Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 725/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_725/2017  
 
 
Urteil vom 28. März 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless. 
Gerichtsschreiber Grünenfelder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Samuel Teindel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 CONCORDIA 
Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG, Bundesplatz 15, 6002
Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug 
vom 14. September 2017 (S 2017 42). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1957 geborene A.________ ist bei der CONCORDIA Schweizerische Kranken- und
Unfallversicherung AG (nachfolgend: Concordia) obligatorisch
krankenpflegeversichert. Anfang Februar 2015 erkrankte sie an einer toxisch
epidermalen Nekrolyse (sog. Lyell-Syndrom), die vermutlich auf die Einnahme des
Gichtmedikaments Allopurinol zurückzuführen war. Im Rahmen der stationären
Behandlung des Lyell-Syndroms im Universitätsspital Zürich musste sich
A.________ am 26. Februar 2015 einer Operation unterziehen, bei welcher ihr
neben anderen medizinischen Massnahmen unter Narkose neun Zähne extrahiert
wurden. Im August 2015 ersuchte der behandelnde Zahnarzt um Kostenübernahme für
die Zahnsanierung in Höhe von Fr. 35'729.60. Die Concordia legte die Akten
ihrem Vertrauensarzt vor und holte im November 2016 eine Kostenschätzung für
zwei Kunststoffprothesen ein (Fr. 5'936.55). In der Folge verneinte sie eine
Leistungspflicht, weil zwischen dem Lyell-Syndrom und der Wiederherstellung der
Kaufähigkeit kein Zusammenhang bestehe (Verfügung vom 27. Dezember 2016 bzw.
Einspracheentscheid vom 7. März 2017). 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit
Entscheid vom 14. September 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit den Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die Kosten für die Wiederherstellung der
Kaufähigkeit gemäss Kostenschätzung vom 25. August 2015, eventualiter gemäss
derjenigen vom 23. November 2016 zu übernehmen. Subeventualiter sei die Sache
an die Vorinstanz bzw. die Beschwerdegegnerin zur Anordnung einer
verwaltungsexternen Expertise und anschliessender Neubeurteilung
zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG
). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zur
Abgrenzung zwischen ärztlicher und zahnärztlicher Behandlung (BGE 128 V 143)
und über den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung für zahnärztliche Behandlungen zutreffend
wiedergegeben (Art. 31 Abs. 1 KVG; Art. 17-19a KLV). Dasselbe gilt für die
Ausführungen zum abschliessenden Charakter der in Art. 17 bis 19a KLV
aufgezählten Erkrankungen, welche von der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zu übernehmende zahnärztliche Behandlungen
voraussetzen (vgl. BGE 124 V 185; 129 V 80 E. 1.3 S. 83; 130 V 464 E. 2.3 S.
467). Korrekt sind schliesslich auch die Darlegungen zur Rechtsprechung
betreffend die Funktion und Beweiskraft medizinischer Berichte und Gutachten,
insbesondere was versicherungsinterne Aktenbeurteilungen betrifft (BGE 125 V
251 E. 3a S. 252 ff., 135 V 465 E. 4.4 S. 470). Darauf wird verwiesen. 
 
3.   
 
3.1. Die Vorinstanz hat den Einspracheentscheid vom 7. März 2017 bestätigt und
einen Leistungsanspruch mit überzeugender Begründung verneint. Sie hat
insbesondere auf die Angaben des Vertrauensarztes der Beschwerdegegnerin
abgestellt und erwogen, die Zahnextraktionen vom 26. Februar 2015 seien nicht
wegen eines durch das Lyell-Syndrom geschädigten Zahnhalteapparates notwendig
geworden. Diese hätten vielmehr der Beseitigung bereits vorhandener (Sinusitis
maxillaris links) und der Vermeidung zukünftiger Infekte gedient, für welche
die Versicherte aufgrund des Lyell-Syndroms anfälliger gewesen sei.  
 
