Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 59/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_59/2017         

Urteil vom 21. Juni 2017

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Huber.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch die Beratungsstelle für Ausländer,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 25. November 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1969 geborene A.________ meldete sich am 23. November 2000 mit Hinweis auf
dauernde Schulter- und Handgelenkschmerzen bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich veranlasste eine Abklärung
bei A.________ zu Hause (Bericht vom 5. Juni 2001) und qualifizierte sie als
ausschliesslich im Aufgabenbereich Haushalt tätige Versicherte. Die Verwaltung
sprach ihr mit Verfügung vom 25. Januar 2002 eine halbe Rente ab 1. November
1999 zu (Invaliditätsgrad: 59 %). Diesen Anspruch bestätigte die IV-Stelle
jährlich von 2005 bis 2009.
Im Rahmen einer von Amtes wegen eingeleiteten Revision klärte die IV-Stelle
erneut die Verhältnisse bei der Versicherten zu Hause ab und qualifizierte sie
zu 50 % als Erwerbstätige und zu 50 % als im Haushalt tätige Versicherte. Die
Verwaltung gab ausserdem eine polydisziplinäre Begutachtung bei der SMAB AG
(Swiss Medical Assessment- and Business-Center) in Auftrag (Expertise vom 22.
Mai 2014). Mit Verfügung vom 13. Mai 2015 hob die IV-Stelle die halbe Rente
rückwirkend auf den 1. Mai 2011 auf. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 20. November
2015 gut, hob die angefochtene Verfügung auf und stellte fest, die Versicherte
habe weiterhin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente.
Die IV-Stelle lud A.________ zur Abklärung der beruflichen Situation zu einem
persönlichen Gespräch ein (Gesprächsleitfaden vom 13. April 2016). Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren verfügte die Verwaltung am 12. August 2016
die Aufhebung der bisher ausgerichteten Rente.

B. 
In Gutheissung der Beschwerde von A.________ hob das Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. November 2016 die angefochtene
Verfügung auf und stellte fest, A.________ habe einstweilen weiterhin Anspruch
auf eine halbe Rente.

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei ihre Verfügung vom
12. August 2016 zu bestätigen. In prozessualer Hinsicht beantragt sie die
Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
A.________ schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde, während das
Bundesamt für Sozialversicherungen deren Gutheissung beantragt.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht
der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236).

2. 
Die Vorinstanz erwog, es sei nach wie vor davon auszugehen, die
Beschwerdegegnerin könne ihre verbleibende Leistungsfähigkeit ohne berufliche
Eingliederungsmassnahmen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nicht ausschöpfen.
Sie beziehe seit mehr als 15 Jahren eine halbe Rente, verfüge über keine
Berufsausbildung und sei bisher nur im Aufgabenbereich Haushalt tätig gewesen.
Die Selbsteingliederung erscheine ihr auch bei der Annahme einer durch die
Gutachter attestierten 100%igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit
als nicht zumutbar. Hinsichtlich des offenbar fehlenden Eingliederungswillens
und der mangelnden Motivation der Versicherten für berufliche Massnahmen hätte
die IV-Stelle nicht direkt die Aufhebung der Rente verfügen dürfen. Erst nach
erfolglos durchgeführtem Mahn- und Bedenkzeitverfahren wäre sie zur
Rentenaufhebung berechtigt gewesen.

3. 
In Anbetracht der verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen (E. 1.1 und E.
2 hievor) macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend, dass die
Selbsteingliederung der Versicherten zumutbar sein soll. Damit besteht
grundsätzlich ein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen (Urteil 9C_228/2010 vom
26. April 2011 E. 3.3 bis 3.5, in: SVR 2011 IV Nr. 73 S. 220). Hingegen trägt
die IV-Stelle vor, sie müsse gemäss kantonalem Gericht Eingliederungsmassnahmen
trotz offenkundig fehlender Eingliederungsbereitschaft der Versicherten
durchführen, was Bundesrecht verletze. Ferner habe sie bei offensichtlich
fehlendem Eingliederungswillen kein Mahn- und Bedenkzeitverfahren an die Hand
zu nehmen.

