Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 682/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_682/2017  
 
 
Urteil vom 6. September 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse
11, 8500 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 16. August 2017 (VV.2017/62/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Im Juli 2008 meldete sich die am 22. Juli 1990 geborene A.________
erstmals als Minderjährige bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau prüfte die Verhältnisse. Nach den von ihr
beigezogenen medizinischen Unterlagen litt die Versicherte an einem
ADHD-Syndrom (Bericht des B.________, Arzt für Neurologie, vom 22. Juli 2008)
in Form von leichten bis mittelschweren kognitiven Funktionsstörungen und
Störungen der Emotionalität bzw. des Verhaltens (Bericht des Spitals C.________
vom 30. Mai 2008). In einer Mitteilung vom 5. Juni 2009 erteilte die IV-Stelle
Kostengutsprache (Übernahme der Mehrkosten) für eine erstmalige berufliche
Ausbildung zur Küchenangestellten in Form einer praktischen Ausbildung (PrA
INSOS) im D.________ für die Zeit vom 1. August 2009 bis 31. Juli 2011.  
 
A.b. Am 3. Juli 2009 reichte A.________ eine Anmeldung zum Leistungsbezug für
Erwachsene ein. Die IV-Stelle erteilte am 24. Mai 2011 Kostengutsprache für die
erstmalige berufliche Ausbildung zur Küchenangestellten EBA (berufliche
Grundausbildung mit eidgenössischem Berufsattest) im D.________ für die Zeit
vom 1. August 2011 bis 31. Juli 2013. A.________ schloss diese Ausbildung im
Juli 2013 mit dem eidgenössischen Berufsattest ab.  
 
A.c. In einer Mitteilung vom 26. Juli 2013 hielt die IV-Stelle fest, dass
A.________ die beruflichen Massnahmen in Form der Ausbildung zur
Küchenangestellten EBA erfolgreich abgeschlossen habe. Gemäss den Abklärungen
der Berufsberatung bestehe in dieser Tätigkeit bei einer vollen Präsenzzeit
eine Arbeitsfähigkeit von 90 %, womit A.________ ein Jahreseinkommen von Fr.
43'290.- erwirtschaften könne. Sie sei damit rentenausschliessend
eingegliedert.  
 
A.d. Nachdem A.________ verschiedene Arbeitsstellen innegehabt hatte (mit einem
längeren Unterbruch dazwischen und zahlreichen krankheitsbedingten Absenzen),
meldete sie sich am 1. Dezember 2014 erneut bei der IV-Stelle zum
Leistungsbezug, wobei sie insbesondere Unterstützung bei der Suche nach einem
geeigneten Arbeitsplatz beantragte, weil sie den Anforderungen des ersten
Arbeitsmarktes nicht zu genügen vermöge. Sie machte geltend, ihr
Gesundheitszustand habe sich seit August 2014 verschlechtert. Als
Beeinträchtigungen wurden eine dissoziierte Intelligenz, ein ADHS-Syndrom
(ICD-10 F90.0), eine Anpassungsstörung mit längeren depressiven Reaktionen
(F43.21) sowie Anpassungsstörungen (F43.2) angegeben. Die IV-Stelle erteilte am
24. März 2015 Kostengutsprache für eine Integrationsmassnahme in Form eines
Supports am Arbeitsplatz in der Spitalküche des Spitals E.________ für die Zeit
vom 9. März bis 9. August 2015. Krankheitsbedingt nahm die Versicherte den
Arbeitsversuch erst später (im April 2015) und nur für kurze Zeit auf. Die
Verwaltung nahm ein im Auftrag der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung
erstelltes Gutachten des Dr. med. F.________, Psychiatrie und Psychotherapie
FMH, vom 24. März 2015 zu den Akten. Vorbescheidweise stellte sie am 19. Mai
2015 den Abbruch der beruflichen Massnahmen mit Wirkung auf 13. Mai 2015 in
Aussicht, weil der persönliche Support am Arbeitsplatz unter den gegebenen
Umständen nicht zielführend sei. Des Weitern forderte sie A.________ mit
Schreiben vom 26. Mai 2015 auf, sich weiterhin der ambulanten
fachpsychiatrischen und einer adäquaten medikamentösen Behandlung zu
unterziehen. Daran erinnerte sie die Versicherte am 25. Juni 2015 im Rahmen des
Mahn- und Bedenkzeitverfahrens. Wie vorbeschieden verfügte sie am 29. Juni 2015
schliesslich den Abbruch der beruflichen Massnahmen.  
 
