Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 602/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_602/2017  
 
 
Urteil vom 27. Dezember 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kathrin Hässig, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 3. August 2017 (IV 2015/192). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach dem 1964 geborenen A.________ mit
Verfügung vom 10. Dezember 1999 eine halbe Invalidenrente ab 1. April 1998 zu.
Mit Mitteilungen vom 12. Februar 2001, 2. März 2004 und 8. Januar 2008
bestätigte sie jeweils einen unveränderten Anspruch. Im Januar 2013 leitete die
Verwaltung erneut ein Revisionsverfahren ein. Mit Verfügung vom 28. August 2013
hob sie die Rente auf. In Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hob das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Verfügung vom 28. August 2013
auf und wies die Sache zu neuem Entscheid an die IV-Stelle zurück (Entscheid
vom 9. April 2014). Diese hob die Rente nach weiteren Abklärungen und
Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 28. Mai 2015 auf Ende
Juni 2015 auf. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 3. August 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 3. August 2017 und der Verfügung
vom 28. Mai 2015 sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm weiterhin eine halbe
Invalidenrente auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu
Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine
Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn
sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig
unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_101/2015 vom 30. November 2015 E. 1.1). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat dem Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstitutes (ABI)
vom 27. Januar 2015 Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf eine
uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten
festgestellt. Weiter ist sie von einem Leiden im Sinne der Schlussbestimmungen
der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket;
nachfolgend: SchlBest.; AS 2011 5670 f.) ausgegangen. Den Invaliditätsgrad hat
sie auf höchstens 35 % festgelegt. Folglich hat sie die Rentenaufhebung
bestätigt. 
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Rentenaufhebung mit Blick auf die
SchlBest. zulässig ist. 
 
3.  
 
3.1. Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen
Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden,
werden innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft.
Sind die Voraussetzungen nach Artikel 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente
herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Artikel 17
Absatz 1 ATSG nicht erfüllt sind (lit. a Abs. 1 SchlBest.). Diese Bestimmung
findet keine Anwendung auf Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser
Änderung das 55. Altersjahr zurückgelegt haben oder im Zeitpunkt, in dem die
Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als 15 Jahren eine Rente der
Invalidenversicherung beziehen (lit. a Abs. 4 SchlBest.).  
Vom Anwendungsbereich des lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG sind laufende Renten nur
auszunehmen, wenn und soweit sie auf erklärbaren Beschwerden beruhen. Lassen
sich solche von unklaren Beschwerden trennen, können die SchlBest. auf letztere
Anwendung finden (BGE 140 V 197 E. 6.2.3 S. 200). 
 
3.2.  
 
3.2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er zum "Zeitpunkt, in dem die
Überprüfung eingeleitet" wurde, die Rente bereits länger als 15 Jahre bezogen
habe.  
 
3.2.2. Wohl ist der Beginn des Rentenanspruchs Ausgangspunkt für die Dauer des
Rentenbezugs (BGE 140 V 15 E. 5.2 S. 17; 139 V 442 E. 4.3 S. 450), weshalb in
concreto eine Rentenaufhebung gestützt auf lit. a Abs. 1 SchlBest. unzulässig
ist, wenn die Überprüfung des Rentenanspruchs erst nach dem 31. März 2013
eingeleitet wurde. Aus dem Revisionsfragebogen, den der Versicherte mit dem 21.
Januar 2013 datierte, geht indessen klar hervor, dass die Verwaltung die
Überprüfung bereits im Januar 2013 einleitete. Anders als der Beschwerdeführer
und das kantonale Gericht anzunehmen scheinen, ist in dieser Konstellation
nicht von Belang, unter welchem Titel die Verwaltung später die Rente
anzupassen resp. aufzuheben gedenkt. Nach gefestigter Rechtsprechung kann denn
auch eine Beschwerdeinstanz eine revisions- oder wiedererwägungsweise (vgl.
Art. 17 Abs. 1 sowie Art. 53 Abs. 1 und 2 ATSG) verfügte Rentenherabsetzung
resp. -aufhebung erstmals gestützt auf lit. a Abs. 1 SchlBest. schützen, sofern
die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil 9C_800/2016 vom 9. Mai
2017 E. 2 mit Hinweisen). Weshalb es mit Blick auf die SchlBest. der Einleitung
eines "neuen" spezifischen Überprüfungsverfahrens bedürfen sollte, leuchtet
nicht ein und wird auch in der Beschwerde nicht dargelegt. Aus der
Rechtsprechung von BGE 140 V 15 E. 5.3 S. 18 ff., wonach bei
Revisionsverfahren, welche noch vor Inkrafttreten der 6. IV-Revision
eingeleitet wurden, der 1. Januar 2012 fiktiven Anknüpfungspunkt für die
Ermittlung der massgebenden Rentenbezugsdauer bildet, lässt sich nichts zu
Gunsten des Beschwerdeführers ableiten. Die Vorinstanz ist im Ergebnis zu Recht
davon ausgegangen, dass die Rentenüberprüfung vor Ablauf der 15-jährigen
Rentenbezugsdauer eingeleitet wurde.  
 
3.3.  
 
3.3.1. Weiter rügt der Beschwerdeführer, aufgrund der somatischen
Einschränkungen im Revisionszeitpunkt seien die SchlBest. nicht anwendbar, und
das kantonale Gericht habe das entsprechende Vorbringen nicht geprüft.  
 
3.3.2. Die Vorinstanz befasste sich in E. 3.2 des angefochtenen Entscheids mit
der Zulässigkeit der Rentenrevision nach lit. a Abs. 1 SchlBest. im Hinblick
auf den Gesundheitszustand insbesondere bei Erlass der angefochtenen Verfügung
(vgl. BGE 139 V 547 E. 10.1.2 S. 569), und diesbezüglich war auch eine
sachgerechte Anfechtung möglich. Daher kann von einer Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör keine Rede sein (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 S. 436 mit
Hinweisen).  
Im hier interessierenden Zusammenhang hat das kantonale Gericht festgestellt,
dass die somatischen Befunde (multiple muskuläre Verkürzungen im Becken- und
Beinbereich) weder bei der Zusprache noch bei der Aufhebung der Rente einen
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit in angepassten Tätigkeiten hatten. Inwiefern
diese Feststellung offensichtlich unrichtig sein oder auf einer
Rechtsverletzung beruhen soll, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht
dargelegt, weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich bleibt (E. 1). Da die
somatischen Befunde folglich auch für den Rentenanspruch nie von Relevanz
waren, stehen sie der Anwendung der SchlBest. nicht entgegen (vgl. E. 3.1). Die
Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet. 
 
4.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. Dezember 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann 

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