3.1. Nach Art. 8 Abs. 1 IVG haben invalide und von einer Invalidität bedrohte
Versicherte (Art. 8 ATSG) unter anderem Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen,
wenn der Eingliederungswille bzw. eine subjektive Eingliederungsfähigkeit
gegeben ist (Urteil 8C_569/2015 vom 17. Februar 2016 E. 5.1 mit Hinweisen). Die
Feststellung des kantonalen Gerichts, der Versicherten fehle es offenbar an
einem Eingliederungswillen und an Motivation für berufliche Massnahmen, ist als
Tatfrage für das Bundesgericht verbindlich (Urteil 9C_559/2012 vom 27. November
2012 E. 5). Sie wird denn auch von keiner Seite bestritten und erscheint
aufgrund der nachfolgenden Ausführungen weder als offensichtlich unrichtig noch
sonstwie bundesrechtswidrig (E. 1.1 hievor).

3.2. Die Versicherte gab während der Begutachtung bei der SMAB AG an, eine wie
auch immer geartete Tätigkeit ausser Haus sei für sie nicht vorstellbar. Laut
Protokoll vom 13. April 2016 spricht die Beschwerdegegnerin kein Deutsch. Die
Möglichkeit, einen Deutschkurs zu absolvieren, verwarf sie mit der Begründung,
sie könne nicht lange sitzen. Ein Arbeitsversuch sei ihr nicht möglich, da sie
gemäss ihrem Ehemann nicht alleine mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
unterwegs sein könne. Auf die Frage, welche Erwartungen sie an die
Invalidenversicherung habe, gab die Beschwerdegegnerin an, sie wolle weiterhin
die Rente erhalten. Sie sieht sich folglich nicht in der Lage, einer
Erwerbstätigkeit nachzugehen und verfügt weder über den Willen noch die
Motivation zur Aufnahme einer solchen. Ausdruck der nicht gegebenen
Eingliederungsbereitschaft ist schliesslich, dass die (bereits im
Vorbescheidverfahren anwaltlich vertretene) Beschwerdegegnerin weder im
Vorbescheid- noch im kantonalen Verfahren vorgebracht hatte, dass sie auf
Eingliederungsmassnahmen angewiesen sei und solche verlangte.

3.3. Berufliche Massnahmen können unter anderem dazu dienen, subjektive
Eingliederungshindernisse im Sinne einer Krankheitsüberzeugung zu beseitigen.
Es bedarf indessen auch diesfalls eines Eingliederungswillens bzw. einer
entsprechenden Motivation der versicherten Person (Urteil 9C_469/2016 vom 22.
Dezember 2016 E. 7). Unter den vorliegenden Umständen (E. 3.2 hievor) ist ein
subjektiver Eingliederungswille klar zu verneinen. Der Anspruch auf
Eingliederungsmassnahmen entfällt folglich (Urteile 8C_726/2015 vom 19. Januar
2016 E. 3.3; 9C_231/2015 vom 7. September 2015 E. 4.2), ohne dass zunächst ein
Mahn- und Bedenkzeitverfahren im Sinne von Art. 21 Abs. 4 ATSG durchgeführt
werden müsste (Urteil 8C_667/2015 vom 6. September 2016 E. 5.1; erwähnte
Urteile 8C_569/2015 E. 5.1; 8C_726/2015 E. 3.3; 9C_559/2012 E. 5). Die
Verwaltung war im vorliegenden Fall befugt, die Invalidenrente ohne Weiterungen
aufzuheben. Indem die Vorinstanz die IV-Stelle trotz offenkundig fehlender
Eingliederungsbereitschaft der Beschwerdegegnerin zur Durchführung von
Eingliederungsmassnahmen verpflichtete, hat sie Bundesrecht verletzt. Die
Beschwerde ist gutzuheissen.

4. 
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

5. 
Die unterliegende Beschwerdegegnerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich vom 25. November 2016 wird aufgehoben und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons Zürich vom 12. August 2016 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Juni 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Die Gerichtsschreiberin: Huber

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