Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 648/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_648/2017            

 
 
 
Urteil vom 20. November 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, nebenamtlicher Bundesrichter An. Brunner, 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Schumacher-Starkl, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 88, 6371 Stans, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Arbeitsunfähigkeit), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts Nidwalden vom 13.
Februar 2017 (SV 16 22). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1992 geborene A.________ meldete sich im Januar 2015 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Nidwalden nahm
medizinische und beruflich-erwerbliche Abklärungen vor und zog insbesondere
auch die Akten der Militärversicherung bei. Nach Eingang der Berichte der
behandelnden Ärzte und deren Prüfung durch den Regionalen Ärztlichen Dienst
(RAD) stellte die IV-Stelle vorbescheidweise die Ablehnung eines Anspruchs auf
berufliche Massnahmen und Rentenleistungen in Aussicht, wobei sie einen die
Arbeitsfähigkeit einschränkenden Gesundheitsschaden verneinte. Auf Grund des
vom Versicherten erhobenen Einwands gab die IV-Stelle in der Folge ein
psychiatrisches Gutachten bei Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie, in Auftrag, welches am 14. Dezember 2015 erstattet wurde.
Nachdem der RAD dazu Stellung genommen hatte und erneut ein
Vorbescheidverfahren durchgeführt worden war, hielt die IV-Stelle an ihrer
Leistungsablehnung fest, da keine gesundheitliche Beeinträchtigung ausgewiesen
sei, welche die Arbeitsfähigkeit vermindere (Verfügung vom 18. Mai 2016). 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Rechtsbegehren auf Einholung einer
psychiatrischen Gerichtsexpertise und anschliessender Zusprechung von
Rentenleistungen wies das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden mit
Entscheid vom 13. Februar 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es sei die Angelegenheit zu weiteren Abklärungen an die
Vorinstanz zurückzuweisen und diese sei zu verpflichten, ein psychiatrisches
Gerichtsgutachten anzuordnen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), die das
Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat. Die konkrete
Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen bilden die
Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln (BGE 132
V 393 E. 3.2 S. 397 ff. und E. 4 S. 399 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober
2007 E. 4 mit Hinweisen) wie auch die Frage nach der rechtlichen Relevanz einer
attestierten Arbeitsunfähigkeit (BGE 140 V 193) frei überprüfbare Rechtsfragen.
 
 
2.   
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht die Rentenablehnung
der Beschwerdegegnerin vom 18. Mai 2016 zu Recht bestätigt hat.  
 
2.2. Im angefochtenen Entscheid wurden die gesetzlichen Bestimmungen und die
von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen zu
den Begriffen der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs.
1 IVG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und zum Rentenanspruch (Art. 28
Abs. 2 IVG), zutreffend dargelegt. Korrekt sind auch die Erwägungen zur Aufgabe
des Arztes oder der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung (BGE 115 V 133 E. 2 S.
134; 114 V 310 E. 3c S. 314 f.; 105 V 156 E. 1 S. 158 f.; siehe ferner BGE 140
V 193 E. 3.2 S. 195 f.; 132 V 93 E. 4 S. 99) sowie zum Beweiswert und zur
Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S.
232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis; vgl. auch BGE 137 V 201 E. 6.2.2 S.
269). Darauf wird verwiesen.  
 
2.3.   
 
2.3.1. Zu ergänzen ist, dass ein invalidisierender psychischer
Gesundheitsschaden nur gegeben sein kann, wenn das klinische Beschwerdebild
nicht einzig in psychosozialen und soziokulturellen Umständen seine Erklärung
findet, sondern davon psychiatrisch unterscheidbare Befunde umfasst. Lediglich
depressive Verstimmungszustände genügen somit nicht. Vielmehr muss eine davon
klar unterscheidbare fachärztlich befundete Depression oder ein damit
vergleichbares psychisches Leiden gegeben sein. In diesem Sinne
verselbstständigte Störungen mit Auswirkungen auf die Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit sind unabdingbar, damit überhaupt von Invalidität gesprochen
werden kann (BGE 127 V 294 E. 5a S. 299; vgl. auch BGE 141 V 281 E. 4.3.1.1 S.
298 f.).  
 