A.e. Im März 2016 veranlasste die IV-Stelle eine bidisziplinäre
(psychiatrisch-orthopädische) Begutachtung durch Prof. Dr. med. G.________,
Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, und Dr. med.
H.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates. In ihrem am 20. Mai/6. Juni 2016 erstatteten Gutachten
hielten die beiden Ärzte als Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit
ein Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) im Erwachsenenalter
(ICD-10 F90.0) sowie eine dissoziierte Intelligenz (ICD-10 F74.0) fest, wobei
das Störungsbild seit Kindheit bestehe und damit bereits bei der Erstanmeldung
unverändert vorgelegen habe. Gestützt darauf stellte die Verwaltung mit
Vorbescheid vom 18. August 2016 die Verneinung eines Rentenanspruchs in
Aussicht, wogegen die Versicherte Einwände erheben liess. Am 16. Januar 2017
erliess die IV-Stelle eine dem Vorbescheid entsprechende Verfügung. Zur
Begründung gab sie an, eine Wiedererwägung der damaligen Mitteilung sei nicht
möglich, weil eine beschwerdefähige Verfügung nicht verlangt worden sei. Des
Weitern sei auch kein Revisionsgrund gegeben, weil sich am
versicherungsmedizinischen Sachverhalt seit der Mitteilung vom 26. Juli 2013
nichts geändert habe. In der angestammten Tätigkeit als Küchenangestellte EBA
bestehe weiterhin eine Arbeitsfähigkeit von 90 %. Damit resultiere unverändert
ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 10 %.  
 
B.   
Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung der Verfügung und die Zusprache
einer ganzen Rente rückwirkend ab 1. Juli 2014 beantragen. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die Beschwerde mit Entscheid vom
16. August 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es
sei ihr rückwirkend ab 1. Juli 2015 (statt 2014, wie im kantonalen Verfahren
beantragt) eine ganze Rente zuzusprechen. Eventualiter sei der kantonale
Entscheid aufzuheben und die Sache zur Festsetzung der Rente (Invaliditätsgrad
und Anspruchsbeginn) an die Vorinstanz bzw. die Verwaltung zurückzuweisen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG;
vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG),
einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (
Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist der Anspruch der Versicherten auf eine Invalidenrente.  
 
2.2. Der Anspruch auf eine Invalidenrente setzt Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG
) und Invalidität (Art. 8 ATSG) voraus (Art. 28 Abs. 1 IVG). Arbeitsunfähigkeit
ist die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder
psychischen Gesundheit bedingte volle oder teilweise Unfähigkeit, zumutbare
Arbeit zu leisten (Art. 6 ATSG). Invalidität ist die voraussichtlich bleibende
oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs.
1 ATSG). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen,
geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer
Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der
Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt
(Art. 7 Abs. 1 ATSG).  
 
3.   
Die Vorinstanz erwog, die IV-Stelle habe in der Mitteilung vom 26. Juli 2013
nicht nur die beruflichen Massnahmen abgeschlossen, sondern auch einen
Rentenanspruch der Beschwerdeführerin rechtswirksam abgewiesen, wie wenn der
Entscheid zulässigerweise im formlosen Verfahren ergangen wäre. Zwar sei die
Mitteilung nicht die korrekte Form dafür, doch hätte die Versicherte die
Möglichkeit gehabt, innert eines Jahres eine anfechtbare Verfügung zu
verlangen, was die damalige Rechtsvertreterin aber unterlassen habe. Der
Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin habe sich seit jenem Zeitpunkt nicht
mehr in relevanter Weise verändert, wie das Gutachten des Prof. Dr. med.
G.________ und des Dr. med. H.________ vom 20. Mai/2. Juni 2016 zeige, denn
dieses beschränke sich darauf, den gleich gebliebenen Sachverhalt anders zu
würdigen. Sodann seien auch die Voraussetzungen für eine prozessuale Revision
nicht erfüllt, weil es keine neu entdeckten Tatsachen im Sinne von Art. 53 Abs.
1 ATSG gebe. Ebenso wenig liege der Rückkommensgrund der Wiedererwägung vor, da
die damalige Mitteilung vom 26. Juli 2013 nicht zweifellos unrichtig sei.
Selbst wenn sie es wäre, könnte die Versicherte nichts zu ihren Gunsten
ableiten, weil ein durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung nicht bestehe. 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz sei
zu Unrecht davon ausgegangen, dass die IV-Stelle in der Mitteilung vom 26. Juli
2013 auch über den Rentenanspruch rechtskräftig entschieden habe. Nach Treu und
Glauben sei es in der Mitteilung ausschliesslich um berufliche Massnahmen
gegangen. Ohnehin habe im Zeitpunkt, in dem die beruflichen Massnahmen
bewilligt worden seien, noch gar kein Formular in den Akten gelegen, welches
etwas anderes hätte mitumfassen können. Daran ändere der Umstand nichts, dass
sie am 3. Juli 2009 und damit nach der entsprechenden Mitteilung vom 5. Juni
2009 das Formular für Erwachsene eingereicht habe, welches als mögliche
Leistung auch eine Rente vorsehe; die IV-Stelle habe dieses (am 8. Juni 2009)
verlangt, um das Taggeld ausbezahlen zu können. Im Übrigen hätte die Verwaltung
für die Abweisung eines "damals gar nicht gestellten" Rentengesuchs nicht die
unzulässige Form der Mitteilung gewählt. Die Anmeldung von Dezember 2014 stelle
damit hinsichtlich des Rentenanspruchs eine Erstanmeldung dar. Unter diesen
Umständen sei die Rentenfrage umfassend zu prüfen.  
 
