Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 642/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_642/2017  
 
 
Urteil vom 16. Oktober 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Huber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1.       Kanton Zürich, vertreten durch 
       Parlamentsdienste des Kantons Zürich, 
       Neumühlequai 10, 8090 Zürich, 
       vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Leimbacher, 
2.       A.________, 
       vertreten durch Rechtsanwältin Yolanda Schweri, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 27. Juni 2017 (AB.2015.00063, AB.2015.00064). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ ist Kantonsrat im Kanton Zürich. Mit Schreiben vom 24.
September 2014 gelangte er an die Ausgleichskasse des Kantons Zürich und
ersuchte diese um Erlass einer einsprachefähigen Beitragsverfügung. Er
beanstandete die für Kantonsräte pauschale Beitragserhebung, welche den Aufbau
einer angemessenen Altersvorsorge erschwere. Insbesondere sei es nicht
zulässig, neben den Spesenpauschalen von jährlich rund Fr. 5'000.- auch noch
für jede Sitzung Unkostenpauschalen von Fr. 200.- zu veranschlagen. Der Kanton
berechne zu hohe Spesenpauschalen, was einer Umgehung der AHV-Beitragspflicht
gleichkomme. Daraufhin holte die Ausgleichskasse mit Schreiben vom 29. Oktober
2014 bei A.________ Auskünfte zu seinen bei der Ratstätigkeit tatsächlich
entstandenen Auslagen ein (Eingabe des Versicherten vom 4. Dezember 2014 für
den Zeitraum von Dezember 2009 bis und mit 2014). Betreffend 2013 führte
A.________ beispielsweise an, ihm seien als Kantonsrat Fr. 15'000.- "mit
AHV-Abzug" und Fr. 26'690.- "ohne AHV-Abzug" ausbezahlt worden.  
 
A.b. Gestützt auf diese Angaben erliess die Ausgleichskasse am 18. Dezember
2014 an die Adresse des Kantons Zürich fünf Nachzahlungsverfügungen für die
Jahre 2009 bis 2013. Dagegen erhob A.________ Einsprache und rügte einzig,
Parteibeiträge seien weder Spesen noch Gewinnungskosten. Der Kanton Zürich,
vertreten durch die Parlamentsdienste, erhob ebenfalls Einsprache und
argumentierte, für die Erhebung der sozialversicherungsrechtlichen Beiträge
gegenüber dem Kanton Zürich bestehe seit 1991 für alle 180 Kantonsräte und
Kantonsrätinnen eine Pauschalregelung; diese langjährige Praxis könne nicht
durch individuelle Beitragsverfügungen aus den Angeln gehoben werden. Ein
Rückkommen auf diese bewährte Regelung verstosse gegen das Vertrauensprinzip.
Mit Einspracheentscheid vom 3. August 2015 hiess die Ausgleichskasse die
Einsprache des A.________ teilweise gut. In der Höhe der Beiträge nahm sie eine
Korrektur vor, indem sie Parteibeiträge als Unkosten qualifizierte. Die
Einsprache des Kantons Zürich wies die Ausgleichskasse gleichentags ab mit
Verweis auf die Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über
den massgebenden Lohn (WML), wonach ein Unkostenersatz - auch bei einer
Pauschalregelung - den tatsächlich entstandenen Spesen entsprechen müsse.  
 
B.   
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde des
A.________ mit Entscheid vom 27. Juni 2017 ab und hiess dienige des Kantons
Zürich gut. 
 
C.   
Die Ausgleichskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids; demgegenüber seien
ihre Einspracheentscheide vom 3. August 2015 zu bestätigen. 
Der Kanton Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A.________ beantragt,
die Beschwerde sei insoweit gutzuheissen, als der angefochtene Entscheid
aufzuheben sei. Die Sache sei überdies an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit
diese über die materiellen Fragen (Rechtmässigkeit der bisherigen vom Kanton
Zürich angewandten Praxis sowie AHV-rechtliche Behandlung von Parteibeiträgen)
entscheide. 
 