2.3.2. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung darf sich die Verwaltung - und im
Streitfall das Gericht (Art. 61 lit. c ATSG; vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397
ff. und E. 4 S. 399 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit
Hinweisen) - weder über die (als beweiskräftig eingestuften) medizinischen
Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen, noch sich die ärztlichen Einschätzungen
und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten
sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen. Die
rechtsanwendenden Behörden haben diesfalls mit besonderer Sorgfalt zu prüfen,
ob die ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde
Gesichtspunkte (insbesondere psychosoziale und soziokulturelle
Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, die vom invaliditätsrechtlichen
Standpunkt aus unbeachtlich sind (vgl. BGE 140 V 193; 130 V 352 E. 2.2.5 S. 355
f.; Urteil 9C_146/2015 vom 19. Januar 2016 E. 3.1). Frei überprüfbare
Rechtsfrage ist auch, ob die im psychiatrischen Gutachten gestellten Diagnosen
einen invalidisierenden Gesundheitsschaden nach Art. 4 Abs. 1 IVG darstellen (
BGE 140 V 193 E. 3.1 f. S. 195 f.). Aus rechtlicher Sicht kann von einer
medizinischen Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit abgewichen werden, ohne dass
diese per se ihren Beweiswert verliert (Urteile 8C_283/2015 vom 24. Juni 2016
E. 3, 9C_3/2015 vom 20. Mai 2015 E. 3.3.2 und 9C_662/2013 vom 2. Dezember 2014
E. 2.3, in: SVR 2015 IV Nr. 16 S. 45).  
 
3.   
 
3.1. Die Vorinstanz hat in Würdigung der medizinischen Akten, namentlich des
Gutachtens des Dr. med. B.________ vom 14. Dezember 2015, festgestellt, beim
Beschwerdeführer bestehe kein Gesundheitsschaden und er sei in seinem
angestammten Beruf als Sanitärinstallateur wie auch in jeder anderen Tätigkeit
vollumfänglich arbeitsfähig. Gestützt darauf hat sie das Vorliegen einer
Invalidität und damit jeglichen Leistungsanspruch verneint. Dabei erkannte sie,
dass die Expertise des Dr. med. B.________ die von der Rechtsprechung
gestellten Anforderungen an eine beweiskräftige ärztliche Entscheidgrundlage
(vgl. E. 2.2 am Ende hiervor) erfülle. Sie beruhe auf eigenen Untersuchungen,
berücksichtige die geklagten Beschwerden sowie frühere medizinische
Beurteilungen und setze sich auch mit abweichenden Einschätzungen auseinander.
 
 
3.2. Die Einwendungen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, die für das
Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des
kantonalen Gerichts zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit als
offensichtlich unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig erscheinen zu
lassen. Wie die nachstehenden Erwägungen zeigen, vermag insbesondere dessen
Vorbringen, den gutachtlichen Schlussfolgerungen des Dr. med. B.________ sei
der Beweiswert abzusprechen, nicht durchzudringen.  
 
3.2.1. Soweit in der Beschwerde bemängelt wird, im Gutachten des Dr. med.
B.________ fehle eine umfassende Anamnese, namentlich sei keine Fremdanamnese
beim behandelnden Psychiater eingeholt worden, kann hinsichtlich dieser -
bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhobenen - Rüge auf die Ausführungen im
angefochtenen Entscheid verwiesen werden. So hat das kantonale Gericht
zutreffend erkannt, dass der Gutachter Kenntnis hatte von der vom Versicherten
insbesondere in Bezug auf den Bruder beklagten schwierigen familiären
Situation. Von einer Unvollständigkeit der Expertise kann deshalb nicht
ausgegangen werden. In der letztinstanzlichen Beschwerde wird nicht dargelegt,
inwiefern diese vorinstanzlichen Erwägungen rechtsfehlerhaft sein sollten. Mit
dem kantonalen Gericht ist vielmehr festzuhalten, dass eine Fremdanamnese und
Auskünfte der behandelnden Ärzteschaft häufig wünschenswert, aber nicht
zwingend erforderlich sind (Urteil 8C_768/2011 vom 7. Februar 2012 E. 5.3.3 mit
Hinweisen). Im vorliegenden Fall lagen dem Gutachter ausführliche Berichte und
Stellungnahmen des behandelnden Arztes Dr. med. C.________, Psychiatrie und
Psychotherapie, vor; eine persönliche Kontaktaufnahme mit diesem war demzufolge
nicht zwingend geboten.  
 