4.1.1. Wie eine Verwaltungsverfügung ist auch die Mitteilung vom 26. Juli 2013
nicht nach ihrem Wortlaut zu verstehen, sondern es ist - vorbehältlich der hier
nicht interessierenden Problematik des Vertrauensschutzes - nach ihrem
tatsächlichen rechtlichen Gehalt zu fragen (vgl. dazu BGE 141 V 255 E. 1 S.
257; 132 V 74 E. 2 S. 76 f.; 120 V 496 E. 1a S. 497 f.). Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die IV-Stelle darin zwar als Betreff lediglich angab
"Berufliche Massnahmen erfolgreich abgeschlossen", sich in ihren weiteren
Ausführungen aber unmissverständlich auch zur Rentenfrage äusserte. So enthält
die Mitteilung nicht nur den Satz "A.________ ist somit rentenausschliessend
eingegliedert.", sondern auch die dazugehörende Begründung, wonach die
Versicherte mit der Ausbildung zur Küchenangestellten EBA bei einer
Arbeitsfähigkeit von 90 % und einer Präsenzzeit von 100 % in der Lage sei, ein
Jahreseinkommen von Fr. 43'290.- zu erwirtschaften (ausgehend von einem
Jahreslohn [bei einem Vollpensum] von 13 x Fr. 3'700.- gemäss
Landesgesamtarbeitsvertrag [LGAV] des Gastgewerbes).  
 
4.1.2. Nicht von Belang ist in diesem Zusammenhang der Einwand der
Versicherten, wonach sie kein Rentengesuch gestellt habe und die Akten zum
Zeitpunkt der Bewilligung der beruflichen Massnahmen insbesondere auch kein
diese Leistungsart vorsehendes Formular beinhaltet hätten. Denn die Anmeldung
umfasst alle nach den konkreten Umständen in Betracht fallenden Ansprüche der
versicherten Person, einschliesslich jener, die auf erst nach erfolgter
Anmeldung eintretenden Tatsachen beruhen, so hier auf dem Erreichen der für
einen Rentenanspruch gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG vorausgesetzten Volljährigkeit
(Urteile 9C_800/2015 vom 25. Februar 2016 E. 3.2 in fine; 9C_954/2012 vom 10.
Mai 2013 E. 4.2 und 9C_92/2008 vom 24. November 2008 E. 3.2). Mit anderen
Worten erstreckte sich die Anmeldung vom Juli 2008 auch auf den Rentenanspruch,
welcher erst später entstehen konnte, nämlich frühestens im Monat, der auf die
Vollendung des 18. Altersjahres folgte (vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG), bei der am
22. Juli 1990 geborenen Versicherten mithin im August 2008.  
 
4.1.3. Des Weitern trifft es zwar zu, dass die Verwaltung über den
Rentenanspruch im Rahmen einer Verfügung (mit vorangehendem Vorbescheid) zu
befinden hat (Art. 57a IVG und Art. 49 Abs. 1 ATSG) und sich dazu nicht des für
bestimmte, abschliessend aufgezählte Leistungen vorgesehenen formlosen
Verfahrens bedienen kann (Art. 58 IVG in Verbindung mit Art. 74ter IVV; MEYER/
REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl 2014, Rz.
2 zu Art. 58 IVG). Die Versicherte wendet insoweit zu Recht ein, die
Beschwerdegegnerin hätte ihr die Rentenablehnung mittels Verfügung eröffnen
müssen. Hat die IV-Stelle allerdings die Leistungsverweigerung zu Unrecht nicht
in Verfügungsform, sondern formlos mitgeteilt und ist die betroffene Person
damit nicht einverstanden, hat sie dies nach der Rechtsprechung innerhalb eines
Jahres seit der Mitteilung zu erklären. Ohne fristgerechte Intervention der
versicherten Person wird der Entscheid rechtlich wirksam, wie wenn er
zulässigerweise im Rahmen von Art. 51 Abs. 1 ATSG ergangen wäre (BGE 134 V 145,
insbesondere E. 5 S. 149 ff.; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., Rz. 3 zu Art. 58 IVG).
So geschah es denn auch im Fall der Beschwerdeführerin, welche - wie
verbindlich feststeht und unbestritten ist - über ihre damalige
Rechtsvertretung erst am 1. Dezember 2014, mithin mehr als 16 Monate nach der
Zustellung der Mitteilung vom 26. Juli 2013, wieder einen Leistungsanspruch
gegenüber der IV-Stelle geltend machte. Damit kam diesem Verwaltungsakt auch
hinsichtlich der Frage des Rentenanspruchs rechtliche Wirksamkeit zu.  
 
