Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 636/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_636/2017            

 
 
 
Urteil vom 14. November 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Christine Fleisch, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Rückerstattung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 28. Juni 2017 (ZL.2016.00064). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ bezog im Zeitraum von Mai 2001 bis Februar 2009 Zusatzleistungen zur
Rente der Invalidenversicherung (bundesrechtliche Ergänzungsleistungen [EL],
Beihilfe und Gemeindezuschuss nach kantonalem Recht). Ab Mai 2014 wurden ihr
Ergänzungsleistungen zur Altersrente der AHV ausgerichtet. Im Anmeldeformular
vom 7. April 2014 bejahte die Leistungsbezügerin (erstmals) die Frage nach
Liegenschaftsbesitz im Ausland. Mit Verfügungen vom 29. Oktober 2015 forderte
die Stadt X.________, Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Fr.
20'859.- zurück: Fr. 2'059.- (EL für die Zeit von Mai 2014 bis Oktober 2015),
Fr. 18'800.- (EL und Gemeindezuschuss für die Zeit von Mai 2001 bis September
2009). Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 19. April 2016 fest. 
 
B.   
Auf Beschwerde hin setzte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit
Entscheid vom 28. Juni 2017 den Rückerstattungsbetrag auf Fr. 20'824.- fest. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
der Entscheid des kantonalen Sozialversicherungsgerichts vom 28. Juni 2017 sei
aufzuheben, und die Rückforderung von Fr. 20'824.- sei abzuweisen. 
Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse, welche auf
den 1. November 2016 den Bereich Ergänzungsleistungen von der Stadt X.________,
Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, übernommen hat, ersucht um
Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf
eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. wegen Verletzung
von Bundesrecht erhoben werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es
kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig [willkürlich; BGE 139 II 404
E. 10.1   S. 445] ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95
beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). 
 
2.   
Nach Art. 25 ATSG (i.V.m. Art. 1 Abs. 1 ELG und Art. 2 ATSG) sind unrechtmässig
bezogene Ergänzungsleistungen zurückzuerstatten (Abs. 1 Satz 1). Wird der
Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche
das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist
massgebend (Abs. 2    Satz 2). Gemäss der Verordnung der Stadt X.________ vom
8. Mai 1978 über die Zusatzleistungen zur eidgenössischen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und die freiwilligen
Gemeindezuschüsse (i.V.m. §§ 20 und 20a des zürcherischen Gesetzes vom    7.
Februar 1971 über die Zusatzleistungen zur eidgenössischen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [Zusatzleistungsgesetz; ZLG]; LS
831.3) verfügt das Fürsorgesekretariat Rückforderungen von rechtmässig und
unrechtmässig erfolgten Bezügen und stellt allenfalls Strafantrag (Art. 2-4).  
 
3.   
Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die einzig in Bezug auf die
Anrechnung von Liegenschaftsvermögen in Tunesien nach Art. 11 Abs. 1 lit. c
oder lit. g ELG streitige EL-Neuberechnung der Beschwerdegegnerin, welche zu
viel ausgerichtete Leistungen von Fr. 20'859.- ergab, bis auf einen hier ausser
Diskussion stehenden Betrag von    Fr. 35.- (Art. 107 Abs. 1 BGG) bestätigt. In
Würdigung der Akten ist es zum Ergebnis gelangt, der Sachverhalt sei
dahingehend erstellt, dass seit dem Erbgang von 1987 (Tod des Vaters) das
untere Stockwerk des Hauses im Wert von 36'250 Dinar und seit Juni 2003 das
obere Stockwerk im Wert von 50'000 Dinar zur Hälfte der Beschwerdeführerin
gehöre. Letzteres ist unbestritten. Entscheidend ins Gewicht falle, so das
kantonale Gericht, dass sie im einzig eingereichten amtlichen Dokument der
Steuerverwaltung vom 12. Juni 2015 nach wie vor als Erbin der fraglichen 36'250
Dinar deklariert werde. Sinngemäss sei zwar nicht auszuschliessen, dass nach
tunesischem Erbrecht die überlebende Ehefrau einen Achtel und die Nachkommen
sieben Achtel erbten, wobei die Söhne doppelt soviel erhielten wie die Töchter,
wie die Beschwerdeführerin vorbringe. Gemäss dem "Ergänzungsvertrag" vom 10.
(richtig: 29.) April 2007 verfüge sie über 34 der insgesamt 128 Anteile an den
beiden Stockwerken, wovon 26 oder die Hälfte auf das obere und 8 auf das untere
entfielen. Dabei handle es sich indessen lediglich um familieninterne
Abmachungen im Binnenverhältnis. "Dafür, dass die Eigentumsverhältnisse im
Grundbuch entsprechend dem eingereichten Ergänzungsvertrag eingetragen worden
wären, hat die Beschwerdeführerin weiterhin keinen Nachweis erbracht". 
 