D.   
Mit Eingabe vom 17. September 2018 reicht der Kanton Zürich ein Merkblatt der
Ausgleichskasse vom 20. November 2017 ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Nach Art. 35 lit. a des Reglements für das Bundesgericht (BGerR; SR
173.110.131) ist die zweite sozialrechtliche Abteilung zuständig für die
Behandlung von Beschwerden im Bereich der Alters- und
Hinterlassenenversicherung. Vorliegend ist der Umfang der
sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht eines kantonalen Parlamentariers
strittig. 
 
2.   
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst
der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der
Beschwerde näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395; Urteil 9C_221/
2016 vom 21. Juni 2016 E. 1.1). Echte Noven, d.h. Tatsachen und Beweismittel,
die erst nach dem vorinstanzlichen Entscheid entstanden sind, sind vor
Bundesgericht unzulässig (Urteile 8C_690/2011 vom 16. Juli 2012 E. 1.3 mit
Hinweis, nicht publ. in: BGE 138 V 286, aber in: SVR 2012 FZ Nr. 3 S. 7; 9C_185
/2016 vom 8. August 2016 E. 2). 
Der Beschwerdegegner 1 reicht neu ein Merkblatt der Ausgleichskasse vom 20.
November 2017 ein, welches als echtes Novum von vornherein unzulässig ist (BGE
140 V 543 E. 3.2.2.2 S. 548; MEYER/ DORMANN, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 43 zu Art. 99 BGG). 
 
3.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG erhoben
werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). 
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht legte die rechtlichen Grundlagen zur Beitragspflicht
von Behördenmitgliedern von Bund, Kantonen und der Gemeinden zutreffend dar,
worauf verwiesen wird (Art. 5 Abs. 1 und 2 sowie Art. 14 Abs. 1 AHVG i.V.m.
Art. 7 lit. i der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung
[AHVV; SR 831.101]). Richtig ist auch der Verweis auf die Definition der
Unkostenentschädigung in Art. 9 Abs. 1 und 2 AHVV sowie die Ausführungen des
Gerichts zu den Modalitäten der Abrechnungs- und Abgabepflichten (Art. 14 Abs.
1 AHVG i.V.m. Art. 35 f. AHVV). Die Vorinstanz zitierte zutreffend aus der
Wegleitung des BSV über den massgebenden Lohn (WML, gültig ab 1. Januar 2008,
Stand 1. Januar 2018, Rz 2046 i.V.m. Rz 4003 ff. betreffend Sitzungsgelder, Rz
3001 ff. und 3009 ff. betreffend Unkosten, Rz 3011 ff. betreffend die relative
Unverbindlichkeit der steuerrechtlichen Qualifikation). Hervorzuheben sind - in
Wiederholung der Ausführungen im angefochtenen Entscheid - die Randziffern 2047
und 2048 der Wegleitung. Sie lauten:  
 
"2047 Werden mit dem Sitzungsgeld auch Unkosten abgegolten, so können als
Unkostenersatz betrachtet werden höchstens bis zu 
- 120 Franken für halbtägige Sitzungen, 
- 200 Franken für ganztägige Sitzungen. 
 
2048 Der Unkostenersatz muss allerdings den tatsächlich entstandenen Spesen
gesamthaft gesehen entsprechen. Die oben erwähnten Ansätze sind also nicht
anwendbar, wenn den Sitzungsteilnehmenden keine oder tiefere Unkosten
entstehen." 
 
4.2. Die Entschädigungen sind im Beschluss des Kantonsrates über die
Festsetzung der Entschädigungen für die Mitglieder des Kantonsrates und für die
Fraktionen vom 26. April 1999 (LS 171.13; nachfolgend: Entschädigungsbeschluss)
festgelegt, aus welchem das kantonale Gericht ebenfalls zutreffend zitierte (E.
3.1 des vorinstanzlichen Entscheids); auch darauf kann verwiesen werden.
Wiederholenswert ist schliesslich, dass gemäss diesem Entschädigungsbeschluss
pro Amtsjahr neben einer Grundentschädigung von Fr. 4'000.- eine
Fahrtentschädigung sowie eine Spesenpauschale von Fr. 2'800.- vorgesehen sind.
 