4.1.4. Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass in der
Mitteilung vom 26. Juli 2013 auch der Rentenanspruch rechtskräftig abgelehnt
worden ist. Dies hat zur Folge, dass die IV-Stelle die Anmeldung vom 1.
Dezember 2014 zu Recht nicht als Erstanmeldung, sondern als Neuanmeldung (nach
abgelehntem Leistungsanspruch) behandelt hat.  
 
4.2. Die Versicherte macht weiter geltend, wenn man die Mitteilung vom 26. Juli
2013 auch als rentenablehnende Verfügung betrachte, müsse diese der Revision
zugänglich sein. Indem die Vorinstanz Revisionsgründe im Sinne von Art. 17 ATSG
verneine mit dem Hinweis, die Einschätzung der Gutachter vom 20. Mai/2. Juni
2016 stelle lediglich eine andere Beurteilung des an sich gleich gebliebenen
Gesundheitszustandes dar, übersehe sie, dass sich die medizinischen
Verhältnisse zwar allenfalls nicht in der Diagnose, aber in ihrer Ausprägung
verändert hätten. Der Gesundheitszustand der Versicherten habe sich als
Reaktion auf den Druck im ersten Arbeitsmarkt seit dem massgebenden
Vergleichszeitpunkt (d.h. seit der Mitteilung vom 26. Juli 2013)
verschlechtert.  
 
4.2.1. Im Rahmen einer Neuanmeldung sind die Revisionsregeln analog anwendbar
(statt vieler: Urteil 8C_94/2018 vom 2. August 2018 E. 3).  
 
4.2.2. Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird
die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend
erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG). Anlass zur
Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den
Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die
Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar.
Weiter sind, auch bei an sich gleich gebliebenem Gesundheitszustand, veränderte
Auswirkungen auf den Erwerbs- oder Aufgabenbereich von Bedeutung; dazu gehört
die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer Angewöhnung oder Anpassung
an die Behinderung. Hingegen ist die lediglich unterschiedliche Beurteilung
eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen
Kontext unbeachtlich (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen).  
 
4.2.3. In der bidisziplinären Zusammenfassung ihres Gutachtens vom 20. Mai/2.
Juni 2016 hielten Prof. Dr. med. G.________ und Dr. med. H.________ fest, bei
der Versicherten bestehe ein im Wesentlichen zur Erstanmeldung unverändertes
Störungsbild, weshalb die von ihnen abgegebene Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
lediglich eine andere Einschätzung desselben medizinischen Sachverhaltes
darstelle. Die Versicherte leide an zahlreichen und tiefgreifenden
Fähigkeitsstörungen, welche ihr auch nur eine Ausbildung auf EBA-Niveau erlaubt
hätten. Die psychiatrischen Störungen beeinflussten sich gegenseitig in einem
negativen und verstärkenden Sinn. Es sei davon auszugehen, dass sie umso
auffälliger würden, je höher das Leistungsprofil sei. Aus medizinischer Sicht
seien erhebliche Zweifel angebracht, ob das eingeschränkte Leistungsprofil den
Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes entspreche. Im geschützten Bereich
dürfte die Versicherte indessen motiviert ein Vollpensum im erlernten Beruf
leisten können.  
 
