Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 583/2017
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_583/2017  
 
 
Urteil vom 3. Mai 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
sana24 AG, 
Weltpoststrasse 19, 3015 Bern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Advokat Martin Lutz, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 25. April 2017 (KV.2016.8). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1983 geborene A.________ ist bei der Sana24 AG obligatorisch
krankenpflegeversichert. Am 19. September 2014 bat das Spital B.________ beim
Krankenversicherer um nachträgliche Kostengutsprache für einen Teil des
anlässlich eines Aufenthalts vom 22. bis zum 24. September 2014 bei der
Versicherten durchgeführten operativen Eingriffs (Explantation rupturierter
Brustimplantate, partielle Kapsulektomie). Die Sana24 AG holte verschiedene
medizinische Unterlagen ein und stellte gestützt auf eine vertrauensärztliche
Beurteilung in Aussicht, das Leistungsbegehren abzuweisen. Daran hielt sie -
trotz zwei Wiedererwägungsgesuchen der Operateurin (Dr. med. C.________, FMH
Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie) und der Versicherten -
mit Verfügung vom 3. Mai 2016 sowie Einspracheentscheid vom 8. August 2016
fest. 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt gut und verpflichtete die Sana24 AG unter Aufhebung des
Einspracheentscheids zur Übernahme von Kosten in der Höhe von Fr. 4'600.35 für
den Spitalaufenthalt vom 22. bis zum 24. September 2014 im Spital B.________
sowie von Operationskosten in der Höhe von Fr. 2'120.- (Entscheid vom 25. April
2017). 
 
C.   
Die Sana24 AG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG
). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin im Rahmen der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die Entfernung der
Brustimplantate und der Reinigung des Gewebes sowie der Axilla
(Operationsbericht vom 23. September 2014).  
 
2.2. Laut den von der Vorinstanz zutreffend dargelegten Gesetzesbestimmungen
übernimmt die obligatorische Krankenversicherung unter anderem die Kosten für
die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer
Folgen dienen (Art. 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 KVG), sofern die Leistungen
wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind (Art. 32 Abs. 1 KVG). Als
Krankheit gilt jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder
psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalls ist und die eine
medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine
Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Art. 3 Abs. 1 ATSG). Richtig sind auch die
Ausführungen betreffend die Leistungspflicht des Krankenversicherers für Vor-
und Nachbehandlung sowie möglicherweise auftretende Komplikationen im Anschluss
an nichtpflichtige Massnahmen (vgl. RKUV 1999 Nr. KV 91 S. 457, K 69/98 E. 3b).
Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz stützte ihren Entscheid insbesondere auf den MRI-Bericht
vom 26. Mai 2014, die Berichte der Dr. med. C.________ (Berichte vom 19. März
2015, vom 20. April 2015, vom 7. Januar 2016 und vom 19. Juni 2016) sowie die
Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) in Bezug auf die Entfernung
von Brustimplantaten. Sie stellte gestützt darauf fest, bei der Versicherten
seien die Hüllen der Silikonprothesen beidseits rupturiert gewesen. Obwohl sich
ausserhalb der bindegewebigen Kapsel keine Silikongranulome hätten nachweisen
lassen, seien mehrere Lymphknoten in der rechten Axilla silikonhaltig gewesen.
Damit sei ein Austreten von Silikon in den Körper nachgewiesen, womit eine
ernsthafte gesundheitliche Gefährdung für die Versicherte bestanden habe. Das
kantonale Gericht führte weiter aus, damit liege ein selbständiger
Gesundheitsschaden bzw. ein Leiden mit Krankheitswert vor.  
 
3.2. Der Betrachtungsweise der Vorinstanz, welche in Einklang mit der
medizinischen Aktenlage, den Empfehlungen des BAG sowie der Literatur (vgl.
Stéphanie Perrenoud und Gillian Golay, Ästhetisch-chirurgische Eingriffe an der
Brust im Lichte der obligatorischen Krankenversicherung, in: CHSS 4/2012 S. 239
ff.) steht, ist beizupflichten. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern das
kantonale Gericht den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig
festgestellt oder anderweitig Bundesrecht verletzt haben soll (vgl. E. 1
hievor). Die Einwendungen in der Beschwerde ändern daran nichts:  
 