 
4.3. Als weitere massgebliche Entscheidungsgrundlage führte die Vorinstanz in
ihrer Erwägung 3.3 die Korrespondenz zwischen der Beschwerdeführerin und dem
Beschwerdegegner 1 an. Sie zitierte aus drei Schreiben der Ausgleichskasse vom
2. Mai 1991 betreffend die "Beitragsmässige Behandlung der Sitzungsgelder/
Entschädigungen kantonaler Behördenmitglieder", vom 28. August 2002 mit dem
Titel "Sitzungsgelder von Mitgliedern des Kantonsrates: Die bisherige Regelung
ist weiterhin gültig" und schliesslich aus dem Schreiben vom 28. Mai 2013,
überschrieben mit "Sitzungsgelder: Mass der Unkosten- resp.
Spesenentschädigung".  
 
5.   
Streitig ist die Bundesrechtskonformität des angefochtenen kantonalen
Entscheids, der die Einspracheentscheide der Ausgleichskasse vom 3. August 2015
betreffend den Versicherten für die Jahre 2009 bis 2013 aufgehoben hat.
Unstreitig ist, dass das Entgelt aus Parlamentstätigkeit grundsätzlich
beitragspflichtiger Lohn nach Art. 5 Abs. 1 und 2 AHVG i.V.m. Art. 7 lit. i
AHVV darstellt, soweit dieses nicht Ersatz für Unkosten ist. Dies entspricht
denn auch der stetigen Rechtsprechung (Urteile [des Eidg.
Versicherungsgerichts] H 274/03 vom 2. August 2004 E. 3; EVGE 1966 S. 81; H 2/
54 vom 9. April 1954, publ. in: ZAK 1954 S. 266 f.; H 114/50 vom 4. September
1950, publ. in: ZAK 1950 S. 448 f.). 
 
5.1. Das kantonale Gericht erachtete ein Rückkommen auf die erfolgte
Beitragserhebung nach der bisherigen Praxis der pauschalen Unkostenregelung -
die für alle Mitglieder des Kantonsrates gleichermassen gelte - bereits deshalb
als "problematisch", weil sie die neue Bemessungsweise auf die Jahre 2009 bis
2013 und somit auf bereits abgerechnete Beitragsperioden zur Anwendung gebracht
habe, was dem Rückwirkungsverbot zuwiderlaufe. Überdies sei dies eine
Praxisänderung, die sich insoweit "als unstatthaft" erweise, als die
Ausgleichskasse nicht zu erkennen gebe, ob die neue Abrechnungsweise in Zukunft
für alle Ratsmitglieder wegleitend sein soll. Gegenteils komme sie faktisch nur
in denjenigen (Zu-) fällen zur Anwendung, in welchen die Ausgleichskasse im
Einzelfall Kenntnis von den tatsächlich entstandenen Spesen erhalte. Eine auf
Einzelfälle beschränkte Praxisänderung sei jedoch nicht nur rückwirkend,
sondern auch für die Zukunft mit dem Rechtsgleichheitsgebot unvereinbar, habe
doch die Behörde gleiche oder ähnliche Sachverhalte nach einheitlichen
Kriterien zu entscheiden. Die Ausgleichskasse habe mit Schreiben vom 2. Mai
1991, vom 28. August 2002 und vom 28. Mai 2013 Festlegungen zur Beitragspflicht
der kantonalen Parlamentsmitglieder getroffen. Dies seien Zusicherungen für die
Rechtmässigkeit der bisherigen Praxis der pauschalen Beitragserhebung. In
Anbetracht der Zeitspanne von über zwanzig Jahren sei fraglos von einer
gefestigten Praxis auszugehen. Ungeachtet von deren Rechtmässigkeit in
materieller Hinsicht stehe diese Praxisänderung von vornherein dem Prinzip von
Treu und Glauben entgegen. Zu materiellen Vorbringen - strittige
Abzugsfähigkeit von Parteibeiträgen sowie Umfang der Unkosten - nahm die
Vorinstanz keine Stellung.  
 