 
4.2.4. In diesen gutachterlichen Ausführungen findet die Behauptung der
Versicherten, ihre gesundheitlichen Einschränkungen hätten sich zwar nicht
hinsichtlich der Diagnose, aber in ihrer Ausprägung verändert, keine Stütze.
Gegenteils wird im Gutachten vom 20. Mai/2. Juni 2016 ausdrücklich ein seit der
Erstanmeldung im Wesentlichen unverändertes Störungsbild festgehalten. Diese
Aussage bezieht sich offensichtlich nicht nur auf die Diagnose, sondern auch
auf die leistungsmässigen Auswirkungen derselben, was die von der Versicherten
geltend gemachte Verschlimmerung im Sinne einer Verstärkung der
Beeinträchtigungen ausschliesst. Demgegenüber mag das Vorbringen der
Versicherten, wonach sich der Druck des ersten Arbeitsmarktes negativ auf ihren
Gesundheitszustand ausgewirkt habe, wohl zutreffen. Indessen waren die damit
angesprochenen Beschwerden, bestehend im Wesentlichen in einer
Anpassungsstörung und einer mittelgradigen depressiven Episode, nach der
Einschätzung der Gutachter Prof. Dr. med. G.________ und Dr. med. H.________
lediglich vorübergehender Natur, so dass sich auch daraus keine
revisionsrechtlich erhebliche dauerhafte Verschlechterung des
Gesundheitszustandes ableiten lässt. Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz
Gründe für eine materielle Revision im Sinne von Art. 17 ATSG zu Recht
verneint.  
 
4.3. In der Beschwerde wird schliesslich geltend gemacht, falls keine Gründe
für eine materielle Revision gegeben seien, müsse jedenfalls die Möglichkeit
einer prozessualen Revision im Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG bejaht werden,
weil nach der Mitteilung vom 26. Juli 2013 erhebliche Tatsachen oder
Beweismittel entdeckt worden seien, die zuvor nicht hätten beigebracht werden
können. Dass die Vorinstanz auch die Voraussetzungen der prozessualen Revision
verneine mit dem Hinweis, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien bereits
seit Längerem bekannt und stellten insofern keine neu entdeckte Tatsache dar,
greife zu kurz. Es müssten auch Erkenntnisse "aus dem Handeln gemäss den
Erwartungen der IV-Stelle" berücksichtigt werden. So habe man vor dem Abschluss
der beruflichen Massnahmen, die im geschützten Rahmen erfolgt seien, noch nicht
gewusst, wie die Versicherte auf den Druck in der freien Wirtschaft reagiere.
Wenn die Versicherte nachträglich habe erkennen müssen, dass sie dort nicht
bestehen könne, stelle dies eine neu entdeckte Tatsache dar, die eine
prozessuale Revision ermöglichen müsse.  
 
4.3.1. Gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG müssen formell rechtskräftige Verfügungen und
Einspracheentscheide in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person
oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen
entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich
war. Diese sog. prozessuale Revision kommt auch bei formlosen, rechtsbeständig
gewordenen Leistungszusprachen zur Anwendung (BGE 122 V 367 E. 3 S. 368 f.;
Urteil 8C_469/2013 vom 24. Februar 2014 E. 2, nicht publ. in: BGE 140 V 70,
aber in: SVR 2014 UV Nr. 14 S. 44; SVR 2012 UV Nr. 17 S. 63, 8C_434/2011 E. 3).
Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der Würdigung des
Sachverhalts, sondern dessen Feststellung dient. Es bedarf dazu neuer Elemente
tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft
erscheinen lassen (BGE 138 V 324 E. 3.2 S. 327 f.; 127 V 353   E. 5b S. 358).
Dabei sind die neuen Tatsachen und Beweismittel innert 90 Tagen nach ihrer
Entdeckung geltend zu machen; nebst dieser relativen Frist gilt eine absolute
10-jährige Frist, die mit der Eröffnung der Verfügung bzw. des
Einspracheentscheides zu laufen beginnt   (Art. 55 Abs. 1 ATSG in Verbindung
mit Art. 67 Abs. 1 VwVG; SVR 2012 IV Nr. 36 S. 140, 9C_896/2011 E. 4.2).  
 
4.3.2. Es bleibt damit zu prüfen, ob sich - nachdem die Versicherte ihre
Ausbildung zur Küchenangestellten EBA im Juli 2013 im geschützten Rahmen
absolviert hatte (mit einem externen Praktikum im Restaurant I.________ vom 9.
Januar bis 25. Februar 2012 [wobei sie ab 10. Februar 2012 krank war]) - als
prozessualrevisionsrechtlich erhebliche neue Tatsache herausstellte, dass ihr
die Ausübung einer Erwerbstätigkeit lediglich im geschützten Rahmen zumutbar
war. Im angefochtenen Entscheid fehlen verbindliche tatsächliche Feststellungen
zu den in diesem Zusammenhang zu würdigenden Verhältnissen in medizinischer und
erwerblicher Hinsicht. Da die Akten aber insoweit liquid sind, kann das
Bundesgericht den Sachverhalt selber ergänzen (BGE 143 V 177 E. 4.3 S. 188; 140
V 22 E. 5.4.5          S. 31 f.).  
 
