2.3). Es ist nicht ersichtlich, weshalb darunter
entsprechend der vom BAG vertretenen Auffassung von vornherein nur die
Arzneimittel fallen sollten, welche in der SL gelistet sein könnten, und nicht
auch die Magistralrezepturen.  
Nicht stichhaltig ist der Einwand des BAG, wonach der Bundesrat bei der
Schaffung der Art. 71a ff. KVV nicht auf lit. a von Art. 52 Abs. 1 KVG, welcher
die Magistralrezepturen regle, Bezug genommen habe, sondern ausschliesslich auf
lit. b, welche Norm sich auf die SL beziehe und "explizit 'konfektionierte
Arzneimittel', also mehrheitlich industriell hergestellte und abgepackte
Arzneimittel als Grundlage für die SL-Listung" nenne. Insbesondere lässt dieser
Umstand nicht bereits den Schluss zu, dass der Bundesrat nicht gleichzeitig
beabsichtigte, eine entsprechende Grundlage auch für die Magistralrezepturen zu
schaffen. Die dem Einwand des Bundesamtes zugrunde liegende Stelle aus dem
Kommentar (S. 4 f.) beschränkt sich darauf, die damalige gesetzliche
Ausgangslage zu skizzieren und aufzuzeigen, dass "Arzneimittel (und
Indikationen) ausserhalb der SL nach der heute geltenden gesetzlichen Regelung
grundsätzlich nicht durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu
vergüten sind" (S. 5 oben). Dass der Bundesrat die Bestimmung des Art. 52 Abs.
1 lit. a KVG, die im Übrigen weitere, offensichtlich nicht anvisierte
Leistungsarten (Analysen, Mittel und Gegenstände) umfasst, nicht eigens
erwähnte, dürfte darin begründet sein, dass die Magistralrezepturen eine
ungleich kleinere Bedeutung haben als die konfektionierten Arzneimittel. Der
entsprechende Abschnitt Ziff. 3.2.1 des Kommentars schliesst denn auch mit der
Feststellung, dass im Vordergrund der Regelung die Anwendung von Arzneimitteln
stehe, welche zwar auf der SL aufgeführt seien, aber ausserhalb der genehmigten
Fachinformation verwendet würden (Off-Label-Use), dass aber auch die seltener
vorkommende Anwendung von Arzneimitteln, welche nicht in der SL gelistet seien,
zu normieren sei. Die beiden Fälle "Arzneimittel in der SL, Arzneimittel
ausserhalb der SL" würden deshalb in je einem Artikel geregelt. Eindeutige
Hinweise, dass der Verordnungsgeber nicht die Absicht hatte, auch die
Magistralrezepturen, welche ebenfalls ausserhalb der SL stehen, im Rahmen von 
Art. 71b KVV zu berücksichtigen, ergeben sich aus dieser Textstelle jedenfalls
nicht. 
Die Materialien der letzten Verordnungsanpassung vom 1. März 2017 (Änderung und
Kommentar vom 1. Februar 2017) enthalten auch nach dem BAG nichts zur hier
interessierenden Frage. 
 
10.4. In systematischer Hinsicht befinden sich die in Frage stehenden Art. 71a
ff. KVV in der heute geltenden Fassung im Abschnitt 4a mit dem Titel "Vergütung
von Arzneimitteln im Einzelfall" des 3. Kapitels der KVV (Tarife und Preise).
Der 3. Abschnitt befasst sich mit der ALT, der 4. Abschnitt mit der SL und der
5. Abschnitt enthält gemeinsame Bestimmungen für ALT und SL (und die hier nicht
weiter interessierende Analysenliste). Zwar hat der Verordnungsgeber bei der
Einführung der entsprechenden Bestimmungen auf 1. März 2011 noch keinen eigenen
Abschnitt geschaffen, sondern die Artikel in den 4. Abschnitt integriert. Dies
änderte er im Rahmen der auf 1. März 2017 erfolgten Verordnungsanpassung, indem
er die Bestimmungen zu einem eigenen Abschnitt 4a zusammenfasste. Dass er
diesen als Abschnitt 4a bezeichnete, was ihn auf den ersten Blick als dem 4.
Abschnitt näher als dem 5. erscheinen lässt, hat allein praktische Gründe.
Innerhalb des Abschnittes bezieht sich Art. 71a KVV auf Arzneimittel der SL
(ausserhalb der genehmigten Fachinformation oder Limitierung) und Art. 71b KVV
auf Arzneimittel ausserhalb der SL (und als Spezialfall dazu Art. 71c KVV
[welche Bestimmung Art. 71b Abs. 2 KVV in der bis 28. Februar 2017 gültig
gewesenen Fassung ablöste] auf die importierten Arzneimittel ausserhalb der
SL).  
 