3.2.1. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin erschöpfen sich in weiten Teilen
in unzulässiger appellatorischer Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung
(vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266). Nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag
sie insbesondere aus der blossen Auflistung von Internetlinks zu einem
Wikipedia-Eintrag sowie zu einer Infoseite betreffend Brustvergrösserungen,
wonach sich der einstige Verdacht, Silikonimplantate könnten mit
Autoimmunerkrankungen oder Krebs in Zusammenhang stehen, nicht erhärtet hätte.
Die Beschwerdeführerin verkennt zweierlei: Zum einen vermögen derlei
Verweisungen auf beliebige Quellen im Internet die fachärztliche Meinung der
Dr. med. C.________ nicht ohne Weiteres zu entkräften. Zum anderen haben die
behandelnden Ärzte nie behauptet, die Versicherte leide an einer
Autoimmunkrankheit oder an einer Krebserkrankung bzw. sei der Gefahr einer
solchen Erkrankung ausgesetzt gewesen. Dr. med. C.________ hielt einen
operativen Eingriff primär aufgrund von Silikonablagerungen in den axillären
Lymphknoten mit unsicherem Langzeitverlauf sowie Schmerzen der Versicherten für
indiziert. Dass das kantonale Gericht diesen Ablagerungen Krankheitswert
zuerkannte, entspricht nicht nur der Meinung der Operateurin, sondern auch der
behandelnden Gynäkologin (Bericht von Dr. med. D.________, FMH Gynäkologie und
Geburtshilfe, vom 2. März 2016) und den Empfehlungen des BAG. Gemäss diesen
besteht bereits bei gerissenen oder sickernden Implantaten (d.h. ohne
zusätzliche Silikonablagerungen in die axillären Lymphknoten) eine Gefahr für
die Gesundheit der Frau und damit ein Krankheitswert im Sinne des KVG. Zwar
erfolgten diese Empfehlungen in Bezug auf Implantate der Firma Poly Implant
Prothèse (PIP). Allerdings wies das BAG ergänzend darauf hin, es bestünden
derzeit keine wissenschaftlichen Beweise, wonach Trägerinnen von
PIP-Implantaten einem höheren Risiko ausgesetzt seien als Trägerinnen anderer
Implantate. Wie die Vorinstanz richtig erwogen hat, kann offen bleiben, ob die
Versicherte Trägerin von PIP-Implantaten war.  
 
3.2.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet den vorinstanzlichen Schluss, die
Silikonablagerungen in den axillären Lymphknoten stellten eine ernsthafte
gesundheitliche Bedrohung für die Versicherte dar, mit der Begründung, solche
Ablagerungen seien "durchaus plausibel" "trotz bestehender Verkapselung".
Abgesehen davon, dass sie sich erneut mit blossen Hinweisen auf eine
Internetrecherche begnügt (vgl. dazu E. 3.2.1 hievor), lässt sie die
diesbezüglichen Ausführungen der Dr. med. C.________ ausser Acht. Diese teilte
zwar die in der Beschwerde (und auch von Dr. med. E.________ in der
vertrauensärztlichen Beurteilung vom 12. April 2016) vertretene Auffassung,
wonach sich häufig Silikonablagerungen in den Lymphknoten fänden. Dr. med.
C.________ schränkte derlei Funde aber nachvollziehbar auf die mikroskopische
Ebene ein. Bei der Versicherten konnten indessen Silikonablagerungen bereits im
Rahmen eines makroskopischen Tastbefunds festgestellt werden. Dass auch diese
zu ertastenden Ablagerungen entgegen der Beweiswürdigung des kantonalen
Gerichts keine Gefahr für die Gesundheit der Versicherten darstellt, legt die
Beschwerdeführerin nicht substanziiert dar. Es erübrigen sich Weiterungen dazu.
 
 
3.2.3. Entgegen der Beschwerde ist für die Frage nach dem Krankheitswert von
Silikonaustritt infolge rupturierter Brustimplantate unerheblich, ob es sich
bei den Implantaten um eine "lebenslange Vorrichtung" handelt oder nicht,
mithin diese häufig mit fortschreitendem Lebensalter entfernt bzw. ausgetauscht
werden müssen. Entscheidend ist einzig, ob eine Gesundheitsschädigung mit
Krankheitswert vorliegt (vgl. E. 2.2 hievor; RKUV 1997 Nr. K 987 S. 289, K 50/
99 E. 4b).  
 
4.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. Mai 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben