Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 645/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_645/2017  
 
 
Urteil vom 18. September 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Grünenfelder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten 
durch Rechtsanwältin Anna Abplanalp-Zumbrunn, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Leistungen, 
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 12. Juli 2017 (200 15 1004 EL). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1965 geborene A.________ lebt im Wohnheim der Stiftung B.________ und bezog
seit Juli 2010 Ergänzungsleistungen zu seiner Invalidenrente. Im Zuge einer
periodischen Überprüfung stellte die Ausgleichskasse des Kantons Bern
(nachfolgend: Ausgleichskasse) die bisherigen Ergänzungsleistungen per Ende
August 2015 "vorsorglich" ein, berechnete den Ergänzungsleistungsanspruch neu
und forderte insgesamt Fr. 21'965.- zurück (Februar 2011 bis März 2014: Fr.
20'120.-; Januar bis März 2015: Fr. 1'845.-). Dies begründete sie damit, dass
die seit 2011 von der Stiftung B.________ ausgerichteten sog.
Freizeitentschädigungen (2011: Fr. 4'500.-; ab 2012: Fr. 3'000.- jährlich),
welche A.________ erst im April 2015 deklariert habe, als Einnahmen angerechnet
werden müssten (Verfügungen vom 18. September 2015 bzw. Einspracheentscheid vom
13. Oktober 2015). 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 12. Juli 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei der
Ergänzungsleistungsanspruch ohne Berücksichtigung der Freizeitentschädigung zu
berechnen; eventualiter sei die Beschwerdegegnerin anzuweisen, eine
entsprechende Berechnung vorzunehmen. 
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf
eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen über die allgemeinen
Voraussetzungen, die Bestandteile und die Berechnung der Ergänzungsleistung
zutreffend dargelegt (Art. 3 f. und 9 Abs. 1 ELG). Richtig sind auch die
Ausführungen zur grundsätzlich vollumfänglichen Anrechenbarkeit aller
wiederkehrenden Leistungen als Einnahmen, soweit sie nicht unter Art. 11 Abs. 3
ELG fallen (statt vieler: BGE 139 V 574 E. 3.3.3 S. 578). Ferner hat die
Vorinstanz die Grundsätze zur Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen
(Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG), vor allem was die Rückforderung bereits bezogener
Ergänzungsleistungen (Art. 25 Abs. 2 lit. c und d ELV) bei Vorliegen einer
Meldepflichtverletzung nach Art. 24 ELV betrifft, korrekt wiedergegeben. Darauf
wird verwiesen. 
 
2.  
 
2.1. Öffentliche oder private Leistungen mit ausgesprochenem Fürsorgecharakter
werden nicht als Einnahmen angerechnet (Art. 11 Abs. 3 lit. c ELG).  
 
2.2. Praxisgemäss haben nur diejenigen Leistungen ausgesprochenen
Fürsorgecharakter, die freiwillig und auf Zusehen hin gewährt werden und jedes
Mal oder zumindest periodisch der Hilfsbedürftigkeit des Bezügers angepasst
werden (BGE 139 V 574 E. 3.3.2 S. 577 mit Hinweis auf Urteil P 60/01 vom 7.
August 2002 E. 1). Dabei sind die ausschlaggebenden Kriterien (kumulativ) die
Fürsorgebedürftigkeit des Leistungsempfängers sowie der vom Leistungserbringer
verfolgte Zweck, dem Empfänger in dessen aktueller Notlage zu helfen (RALPH
JÖHL/PATRICIA USINGER-EGGER, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale
Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, Rz. 227 S. 1914).  
 