4.   
Die Beschwerdeführerin wiederholt unter Hinweis auf die ins Recht gelegten
"Bestimmungen der Vererbungen" auf Arabisch und in deutscher Übersetzung ihr
Vorbringen im vorinstanzlichen Verfahren, wonach ihre Mutter 1987 einen Achtel
(16/128), ihre vier Brüder je 2/16 (richtig: 14/128) und sie und ihre sieben
Schwestern je 1/16 (richtig: 7/128) der 36'250 Dinar (bzw. 35'000 Dinar nach
Abzug der Kosten für den Grundbucheintrag) geerbt hätten. Diese Erbfolge sei
streng scharia-konform gestaltet und für alle Tunesier zwingend gesetzlich
festgelegt. Die elf Geschwister hätten ihren Anteil am unteren Stock der
Liegenschaft nie an sie verkauft. Die Aufteilung der beiden Stockwerke in
insgesamt 128 Anteile, 76 für das untere, 52 für das obere, und ihre
diesbezüglichen 8 bzw. 26 Anteile ergäben sich aus der Miteigentumsurkunde vom
5. Februar 2008 des Grundbuchamtes der Bezirksverwaltung des Grundbesitzes,
Ministerium des Besitzes der öffentlichen Hand und Immobilien-Angelegenheiten,
Republik Tunesien, somit aus einem offiziellen Dokument. Die Feststellung der
Vorinstanz, ihre Anteile seien nicht im Grundbuch eingetragen worden, sei
offensichtlich unhaltbar. 
 
5.   
Die Vorbringen der Beschwerdeführerin sind stichhaltig: Die Vorinstanz hat dem
Umstand keine Rechnung getragen, dass im "Relève des actes conclus par un
contribuable" der Steuerverwaltung vom    12. Juni 2015, welchem Dokument sie
entscheidende Bedeutung beigemessen hat, bei der Rubrik Transaktion, worunter
der Verkauf B.I vom 6. Juni 2003 (50'000 Dinar) und die Erbschaft vom 2. Januar
1987 (36'250 Dinar) aufgeführt werden, ausdrücklich darauf hingewiesen wird,
dass davon mehrere Parteien betroffen sein können. Dementsprechend wurden der
Beschwerdeführerin für den Erwerb des oberen Stockwerkes zusammen mit einem
ihrer Brüder zu gleichen Teilen lediglich die Hälfte des Kaufpreises, d.h.
25'000 Dinar angerechnet. Ist davon auszugehen, dass sie nicht Alleinerbin war,
ist es unhaltbar, ihr die gesamte Erbschaft von 36'250 Dinar (Wert des unteren
Stockwerkes) anzurechnen, ohne einen Anhaltspunkt dafür zu nennen, dass sie die
Anteile der übrigen Miterben käuflich erworben hatte. Unter diesen Umständen
vermögen die Miteigentumsurkunde vom 5. Februar 2008 und die übrigen
Unterlagen, insbesondere der "Ergänzungsvertrag" vom 29. April 2007 den Beweis
zu erbringen, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich und von Rechts wegen seit
Juni 2003 8 von 76 Anteilen am unteren und 26 von 52 Anteilen am oberen
Stockwerk der Liegenschaft in Tunesien besitzt. Daraus ergibt sich ein
Liegenschaftswert von 28'816 Dinar (8/76 x 36'250 Dinar + 26/52 x 50'000 Dinar)
oder Fr. 14'408.- bei einem Wechselkurs von 2:1 (und nicht 61'250 Dinar bzw.
Fr. 30'625.-, wie von Vorinstanz und Beschwerdegegnerin angenommen). Die
Berechnung der Beschwerdeführerin nach der Formel '85'000 Dinar/128 Anteile x
34 Anteile', was 22'578 Dinar oder Fr. 11'289.- ergäbe, verkennt, dass die
beiden Stockwerke getrennt zu betrachten und die jeweiligen anteilsmässigen
Werte zusammenzuzählen sind. 
 
6.   
Die Beschwerdegegnerin wird die Zusatzleistungen (EL und Gemeindezuschuss) für
die Zeit von Mai 2001 bis September 2009 sowie von Mai 2014 bis Oktober 2015
neu zu berechnen haben, ebenso den Liegenschaftsertrag, und danach über die
Rückerstattungspflicht der Beschwerdeführerin als solche und in betraglicher
Hinsicht neu verfügen. 
 
7.   
Bei diesem Verfahrensausgang rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten ganz der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG); diese hat zudem der
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Juni 2017 und der
Einspracheentscheid der Stadt X.________, Durchführungsstelle für
Zusatzleistungen zur AHV/IV, vom 19. April 2016 werden aufgehoben. Die Sache
wird an die Beschwerdegegnerin zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen
zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 14. November 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler 

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