5.2. Die Beschwerdeführerin bezieht sich auf Vereinbarungen "hinsichtlich
Sitzungsgelder" zwischen ihr und Vertretern der Parlamentsdienste, welche mit
Schreiben vom 2. Mai 1991 festgehalten und in der Folge "mehrfach bestätigt"
worden seien. Indes sei die Ausgleichskasse in Bezug auf die Vereinbarung mit
dem Kanton Zürich stets davon ausgegangen, dass die gewährte Unkostenpauschale
ungefähr den Unkosten entspreche, die den Ratsmitgliedern auch effektiv
entstanden seien. Die Regelung betreffend die Sitzungsgelder sei "grosszügig"
bemessen worden. Im Schreiben vom 28. Mai 2013 sei der Kanton zuletzt darauf
hingewiesen worden, dass die auf den Sitzungsgeldern gewährten Unkosten mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich entstanden sein müssten. Bis
zur Kontaktnahme durch den Beschwerdegegner 2 sei sie denn auch von diesen
Voraussetzungen ausgegangen. Die Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, dass
eine auf Einzelfälle beschränkte Praxisänderung vorliege, sei nicht korrekt.
Die Ausgleichskasse müsse in Nachachtung von Rz 3015 der Wegleitung (WML) auch
bei pauschalisierten Spesenregelungen eine Aufrechnung vornehmen können, wenn
sie Kenntnis davon erhalte, dass die als Unkostenentschädigung bezeichneten
Auszahlungen der Arbeitgeberin offensichtlich übersetzt seien. Die Vereinbarung
der Ausgleichskasse mit dem Kanton Zürich schliesse eine Überprüfung des
Einzelfalls - bei entsprechender Kenntnis - nicht aus. Dementsprechend erübrige
sich die Frage, ob ein treuwidriges Verhalten vorliege.  
 
5.3. Der Beschwerdegegner 1 macht geltend, die Ausgleichskasse bringe im
bundesgerichtlichen Verfahren erstmals vor, sie sei stets davon ausgegangen,
dass die Beitragsvereinbarung zwischen ihr und den Parlamentsdiensten zwar
"grosszügig bemessen" sei. Sie habe jedoch gleichzeitig angenommen, dass die
gewährte Unkostenpauschale ungefähr den realen Unkosten entsprochen habe. Diese
Vorbringen der Beschwerdeführerin, so der Beschwerdegegner 1, stellten
unzulässige neue Vorbringen dar, welche nicht zu hören seien. Noch im Schreiben
vom 28. Mai 2013 habe die Beschwerdeführerin versichert, die bisherige,
grosszügige Regelung könne weitergeführt werden, denn sie sei praktikabel und
entspreche dem Erfordernis der Verwaltungsökonomie. Auch die Behauptung der
Ausgleichskasse, sie hätte die offensichtlich übersetzten Spesenentschädigungen
kennen müssen, sei neu und im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht zu
hören.  
 
5.4. Der Beschwerdegegner 2 rügt in seiner Stellungnahme zur Beschwerde, die
Vorinstanz habe zu Unrecht die Frage der Abzugsfähigkeit der Parteibeiträge
materiell nicht behandelt. Entscheidende Frage sei, ob die Kumulation von zwei
pauschalen Entschädigungssystemen - Unkostenpauschalen bei den Sitzungsgeldern
und jährliche Spesenpauschalen -, die in zahlreichen Fällen zu offensichtlich
übersetzten Unkostenabzügen führe, Bestand habe. Das geltende
Entschädigungssystem sei schon seit Jahren kritisiert worden. So habe es
Interventionen an die Geschäftsleitung des Kantonsrates ab 2011 gegeben. Schon
damals habe die Beschwerdeführerin beschieden, falls die Unkosten durch die
jährliche Spesenpauschale von Fr. 2'800.- gedeckt seien, könnten keine weiteren
Spesenabzüge von den Kantonsratsentschädigungen in Abzug gebracht werden. Somit
sei es keineswegs so, dass der Beschwerdegegner 1 bis zu den umstrittenen
Nachtragsverfügungen vom 18. Dezember 2014 davon ausgehen konnte, die bisherige
Abrechnungspraxis sei rechtens. Aus diesem Grund könne sich der Kanton Zürich
nicht auf den Vertrauensschutz berufen; er hätte gegenteils aufgrund der Kritik
die Abrechnungspraxis überprüfen und gegebenenfalls anpassen müssen.  
 