4.3.2.1. Im Anschluss an ihre Ausbildung hatte die Versicherte die folgenden
Stellen in der freien Wirtschaft inne: Vom 1. August bis 31. Dezember 2013
arbeitete sie in einem Pensum von 80 % als Hilfsköchin im Alters- und
Pflegezentrum K.________. Weiter war sie von Juni bis August 2014 als
Mitarbeiterin in der Kantine-Küche beim Heks tätig. Für die Zeit von September
2014 bis zur auf Ende Januar 2015 erfolgten Kündigung (letzter Arbeitstag: 5.
November 2014) war sie bei der Metzgerei L.________ angestellt, wobei sie ab 6.
November 2014 krankgeschrieben war (Berichte des Dr. med. M.________, Innere
Medizin FMH, vom 29. Dezember 2014 und des Dr. med. N.________, Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, vom 3. Januar 2015).  
 
4.3.2.2. Im Rahmen des am 1. Dezember 2014 eingereichten Begehrens um
Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten geschützten Arbeitsplatz
wurde geltend gemacht, dass die Versicherte den Anforderungen des ersten
Arbeitsmarktes nicht zu genügen vermöge und es zu einer psychischen
Dekompensation gekommen sei (vgl. Begleitschreiben der damaligen
Rechtsvertretung vom 27. November 2014). Im Erstgespräch bei der IV-Stelle vom
22. Januar 2015 gab die Beschwerdeführerin an, sie habe sich überfordert
gefühlt und insbesondere mit dem Erwartungs- und Zeitdruck, den Anforderungen
an ihre Rechenfähigkeiten, den unregelmässigen Arbeitszeiten und den
wechselnden Arbeitsabläufen nicht umgehen können (vgl. auch Bericht des Spitals
O.________, Psychiatrische Dienste, Abklärungs- und Aufnahmezentrum, vom 9.
Oktober 2014). Erste Hinweise auf entsprechende Defizite, insbesondere
betreffend Arbeitstempo und Merkfähigkeit, hatten sich bereits früher, im
Rahmen ihres während der Ausbildung absolvierten externen Praktikums im
Restaurant I.________ ergeben (Schlussbericht Ausbildung vom       2. Juli
2013). In Übereinstimmung mit der Einschätzung der Versicherten gingen Ende
2014 bzw. Anfang 2015 auch die behandelnden Ärzte von einer bis auf Weiteres
bestehenden vollständigen Arbeitsunfähigkeit in der freien Wirtschaft aus: Dr.
med. M.________ gab an, die Versicherte brauche einen geschützten Rahmen bzw.
Arbeit ohne Zeitdruck. Zwar sei unter den richtigen Bedingungen mit einer
vollen Arbeitsfähigkeit zu rechnen, vorläufig aber nur im geschützten Rahmen,
wobei er eine schrittweise Steigerung der Arbeitsfähigkeit empfahl (Bericht vom
29. Dezember 2014). Ebenso vertrat Dr. med. N.________ die Auffassung, es gehe
zunächst um eine Stabilisierung und um die Schaffung der Möglichkeit, die
vorhandenen Ressourcen wieder zu erschliessen. Er erachtete eine
Wiedereingliederung als aller Wahrscheinlichkeit nach zunächst nur im
geschützten Bereich möglich, wobei für deren Erfolg gewisse Rahmenbedingungen
zu erfüllen seien wie regelmässige und zuverlässige Arbeitszeiten (keine
Nachtarbeit), verlässliche Ansprechpartner im Betrieb, eine emotional sichere
Situation am Arbeitsplatz und die Berücksichtigung der Limitationen im
Anforderungsprofil (Bericht vom 3. Januar 2015). Im Unterschied zu den
behandelnden Ärzten hielt es der RAD-Arzt damals indessen noch nicht für
plausibel, dass die Versicherte einen geschützten Arbeitsplatz brauche;
ausschlaggebend war für ihn, dass sich ihr Gesundheitszustand seit den
Vorberichten von 2008/2009 nicht wesentlich verschlechtert habe (Stellungnahme
vom 26. Januar 2015).  
 