10.5. Der Sinn und Zweck der Bestimmung des Art. 71b KVV besteht darin, in
Härtefällen, insbesondere wenn keine andere wirksame Behandlungsmethode
verfügbar ist (vgl. auch BGE 131 V 349 E. 2.3 in fine S. 351 mit Hinweis), eine
ausnahmsweise Vergütung eines grundsätzlich nicht vergütungspflichtigen
Arzneimittels zu ermöglichen. Dabei stellt sich die Frage, ob es in diesem
Zusammenhang eine Rolle spielen kann, ob das Arzneimittel von der Swissmedic
zugelassen oder von der Zulassungspflicht befreit ist. In Fällen, welche im
vereinfachten Verfahren zugelassene Orphan Drugs im Sinne von Art. 14 Abs. 1
lit. f HMG betrafen, wurde in der Rechtsprechung bereits festgehalten, dass die
arzneimittelrechtliche Zulassung für die Kassenpflichtigkeit nicht
ausschlaggebend ist (BGE 139 V 375 E. 6.3 S. 382; 136 V 395 E. 4.2 S. 398 mit
Hinweis auf PASCAL LACHENMEIER, Die Anwendung "nicht zugelassener" Arzneimittel
in der Krebstherapie nach schweizerischem Recht ["off-label-use"], Jusletter
vom 11. Mai 2009, Rz. 56 sowie auf die per 1. März 2011 neu eingeführte
Bestimmung des Art. 71b Abs. 1 und 2 KVV).  
Die Zulassungspflicht dient als Instrument der präventiven Produktekontrolle
der Verwirklichung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und von Treu und
Glauben auf dem Arzneimittelmarkt (MOSIMANN/ SCHOTT, a.a.O., N. 3 zu Art. 9 HMG
; vgl. auch UELI KIESER, Die Zulassung von Arzneimitteln im Gesundheits- und
Sozialversicherungsrecht, AJP 2007 S. 1042 ff., 1043 f.). In diesem Sinne
sollen nach der Zweckumschreibung in Art. 1 Abs. 1 HMG nur qualitativ
hochstehende, sichere und wirksame Arzneimittel in Verkehr gebracht werden (BGE
139 V 375 E. 6.1 S. 381). Das Zulassungsverfahren dient der Prüfung von
Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der angemeldeten Arzneimittel; mit anderen
Worten stellt die Voraussetzung der Zulassung sicher, dass das Arzneimittel in
ausreichender Qualität angeboten wird. Entsprechend dieser Zielsetzung genügt
nach der Bestimmung des Art. 71c KVV bei importierten Arzneimitteln, dass diese
von einem Land mit einem von Swissmedic als gleichwertig anerkannten
Zulassungssystem zugelassen sind. Demgegenüber können Arzneimittel, die in
keinem Land mit einem vergleichbaren Zulassungssystem für eine entsprechende
Indikation zugelassen sind, in keinem Fall zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung gehen, weil es nicht deren Aufgabe ist, Arzneimittel,
die sich erst im Stadium der Abklärung und Forschung befinden, zu übernehmen
(EUGSTER, a.a.O., S. 534 Rz. 417). 
Der Schutz der öffentlichen Gesundheit, welcher mit der Voraussetzung der
(inländischen oder gleichwertigen ausländischen) Zulassung bezweckt wird, ist
indessen auch bei Magistralrezepturen sichergestellt, lediglich auf einem
anderen Weg als über das förmliche Zulassungsverfahren, welches der Gesetzgeber
denn auch gerade aus diesem Grund als entbehrlich betrachtete (vgl. E. 5.3
hiervor). Bei Magistralrezepturen ist die öffentliche Gesundheit dadurch
garantiert, dass der verschreibende Arzt und der das Arzneimittel zubereitende
Apotheker über eine entsprechende Ausbildung verfügen und behördlich
kontrolliert werden (MOSIMANN/SCHOTT, a.a.O., Rz. 3, 5 und 36 zu Art. 9 HMG;
CHRISTOPH SCHMIDT, Die Zulassung von Arzneimitteln nach dem Heilmittelgesetz,
Diss. Basel 2008, S. 195; Botschaft zum HMG, S. 3495). In diesem Sinne sind die
Magistralrezepturen den von der Swissmedic zugelassenen Arzneimitteln
gleichgestellt. 
Ein plausibler Grund dafür, weshalb die Vergütungsmöglichkeit im Einzelfall
nicht auch für die (den zugelassenen Arzneimitteln gleichgestellten)
Magistralrezepturen gelten sollte, ist damit nicht ersichtlich. Auch die Atupri
Gesundheitsversicherung und das BAG vermögen einen solchen nicht zu nennen. Im
Rahmen der Zielsetzung des Art. 71b KVV, in Härtefällen eine ausnahmsweise
Vergütung eines grundsätzlich nicht vergütungspflichtigen Arzneimittels zu
ermöglichen, kann es - über den Wortlaut hinaus - keine Rolle spielen, ob das
Arzneimittel das Zulassungsverfahren der Swissmedic durchlaufen hat (d.h. vom
Institut nach entsprechendem Verfahren zugelassen ist) oder ob es von der
Zulassungspflicht befreit ist und ohne eine Zulassung (d.h. ohne förmliches
Verfahren) in Verkehr gebracht werden darf. 
 