3.2.2. Im Weitern macht der Beschwerdeführer geltend, das Gutachten sei vor dem
Hintergrund, dass alle anderen involvierten Ärzte eine Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit angenommen hätten, nicht schlüssig. Das von Dr. med.
B.________ bescheinigte Fehlen jeglicher Beeinträchtigung des
Leistungsvermögens sei im Lichte der übrigen ärztlichen Berichte nicht
nachvollziehbar.  
 
3.2.2.1. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass das Ergebnis der
gutachtlichen Abklärungen, wonach eine eindeutige Erkrankung habe
ausgeschlossen werden können, keineswegs in einem klaren Widerspruch zu den
restlichen ärztlichen Beurteilungen steht.  
 
3.2.2.2. Im Austrittsbericht der psychiatrischen Klinik D.________ vom 12.
August 2013 wurden eine mittel- bis schwergradige depressive Episode ohne
psychotische Symptome, gegenwärtig remittiert, eine unklare chronische
Müdigkeit, differentialdiagnostisch chronic fatigue syndrome, eine somatische
Ursache sowie eine komplexe systemisch bedingte Entwicklungsstörung
diagnostiziert. Der Bericht des Spitals E.________ vom 4. Dezember 2013 enthält
die Diagnose einer ausgeprägten Fatigue-Symptomatik, am ehesten im Rahmen einer
Adoleszentenkrise, wobei betont wird, dass die Symptomatik des Versicherten für
eine Depression und eine Fatigue-Problematik eher atypisch sei und aktuell eine
Antriebslosigkeit im Vordergrund stehe. Im Bericht vom 13. Januar 2015 sprach
Dr. med. C.________ von einem diagnostisch bisher ungeklärten Zustand mit einer
extremen Müdigkeit, einer Hypersomnie, einer massiv reduzierten
Belastungsfähigkeit und einer weit überdurchschnittlichen Erholungszeit nach
geringen Anstrengungen. Am 2. März 2015 stellte der gleiche Arzt eine
diagnostisch ungeklärte Fatigue-Symptomatik, vermutlich im Rahmen einer
Adoleszentenkrise mit körperlichen und psychischen Symptomen, u. a. Hypersomnie
und zeitweiser depressiver Symptomatik, sowie eine familiär bedingte
psychosoziale Belastung über Jahre fest. Gestützt auf diese Berichte hielt der
RAD-Arzt Dr. med. F.________, Facharzt für Neurologie, in seiner Stellungnahme
vom 26. März 2015 dafür, es sei kein Gesundheitsschaden im Sinne der
Invalidenversicherung ausgewiesen; der Versicherte leide nicht an einer
somatischen Erkrankung, die mittelschwere depressive Episode im Jahre 2013 sei
remittiert und es bestehe ausschliesslich eine Müdigkeit ohne entsprechende
Komorbiditäten, die sich im Rahmen von stationären Behandlungen kurzfristig
gebessert habe.  
Wenn Dr. med. B.________ auf der Basis von eigenen Untersuchungen und in
Würdigung der vorhandenen ärztlichen Berichte ebenfalls zum Schluss gelangte,
beim Versicherten könne keine relevante Erkrankung festgestellt werden, die
eine Arbeitsunfähigkeit zu begründen vermöge, steht dies somit zumindest
insofern weitgehend im Einklang mit der sonstigen medizinischen Aktenlage, als
die Unsicherheit über die Art des Leidens des Beschwerdeführers von sämtlichen
beteiligten Ärzten geteilt wird. 
 
3.2.3. Dem Beweiswert des Gutachtens tut es ferner auch keinen Abbruch, dass
unklar ist, ob sich Dr. med. B.________ bei der Beurteilung der Auswirkungen
des chronischen Erschöpfungssyndroms auf die Arbeitsfähigkeit an der
Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281 zu anhaltenden somatoformen
Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Störungen oder an der
früheren, mit dem genannten Urteil geänderten Rechtsprechung orientierte.  
 