4.3.2.3. Im weiteren Verlauf schloss die IV-Stelle, sich auf die Einschätzung
des RAD (Stellungnahme vom 26. Januar 2015) stützend, mit der Versicherten eine
Zielvereinbarung WISA (Wirtschaftsnahe Integration mit Support am Arbeitsplatz)
ab. Sie bejahte einen Anspruch auf Kostengutsprache für Support am
Arbeitsplatz, durchgeführt in der Küche des Spitals E.________ vom 9. März
bis          9. August 2015, wobei im Rahmen der Integrationsmassnahme eine
schrittweise Steigerung der Präsenzzeit von anfänglich 4.2 Stunden auf am Ende
der Massnahme 8 Stunden pro Tag vorgesehen war (Mitteilung vom 24. März 2015).
Da bei der Versicherten gesundheitliche Beschwerden auftraten (insbesondere
einer Herpes-labialis-Infektion, welche ihr die Tätigkeit in der Spitalküche
verunmöglichte), verzögerte sich der Beginn des Arbeitsversuchs. Dr. med.
F.________ vertrat in seinem am 24. März 2015 erstatteten Gutachten den
Standpunkt, die Versicherte könne in der jetzigen Verfassung in der freien
Wirtschaft nur unter günstigen Bedingungen funktionieren; sie benötige eine
ruhige Umgebung. Es sei sinnvoll, mit ihr ein Arbeitstraining in einem
geschützten Rahmen aufzunehmen. An einem geeigneten Arbeitsplatz (und unter
geeigneter antidepressiver Behandlung) dürfte ab 1. April 2015 wieder eine
Arbeitsfähigkeit von 50 % bestehen. Die Versicherte begann mit dem
Arbeitsversuch schliesslich am 1. April 2015, war aber bereits ab 4. Mai 2015
erneut krankgeschrieben (Arztzeugnis des Dr. med. P.________, Allgemeine
Medizin FMH, vom    15. Mai 2015). In der Folge brach die IV-Stelle die von ihr
als nicht zielführend betrachtete Massnahme mit Wirkung auf 13. Mai 2015 ab
(Verfügung vom 29. Juni 2015).  
 
4.3.2.4. Gegen Mitte 2015 beurteilten weitere Ärzte die Einsatzfähigkeit der
Versicherten in der freien Wirtschaft als kritisch. Der Psychiater Dr. med.
N.________ erachtete die Versicherte noch immer für vollständig arbeitsunfähig
hinsichtlich einer Tätigkeit in der freien Wirtschaft. Die Prognose
hinsichtlich einer vollen Arbeitsfähigkeit im ersten Arbeitsmarkt sei eher
ungünstig. Es sei nicht absehbar, wann mit einer Wiederaufnahme der beruflichen
Tätigkeit gerechnet werden könne; aller Wahrscheinlichkeit könne eine
Wiedereingliederung zunächst nur im geschützten Bereich stattfinden (Bericht
vom 31. Mai 2015). Dr. med. P.________ ging von einer geringen
Restarbeitsfähigkeit aus (3-4 Stunden pro Tag bei 50 % Leistung in einer
leidensadaptierten Tätigkeit) und erwähnte zahlreiche gesundheitsbedingte
Einschränkungen, so insbesondere betreffend Konzentration, Auffassungsvermögen,
Anpassungsfähigkeit und Belastbarkeit; des Weitern wies er auf die
Notwendigkeit eines ruhigen Arbeitsplatzes hin (Bericht vom 9. Juni 2015). Ende
2015 empfahlen auch die Ärzte der Klinik Q.________, welche die Versicherte
ab       4. November 2015 besuchte, einen geschützten Arbeitsplatz, dies
aufgrund einer deutlich reduzierten Belastbarkeit und Anpassungsfähigkeit
(wobei eine abschliessende Beurteilung nicht möglich sei angesichts des
krankheitsbedingt mit einer Woche sehr knapp ausgefallenen
Beobachtungszeitraumes; Kurzaustrittsbericht vom 25. November 2015). In ihrem
am 20. Mai/2. Juni 2016 erstatteten Gutachten äusserten schliesslich auch Prof.
Dr. med. G.________ und Dr. med. H.________ erhebliche Zweifel daran, ob das
eingeschränkte Leistungsprofil der Versicherten den Anforderungen des ersten
Arbeitsmarktes entspreche (vgl. dazu eingehend E. 4.2.2 hiervor).  
 