3.2. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, verfängt nicht: Die
versicherungsinternen Einschätzungen des Prof. Dr. Dr. med. Hardt (Berichte vom
30. September und 25. November 2015; ergänzende Stellungnahmen vom 26. November
und 1. Dezember 2015 sowie vom 22. Juni 2016) berücksichtigen die Aussagen der
behandelnden Fachärzte des Universitätsspitals Zürich und der Berner Klinik
Montana (vgl. Berichte vom 26. Februar und 6. Mai 2015 sowie vom 26. Mai 2016).
Daher kann ohne Weiteres von einem im Wesentlichen feststehenden medizinischen
Sachverhalt ausgegangen werden. Anhaltspunkte für auch nur geringe (vgl. statt
vieler: BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229) Zweifel an der Zuverlässigkeit und
Schlüssigkeit der vertrauensärztlichen Angaben bestehen unter diesen Umständen
nicht. Solche entfallen - wie das kantonale Gericht zutreffend ausgeführt hat -
vor allem in Bezug auf die abweichenden Beurteilungen des Hausarztes der
Versicherten ohne Weiteres (vgl. BGE 135 V 470 E. 4.5 S. 470 mit Hinweisen).
Folglich ist die Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, dass weder die
Operateure des Universitätsspitals Zürich noch ein anderer involvierter
Facharzt von einer durch das Lyell-Syndrom verursachten Zahnproblematik
gesprochen hätten, jedenfalls nicht willkürlich oder sonstwie
bundesrechtswidrig Hat die Vorinstanz weiter erwogen, es stehe "zweifellos
fest", dass die Zahnextraktionen nicht auf einen (wegen des Lyell-Syndroms)
geschädigten Zahnhalteapparat zurückzuführen seien (vorinstanzliche Erwägung
8.2.3.2), so trägt dies dem anwendbaren Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zweifellos Rechnung (vgl. BGE 138 V 218 E. 6 S. 221 f.; 130
V 393 E. 3.3 S. 396; 125 V 146 E. 2c S. 150 mit Hinweisen; Urteil 9C_406/2011
vom 9. Juli 2012 E. 5.1). Ebenso wenig liegt eine Rechtsverletzung vor, wenn
das kantonale Gericht einen Kausalzusammenhang zwischen dem Lyell-Syndrom und
der Infektion der oberen Atemwege (E. 3.1) bloss als spekulativ angesehen hat.
Inwieweit die Einholung einer Gerichtsexpertise daran etwas ändern könnte, ist
- entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht erkennbar.  
 
3.3. Der vorinstanzliche Verzicht auf ergänzende Abklärungen stellt keine
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes oder der Beweiswürdigungsregeln (vgl. 
Art. 43 Abs. 1 und 61 lit. c ATSG) dar. Eine Beweislastumkehr, wie sie die
Beschwerdeführerin geltend machen lässt, fällt aufgrund der zulässigen
antizipierten Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts (vgl. BGE 136 I 229 E.
5.3 S. 236; 124 V 90 E. 4b S. 94) ausser Betracht.  
 
4.   
Die Vorinstanz hat auch die Aufnahme des Lyell-Syndroms in die Liste der
Allgemeinerkrankungen gemäss Art. 18 KLV - unter Hinweis auf die gefestigte
Rechtsprechung des Bundesgerichts (E. 2) - zu Recht verneint. Überzeugende
Gründe für eine diesbezügliche Praxisänderung (BGE 137 V 282 E. 4.2 S. 291 f.
mit Hinweisen) werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind auch
(anderweitig) nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere der
Hinweis der Beschwerdeführerin auf die niedrige Inzidenzrate des Lyell-Syndroms
(sog. orphan-disease) zum vorneherein unbehelflich. Soweit sie in diesem
Zusammenhang auf das Urteil 9C_253/2011 vom 3. Juni 2011 verweist, ergibt sich
daraus nichts anderes. Dort wird gegenteils ausgeführt, es liege am Gesetzgeber
und nicht an der Rechtsprechung, die Liste derjenigen Krankheiten zu erweitern,
die eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen, wonach die zahnärztliche
Behandlung von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht übernommen
werden. 
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem
Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 28. März 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder 

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