3.2.3.1. Der Gutachter führte in diesem Kontext zutreffend aus, dass bei
chronischen Erschöpfungssyndromen die Judikatur zu unklaren Beschwerdebildern
Anwendung findet. Daraus leitete er ab, dem entsprechenden Leiden käme nur
ausnahmsweise invalidisierender Charakter zu. Wie der Beschwerdeführer richtig
moniert, ist diese aus der Existenz eines unklaren Beschwerdebildes gezogene
Folgerung insofern ungenau, als mit dem neuen Leitentscheid die bisherige
Überwindbarkeitsvermutung aufgegeben und durch ein normatives Prüfungsmuster
ersetzt wurde (vgl. BGE 141 V 281 E. 3.4 - 6 S. 291 ff.). Das Vorliegen einer
Invalidität stellt also nicht die Ausnahme zum regelhaft nicht
invalidisierenden psychosomatischen Leiden dar, sondern der invalidisierende
Charakter eines Leidens ist anhand des neuen Indikatorenkatalogs im Einzelfall
zu prüfen. Ob Dr. med. B.________ die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
tatsächlich nach Massgabe der altrechtlichen Rechtsprechungsgrundsätze
vorgenommen oder ob er sich einfach unpräzise ausgedrückt hat - immerhin nimmt
er unter Ziff. 7 des Gutachtens eine, allerdings rudimentäre Prüfung nach den
Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281 vor - kann letztlich indessen offen
bleiben. Die mit dem vorgenannten Leitentscheid eingeleitete Änderung der
Rechtsprechung bringt nämlich keine Abkehr davon, dass grundsätzlich von der
"Validität", d.h. der Gesundheit, der die materielle Beweislast tragenden
versicherten Person auszugehen ist (BGE 142 V 106 E. 4.3 S. 110; 141 V 585 E.
5.3 S. 588; Urteil 8C_676/2015 vom 7. Juli 2016 E. 6.1 mit Hinweisen, nicht
publ. in: BGE 142 V 342, aber in: SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131). Nur wenn objektiv
nachgewiesen werden kann, dass der versicherten Person keine Arbeitsleistung
mehr zuzumuten ist, besteht Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung (
BGE 141 V 281 E. 3.7 S. 295 ff.). Dieser Nachweis lässt sich im Falle des
Beschwerdeführers nach Ansicht des Gutachters nicht erbringen. Selbst wenn er
sich bei dieser Einschätzung an den Kriterien der Rechtsprechung vor dem
Leiturteil orientiert hätte, würde dies seine Beurteilung nicht wertlos machen,
knüpft doch der neue Indikatorenkatalog an den früheren Kriterienkatalog an.
Zudem verlieren die nach altem Verfahrensstandard eingeholten Expertisen nicht
per se ihren Beweiswert; vielmehr ist im Rahmen einer gesamthaften Prüfung des
Einzelfalls entscheidend, ob ein abschliessendes Abstellen auf die vorhandene
Beweisgrundlage angeht (BGE 141 V 281 E. 4.1.1 S. 296 f. und E. 8 S. 309).  
 
3.2.3.2. Zu beachten gilt es überdies, dass gerade auch in der geänderten
Rechtsprechung herausgestrichen wird, eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit
könne nur dann anspruchserheblich sein, wenn sie Folge einer
Gesundheitsbeeinträchtigung ist, die fachärztlich einwandfrei diagnostiziert
wurde (BGE 141 V 281 E. 2.1 S. 285 mit Verweis auf BGE 130 V 396). Daran
mangelt es vorliegend jedoch, wie sich aus obiger Darstellung der Arztberichte
ergibt (E. 3.2.2.2 hiervor). Auch das in den Vordergrund gestellte chronische
Erschöpfungssyndrom wurde von den behandelnden Ärzten nicht eindeutig
diagnostiziert. Selbst Dr. med. C.________ sprach noch im Bericht vom 2. März
2015 - nach fast dreijähriger psychotherapeutischer Betreuung - von einer
diagnostisch ungeklärten Fatigue-Symptomatik, wobei er typischerweise keine
ICD-10 Klassifikation vornahm. I n den Berichten vom 4. Mai 2015 und 4. Januar
2016 desselben Arztes findet sich sodann die Formulierung "deskriptive Diagnose
eines ausgeprägten Fatigue-Syndroms" und es wird beklagt, dass keine
diagnostische Klärung habe erreicht werden können.  
Bei dieser medizinischen Aktenlage erscheint der Schluss des Gutachters auf das
Fehlen einer Arbeitsunfähigkeit nachvollziehbar, unabhängig davon, ob die
Beurteilung nach den Kriterien der Rechtsprechung vor dem Leitentscheid oder
gemäss den in diesem entwickelten Indikatoren erfolgte. In beiden Fällen setzt
eine rechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit einen ausgewiesenen
Gesundheitsschaden voraus, welcher hier nicht erkennbar ist. 
 