6.   
Den verschiedenen in den Akten liegenden Schreiben zwischen der Ausgleichskasse
und dem Kanton ist Folgendes zu entnehmen: Vor 1991 wurden von den
Sitzungsgeldern der kantonalen Parlamentarier überhaupt keine Beiträge
abgerechnet (wie dies früher offenbar auch in anderen Kantonen der Fall war, so
im Kanton Graubünden; vgl. EVGE 1966 S. 81). Aus dem Schreiben der
Beschwerdeführerin vom 2. Mai 1991 geht denn auch hervor, dass in jenen Jahren
noch Uneinigkeit bestand über die grundsätzliche Beitragspflicht auf
Sitzungsgeldern der kantonalen Parlamentsmitglieder. Die Beschwerdeführerin
hielt dann aber immerhin fest: "Gegen die in unserer Stellungnahme vom 22.
Januar 1991 umschriebene Beitragspflicht haben Sie grundsätzlich nichts
einzuwenden." Vor diesem Hintergrund scheint es naheliegend, dass die
Ausgleichskasse damals, um die grundsätzliche Beitragspflicht überhaupt
durchsetzen zu können, Hand bot für eine "grosszügige" Regelung, wie sie dies
selber in ihrem Schreiben vom 2. Mai 1991 taxiert hatte. 
 
7.  
 
7.1. Im vorinstanzlichen Verfahren bestritt der Kanton Zürich die Höhe der
Unkosten des Beschwerdegegners 2, die dieser mit Schreiben vom 24. September
2014 beziffert hatte, nur insofern, als er bemängelte, dass keine Bürokosten
berücksichtigt worden seien. Um diesen Beitrag müsse sich das AHV-pflichtige
Einkommen vermindern. Im bundesgerichtlichen Verfahren äusserte sich der
Beschwerdegegner 1 nicht zum Quantitativ von AHV-pflichtigen und "AHV-freien"
Zuwendungen.  
Im Einzelnen sahen die vom Beschwerdegegner 2 gerügten Lohn- und
Beitragsabrechungen wie folgt aus (Eingabe vom 4. Dezember 2014) : 
für 2013: 
Auszahlung "mit AHV-Abzug":       Fr. 15'000.- 
Auszahlung "ohne AHV-Abzug":       Fr. 26'690.- 
 
für 2012: 
Auszahlung "mit AHV-Abzug":       Fr. 11'600.- 
Auszahlung "ohne AHV-Abzug":       Fr. 18'043.- 
 
für 2011: 
Auszahlung "mit AHV-Abzug":       Fr. 11'400.- 
Auszahlung "ohne AHV-Abzug":       Fr. 20'443.- 
 
für 2010: 
Auszahlung "mit AHV-Abzug":       Fr.   8'200.- 
Auszahlung "ohne AHV-Abzug":       Fr. 21'963.- 
 
für 2009 (nur Dezember) 
Auszahlung "mit AHV-Abzug":       Fr.   1'333.- 
Auszahlung "ohne AHV-Abzug":       Fr.   2'433.-. 
 
Mangels substanziierter Bestreitung ist im bundesgerichtlichen Verfahren von
dieser Grundlage auszugehen. Ob zusätzlich Raumkosten zu berücksichtigen sind,
wie im kantonalen Verfahren vorgebracht wurde, braucht daher nicht geprüft zu
werden. 
 