10.6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Bestimmung des Art. 71b Abs. 1 KVV
nicht nur auf die vom Institut zugelassenen nicht in die SL aufgenommenen
verwendungsfertigen Arzneimittel (für eine Anwendung innerhalb oder ausserhalb
der Fachinformation), sondern auch auf die von der Zulassungspflicht befreiten
verwendungsfertigen Magistralrezepturen Anwendung findet.  
 
11.  
 
11.1. Damit bleibt zu prüfen, ob im Falle des Beschwerdegegners die Kosten der
verwendungsfertigen autologen Serumaugentropfen gestützt auf Art. 71b Abs. 1
KVV in Verbindung mit Art. 71a Abs. 1 lit. b KVV von der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind.  
 
11.1.1. Die Voraussetzung, dass beim Beschwerdegegner eine Krankheit vorliegt,
die schwere und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen
kann, ist aufgrund der sich auf die Berichte des behandelnden Dr. med.
B.________ vom 25. Oktober 2011, 27. Juni 2014, 9. Februar 2017, 14. und 29.
März 2017 stützenden verbindlichen und im Übrigen unbestrittenen
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen erfüllt (vgl. auch E. 4 hiervor).  
 
11.1.2. Verbindlich festgestellt wurde im kantonalen Entscheid auch, dass wegen
fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame Behandlungsmethode
verfügbar ist. Dass die Atupri Gesundheitsversicherung dies in Zweifel zieht
unter Hinweis auf den Bericht des Dr. med. B.________ vom 9. Februar 2017,
wonach mit "Cacicol" ein Präparat zur Behandlung von trophischen Ulzera im
Handel sei, ist unbehelflich. Denn Dr. med. B.________ zeigte darin auf, dass
sämtliche Präparate, welche trophische Faktoren enthielten (Solcoseryl aus
Kälberserum), aus dem Handel verschwunden seien und das einzige erhältliche
Präparat zur Behandlung von trophischen Ulzera Cacicol sei, das aber "einen
ganz anderen Wirkungsmechanismus" habe. Diese Ausführungen des behandelnden
Arztes können nur dahingehend verstanden werden, dass sich das Präparat Cacicol
beim Beschwerdegegner als unzureichend erweist, was nachvollziehbar scheint mit
Blick auf die bei ihm vorliegenden schwersten Oberflächenstörungen der Augen
(wie in der in E. 5.1 hiervor erwähnten medizinischen Literatur beschrieben).
Die darauf beruhenden vorinstanzlichen Feststellungen, dass therapeutische
Alternativen zu den autologen Serumaugentropfen fehlen und keine andere
wirksame Behandlungsmethode existiert, sind nicht offensichtlich unrichtig und
damit für das Bundesgericht verbindlich.  
 
11.1.3. Ob ein therapeutischer Nutzen vorliegt, ist eine Tatfrage. Insoweit
sind die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen für das Bundesgericht
grundsätzlich verbindlich. Ob ein bestimmter Nutzen als "gross" im Sinne der
Rechtslage zu bezeichnen ist, stellt hingegen eine Rechtsfrage dar (BGE 143 V
130 E. 11.1 S. 136; 142 V 325 E. 4.2 S. 332; BGE 136 V 395 E. 6.3 S. 401). Der
entsprechende Nachweis ist mittels publizierter klinischer Studien, die
mindestens in Form von Zwischenergebnissen einen entsprechenden Schluss
zulassen, oder mittels anderweitiger veröffentlichter wissenschaftlicher
Erkenntnisse zu erbringen (BGE 142 V 325 E. 4.4.1 S. 333; 136 V 395 E. 6.5 S.
401 f.). Die Frage, ob ein hoher therapeutischer Nutzen vorliegt, ist sowohl in
allgemeiner Weise als auch bezogen auf den konkreten Einzelfall zu beurteilen (
BGE 139 V 375 E. 4.4 in fine S. 378; 136 V 395 E. 6.4 f. S. 401 f.). Des
Weitern kann der Nutzen kurativer oder palliativer Natur sein (EUGSTER, a.a.O.,
S. 534 Rz. 420).  
 