3.2.4. Schliesslich wird der Beweiswert des Gutachtens auch nicht dadurch
vermindert, dass Dr. med. B.________ die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
ausdrücklich in einem "versicherungsrechtlichen" Sinne vorgenommen und sich
gegenüber einer "rein medizinischen Sicht" abgegrenzt hat.  
 
3.2.4.1. Das Ausmass der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit hängt - auch bei
psychosomatischen Störungen - von den funktionellen Auswirkungen der
gesundheitlichen Störung ab (BGE 141 V 281 E. 6 S. 307 f.). Dabei sind bei der
Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nach Art. 7 Abs. 2 ATSG ausschliesslich die
Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen;
psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren fallen ausser Betracht
(vgl. oben E. 2.3.1 f.). Gerade bei Beschwerden wie Müdigkeit, Erschöpfung oder
allgemeine Leistungsminderung, unter denen der Versicherte leidet, spielen
derartige Belastungsfaktoren erfahrungsgemäss eine beträchtliche Rolle. Häufig
ist es dabei schwierig und aus der Sicht eines therapeutisch tätigen Arztes
oder einer Ärztin auch nicht notwendig, die Ursachen der festgestellten Störung
genau zu bestimmen und gegeneinander abzugrenzen. Mit dem Hinweis auf die rein
medizinische Sicht der behandelnden Ärzte und der Anmerkung, diese hielten sich
an das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell, während versicherungsrechtlich ein
bio-psychisches Krankheitsmodell gelte, brachte der Gutachter zum Ausdruck,
dass die behandelnden Ärzte bei ihrer Einschätzung der Arbeitsfähigkeit auch
invaliditätsfremde Gründe, vor allem psychosoziale Belastungsfaktoren, die im
vorliegenden Fall ausgeprägt vorhanden sind (schwierige familiäre Situation mit
gewalttätigem Bruder etc.), mitberücksichtigten. In einer
versicherungsmedizinischen Begutachtung, welche sich an den normativen Vorgaben
der Rechtsprechung orientiert, ist es hingegen nicht nur zulässig, sondern
sogar geboten, solche invalidenversicherungsrechtlich nicht relevanten Umstände
aufzuzeigen und gegebenenfalls bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit
auszuklammern. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers bedeutet dies
nicht, dass es damit dem Gutachter obliegt, abschliessend festzuhalten, ob sich
ein Gesundheitsschaden invalidisierend auswirkt. Es ist sowohl den
begutachtenden Ärzten und Ärztinnen wie auch den Organen der Rechtsanwendung
aufgegeben, die Arbeitsfähigkeit je aus ihrer Sicht zu beurteilen (BGE 141 V
281 E. 5.2.1 S. 306; 137 V 64 E. 5.1 S. 69). Wenn sich der medizinische
Gutachter aber nach den rechtlichen Vorgaben richtet, wird das Risiko sich
divergierender Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit durch begutachtende und
rechtsanwendende Organe minimiert, was mit Blick darauf, dass Recht und Medizin
an sich begrifflich von ein und derselben Arbeitsunfähigkeit ausgehen, zu
begrüssen ist (vgl. BGE 141 V 281 E. 5.2.3 S. 307).  
 