7.2. Im Folgenden ist auf die Vorbringen des Beschwerdegegners 1 einzugehen:  
Der Kanton Zürich stellt sich auf den Standpunkt, die Ausgleichskasse sei mit
neuen Vorbringen im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zu hören (Art. 99 BGG).
Dies betreffe die Behauptung der Kasse, sie sei stets davon ausgegangen, dass
die bisherige Unkostenregelung eine realistische Abbildung der tatsächlichen
Auslagen der Kantonsräte sei. 
Es ist höchst fraglich, kann aber offen bleiben, ob diese Behauptung als neu
und damit als unzulässig zu qualifizieren ist oder ob sie viel mehr lediglich
eine sachbezogene Präzisierung eines Standpunktes, der schon im
vorinstanzlichen Verfahren eingenommen worden ist, darstellt (vgl. MEYER/
DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 20 zu 
Art. 99 BGG). Die Beschwerdeführerin hat sowohl im Einspracheentscheid vom 3.
August 2015 als auch in der Vernehmlassung vom 1. Dezember 2015 zur Beschwerde
vor dem kantonalen Gericht ausgeführt, dass - auch bei Pauschallösungen -
letztlich die tatsächlich aufgewendeten Unkosten massgeblich seien. Selbst dem
Schreiben der Ausgleichskasse vom 26. September 2011, das der Beschwerdegegner
1 im kantonalen Verfahren einreichte, ist ein deutlicher Hinweis auf Rz 2048
der WML zu entnehmen: "Der Unkostenersatz muss allerdings den tatsächlich
entstandenen Spesen gesamthaft gesehen entsprechen. Die oben erwähnten Ansätze
sind also nicht anwendbar, wenn den Sitzungsteilnehmenden keine oder tiefere
Unkosten entstehen (WML Rz 2048)." 
 
7.3. Der Beschwerdegegner 1 erblickt im Vorgehen der Ausgleichskasse einen
Verstoss gegen Treu und Glauben. Dem kann aus folgenden Gründen nicht
beigepflichtet werden:  
 
7.3.1. Der in den Akten liegenden Korrespondenz zwischen der Ausgleichskasse
und dem Kanton Zürich (vgl. E. 4.3 hiervor) kann entnommen werden, dass die
sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht in der Vergangenheit immer wieder
zu Diskussionen Anlass gab. Trotz klarer gesetzlicher Grundlage,
Verordnungsvorgabe und klarer Rechtsprechung (vgl. E. 4 und 5 hiervor) sind
offenbar im Kanton Zürich bis im Jahr 1991 die auf Sitzungsgelder der
Kantonsräte geschuldeten Beiträge überhaupt nicht entrichtet und noch 1990
grundsätzlich in Frage gestellt worden (vgl. Schreiben der Ausgleichskasse vom
2. Mai 1991 an die Staatskanzlei des Kantons Zürich mit Verweis auf ein [nicht
aktenkundiges] Schreiben vom 22. Januar 1991). Es wurden bezüglich
Abgabepflicht für die Sitzungsgelder praktikable Lösungen gesucht. Ob dabei
schon in jenem Zeitpunkt auch die zusätzlich zu den Sitzungsgeldern
entrichteten Pauschalspesen für die Räte mit im Fokus waren, lässt sich nicht
feststellen. Aus den weiteren Schreiben der Ausgleichskasse geht immerhin
hervor, dass nun wenigstens nicht mehr der Grundsatz der Beitragspflicht,
sondern die Höhe der Unkosten bei den Sitzungsgeldern kontrovers diskutiert
worden ist (Schreiben der Ausgleichskasse vom 28. August 2002 und vom 28. Mai
2013). Vor diesem Hintergrund - erst strittige Beitragspflicht im Grundsatz,
dann strittige Höhe der Unkosten - kann jedenfalls nicht von treuwidrigem
Verhalten der Ausgleichskasse gesprochen werden. Gegenteils hat sie aus
pragmatischen Gründen Hand geboten für einen praktikablen Vollzug; indes darauf
hingewiesen, dass die beitragsbefreiten Unkosten den tatsächlichen
Gegebenheiten der kantonalen Parlamentarier - wenn auch mehr oder weniger - zu
entsprechen haben.  
 
