Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 667/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_667/2017            

 
 
 
Urteil vom 27. November 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle Basel-Landschaft, 
Hauptstrasse 109, 4102 Binningen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Advokat Christoph Rudin, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Einkommensvergleich), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 22.
Juni 2017 (720 17 5/165). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1955 geborene A.________ ist als neurologische Praxisassistentin tätig. Im
Februar 2013 meldete sie sich unter Verweis auf eine fortgeschrittene
Rhizarthrose beidseits bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle Basel-Landschaft (fortan: IV-Stelle) sprach ihr mit Verfügung vom 24.
November 2016 für die Zeit vom    1. August bis 30. November 2013 eine
Dreiviertelsrente und für diejenige vom 1. Februar bis 31. Mai 2014 eine ganze
Rente zu. Gleichzeitig verneinte sie einen Rentenanspruch vom 1. Dezember 2013
bis 31. Januar 2014 und ab 1. Juni 2014. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen gerichtete Beschwerde hiess das Kantonsgericht
Basel-Landschaft mit Entscheid vom 22. Juni 2017 gut und gewährte ihr für die
Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 31. Januar 2014 sowie ab 1. Juni 2014 eine
Dreiviertelsrente. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Antrag, es sei A.________ vom 1. Dezember 2013 bis 31. Januar 2014 und ab
1. Juni 2014 eine Viertelsrente auszurichten. Ausserdem sei der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. 
Die Versicherte schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde
und des Gesuchs um aufschiebende Wirkung. Eventualiter sei die Sache zur
weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurück zu weisen. Ferner beantragt sie
unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet
auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Es ist unbestritten, dass die Versicherte im Gesundheitsfall zu 100 %
erwerbstätig wäre und in den für die Invaliditätsbemessung massgeblichen
Zeiträumen in ihrer angestammten Tätigkeit zu 40 % arbeitsfähig ist. Strittig
ist dagegen die Festsetzung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen im
Rahmen des anwendbaren Einkommensvergleichs. 
 
2.   
Für das Valideneinkommen als medizinische Praxisassistentin setzte das
kantonale Gericht ein jährliches Einkommen von Fr. 63'548.75 bei einem Pensum
von 100 % ein. Dieser Wert basierte auf den Tabellenlöhnen der vom Bundesamt
für Statistik periodisch durchgeführten Lohnstrukturerhebung (LSE) 2012,
Tabelle TA1, Sektor 3, "86-88 Gesundheits- und Sozialwesen", Kompetenzniveau 2
(u.a. praktische Tätigkeiten wie Verkauf/Pflege/Datenverarbeitung und
Administration), Frauen. 
Bezüglich des Invalideneinkommens legte die Vorinstanz zunächst allgemein und
unter Bezugnahme auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung dar, dass
grundsätzlich vom tatsächlich erzielten Verdienst auszugehen ist, soweit die
versicherte Person nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit ausübt.
Konkret kam sie sodann zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin ihre
verbliebene Arbeitsfähigkeit in ihrem aktuellen Arbeitsverhältnis in zumutbarer
Weise voll ausschöpfe, dieses stabil und die Auszahlung eines Soziallohns zu
verneinen sei. In der Folge setzte sie das Invalideneinkommen " (a) uf der
Basis des (...) ermittelten Jahreseinkommens für ein 100 %-Pensum als
medizinische Praxisassistentin" fest, was für ein 40 %-Pensum einen Jahreslohn
von Fr. 25'419.50 ergebe (Fr. 63'548.75 : 100 x 40). 
Aus dem Vergleich der so errechneten Validen- und Invalideneinkommen
resultierte eine Erwerbseinbusse von Fr. 38'128.75, entsprechend einem
Invaliditätsgrad von 60 %. 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei, wie vom kantonalen Gericht
(generell-abstrakt) zutreffend erwogen, beim Invalideneinkommen auf den von der
Versicherten tatsächlich erzielten Verdienst abzustellen. Bei der konkreten
Berechnung habe die Vorinstanz indessen offensichtlich unrichtig den
Tabellenlohn eingesetzt. Dies sei zu korrigieren. Einzusetzen sei das
tatsächlich erzielte Einkommen in Höhe von Fr. 34'840.- (Fr. 2'680.- x 13).  
Dem ist, unter Verweis auf die vorinstanzliche Erwägung 8.3 und insbesondere
auf BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301, beizupflichten. Abgesehen davon, dass die
Versicherte nicht einmal ansatzweise substanziiert, weshalb es sich bei ihrem
aktuellen Einkommen um einen Soziallohn handeln soll, lässt sie ausser Acht,
dass der Grundsatz der Parallelität der Einkommen das (unterdurchschnittliche) 
Valideneinkommen als Ausgangsgrösse hat (BGE 135 V 297 E. 5.1 S. 300 f.; Urteil
8C_412/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 5 in fine). Als Invalideneinkommen ist
demnach - in Ergänzung des Sachverhalts (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG) - der
tatsächlich erzielte jährliche Verdienst von Fr. 34'840.- einzusetzen.  
 