3.2.4.2. Die Äusserung des Dr. med. B.________ bezüglich der von ihm
vorgenommenen versicherungsrechtlichen Beurteilung bedeutet entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers sodann auch nicht, dass er keine medizinische
Begutachtung durchgeführt und seine Aufgabe als medizinischer Gutachter nicht
lege artis wahrgenommen hätte. Als Gutachter war er aber gehalten, seiner
Einschätzung eine objektivierte Zumutbarkeitsprüfung zugrunde zu legen, und
durfte sich nicht (nur) auf die subjektiven Beschwerdeangaben des Versicherten
abstützen, wie dies seiner Meinung nach beispielsweise die von ihm
diesbezüglich kritisierten Ärzte Dres. med. G.________ und H.________ taten.
Sein Hinweis auf die unterschiedlichen Betrachtungsweisen von behandelnden und
begutachtenden Ärzten und Ärztinnen ist deshalb ebenso wenig zu beanstanden wie
die Tatsache, dass er sich bei seiner Arbeitsfähigkeitsschätzung von den
normativen Vorgaben der Rechtsprechung hat leiten lassen.  
 
3.2.5. Der Beschwerdeführer dringt mit seinen Einwendungen gegen den Beweiswert
des Gutachtens vom 14. Dezember 2015 somit nicht durch.  
 
3.3.  
 
3.3.1. In der Beschwerde wird ferner kritisiert, die Vorinstanz habe den
rechtserheblichen Sachverhalt fehlerhaft und willkürlich festgestellt und den
Untersuchungsgrundsatz mit der Ablehnung des Antrags auf Anordnung einer
psychiatrischen Gerichtsexpertise verletzt. Der Beschwerdeführer rügt in diesem
Zusammenhang insbesondere, die Annahme eines guten Aktivitätsniveaus, welches
einem invalidisierenden Gesundheitsschaden entgegenstehe, sei offenkundig
unrichtig, das kantonale Gericht stufe dieses namentlich viel zu hoch ein. Sein
Sprachaufenthalt in Kanada sei als therapeutische Massnahme zu betrachten, vor
allem aber sei die berufliche Leistungsfähigkeit massiv eingeschränkt und
betrage das von ihm geleistete schulische Pensum lediglich 30 bis maximal 40 %.
Müsste er mehr leisten - so der Beschwerdeführer im Weiteren - käme es zu einer
Krise.  
Auch hinsichtlich dieses weitgehend bereits im kantonalen Verfahren
vorgebrachten Einwands kann auf den vorinstanzlichen Entscheid verwiesen
werden. Der dortige Hinweis auf den Widerspruch zwischen dem geltend gemachten
massiven sozialen Rückzug und den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen
Aktivitäten im Rahmen der Exploration ist auf Grund der Akten begründet. Eine
willkürliche Beweiswürdigung liegt nicht vor. 
 
3.3.2. In Anbetracht der Tatsache, dass dem Gutachten des Dr. med. B.________
vom 14. Dezember 2015 Beweiswert zukommt und die Vorinstanz den
Leistungsanspruch des Versicherten auf dieser Grundlage beurteilen konnte, kann
ohne Rechtsverletzung auf die Einholung der beantragten Gerichtsexpertise
verzichtet werden. Der Verzicht auf die Abnahme beantragter Beweismittel
verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz noch gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör bzw. Beweisabnahme (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 42 ATSG) und
stellt auch keine Verletzung des Gebots eines fairen Verfahrens nach Art. 9 BV
bzw. Art. 6 EMRK dar. Vielmehr ist er als antizipierte Beweiswürdigung
zulässig, wenn der rechtserhebliche Sachverhalt, wie im vorliegenden Fall,
umfassend abgeklärt wurde und von zusätzlichen Beweismassnahmen keine neuen
Erkenntnisse erwartet werden können (vgl. Urteil 8C_590/2015 vom 24. November
2015 E. 6, nicht publ. in: BGE 141 V 585, aber in: SVR 2016 IV Nr. 33 S. 102).
 
 
3.4. Zusammenfassend ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz gestützt
auf die gutachtlichen Ausführungen des Dr. med. B.________ von einer
uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen ist. Beim
angefochtenen Entscheid hat es mithin sein Bewenden.  
 
4.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei auferlegt
(Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht Nidwalden,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 20. November 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl 

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