7.3.2. Adressat der strittigen Nachtragsverfügungen ist ausschliesslich der
Beschwerdegegner 2. Es ist offensichtlich, dass bei ihm die Höhe der
beitragslosen Spesen in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Lohnbezügen
stehen. In dieser vom Beschwerdegegner 2 der Ausgleichskasse unterbreiteten
Gesamtsicht sind nicht nur die Sitzungsgelder im Blickfeld gewesen, sondern
auch die zusätzlich ausgerichteten Spesenpauschalen. Im vorliegenden Verfahren
ist nicht über die Beitragspflicht aller Zürcher Kantonsräte zu befinden. Es
wird Sache des Kantons bzw. der Parlamentsdienste sein, eine Regelung für die
Parlamentsmitglieder zu schaffen, die einerseits praktikabel ist - wobei eine
Pauschalregelung nicht auszuschliessen ist - und anderseits Raum lässt für
individualisierte Lösungen wie der vorliegenden.  
 
8.  
 
8.1. Schliesslich laufen die strittigen Nachtragsverfügungen nicht dem
Rückwirkungsverbot zuwider, wie das kantonale Gericht dafür hält. Denn ein
Zurückkommen auf eine formell rechtskräftige Verfügung im Bereich des
Sozialversicherungsrechts ist unter anderem gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG möglich,
wenn die ursprüngliche rechtskräftige Verfügung zweifellos unrichtig ist und
deren Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Weder im kantonalen noch im
bundesgerichtlichen Verfahren ist dieser Rückkommenstitel von den Parteien in
Frage gestellt worden. Auch die Vorinstanz hat sich hierzu nicht geäussert.  
 
8.2. Dieser Rückkommenstitel liegt hier vor: Die früher offenbar verbreitete
Verwaltungspraxis, wonach Sitzungsgelder von Parlamentariern AHV-rechtlich
überhaupt nicht als Erwerbseinkommen behandelt wurden, beruhte nicht auf einer
besonderen, d.h. genügenden gesetzlichen Ermächtigung, wie das Eidgenössische
Versicherungsgericht in EVGE 1966 S. 81 erkannte, ohne die Frage indessen
abschliessend zu beurteilen. Im Urteil H 274/03 vom 2. August 2004 wurde die
grundsätzliche Beitragspflicht einer Stadt auf den Sitzungsgeldern der
Mitglieder des Stadtrates klar und unmissverständlich bejaht. Mit Bezug auf vom
massgebenden Lohn abziehbare Unkosten (Art. 9 AHVV) gilt seit jeher Folgendes
(vgl. statt vieler Urteil [des Eidg. Versicherungsgerichts] H 1/93 vom 2.
Dezember 1993 E. 3b mit Hinweisen) :  
 
"Nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis hat der Arbeitgeber bzw.
Arbeitnehmer nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, dass die
behaupteten Unkosten tatsächlich entstanden sind. Wenn gewisse Unkosten mit
Sicherheit entstanden sind, ein genauer ziffernmässiger Nachweis aber wegen der
besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles nicht möglich ist, so sind sie -
unter Berücksichtigung der glaubhaften Angaben von Arbeitgeber bzw.
Arbeitnehmer - zu schätzen (ZAK 1990 S. 38 E. 4; 1979 S. 78 E. 2b, je mit
Hinweisen; vgl. auch ZAK 1983 S. 321 E. 2; 1982 S. 370 E. 2d). Die Anerkennung
von Unkosten durch die Steuerbehörden ist für die Ausgleichskassen
grundsätzlich nicht verbindlich (ZAK 1990 S. 40; 1958 S. 366)." 
 
Im Lichte dieser Regelung ist die erste Beitragserhebung, die unter
Berücksichtigung der Vereinbarungen zwischen der Ausgleichskasse und dem Kanton
Zürich erfolgte und die im vorliegenden Fall der Rechtsprechung widerspricht,
weil sie nicht den effektiven Unkosten entspricht, als zweifellos unrichtig im
wiedererwägungsrechtlichen Sinne zu bezeichnen. Der vorinstanzliche Entscheid
kann folglich nicht bestätigt werden und ist aufzuheben. 
 
9.  
 