11.1.3.1. Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen, in welchen der
therapeutische Nutzen im Allgemeinen und im konkreten Fall des
Beschwerdegegners gestützt auf die Berichte des Dr. med. B.________ und die
darin erwähnte, der Atupri Gesundheitsversicherung eingereichte und zusätzlich
angebotene medizinische Literatur, welche sich allerdings nicht bei den Akten
befindet, bejaht wird, sind für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (E.
1 hiervor) und im Übrigen unbestritten.  
 
11.1.3.2. Zu beantworten bleibt die Rechtsfrage, ob der therapeutische Nutzen
als "gross" im Sinne der Verordnungsbestimmung zu bezeichnen ist. Dass die mit
den autologen Serumaugentropfen angegangenen gesundheitlichen Einschränkungen
auch anders gelagert sein und auf einer anderen Ursache beruhen können als auf
der beim Beschwerdegegner vorliegenden, äusserst seltenen Krankheit (Bericht
des Dr. med. B.________ vom 25. Oktober 2011), die Wirkung der
Serumaugentropfen aber zumeist gesamthaft untersucht wurde, erschwert die
Verwertbarkeit der entsprechenden wissenschaftlichen Studien. Hinzu kommt, dass
es zu den autologen Serumaugentropfen noch kein standardisiertes
Herstellungsverfahren mit Blick auf Verdünnung, Lagerdauer und -temperatur
sowie andere Kenngrössen gibt, weshalb unterschiedliche Daten zur
Anwendungsbeobachtung vorliegen und Vergleiche von Studienergebnissen schwierig
sind (DEITENBECK/SIEVERT/HALFWASSEN, a.a.O., S. 24; BLASER, a.a.O., S. 78 in
fine). Bei dieser Ausgangslage dürfen an den Wirksamkeitsnachweis nicht die
gleich strengen Anforderungen gestellt werden wie bei anderen Erkrankungen
(vgl. auch EUGSTER, a.a.O., S. 535 Rz. 420; BGE 136 V 395 E. 6.5 S. 401 f.).  
 
11.1.3.2.1. In medizinischen Studien zeigen sich im Falle von persistierenden
Epitheldefekten und neurotrophen cornealen Ulcera - wie sie beim
Beschwerdegegner unbestritten vorliegen (vgl. E. 4) - mehrheitlich favorable
Verläufe (DE PASCALE/LANZA/SOMMESE/NAPOLI, Human Serum Eye Drops in Eye
Alterations: An Insight and a Critical Analysis, Journal of Ophthalmology
2015:396-410 [abrufbar unter http://dx.doi.org/10.1155/2015/396410]; Blaser,
a.a.O., S. 75). Im Beitrag von Blaser (a.a.O., S. 75) wird als Beispiel dafür
ein 55-jähriger Patient mit ipsilateral vollständig aufgehobener cornealer
Sensibilität nach Wallenberg-Syndrom erwähnt, bei welchem sich bei intensiver
Oberflächenpflege mit kommerziellen Produkten rezidivierend Epitheldefekte
entwickelten, während unter Dauertherapie mit unverdünnten autologen
Serumaugentropfen eine Oberflächenintegrität und ein korrigierter Visus von 1.0
aufrechterhalten werden konnte. Der beschriebene (auch im Fall des
Beschwerdegegners dringend angestrebte; vgl. E. 4.3) Effekt der autologen
Serumaugentropfen, bestehend in der Verhinderung weiterer Epitheldefekte und in
der Aufrechterhaltung des vorhandenen Visus, stellt einen hohen therapeutischen
Nutzen dar.  
 