3.2. Da der Rentenanspruch als solcher den Streitgegenstand bildet (vgl. dazu
BGE 125 V 413), ist auch auf den vernehmlassungsweise vorgebrachten Einwand der
Beschwerdegegnerin betreffend die Ermittlung des Valideneinkommens einzugehen.
Diesbezüglich stelle sich die Frage, ob auf die Tabellenlöhne für
Arztsekretärinnen oder für Praxisassistentinnen abzustellen sei.  
Die Rechtsprechung wendet in der Regel die Monatslöhne gemäss LSE-Tabelle TA1,
Zeile "Total Privater Sektor", an. Bei Personen, die vor der
Gesundheitsschädigung lange Zeit in ein- und demselben Bereich tätig gewesen
sind und bei denen eine Arbeit in anderen Bereichen kaum in Frage kommt, kann
ausnahmsweise auf das statistische Durchschnittseinkommen einer einzelnen
Branche abgestellt werden (vgl. statt vieler: Urteil 8C_457/2017 vom 11.
Oktober 2017   E. 6.2). Diese in concreto vorgenommene Differenzierung (vgl. E.
2 Abs. 1) wird von keiner Seite angefochten. Soweit die Beschwerdegegnerin
zwischen Arztsekretärin und Praxisassistentin unterscheiden will, lässt sie
jedoch ausser Acht, dass sich den LSE-Tabellen keine entsprechende
Unterscheidung entnehmen lässt. Entscheidend ist, dass beide Tätigkeiten nicht
nur im gleichen Wirtschaftszweig, sondern auch im gleichen Kompetenzniveau
(zwei) anzusiedeln sind. Dass jeder Anwendung statistischer Werte eine gewisse
Abstrahierung, unter Ausblendung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls,
immanent ist, beeinträchtigt nach ständiger Rechtsprechung die Beweiseignung
der LSE 2012 zwecks Festlegung der Vergleichseinkommen nach Art. 16 ATSG nicht
(BGE 143 V 295 E. 4.2.2 S. 302 mit Hinweisen). Der von der Vorinstanz gewählte
Wert (vgl. E. 2 Abs. 1) ist daher nicht bundesrechtswidrig. 
 
3.3. Nach dem Gesagten hat die Beschwerdegegnerin im strittigen Zeitraum
Anspruch auf eine Viertelsrente; bei einem Valideneinkommen von Fr. 63'548.75
und einem Invalideneinkommen von Fr. 34'840.- resultiert ein Invaliditätsgrad
von 45.1 %.  
 
4.   
Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
5.   
Die offensichtlich begründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach 
Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG mit summarischer Begründung un d unter Verweis auf
den kantonalen Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt. Das Gesuch der
Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen
Verfahren ist zu bewilligen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin ist
indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG hinzuweisen, wonach die Partei der
Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 22. Juni 2017 wird
insoweit abgeändert, als die IV-Stelle Basel-Landschaft der Versicherten mit
Wirkung ab 1. Dezember 2013 bis 31. Januar 2014 und ab 1. Juni 2014 eine
Viertelsrente auszurichten hat. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
wird gutgeheissen, und es wird der Beschwerdegegnerin Rechtsanwalt Christoph
Rudin als Rechtsbeistand beigegeben. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Rechtsanwalt Christoph Rudin wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'400.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. November 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald 

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