9.1. Die Beschwerdeführerin beantragt die Bestätigung ihrer
Einspracheentscheide vom 3. August 2015. Im Nachfolgenden bleibt folglich deren
Rechtmässigkeit zu prüfen. Dabei fällt auf, dass die Ausgleichskasse die
Parteibeiträge in den Einspracheentscheiden als Unkosten qualifizierte und
diese vom beitragspflichtigen Einkommen in Abzug brachte, wobei sich die Frage
stellt, ob dies unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung (vgl. E. 8
hiervor) zulässig ist. Es käme einem formalistischen Leerlauf gleich, wenn die
Sache zur Klärung dieser Rechtsfrage zur Wahrung des Instanzenlaufs an das
kantonale Gericht zurückgewiesen würde, welches diesbezüglich keine
Entscheidung traf. Da die Sache liquid ist, kann das Bundesgericht darüber
befinden.  
Das Bundesgericht liess im Urteil vom 2. August 2004 (H 274/03 E. 4.3) offen,
ob Behördenbeiträge an Parteien und Fraktionsbeiträge, die je nach Partei oder
Fraktion nach sehr unterschiedlichen masslichen Kriterien festgesetzt und
lediglich freiwillig zu leisten sind, dennoch als notwendig für die
Lohnerzielung und damit als abzugsfähig zu betrachten sind. Steuerrechtlich
stellen Beiträge an politische Parteien keine Gewinnungskosten oder
Berufsauslagen dar (BGE 142 II 293 E. 4 S. 301 ff.; 124 II 29 E. 2-5 S. 30 ff.;
Urteil 2A.647/2005 vom 7. Juni 2007 E. 3.3, in: StR Nr. 62 2007 S. 648). 
Es ist kein Grund ersichtlich, diese Ausgaben beitragsrechtlich anders zu
behandeln. Wie schon im erwähnten Entscheid H 274/03 angedeutet, sind
Parteibeiträge letztlich freiwillig zu leisten und somit für die Lohnerzielung
nicht notwendig. Es kommt hinzu, dass diese Beiträge unterschiedlich hoch sind.
Im Urteil H 274/03 sind Ausgaben für Abstimmungs- und Wahlkämpfe als nicht
abzugsfähige Mittelverwendung qualifiziert worden, weil sie für die Tätigkeit
(dort: als Stadtrat) nicht zwingend notwendig sind. All diese Kriterien -
steuerrechtliche Qualifizierung, Freiwilligkeit bzw. nicht zwingend notwendig
für die Ausübung des Amtes, unterschiedliche Höhe - sprechen dafür, dass nicht
nur Ausgaben für Wahlkämpfe und Abstimmungen, sondern gleichermassen auch
Parteibeiträge als nicht abzugsfähige Unkosten zu qualifizieren sind. 
 
9.2. Zusammengefasst haben die Einspracheentscheide vom 3. August 2015 im
Grundsatz Bestand. Die Höhe der Beitragspflicht ist jedoch gemäss vorstehender
Erwägung 9.1 von der Ausgleichskasse zu korrigieren. Die Beschwerde ist im
Übrigen begründet.  
 
10.   
Die Beschwerdeführerin dringt mit ihrem Begehren zur Hauptsache durch. Sie
unterliegt in einem untergeordneten Punkt betreffend die beitragsrechtliche
Qualifikation der Parteibeiträge. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens
werden entsprechend dem Anteil von Obsiegen und Unterliegen gemäss Art. 66 Abs.
1 BGG zu drei Vierteln dem Beschwerdegegner 1 und zu einem Viertel der
Beschwerdeführerin auferlegt. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). Indessen ist dem Beschwerdegegner 2
eine Parteientschädigung von Fr. 2'400.- zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG
). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, als der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juni 2017 und die
Einspracheentscheide der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 3. August 2015
aufgehoben werden. Die Sache wird an die Ausgleichskasse zurückgewiesen, damit
sie die Beitragspflicht des Versicherten im Sinne der Erwägungen neu
festsetze. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 900.- werden zu einem Viertel (Fr. 225.-) der
Beschwerdeführerin und zu drei Vierteln (Fr. 675.-) dem Beschwerdegegner 1
auferlegt. 
 
3.   
Der Beschwerdegegner 1 hat den Beschwerdegegner 2 für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. Oktober 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Huber 

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