11.1.3.2.2. Was das Trockene Auge anbelangt, wird der Therapieerfolg der
autologen Serumaugentropfen in der medizinischen Literatur kontrovers beurteilt
(DEITENBECK/SIEVERT/HALFWASSEN, a.a.O., S. 24; BLASER, a.a.O., S. 75). Erwähnt
werden vier randomisierte kontrollierte Studien, welche ergaben, dass die
Behandlung mit 20%igen autologen Serumtropfen bei kurzfristiger Anwendung
subjektive Linderung bringt, eine objektive Verbesserung der Hornhautoberfläche
aber nicht nachgewiesen werden kann. Die Autoren Dres. med. Deitenbeck, Sievert
und Halfwassen weisen in ihrem Beitrag allerdings darauf hin, dass die
Therapieerfolge in diesem Bereich schwer messbar seien; insbesondere liessen
sich Schmerzen und ein Fremdkörpergefühl objektiv nicht messen. Zudem würden
die in den Studien verwendeten objektiven Parameter eine Heilung der Erkrankung
erfordern. Gleichzeitig erwähnen sie eine jüngst publizierte
Patientenbefragung, in welcher 53.8-91.7 % der Befragten einen signifikanten
Rückgang des Fremdkörpergefühls oder brennender Schmerzen angaben (a.a.O., S.
25). Damit ergibt sich aus diesen, einen breiteren Anwendungsbereich
umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnissen jedenfalls zusätzlich ein hoher
palliativer Nutzen.  
 
11.1.3.2.3. Angesichts des in den Berichten des Dr. med. B.________
beschriebenen Gesundheitszustandes des Beschwerdegegners kann auch am hohen
therapeutischen Nutzen im Einzelfall kein Zweifel bestehen: Nach Dr. med.
B.________ bestände ohne die (im Falle des Beschwerdegegners alleine in Frage
kommenden) autologen Serumaugentropfen eine grosse Gefahr, dass es zu spontanen
trophischen Ulzera der Hornhaut am einzigen Auge käme (Bericht vom 9. Februar
2017). In seinen Berichten zeigte der behandelnde Arzt auf, dass es dank der
autologen Serumaugentropfen (in Kombination mit den therapeutischen
Kontaktlinsen) gelungen ist, am rechten Auge die Situation stabil zu halten,
ein Einschmelzen der Hornhaut zu verhindern und damit eine letztlich drohende
Erblindung auch des rechten Auges abzuwenden (Berichte vom 25. Oktober 2011,
27. Juni 2014 und 29. März 2017; vgl. E. 4 hiervor).  
 
11.1.3.2.4. Aufgrund des beschriebenen individuellen Verlaufs sowie der
dargelegten medizinischen Fachliteratur ist die Voraussetzung des hohen
therapeutischen Nutzens damit erfüllt.  
 
11.2. Nach Art. 71d Abs. 2 KVV (Art. 71b Abs. 4 KVV in der bis 28. Februar 2017
geltenden Fassung) müssen die übernommenen Kosten in einem angemessenen
Verhältnis zum therapeutischen Nutzen stehen. Diese Voraussetzung ist im Falle
des Beschwerdegegners erfüllt mit Blick auf den sehr hohen therapeutischen
Nutzen, welcher insbesondere in der Aufrechterhaltung des verbleibenden Visus
und dem Verhindern der drohenden Erblindung auch am rechten Auge besteht.
Andernfalls hätte die Atupri Gesundheitsversicherung die autologen
Serumaugentropfen, wie nach der unbestritten gebliebenen Darstellung in der
kantonalen Beschwerdeschrift feststeht, wohl auch nicht seit 2009 bis zur
Verfügung vom 31. März 2017 vorbehaltlos übernommen (vgl. zum Vertrauensschutz
bei über eine längere Zeit erfolgter vorbehaltloser Übernahme eines nicht
[mehr] wirksamen, zweckmässigen oder wirtschaftlichen Arzneimittels: BGE 143 V
95). Die Atupri Gesundheitsversicherung macht denn auch nichts Gegenteiliges
geltend.  
 
11.3. Zusammenfassend ergibt sich, dass die autologen Serumaugentropfen im
Falle des Beschwerdegegners zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung gehen.  
 
12.  
 
12.1. Die Beschwerden des BAG und der Atupri Gesundheitsversicherung sind
abzuweisen. Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Atupri aufzuerlegen (
Art. 66 Abs. 1 BGG). Für das unterliegende Bundesamt besteht keine
Kostenpflicht (Art. 66 Abs. 4 BGG).  
 
12.2. Das BAG und die Atupri Gesundheitsversicherung haben dem Beschwerdegegner
eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfahren 9C_730/2017 und 9C_737/2017 werden vereinigt. 
 
2.   
Die Beschwerden werden abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Atupri Gesundheitsversicherung
auferlegt. 
 
4.   
Die Atupri Gesundheitsversicherung und das BAG haben den Beschwerdegegner für
das bundesgerichtliche Verfahren je hälftig mit insgesamt Fr. 2'400.-,
ausmachend je Fr. 1'200.-, zu entschädigen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. August 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann 

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