4.3.3. Die in E. 4.3.2.1-4.3.2.4 dargelegten medizinischen und erwerblichen
Verhältnisse zeigen auf, mit welchen Schwierigkeiten sich die Versicherte in
der freien Wirtschaft konfrontiert sah. So hatte sie nach ihrer Ausbildung zur
Küchenangestellten EBA, welche sie im geschützten Rahmen absolvierte (abgesehen
von einem externen Praktikum, bei welchem sich denn auch bereits
Leistungseinschränkungen zeigten), lediglich Arbeitsverhältnisse von wenigen
Monaten inne, war dazwischen stellenlos und durchlebte auch wiederholt längere
Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Der Erwartungs- und Zeitdruck,
die wechselnden Arbeitsabläufe und die geforderten Rechenfähigkeiten machten
der Versicherten so sehr zu schaffen, dass sie sich gegen Ende 2014 sicher war,
den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes nicht gewachsen zu sein und wieder
einen geschützten Rahmen zu brauchen (Anmeldung vom 1. Dezember 2014). Auch die
behandelnden Ärzte, welche zu diesem Zeitpunkt von einer bis auf Weiteres
bestehenden vollständigen Arbeitsunfähigkeit in der freien Wirtschaft
ausgingen, nahmen in diesem Sinne Stellung    (E. 4.3.2.2 hiervor). Sich auf
die abweichende Beurteilung des RAD stützend organisierte die IV-Stelle zwar
noch einen Arbeitsversuch in der freien Wirtschaft, musste diesen indessen nach
kurzer Zeit abbrechen (Verfügung vom 29. Juni 2015). Sämtliche weiteren, in E.
4.3.2.3 und 4.3.2.4 wiedergegebenen späteren medizinischen Stellungnahmen
bestätigten die anfänglichen Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Versicherten
im ersten Arbeitsmarkt.  
 
4.3.4. Zusammenfassend ergab sich nach Abschluss der von der IV-Stelle
unterstützten beruflichen Ausbildung, dass die Versicherte aufgrund ihrer
psychischen Einschränkungen in der freien Wirtschaft wider Erwarten nicht Fuss
fassen konnte und von Anfang an auf einen deutlich schlechter bezahlten
geschützten Arbeitsplatz angewiesen gewesen wäre. Die IV-Stelle musste dies
spätestens dann erkennen, als ihr Vorhaben, die Versicherte in Form eines
Supports am Arbeitsplatz zu unterstützen, scheiterte (am 29. Juni 2015
verfügter Abbruch der beruflichen Massnahmen). Der damit feststehende Umstand,
dass der Versicherten psychisch bedingt, anders als bisher angenommen, nicht
eine Tätigkeit in der freien Wirtschaft zumutbar ist, sondern lediglich eine
solche in einem geschützten Rahmen, welche zu einem geringeren als dem von der
IV-Stelle angenommenen Invalideneinkommen (von Fr. 43'290.- bei einem 90
%-Pensum gemäss Mitteilung vom 26. Juli 2013) führt, stellt eine erhebliche
neue Tatsache im prozessualrevisionsrechtlichen Sinne dar.  
 
4.3.5. In zeitlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass sich bei der
Versicherten die Gewissheit, einen geschützten Rahmen zu brauchen, angesichts
der Schwierigkeiten, mit denen sie sich in der freien Wirtschaft konfrontiert
sah, im Laufe der Zeit allmählich einstellte. Die Beschwerdeführerin war sich
dessen bereits zu einem Zeitpunkt sicher, als die Verwaltung das Bedürfnis nach
einem geschützten Arbeitsplatz noch immer verneinte und an einer Stelle in der
freien Wirtschaft festhielt. Die Frist von 90 Tagen, innert welcher neue
Tatsachen gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG geltend zu machen sind, hat die
Versicherte mit ihrer Anmeldung vom 1. Dezember 2014, in welcher sie
Unterstützung bei der Suche nach einem geschützten Arbeitsplatz beantragte,
jedenfalls ohne weiteres gewahrt.  
 
4.3.6. Aufgrund der neu entdeckten Tatsache, bestehend in der Notwendigkeit
eines geschützten Arbeitsplatzes, kann nicht von einem Invalideneinkommen von
Fr. 43'290.- (bei einem 90 %-Pensum), welches der Mitteilung vom 26. Juli 2013
zugrunde liegt, ausgegangen werden. Vielmehr ist das Invalideneinkommen der
Versicherten unter Zugrundelegung eines geschützten Arbeitsplatzes zu
ermitteln. Es rechtfertigt sich, die Sache zu diesem Zweck an die IV-Stelle
zurückzuweisen, damit sie einen Einkommensvergleich auf dieser neuen Grundlage
durchführe und über den Rentenanspruch der Versicherten verfüge.  
 
5.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Rechtsprechungsgemäss gilt die
Rückweisung der Sache zu weiteren Abklärungen für die Kostenfolgen als volles
Obsiegen (BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271 mit Hinweisen). Die Gerichtskosten gehen
damit zu Lasten der IV-Stelle (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat
zudem Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 16. August 2017 und die Verfügung
der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 16. Januar 2017 werden aufgehoben. Die
Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle des
Kantons Thurgau zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von
Fr. 2'800.- zu bezahlen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. September 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann 

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