3.   
Die Vorinstanz ist mit Blick auf den Zweck der strittigen Freizeitentschädigung
zum Schluss gelangt, diese sei als Einnahme bei der Berechnung der
Ergänzungsleistungen zu berücksichtigen (vgl. Art. 11 Abs. 1 ELG). Sie hat
erwogen, es gehe in concreto nicht um die Deckung einer Notlage, sondern die
Freizeitentschädigungen seien dem Beschwerdeführer ausbezahlt worden, weil die
Stiftung B.________ über kein eigenes Freizeitangebot verfüge. Die Frage der
Fürsorgebedürftigkeit könne daher offen bleiben. Gestützt darauf hat das
kantonale Gericht den Einspracheentscheid vom 13. Oktober 2015 bestätigt. 
Die dagegen erhobenen Einwände verfangen nicht: Die Vorinstanz hat zu Recht auf
die im kantonalen Beschwerdeverfahren eingeholten Angaben der Stiftung
B.________ vom 6. Februar 2017 abgestellt und einen ausgesprochenen
Fürsorgecharakter der Freizeitentschädigung mit überzeugender Begründung
verneint (vorinstanzliche Erwägung 3.2.2). Darauf kann ohne Weiteres verwiesen
werden. 
 
Dazu kommt: Dem Pensionsreglement der Stiftung B.________ ist explizit zu
entnehmen, dass sämtliche Bewohner, welche Ergänzungsleistungen beziehen,
Anspruch auf eine monatliche Freizeitentschädigung haben (Pensionsreglement vom
20. Dezember 2011, Ziff. 6.11). Soweit der Beschwerdeführer insbesondere anhand
der Freizeitrabatte, wie sie die Caritas Schweiz (nachfolgend: Caritas)
vorsieht, Rückschlüsse auf den ausgesprochenen Fürsorgecharakter der
Freizeitentschädigung ziehen will, zielt dies ins Leere. Denn soweit das
Rabattsystem der Caritas überhaupt als Leistung mit ausgesprochenem
Fürsorgecharakter angesehen werden kann (vgl. Wegleitung über die
Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL; Stand: 1. Januar 2017], Ziff.
3412.05); zur Tragweite von Verwaltungsweisungen statt vieler: BGE 141 V 365 E.
2.4 S. 368; 138 V 346 E. 6.2 S. 362), bestehen klare Unterschiede zur hier
interessierenden Freizeitentschädigung. So kommen die Vergünstigungen der
Caritas (sog. "KulturLegi") einzig dann zum Tragen, wenn der Betroffene die
Leistung tatsächlich bezieht. Es handelt sich quasi um einen Gutschein, der bei
bestimmten Freizeitinstitutionen und -veranstaltungen eingelöst werden kann,
wobei die Rabatthöhe nicht zum Vornherein fest steht ("[...] bis zu 70 Prozent
[...]"; vgl. Informationsblatt der Caritas betreffend Freizeitrabatte;
www.caritas.ch/de/hilfe-finden/guenstig-einkaufen-und-leben/ kulturlegi/html,
besucht am 10. September 2018). Demgegenüber ist die Verwendung der
Freizeitentschädigung, wie das kantonale Gericht zu Recht dargelegt hat,
insoweit nicht zweckgebunden, als nicht definiert wird, wofür der Begünstigte
den ausgerichteten Betrag einsetzen kann. Mit anderen Worten richtet die
Stiftung B.________ denjenigen Bewohnern, welche Ergänzungsleistungen beziehen,
eine betraglich klar festgelegte periodische Geldleistung aus, ohne dass daran
weitere Voraussetzungen geknüpft wären. Diese ist folglich ohne Frage als
wiederkehrende Leistung nach Art. 11 Abs. 1 lit. d ELG zu qualifizieren und in
die Berechnung der Ergänzungsleistung einzubeziehen. Triftige Gründe für ein
abweichendes Verständnis liegen nicht vor. Dass das Pensionsreglement
ausdrücklich von "Freizeitentschädigung" spricht, wie dies in der Beschwerde
geltend gemacht wird, ändert nichts. Auch die sonstigen Vorbringen vermögen die
vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach nicht zu beanstanden sei, dass die
Beschwerdegegnerin die Freizeitentschädigung als Einnahme angerechnet habe,
nicht ernsthaft in Frage zu stellen. 
Bei diesem Ergebnis kann mit dem kantonalen Gericht offen gelassen werden, ob
der Beschwerdeführer fürsorgebedürftig ist (vgl. E. 3). Die Beschwerde ist
unbegründet. 
 
4.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. September 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder 

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